Gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik
Diskriminierung und Intoleranz
Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte
Menschenrechtsfragen in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten
- Deutschland
- Frankreich
- Griechenland
- Großbritannien
- Niederlande
- Italien
- Polen
- Spanien
Die EU hat den Schutz der Menschenrechte institutionell ausgebaut. Im Januar trat die Grundrechtecharta in Kraft, die Rolle des Europäischen Parlaments wurde gestärkt, und es wurde eine Kommissarin für Grundrechte eingesetzt. Die neue Kommissarin Viviane Reding versprach eine „Nulltoleranz”-Politik gegenüber EU-Mitgliedsstaaten, die Rechte der Charta verletzen.
Die Bereitschaft der Europäischen Kommission, Mitgliedsstaaten für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen, deutet sich in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen das griechische Asylsystem an. Auch rügte die Kommission Frankreich öffentlich für die Abschiebung von Roma. Dabei betonte sie die Bedeutung von Verfahrensgarantien stärker als die Nicht-Diskriminierungsverpflichtungen der EU-Mitgliedsstaaten, wenn sie die Freizügigkeit von EU-Bürgern einschränken.
Gleichzeitig bleibt der umfassende Schutz der Menschenrechte in der EU eine große Herausforderung. Problematisch ist einerseits die zunehmende Intoleranz, die sich in Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien, auch in Regierungskoalitionen, und in politischen Maßnahmen gegen Roma, Muslime und Migranten manifestierte. Andererseits ergreifen viele EU-Mitgliedsstaaten im Namen der Terrorismusbekämpfung weiterhin Maßnahmen, durch die die Menschenrechte verletzt werden, der Zugang zu Asyl ist vielerorts mangelhaft und der Schutz vor Diskriminierung uneinheitlich.
Gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik
Die Bemühungen, die Asylsysteme innerhalb der EU zu reformieren und zu harmonisieren, stagnieren. Studien des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) im März und der Europäischen Kommission im September konstatieren, dass in der EU signifikante Unterschiede und Defizite im Umgang mit Asylanträgen bestehen.
2009 gelangten etwa Dreiviertel aller irregulärer Migranten über Griechenland in die EU. Erste Schätzungen für 2010 deuten darauf hin, dass diese Zahlen weiter steigen. Dagegen erreichten deutlich weniger Personen die EU 2010 auf dem Seeweg. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex berichtet einen Rückgang um 75 Prozent in der ersten Jahreshälfte. Im ersten Viertel des Jahres kamen nur 150 Personen in Italien und Malta an, im Unterschied zu 5.200 im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Die Einreise auf dem Seeweg nach Spanien ging ebenfalls stark zurück.
Die Dublin-II-Bestimmungen, nach denen Asylanträge im Eingangsland in die EU gestellt werden müssen, erhöhen die Belastung für das griechische Asylsystem, das ohnehin erhebliche Defizite aufweist (siehe unten). Dennoch treffen bescheidene Reformbemühungen der Europäischen Kommission auf starken Widerstand einiger Mitgliedsstaaten.
Mitte 2010 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits die Aussetzung von mehr als 750 „Dublin”-Abschiebungen nach Griechenland gefordert. Tausende weitere Verfahren sind anhängig oder werden auf nationaler Ebene blockiert. Im September setzte Großbritannien alle „Dublin”-Abschiebungen nach Griechenland aus. Bis zum frühen November folgten ihm die Niederlande, Belgien, Finnland und Schweden sowie die Nicht-Mitgliedsstaaten Island und Norwegen.
Im September hörte der EGMR die Beschwerde eines afghanischen Staatsbürgers gegen die „Dublin”-Politik an. Er wurde aus Belgien nach Griechenland abgeschoben und gab an, dort misshandelt worden zu sein. Weiterhin sieht er sich der Gefahr ausgesetzt, ohne ordentliche Überprüfung seines Asylanspruchs nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Die Entscheidung des Gerichts steht noch aus.
Der im Mai verabschiedete Aktionsplan der Europäischen Kommission zu unbegleiteten minderjährigen Migranten fordert einheitliche Lösungen für die gesamte EU, in denen das Kindeswohl im Vordergrund steht.
Dennoch planen Großbritannien und andere EU-Staaten (sowie Norwegen), unbegleitete Kinder in einem neuen Aufnahmezentrum in Kabul zu repatriieren. Die Sicherheitslage vor Ort ist bedenklich und ausreichender Schutz fehlt.
Dutzende abgewiesene Asylsuchende wurden in mindestens drei Flügen zwischen April und September in den Irak abgeschoben, obwohl UNHCR diese Praxis rügte. Frontex koordinierte mindestens einen der Charterflüge. Großbritannien und die Niederlande beteiligten sich an den gemeinsamen Abschiebungen und organisierten eigene Flüge. Nach einer Intervention des EGMR sagten die Niederlande zu, diese Abschiebungen zu stoppen. Großbritannien gab bekannt, dass es die Rückführungen aussetzen würde, wenn der EGMR es dazu auffordere.
