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Sudan: Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gefährden Volksabstimmung

Sicherheitskräfte für Missbrauch während Wahlen vom April 2010 zur Verantwortung ziehen

(Nairobi, 30. Juni 2010) - Sowohl nationale als auch südsudanesische Behörden sollen Untersuchungen über Menschenrechtsverletzungen im Umfeld der Wahlen vom April 2010 durchführen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Vor dem Hintergrund der geplanten Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Südsudans im Januar 2011 ist eine Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung der Vorgänge unerlässlich.

Der 32-seitige Bericht „Democracy on Hold: Rights Violations in the April 2010 Elections" dokumentiert zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, die im Zusammenhang mit den diesjährigen Wahlen verübt wurden. Die Vorfälle fanden in ganz Sudan statt, und es waren sowohl nord- als auch südsudanesische Behörden dafür verantwortlich. Im Nordsudan wurde unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Sicherheitskräfte der nord- und südsudanesischen Regierung waren in beiden Regionen für massive Einschüchterungen, willkürliche Verhaftungen sowie physische Gewalt gegen unabhängige Beobachter und Oppositionsvertreter verantwortlich. Der Bericht basiert auf Nachforschungen, die zwischen November 2009 und April 2010 in Khartum und im Südsudan durchgeführt wurden.

„Die nationalen Wahlen waren ein zentraler Bestandteil des Friedensabkommens von 2005 und sollten die Entwicklung im Sudan voranbringen", so Rona Peligal, Leiterin der Afrika-Abteilung von Human Rights Watch. „Doch wenn die Menschenrechtsverletzungen während der Wahlen unter den Teppich gekehrt werden, ist das kein gutes Zeichen für die Volksabstimmung im nächsten Januar."

Das umfassende Friedensabkommen von 2005 beendete den 22 Jahre dauernden Bürgerkrieg zwischen nord- und südsudanesischen Kräften. Es beinhaltet die Übereinkunft, nationale Wahlen sowie eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südsudans durchzuführen. Die südsudanesische Bevölkerung, von der 1,5 Millionen in Khartum und in anderen Gebieten im Norden des Landes leben, wird im Januar 2011 über die Abspaltung von den nördlichen Landesteilen abstimmen.

Human Rights Watch fordert die Regierung der Nationalen Einheit auf, die in dem Friedensabkommen vereinbarten Reformen durchzuführen, einschließlich einer Reform des nationalen Sicherheitsapparats. Gegenwärtig ermöglichen die Gesetze zur nationalen Sicherheit die kaum kontrollierte Durchführung von Zwangs- und Untersuchungsmaßnahmen, Festnahmen und Inhaftierungen. Entgegen dem Völkerrecht können Verdächtige ohne richterliche Kontrolle bis zu viereinhalb Monaten inhaftiert werden.

Nach den Ergebnissen von Human Rights Watch hat die Regierung der Nationalen Kongresspartei im Vorfeld der Wahlen die friedliche Versammlung von Oppositionsvertretern im Norden verhindert sowie das Recht auf Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit eingeschränkt. Während der Wahlwoche selbst wurden derartige Beschränkungen seltener verhängt. Allerdings wurden Aktivisten, Oppositionsvertreter und Wahlbeobachter in zahlreichen Fällen belästigt, bedroht und zum Teil willkürlich inhaftiert.

Im Südsudan wurden Gegner der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM, Sudan People's Liberation Movement) in zahlreichen Fällen bedroht, willkürlich festgenommen und inhaftiert sowie zum Teil misshandelt. Auch Wahlbeobachter und Wähler waren davon im Verlauf des Wahlprozesses betroffen.

Die Glaubwürdigkeit der Wahlen wurde zudem durch schwere Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe - beispielsweise mehrmalige Stimmabgabe, Fälschung von Stimmzetteln und andere Manipulationen - in Frage gestellt.

Am 26. April erklärte die Wahlkommission die Stimmauszählung für beendet und beide regierenden Parteien in ihrer jeweiligen Region zum Sieger. Der vom Internationalen Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesuchte Präsident der Nationalen Einheitsregierung, Omar al-Bashir, wurde in seinem Amt bestätigt.

In den Wochen nach den Wahlen beobachtete Human Rights Watch eine Verschlechterung der Menschenrechtslage im gesamten Sudan. Im Norden kam es zu weiteren Unterdrückungsmaßnahmen und im Süden zu gewalttätigen Ausschreitungen. Auch die Auseinandersetzungen in Darfur setzten sich fort.

Human Rights Watch fordert den Sudan auch dazu auf, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammen zu arbeiten, wie dies in der Resolution 1593 des UN-Sicherheitsrats verlangt wird.

„Die Wahlen hatten das Ziel, die Demokratie im Sudan zu stärken, doch sie haben das genaue Gegenteil bewirkt", so Peligal. „Durch den Wahlsieg wurden die Regierungsparteien, insbesondere im Norden, ermutigt, den Druck auf politische Gegner, Aktivisten und Journalisten zu erhöhen."

Nach den Wahlen kam es zu neuen Unterdrückungsmaßnahmen in Khartum. Am 15. Mai wurden verschiedene Journalisten sowie der Oppositionsvertreter Hassan al-Turabi festgenommen. In Darfur wurden Studenten inhaftiert, und die Wiedereinführung der Zensur vor der Drucklegung hat zum einstweiligen Verbot von insgesamt drei Zeitungen geführt.

Anfang Juni wurde eine friedliche Demonstration von sudanesischen Ärzten gewaltsam von Sicherheitskräften aufgelöst. Die Mediziner hatten für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen gestreikt. Sechs der festgenommenen Ärzte sind Ende Juni immer noch inhaftiert, ohne dass ein Gerichtsbeschluss gegen sie vorliegt. Zwei von ihnen wurden in der Haft von nationalen Sicherheitskräften misshandelt.

Schwelende Auseinandersetzungen zwischen der Regierungspartei und unabhängigen Kandidaten über den Wahlausgang mündeten im Süden des Landes in gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Kräften. Im Bundesstaat Jonglei etwa haben bewaffnete Kämpfer des erfolglosen Oppositionskandidaten General George Athor die südsudanesische Armee mehrmals in Kämpfe verwickelt. Wahlfälschungen und Bedrohungen während der Wahlen haben die Stimmung im Südsudan angeheizt.

In Darfur wurden die Wahlen von zahlreichen Bevölkerungsschichten boykottiert. Die sudanesische Regierung geht dort weiter mit Luft- als auch Bodenstreitkräften gegen Rebellengruppen und Zivilisten vor. Im Mai hatten diese Angriffe zu der höchsten Anzahl an Todesopfern in den letzten zwei Jahren geführt.

Der Bericht „Democracy on Hold" untersucht auch die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen während der Wahlen. Der Bericht zeigt, dass politische Überlegungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Friedensvertrags von 2005 und insbesondere mit der Durchführung von Wahlen dazu geführt haben, dass von vielen internationalen Akteuren nur zurückhaltend Kritik an der Menschenrechtsbilanz des Sudan geübt wurde.

„Die internationalen Partner des Sudan haben die Verantwortung, Druck auf die sudanesischen Behörden auszuüben, um die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen zu beenden", so Peligal. „Zurückhaltendes Schweigen von ihrer Seite wird sowohl die Durchführung einer friedlichen und glaubhaften Abstimmung als auch die vom Friedensvertrag vorgesehene demokratische Transformation gefährden."

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