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Die russische Regierung hat im Oktober und November 2006 gezielt Tausende in Russland lebende Georgier verhaftet und ausgewiesen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 78-seitige Bericht „Singled Out: Detention and Expulsion of Georgians“ dokumentiert, dass die russische Regierung teilweise auch legal im Land lebende Georgier willkürlich und gesetzeswidrig festgenommen und aus dem Land ausgewiesen hat.

„Laut Angaben der russischen Behörden zielten die Ausweisungen nicht speziell auf Georgier ab, sondern waren ein Bestandteil im Kampf gegen illegale Migration“, so Holly Cartner, Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „In Wirklichkeit war dies jedoch eine gut abgestimmte Kampagne, die von leitenden Regierungsbeamten überwacht wurde und bei der man gezielt während eines bestimmten Zeitraums gegen Georgier vorging.“

Am 27. September 2006 nahmen georgische Beamte vier russische Armeeoffiziere unter dem Vorwurf der Spionage fest. Diesem Vorfall gingen Monaten wachsender politischer Spannungen zwischen Russland und Georgien voraus. Georgien übergab die Offiziere am 2. Oktober der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). In den Tagen und Wochen nach diesem Ereignis gingen die russischen Behörden umfassend gegen Personen georgischer Abstammung, georgische Staatsbürger sowie Unternehmen und Organisationen vor, die entweder unter georgischer Leitung standen oder anderweitig mit Georgien zu tun hatten.

Russische Regierungsbehörden forderten die Polizei, die staatliche Migrationsbehörde, Gerichte und andere Behörden in schriftlichen Anweisungen auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um illegal in Russland lebende Georgier zu fassen und auszuweisen. Leitende Regierungsbeamte verunglimpften Georgier öffentlich im staatlichen Fernsehen, und viele regierungsfreundliche Fernsehkanäle sowie andere Medien schlossen sich diesem Vorgehen an.

Die Polizei und andere Behörden verweigerten zahlreichen Häftlingen ihre Grundrechte. Viele von ihnen durften sich weder an einen Anwalt noch an die georgische Botschaft wenden und wurden nur wenige Minuten lang verhört. Auch wurden viele Fälle gemeldet, in denen Georgier in extrem überfüllten Zellen und gelegentlich unter schrecklichen Haftbedingungen gefangen gehalten wurden. Zwei Georgier starben vor der Abschiebung in Haft.

„Human Rights Watch erkennt das staatliche Recht auf Bekämpfung illegaler Einwanderung an, aber dennoch hat jeder Migrant und somit auch jeder illegale Einwanderer Rechte, die einzuhalten sind“, so Holly Cartner.

In Russland leben schätzungsweise zwischen 13 und 20 Millionen Migranten, von denen die meisten Wirtschaftsflüchtlinge sind und aus Ländern stammen, die früher zur Sowjetunion gehörten. Eskalieren politische Spannungen zwischen Moskau und dem jeweiligen Heimatland, könnten die aus diesem Land stammenden Migranten Repressalien ausgesetzt werden.

„Es ist beunruhigend, dass die Regierung dazu bereit ist, im Rahmen ihrer außenpolitischen Taktik eine Volksgruppe auszuwählen und sie gezielt auszuweisen“, erklärt Holly Cartner. „Dies läßt darauf schließen, dass Russland auf das Leben von Menschen Einfluss nimmt, um außenpolitische Interessen zu verfolgen.“

Die Kampagne der russischen Regierung gegen Georgier fand statt, als in Russland Rassismus und Ausländerfeindlichkeit an der Tagesordnung waren. Besonders in Großstädten kommt es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen und Mordfällen, bei denen rassistische Motive im Vordergrund stehen. Zwar wurden die Täter in einigen Fällen festgenommen, dennoch hat die russische Regierung wenig zur Bekämpfung dieser gefährlichen Tendenz beigetragen. Rassismus zeigt sich auch in Form von Diskriminierung beispielsweise durch Arbeitgeber, Vermieter und Geschäftsinhaber sowie durch rassische Kriterien in der polizeilichen Verbrechensbekämpfung.

Die Kampagne gegen Georgier fand zeitgleich mit der Einführung neuer Migrationsrichtlinien durch die Regierung statt. Unter anderem wurde dabei die Besetzung bestimmter Positionen mit Ausländern auf russischen Märkten eingeschränkt. Die Behörden organisierten Razzien, um Migranten ausfindig zu machen, die ohne entsprechende Genehmigung im Land leben oder arbeiten. Am 15. September 2007 beteiligte die russische Migrationsbehörde Mitglieder der nationalistischen, regierungsfreundlichen Jugendgruppe Mestnye (Einheimische) daran, Migranten aufzuspüren und festzunehmen, die mutmaßlich illegal auf dem belebten Moskauer Markt Yaroslawskiy arbeiteten. Im Mai dieses Jahres führten Mestnye-Aktivisten Demonstrationen gegen die Botschaft von Estland an, nachdem Russland gegen das Entfernen eine sowjetisches Kriegsdenkmals in Estland protestiert hatte.

„Unter dem Deckmantel der Bekämpfung illegaler Immigration wendet die russische Regierung fragwürdige Praktiken an“, erklärt Holly Cartner. „Die EU und die Regierungen anderer Länder sollten darauf bestehen, dass in Russland nicht willkürlich gegen Migranten vorgegangen wird und deren Rechte stets zu achten sind.“

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