Im April wurden neue Richtlinien für Frontex-Operationen auf See verabschiedet. Diese verbieten, Personen in Länder abzuschieben, in denen ihnen Verfolgung droht, und verpflichten die Grenzschutzagentur, die Bedürfnisse verletzlicher Gruppen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen insbesondere Asylsuchende, Kinder und Überlebende von Menschenhandel.
In Folge der neuen Richtlinien beteiligt sich Malta seit März nicht mehr an Frontex-Missionen. Es wandte sich so gegen die Vorschrift, Personen, die auf Hoher See gerettet werden, in das Gastland der Frontex-Mission statt zum nächstgelegenen Hafen zu bringen. Allerdings beteiligte sich Malta im Juli an einer fragwürdigen gemeinsamen Rettungsoperation mit Libyen. In deren Zuge wurden einige somalische Migranten nach Libyen zurückgeführt, andere nach Malta gebracht.
Im September bewilligte das Europäische Parlament ein EU-Rückübernahmeabkommen mit Pakistan, obwohl erhebliche menschenrechtliche Bedenken bestehen. Vor allem steht das Abkommen in der Kritik, weil es die Rückführung von afghanischen Migranten erleichtern könnte, die Pakistan durchreisen.
Im Oktober unterschrieb die Europäische Kommission ein Kooperationsabkommen mit Libyen, das finanzielle Unterstützung in Höhe von 50 Millionen Euro für Grenzmanagement und Flüchtlingsschutz vorsieht, obwohl im Juni das UNHCR-Büro in Tripolis zwangsweise geschossen worden war.
Diskriminierung und Intoleranz
Die Roma, Europas größte Minderheit, leiden in der ganzen Region weiterhin unter Diskriminierung und extremer Armut. Im Vorfeld des zweiten EU-Roma-Gipfels verabschiedete die Europäische Kommission im April erstmals eine Mitteilung zu Roma. Sie mahnt effektivere Maßnahmen gegen die vielfältigen Ursachen der Marginalisierung von Roma an. Entgegen der UNHCR-Richtlinien setzten EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere Deutschland, die Rückführung von Roma in den Kosovo fort. Frankreich plant die Abschiebung von Roma nach Osteuropa.
Forderungen, das Tragen von Gesichtsschleiern in Europa einzuschränken, gewannen 2010 an politischem Gewicht, obwohl derartige Maßnahmen in die Religionsfreiheit und die persönliche Autonomie eingreifen. Das französische Parlament verabschiedete im September ein Gesetz, das Gesichtsschleier an öffentlichen Orten verbietet und kriminalisiert, Frauen zur Vollverschleierung zu zwingen. Der Verfassungsrat entschied Anfang Oktober, dass das Gesetz mit der französischen Verfassung vereinbar ist.
Das belgische Unterhaus beschloss im Mai ein ähnliches Gesetz, dessen Prüfung durch den Senat zurzeit noch aussteht. In den Niederlanden wurde ein Verschleierungsverbot im September in die Koalitionsvereinbarungen aufgenommen. Ähnliche Gesetzesinitiativen existieren in Spanien, Italien und Dänemark.
Im Mai entschieden sich die deutschen Innenminister gegen ein Verbot. Allerdings wurden bestehende staatliche Beschränkungen von Kopftüchern bei Lehrerinnen und Beamten im Mai 2009 als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft. In seinem „Kopftuchurteil” bestätigte das Bundesarbeitsgericht das Kopftuchverbot gegen eine Lehrerin in Nordrhein-Westfalen.
Deutschland und andere EU-Staaten blockierten Bestrebungen, die Antidiskriminierungsgesetze der EU um Verbote von Diskriminierung auf Grund von Religion, Alter, Beeinträchtigung und sexueller Orientierung zu erweitern. Nationale Hürden bei der Beseitigung von Diskriminierung gegen Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender bestehen ebenfalls weiter. Beispielsweise können Transgender ihr Geschlecht in den Niederlanden nur dann offiziell ändern, wenn sie eine irreversible, operative Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen. In Italien gibt es immer noch keinen expliziten Schutz vor Diskriminierung auf Grund der sexuellen Orientierung.
Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte
Die UN-Sonderberichterstatter über Folter und für die Verteidigung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus kamen im Februar in einem gemeinsamen Bericht zu dem Ergebnis, dass Deutschland (ein Fall, 2002) und Großbritannien (mehrere Fälle seit 2002) an der geheimen Inhaftierung von Terrorverdächtigen beteiligt waren. Im Juni kritisierte der Kommissar für Menschenrechte des Europarats, dass Polen, Rumänien und Schweden immer noch nicht die volle Verantwortung für ihre Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen der USA übernehmen. Im Januar wurden in Litauen Ermittlungen aufgenommen. Deren Grundlage bilden die Ergebnisse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der im Dezember 2009 festgestellt hatte, dass die CIA seit 2005 und 2006 im Land zwei Geheimgefängnisse unterhielt.
Ehemalige Insassen des Guantanamo-Bay-Gefängnisses wurden auch 2010 von Mitgliedsstaaten der EU aufgenommen. Zwischen Januar und September kamen zehn Gefangene in EU-Staaten, jeweils drei nach Spanien und in die Slowakei, zwei nach Deutschland, einer nach Bulgarien und einer nach Lettland. Italien und Spanien sagten zu, je zwei weitere aufzunehmen.
Im Rahmen des Aktionsplans gegen Radikalisierung und Anwerbung für den Terrorismus beschloss der Rat der EU im April, systematisch Informationen über Radikalisierung zu sammeln und auszutauschen. Diese Maßnahmen gefährden möglicherweise das Recht auf Privatsphäre.
Im September annullierte das Gericht der Europäischen Union (EuG) eine Verordnung der Europäischen Kommission über Terrorismusfinanzierung vom November 2008. Sie sollte das Auslandsvermögen des saudischen Staatsbürgers Yassin Abdullah Kadi einfrieren. Auch dieses zweite EuG-Urteil gegen das Einfrieren der Anlagen erging auf Grund mangelhafter Verfahrensgerechtigkeit.
Menschenrechtsfragen in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten
Deutschland
Im Februar stellte der UN-Sonderberichterstatter über Rassismus anhaltenden Rassismus und Xenophobie gegenüber sowie Diskriminierung von Asylsuchenden fest. Er wies auf die mangelhafte Unterbringung, den defizitären Zugang zu Beschäftigung und Bildung, die schlechten Lebensbedingungen und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für diese Personengruppe hin.
Die Große Kammer des EGMR entschied im Juni, dass Deutschland das Verbot der Misshandlung verletzt hat, als es einen - später beförderten - stellvertretenden Polizeipräsidenten und seinen Untergebenen lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. Die Angeklagten hatten 2002 einem Entführer Folter angedroht. Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass eine Geldstrafe nicht im erforderlichen Maße abschreckend wirkt.
In einem Urteil, das im Mai rechtskräftig wurde, entschied der EGMR, dass das deutsche Gesetz über die „Sicherungsverwahrung” das Recht auf Freiheit und das Verbot willkürlicher Inhaftierung verletzt. Es ermöglicht, als gefährlich eingestufte Gefangene auf unbegrenzte Zeit festzuhalten, nachdem diese ihre Haftstrafe verbüßt haben.
Im Juli hob Deutschland die Einschränkungen in der Anwendung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes auf. Diese betrafen insbesondere asylsuchende Kinder. Deutsche Menschenrechtsorganisationen fordern die Regierung nun auf, auch die tatsächliche Behandlung von unbegleiteten, minderjährigen Migranten in Übereinstimmung mit der Konvention zu bringen. Vor allem sollen sie nicht mehr mit Erwachsenen zusammen untergebracht und die Abschiebehaft für Migranten, die zwischen 16 und 18 Jahre alt sind, abgeschafft werden.
Frankreich
Im Juli initiierte die Regierung eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Ausweisung von Roma aus Frankreich. Diese schloss an Unruhen im selben Monat an, bei denen ein Mitglied der französischen Gens Du Voyage („Reisende”) von einem Gendarm erschossen wurde (gegen den nun ermittelt wird). Bis Ende August wurden 128 inoffizielle Roma-Siedlungen geräumt - auch solche, die von Gens Du Voyage bewohnt wurden. Knapp 1.000 Roma wurden nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben. Eine Anweisung des Innenministers vom 5. August, die Anfang September an die Öffentlichkeit gelangte und daraufhin zurückgezogen wurde, hielt Bürgermeister dazu an, systematisch gegen illegale Lager, insbesondere Roma-Siedlungen, vorzugehen und diese zu räumen. Diese Anweisung steht in engem Zusammenhang mit den Ausweisungen und verdeutlicht deren diskriminierende Absicht.
Nachdem die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen mangelhafter Implementierung des EU-Freizügigkeitsrechts angedroht hatte, willigte Frankreich ein, die Verfahrensgarantien zu verbessern. Konkrete Änderungen sind derzeit noch nicht vorgenommen worden.
Nach Untersuchungen in Frankreich im August äußerte das UN-Komitee zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung den Verdacht, dass Massenabschiebungen stattfinden. Darüber hinaus kritisierte es, dass Roma und französische Gens Du Voyage bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, insbesondere beim Zugang zu Bildung und anständigen Unterkünften, mit massiven Problemen konfrontiert sind. Das Komitee zeigte sich auch besorgt über den diskriminierenden politischen Diskurs in Frankreich und die Zunahme rassistischer und xenophober Gewalt.
Die Nationalversammlung stimmte im Oktober für einen Gesetzesentwurf der Regierung, der die Rechte von Asylsuchenden und Migranten schwächt. Damit missachtete sie die Kritik über mangelhaften Schutz in Asyl-Schnellverfahren, die das UN-Komitee gegen Folter im Mai und der EGMR 2009 geäußert hatten. Der Senat wird das Gesetz im Frühjahr 2011 diskutieren.
Der Gesetzesentwurf enthält auch kurzfristige Änderungen der Regierung, die darauf abzielen, eine breitere Grundlage für die Ausweisung von EU-Bürgern zu schaffen. Als Ausweisungsgründe sind etwa der „Missbrauch” des französischen Wohlfahrtssystems, Ausbeutung von Bettelei und „missbräuchliche” Besetzung von Land vorgesehen. Darauf, dass sie auf Roma abzielen, deuten der Zeitpunkt, zu dem diese Änderungen eingebracht wurden, ihre Schwerpunkte und auch Äußerungen von Regierungsvertretern hin.
Ende Dezember 2009 wiesen französische Behörden aus Gründen der nationalen Sicherheit einen tunesischen Mann in den Senegal aus. Zuvor hatte der EGMR angeordnet, seine Abschiebung auszusetzen. Früher im selben Monat entschied das Gericht, dass Frankreich seine Verpflichtungen unter der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt, wenn es einen algerischen Mann abschiebt, der nach einer Terrorismusanklage sechs Jahre in Frankreich inhaftiert war. Frankreich akzeptierte diese Entscheidung.
Im Juli erklärte der Verfassungsrat den mangelhaften Schutz in gewöhnlichen Kriminalverfahren für verfassungswidrig, unter anderen das Verbot der Anwesenheit eines Anwalts in Verhören. Im Oktober legte die Regierung einen Gesetzesentwurf zur Reform des Polizeigewahrsams vor; eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Im Oktober entschied der EGMR, dass die gegenwärtigen Regelungen Standards für faire Verfahren verletzen. Ebenfalls im Oktober entschied das Kassationsgericht, das höchste Strafgericht, dass geringere Schutzmechanismen in Fällen von Terrorismus, organisiertem Verbrechen und Drogenhandel das Recht auf eine wirksame Verteidigung verletzen. Der aktuelle Gesetzesentwurf bezieht diese Gesichtspunkte nicht ein.
Griechenland
Im September bezeichnete UNHCR die Situation von Migranten und Asylsuchenden in Griechenland als „humanitäre Krise”. Es gab keine konkreten Verbesserungen, obwohl die Regierung wiederholt zusagte, das defekte Asylsystem zu reformieren, Beschwerderechte wiederherzustellen, Migranten menschenwürdig zu behandeln und die Polizei für Misshandlungen zur Verantwortung zu ziehen.
Ein Erlass des Präsidenten über moderate Reformen, der sich auch mit dem Bearbeitungsrückstand von mehr als 46.000 Fällen befasste, wurde bislang nicht umgesetzt, teilweise wegen der griechischen Haushaltskrise. Nur 11 von 30.000 Asylanträgen (0,04 Prozent) wurden 2009 in erster Instanz bewilligt. Umfangreiche Reformen wurden auf 2011 oder später verschoben.
Die Europäische Kommission setzte das Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland fort, weil es verbindliche EU-Asylrichtlinien verletzt. Am 24. Juni erhielt die Regierung ein zweites Mahnschreiben. Auf eine Anfrage Griechenlands stationierte Frontex im November 175 Grenzschützer an der griechisch-türkischen Grenze.
Die Haftbedingungen für Migranten und Asylsuchende liegen weiterhin unter internationalen Standards. Unbegleitete Kinder und Angehörige anderer verletzlicher Gruppen erhalten wenig oder keine Unterstützung. Viele von ihnen leben in Armut oder auf der Straße. Sie laufen Gefahr, Opfer von Ausbeutung oder Menschenhandel zu werden. Nach einem Besuch im Oktober bezeichnete der UN-Sonderberichterstatter über Folter die Bedingungen in vielen Hafteinrichtungen für Migranten als unmenschlich und entwürdigend.
Gewalt bewaffneter oppositioneller Gruppen sowie Streiks und Demonstrationen kennzeichneten ein Jahr zunehmender wirtschaftlicher Krise und Sparmaßnahmen in Griechenland. Es wurden zahlreiche Bombenanschläge gegen öffentliche Gebäude verübt, bei denen im März ein Unbeteiligter und im Juni ein Assistent des Ministers für Bürgerschutz starben. Andere Anschläge verursachten strukturelle Schäden. Im November fing die Polizei in Griechenland und anderen Staaten mehr als ein Dutzend Briefbomben ab, die an ausländische Botschaften in Athen, das griechische Parlament, das Staatsoberhaupt und andere Institutionen in Europa adressiert waren.
Im Oktober wurde ein Polizist zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte während einer Demonstration in Athen im Dezember 2008 einen 15-jährigen Jungen vorsätzlich erschossen. Landesweite Unruhen folgten auf den Vorfall. Ein anderer Polizist wurde wegen Mittäterschaft zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Im Mai veröffentlichte der Europäische Ausschuss für soziale Rechte seine Schlussfolgerungen von Dezember 2009. In ihnen kritisiert er, dass Roma landesweit beim Zugang zu Wohnraum diskriminiert werden. Bereits 2004 hatte der Ausschuss Griechenland gerügt.
Großbritannien
Die Parlamentswahlen im Mai führten zu einer Koalition zwischen der konservativen und der liberaldemokratischen Partei, der ersten Koalitionsregierung in Großbritannien seit 1945. Im Juli veröffentlichte die neue Regierung erstmals Richtlinien für Geheimdienstmitarbeiter über Verhöre von Häftlingen im Ausland. Darüber hinaus kündigte sie eine von Richtern geleitete Untersuchung über die Beteiligung des britischen Geheimdiensts an Folter an. Das genaue Mandat der Untersuchungskommission ist zurzeit noch nicht öffentlich. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sie ihre Arbeit aufnimmt, bevor alle laufenden Ermittlungen gegen britische Agenten abgeschlossen sind, denen Folter im Ausland vorgeworfen wird. Im November gab der britische Oberstaatsanwalt bekannt, dass nicht genügend Beweise für die Verurteilung eines Agenten des Inlandsgeheimdienstes (MI5) vorliegen, dem die Misshandlung von Binyam Mohamed zur Last gelegt wird. Im selben Monat kündigte die Regierung an, ehemaligen Guantanamo-Häftlingen Schadensersatz zu zahlen. Auf diesem Weg sollen Zivilprozesse beigelegt und die Offenlegung von Geheimakten verhindert werden, ohne dass britische Behörden öffentlich die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen übernehmen.
Die neuen Richtlinien über Verhöre im Ausland sind nicht geeignet, menschenrechtliche Bedenken zu zerstreuen. Sie gestehen Geheimdienstmitarbeitern einen großen Ermessensspielraum zu und überlassen offenbar Ministern die Entscheidung, ob die Menschenrechte verletzende Verhörmethoden angewendet werden dürfen. Weiterhin sollen Zusicherungen die Folter- und Misshandlungsgefahren eindämmen, obwohl es sich bei ihnen um unzuverlässige Mittel handelt.
Die Kommission für Gleichstellung und Menschenrechte kündigte im September an, dass sie die Richtlinien gerichtlich überprüfen lassen wird, sollte die Regierung sie nicht überarbeiten. Auch Anwälte von Zivilisten, die von britischen Streitkräften im Irak festgehalten und mutmaßlich gefoltert worden waren, drohten, juristische Schritte einzuleiten. Sie kritisieren, dass die Richtlinien nicht explizit verbieten, Gefangenen mit Kapuzen die Sicht zu nehmen. Diese Praxis stand im Zentrum der Untersuchung zum Tod des Hotelrezeptionisten Baha Mousa, der 2003 in britischer Gefangenschaft in Basra starb. Die Anhörungen zu diesem Fall wurden im Oktober beendet, ein Abschlussbericht liegt derzeit noch nicht vor.
Im Zuge einer Zivilklage von sechs ehemaligen Guantanamo-Häftlingen gegen die britische Regierung ordnete der High Court die Veröffentlichung von Geheimdokumenten an. Diese wurden im Juli und September in stark redigierten Fassungen publiziert. Sie beweisen, dass die Regierung bereits im Januar 2002 Kenntnis davon hatte, dass britischen Staatsbürger n in US-Gewahrsam Folter-Vorwürfe erhoben hatten. Dennoch sprach sie sich nicht dagegen aus, britische Staatsangehörige nach Guantanamo zu überstellen. Darüber hinaus enthalten die Dokumente eine Anordnung an Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes aus dem Jahr 2002, nach der sie, sollten sie die „Misshandlung” von Gefangenen anderer Staaten beobachten, „gesetzlich nicht dazu verpflichtet” seien, „einzugreifen oder entsprechenden Handlungen vorzubeugen”.
Im Juli prüfte das Innenministerium einige stark kritisierte Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung, insbesondere Kontrollverfügungen, die verlängerte Inhaftierung vor der Anklageerhebung, das Festhalten und Durchsuchen von Personen, ohne dass ein konkretes Verdachtsmoment vorliegt, und das Ausweisen von Personen gegen die Zusicherung, ihnen werde nichts geschehen. Derzeit hat die Regierung dem Parlament noch keine Reformvorschläge vorgelegt. Im Juli setzte die Regierung die Befugnis außer Kraft, Personen im Rahmen von Anti-Terror-Maßnahmen willkürlich anzuhalten und zu durchsuchen. Sie reagierte damit auf eine Einschätzung des EGMR, dass diese Befugnis die Privatsphäre verletzt, zu weit gefasst ist und nicht ausreichend Schutz vor Missbrauch bietet.
Trotz des laufenden Überprüfungsverfahrens des Innenministeriums beinhaltet das Übereinkommen der Koalitionsregierung die Verwendung von diplomatischen Zusicherungen bei der Abschiebung von Terrorverdächtigen.
Im Mai verhinderte die Widerspruchsinstanz für Einwanderungsangelegenheiten (Special Immigration Appeals Commission - SIAC) die Abschiebung von zwei pakistanischen Terrorismusverdächtigen nach Pakistan, die auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen erfolgen sollte. Im Juli leiteten die USA ein Auslieferungsverfahren gegen einen der Verdächtigen ein. Das Verfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Im September entschied die SIAC, dass ein äthiopischer Terrorverdächtiger nach Äthiopien abgeschoben werden darf, obwohl ihm dort Folter droht. In diesem Fall wurde erstmals ein Übereinkommen zwischen Großbritannien und Äthiopien aus dem Jahr 2008 herangezogen. Ein Berufungsverfahren läuft derzeit.
Im Juni bestätigte der High Court ein Abschiebemoratorium von Terrorverdächtigen in eine Einrichtung des nationalen Direktorats für Sicherheit in Kabul, das nach Foltervorwürfen erlassen wurde. Im März hatte der EGMR entschieden, dass Großbritannien die Rechte von zwei irakischen Staatsbürgern verletzt hat, indem es sie im Dezember 2008 aus britischem Militärgewahrsam in Basra an irakische Behörden überstellte. Das Gericht gab der Berufung der Regierung im Oktober nicht statt.
Der Premierminister entschuldigte sich im Juni öffentlich für die „ungerechtfertigte und nicht zu rechtfertigende” Erschießung von 14 unbewaffneten Demonstranten 1972 in Nordirland durch britische Soldaten. Kurz zuvor war der lange erwartete Bericht der „Bloody Sunday”-Untersuchungskommission veröffentlicht worden. Die zwölf Jahre andauernden Ermittlungen kamen zu dem Ergebnis, dass die Soldaten nicht bedroht wurden und keinerlei Warnung abgaben, bevor sie das Feuer eröffneten.
Im Oktober starb ein Mann aus Angola, als er von privaten Sicherheitskräften, die für das Innenministerium arbeiteten, abgeschoben wurde. Daraufhin leitete der Innenausschuss des Parlaments eine Untersuchung über Zwangsmaßnahmen ein, die bei solchen Abschiebungen angewendet werden. Eine strafrechtliche Untersuchung über den Todesfall läuft derzeit.
Obwohl die Regierung im Mai zugesagt hatte, diese Praxis zu beenden, werden Kinder weiterhin in Immigrationszentren festgehalten. Asylgesuche von Frauen, auch von Überlebenden sexueller Gewalt in Pakistan, Sierra Leone und Uganda, werden weiterhin im Schnellverfahren bearbeitet, während die Betreffenden sich in Haft befinden. Dieses Vorgehen ist bei so komplexen Fällen nicht angemessen.
Das Oberste Gericht entschied im Juli, dass zwei homosexuelle Asylsuchende aus dem Iran und aus Kamerun nicht mit der Begründung ausgewiesen werden dürfen, sie hätten ihre sexuelle Orientierung in ihren Herkunftsländern verbergen können. Das Innenministerium kündigte daraufhin neue Regeln an, um Abschiebungen in Länder zu verhindern, in denen den Betreffenden Verfolgung auf Grund ihrer sexuellen Orientierung und ihres sexuellen Selbstverständnisses droht.
Italien
Rassistische und xenophobe Gewalt sowie ein feindseliger politischer Diskurs sind weiterhin schwerwiegende Probleme. Innerhalb von drei Tagen wurden im Januar elf afrikanische Saison-Wanderarbeiter durch Schüsse aus einem vorbeifahrenden Auto und Massenangriffe in Rosarno in Kalabrien schwer verletzt. Mindestens zehn andere Migranten, zehn Polizeibeamte und 14 Anwohner mussten ärztlich behandelt werden. Infolge der Gewalt verließen mehr als 1.000 Migranten die Stadt, die meisten wurden von der Polizei evakuiert. Im Rahmen des allgemeinen Staatenüberprüfungsverfahrens (Universal Periodic Review, UPR) im UN-Menschenrechtsrat im Februar zeigten sich zahlreiche Länder besorgt über Rassismus und Xenophobie in Italien.
Roma und Sinti leiden im hohen Maße unter Diskriminierung, Armut und schlechten Lebensbedingungen sowohl in staatlich anerkannten als auch in illegalen Camps. Osteuropäische Roma, die hauptsächlich aus Rumänien stammen und in illegalen Siedlungen leben, erleiden Zwangsräumungen und sollen mit finanziellen Anreizen dazu bewegt werden, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.
Italien deportiert weiterhin Terrorverdächtige nach Tunesien, etwa Mohamed Mannai im Mai. Damit ignorierte die Regierung, dass dort die Gefahr von Misshandlung besteht, der EGMR wiederholt eingriff und der Europarat das Vorgehen verurteilte. In einer im Juni veröffentlichten Resolution erinnert dessen Ministerkomitee Italien nachdrücklich an seine Verpflichtung, EGMR-Urteile zu befolgen.
Migranten, die Italien auf dem Seeweg erreichen wollen, werden abgefangen und nach Libyen abgeschoben, ohne dass ihr Anspruch auf internationalen Schutz überprüft wird. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter stellte im April in einem Bericht fest, dass Italien mit diesem Vorgehen das Refoulement-Verbot verletzt. Zwei italienische Beamte wurden vor einem sizilianischen Gericht verklagt, weil sie an der Rückführung von 75 Personen nach Libyen auf einem Schiff der italienischen Finanzpolizei im August 2009 beteiligt waren.
Italien versäumte es, etwa einem Dutzend eritreischer Staatsbürger Asyl anzubieten, die 2009 zwangsweise nach Libyen zurückgeführt worden waren. Dort sind sie neben Hunderten anderen Personen aus Eritrea Misshandlung, unmenschlichen Haftbedingungen und der Gefahr einer Abschiebung in ihr Heimatland ausgesetzt.
Im Mai hob ein Berufungsgericht in Genua die Freisprüche einer niedrigeren Instanz auf und verurteilte 25 von 29 Polizeibeamten wegen Gewalt gegen Demonstranten beim G8-Gipfel 2001. Der Innenminister erklärte, er werde die Beamten nicht suspendieren. Berufungsverfahren gegen die Verurteilungen sind derzeit anhängig.
Niederlande
Die immigrationsfeindliche Freiheitspartei wurde bei den Wahlen im Juni drittstärkste Kraft und erlange 24 Sitze im Parlament. Nach monatelangen Verhandlungen gaben die liberale Partei und die Christdemokraten die Bildung einer Mitte-Rechts-Koalition bekannt, die auf die Unterstützung der Freiheitspartei angewiesen ist.
Deren Kopf Geert Wilders musste sich im Oktober vor Gericht verantworten. Ihm wurde Anstachelung zu Diskriminierung und Hass gegen Muslime, nicht-westliche Immigranten, insbesondere Marokkaner, sowie Diffamierung von Anhängern des Islams vorgeworfen. Später im selben Monat wurden neue Richter berufen, nachdem Wilders dem Gericht Voreingenommenheit vorgeworfen hatte. Das Verfahren schwebt derzeit.
Im Juni verlängerten neue Richtlinien das beschleunigte Asylverfahren von 48 Stunden auf acht Tage, gleichzeitig wurde es zum Standardverfahren erklärt. Dies geschah ungeachtet nationaler und internationaler Kritik daran, dass acht Tage für angemessene Untersuchungen nicht ausreichen, insbesondere in komplizierten Fällen und solchen, die Angehörige besonders gefährdeter Gruppen betreffen. Im Februar bezeichnete der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau das beschleunigte Verfahren als ungeeignet für weibliche Opfer von Gewaltverbrechen und unbegleitete Kinder. Es forderte die Regierung auf, häusliche Gewalt und Verfolgung auf Grund des Geschlechts formell als Asylgründe anzuerkennen.
Der EGMR entschied im Juli, dass die Abschiebung eines libyschen Mannes in sein Heimatland, das Verbot verletzt, Personen in Länder zurückzuführen, in denen ihnen Folter droht. Der Mann war 2003 vom Verdacht des Terrorismus freigesprochen worden.
Auf der Grundlage einer im Juli verkündeten neuen Verfahrensweise wurde im September ein somalischer Staatsbürger ausgewiesen. Dessen Asylgesuch war in Mogadischu abgelehnt worden. Das Vorgehen der niederländischen Regierung widerspricht den UNHCR-Richtlinien, die von Abschiebungen nach Süd- und Zentral-Somalia abraten.
Polen
Offizielle Flugprotokolle, die zwei nationale Menschenrechtsgruppen im Februar erhalten haben, bestätigen, dass mindestens sechs Überstellungsflüge der CIA 2003 in Polen landeten. Seit 2008 läuft eine Untersuchung über die Beteiligung Polens an einem Geheimgefängnis der CIA. In ihrem Zusammenhang veröffentlichte Berichte deuten darauf hin, dass der Staatsanwalt erwägt hat, den ehemaligen Präsidenten Aleksander Kwasniewski und andere ehemalige Amtsträger wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Im September kündigte die Staatsanwaltschaft an, dass die Untersuchung auch dem Vorwurf der Internierung und Folter eines saudischen Staatsbürgers nachgehen wird, der sich in Polen in CIA-Gewahrsam befand.
Diskriminierungen auf Grund der Rasse, des Geschlechts und der sexuellen Identität sind weiterhin ernsthafte Probleme. Im Juni kritisierte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats, dass es Polen bislang nicht gelungen ist, in angemessener Weise dagegen vorzugehen, dass Roma und Menschen ohne polnische Staatsbürgerschaft beim Zugang zu Bildung, Wohnraum, Arbeit und zum Gesundheitswesen diskriminiert werden. Im Mai verwies die Kommission Polen an den Europäischen Gerichtshof, da es die EU-Richtlinie über die Rassengleichheit nicht implementiert hat. Zurzeit steht die endgültige Zustimmung des Parlaments zu einem Anti-Diskriminierungsgesetz noch aus, das im Januar 2011 in Kraft treten soll. Eine Koalition aus 40 Menschenrechtsgruppen kritisierte den Gesetzesentwurf, weil er keinen Schutz vor Diskriminierung auf Grund von sexueller Orientierung, Behinderung, Alter oder Religionszugehörigkeit in zahlreichen Bereichen oder gegen Diskriminierung auf Grund des Geschlechts im Bildungswesen vorsieht.
In Warschau fand im Juli eine wegweisende Veranstaltung für die Rechte Homosexueller statt. Die erste EuroPride-Gleichheitsparade in einem Staat des ehemaligen Ostblocks verlief friedlich, obwohl es starke Widerstände gegen sie gab. Im Dezember 2009 hatte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte die Diskriminierung von lesbischen und schwulen Personen, Bisexuellen und Transgender in Polen kritisiert. Der EGMR entschied im März, dass Polen gleichgeschlechtliche Paare ungerechtfertigt diskriminiert, indem es ihnen nicht den gleichen Schutz in Bezug auf Unterkunft und Erbschaftsrechte wie unverheirateten heterosexuellen Paaren gewährt.
In einem im Mai veröffentlichten Bericht rügte der UN-Sonderberichterstatter über das Recht auf Gesundheit Polen wegen des mangelnden Zugangs zu legalen Abtreibungen, Empfängnisverhütung und pränatalen Untersuchungen.
Spanien
Die gewaltbereite baskische Separatistengruppe ETA verkündete Anfang September einen einseitigen Waffenstillstand. In den Monaten davor war sie kaum aktiv, während die fortgeführte französisch-spanische Zusammenarbeit bedeutende Verhaftungen ermöglicht hatte. Ein französischer Polizist wurde im März bei einer Schießerei mit mutmaßlichen ETA-Mitgliedern getötet. Im Januar entschied der Oberste Gerichtshof in Spanien, dass die Verhandlungen nicht widerrechtlich waren, die gewählte baskische Politiker 2006 mit Batasuna führten. Die baskisch-nationalistischen Partei war 2003 verboten worden. Drei Mitglieder der ETA wurden wegen ihrer Beteiligung an einem 2006 verübten Bombenanschlag auf einen Flughafen in Madrid verurteilt. Jeder von ihnen wird höchstens 40 Jahre im Gefängnis verbringen, unabhängig davon, dass im Urteilstext symbolisch von 1.000 Jahren die Rede ist.
Spanien wies Empfehlungen von befreundeten Regierungen während des allgemeinen Staatenüberprüfungsverfahrens vor dem UN-Menschenrechtsrat im Mai zurück. Der Regierung wurde unter anderem empfohlen, den Schutz von Gefangenen, die auf Grund von Terrorismusvorwürfen keinen Zugang zu Kommunikationsmitteln haben, zu verbessern und Justizreformen zu implementieren, die der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus 2008 angemahnt hatte. Ebenso lehnte die spanische Regierung ab, einen unabhängigen Beschwerdemechanismus einzurichten, der gegen die Polizei gerichtete Vorwürfe untersucht.
Im Juni stimmte das Parlament einer Reform des spanischen Strafgesetzbuches zu, die im Dezember 2010 in Kraft trat. Sie erhöht das Strafmaß für mehr als 30 Delikte, schafft ein System „überwachter Freiheit” für Straftäter, die Haftstrafen wegen Terrorismus- oder Sexualverbrechen verbüßt haben, und kriminalisiert, Informationen zu verbreiten, um terroristische Straftaten „zu provozieren, zu unterstützen oder zu ihnen anzustacheln”.
Der Richter Baltasar Garzón wurde im Mai seines Amtes enthoben. Garzón ist international bekannt wegen seiner Bemühungen, den ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochet strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Er musste sich vor Gericht gegen den Vorwurf verteidigen, trotz eines Amnestiegesetzes aus dem Jahr 1977 Untersuchungen über illegale Verhaftungen und gewaltsames Verschwindenlassen von mehr als 100.000 Personen in der Zeit des Bürgerkrieges und unter dem Franko-Regime angestellt zu haben. Im Mai brachte die UN-Arbeitsgruppe über gewaltsames oder unfreiwilliges Verschwindenlassen ihre Sorge über Garzóns Suspendierung zum Ausdruck und kritisierte das spanische Amnestiegesetz.
Etwa 200 unbegleitete minderjährige Migranten, in der Mehrzahl aus Sub-Sahara-Afrika und Marokko, sind weiterhin in „Notfall”-Zentren untergebracht, die 2006 auf den kanarischen Inseln eingerichtet wurden. Die dortige Regierung hatte erfolglos gefordert, diese Einrichtungen zu schließen. Etwa die Hälfte der Minderjährigen lebt in La Esperanza, einem großen, isoliert gelegenen ehemaligen Gefängnis, das internationale Standards nicht erfüllt. Der UN-Ausschuss über die Rechte des Kindes kritisierte im September die mangelhaften Aufnahmebedingungen und die Missachtung der Rechte von Flüchtlingskindern auf den Kanaren. Er empfahl Spanien, kinderfreundliche Aufnahmezentren zu schaffen und wirksame Beschwerdemechanismen einzuführen, damit Kinder Misshandlungen anzeigen können.
Ein neues Abtreibungsgesetz trat im Juli in Kraft. Es legalisiert Abtreibungen bis zur vierzehnten Schwangerschaftswoche und verbessert den Zugang zu und die Informationen über reproduktive Rechte und Familienplanung. Vor der Reform waren Abtreibungen nur im Fall schwerer Gesundheitsrisiken für die Frau, bei Missbildungen des Fötus oder in Vergewaltigungsfällen erlaubt.