Inhalt
- Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte
- Gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik der EU
- Menschenrechtsfragen in EU-Mitgliedstaaten
Einführung
Im Jahr 2008 wurde der Schutz der Menschenrechte im EU-Recht nicht stärker verankert, da im Juni die irische Bevölkerung den Vertrag von Lissabon in einem Referendum ablehnte. Durch den Vertrag wäre die EU der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union wäre rechtsverbindlich geworden. Anders als einzelne Mitgliedstaaten sind die EU-Organe bisher nicht ausdrücklich zur Einhaltung der Konvention verpflichtet.
Darüber hinaus verletzen die EU und wichtige Mitgliedstaaten bei der Terrorismusbekämpfung die Menschenrechte. Problematisch sind insbesondere Abschiebungen trotz drohender Folter im Zielland, der mangelhafte Schutz von Häftlingen, Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und Eingriffe in die Privatsphäre.
Die Einwanderungs- und Asylpolitik der EU vernachlässigt den Schutz der Rechte von Migranten und konzentriert sich darauf, illegale Einwanderer, insbesondere auch Kinder, an der Einreise in die EU zu hindern oder sie nach der Ankunft auszuweisen. Rassistisch oder fremdenfeindlich motivierte Übergriffe und politische Entscheidungen bedrohen in einer Reihe von Mitgliedstaaten insbesondere Roma, Sinti, Juden und Muslime.
Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte
Im April verabschiedete der EU-Rat eine Änderung des Rahmenbeschlusses zur Terrorismusbekämpfung. Darin werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, neue Straftatbestände zur Anstiftung einer terroristischen Straftat sowie zur Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke zu schaffen, die auch für Aktivitäten im Internet gelten. Der Rat setzte damit Vorgaben aus der Konvention zur Terrorismusprävention des Europarates um. Im September sprach sich das Europaparlament für eine Abschwächung des Wortlauts aus, um nur die unmittelbare Anstiftung zu terroristischen Verbrechen unter Strafe zu stellen.
Bei der Umsetzung der UN-Maßnahmen gegen die Finanzierung von Terrorismus schuf die EU keinen effektiven Rechtsschutz für die Betroffenen. Dies wurde im September deutlich, als der Europäische Gerichtshof sein Urteil im Fall Kadi verkündete. Darin wurde festgestellt, dass die EU-Bestimmung das Recht auf eine faire Anhörung verletze, weil sie Nicht-EU-Bürgern keine Möglichkeit bietet, die Sperrung ihrer Konten anzufechten. Dieses Urteil revidierte die Einschätzung der ersten Instanz, dass Menschenrechtsbedenken der Umsetzung einer bindenden Resolution des UN-Sicherheitsrates unterzuordnen seien.
EU-Mitgliedstaaten versuchen nach wie vor, Terrorverdächtige in Länder abzuschieben, in denen ihnen Folter oder andere unmenschliche Behandlung drohen, häufig auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen. Sie ignorieren dabei die Kritik von Gerichten, Menschenrechtsorganen und Nichtregierungsorganisationen. Im Februar bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig das absolute Abschiebeverbot bei drohender Folter oder Misshandlung in seinem Urteil im Fall Saadi gegen Italien. In dem Verfahren ging es um den Versuch Italiens, den unter Terrorverdacht stehenden Nassim Saadi auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen nach Tunesien abzuschieben. Das Gericht lehnte auch einen Antrag Großbritanniens ab, das gefordert hatte, die Foltergefahr für den Betroffenen gegen die von ihm ausgehende Gefährdung der nationalen Sicherheit abzuwägen. Die Richter wiesen zudem die Auffassung zurück, diplomatische Zusicherungen könnten den Schutz vor Folter garantieren.
In Polen begannen Ermittlungen aufgrund von Berichten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und des Europaparlaments, wonach die CIA dort geheime Gefängnisse unterhalten habe. Rumänien, das ebenfalls dieser Vorwürfe beschuldigt wird, unternahm keine Schritte zur Aufklärung. Im August leitete die Staatsanwaltschaft in Polen auf Druck des Premierministers Donald Tusk eine Untersuchung der CIA-Aktivitäten ein. Kritiker bemängeln, dass der Umfang und das Mandat des Untersuchungsausschusses nicht ausreichten, um den gravierenden Anschuldigungen von Folter und Menschenrechtsverletzungen gerecht zu werden.
Gemeinsame Einwanderungs- und Asylpolitik der EU
Der „Europäische Immigrationspakt", den der Europäische Rat im Oktober beschloss, war das zentrale Ergebnis des Arbeitsschwerpunkts Migration unter der französischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres. Der nicht bindende Pakt sieht strengere Kontrollen bei Familienzusammenführungen vor und verlangt von den Mitgliedstaaten, Abschiebungen durchzusetzen, Prämien an Immigranten auszuzahlen, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren, und mit den Herkunftsländern Wiederaufnahmeabkommen zu schließen, um illegale Einwanderer abschieben zu können. Der Pakt ist besorgniserregend, da er den Schutz der Familie und das Verbot von Abschiebungen bei drohender Verfolgung oder Misshandlung gefährdet.
Dass sich die EU-Einwanderungspolitik weiterhin hauptsächlich um die Absicherung der Grenzen und nur am Rande um den Schutz der Menschenrechte bemüht, macht die Erhöhung des Etats der EU-Grenzbehörde Frontex um 30 Mio. Euro im Jahr 2008 deutlich. Bis jetzt hat die Frontex-Operation „Hera" mehr als 4.373 illegale Einwanderer von dem Versuch „abgeschreckt", die Kanarischen Inseln zu erreichen, oder sie nach Westafrika „abgelenkt". Im Juni stimmte das Europaparlament für die umstrittene Rückführungsrichtlinie, eine Direktive des Europäischen Rates für einheitliche Standards und Verfahren bei der Rückführung illegaler Einwanderer aus Drittstaaten. Die 2010 in Kraft tretende Maßnahme erlaubt es, illegale Einwanderer und abgelehnte Asylbewerber, insbesondere auch unbegleitete Minderjährige, für bis zu 18 Monate zu inhaftieren und Wiedereinreiseverbote zu verhängen, die bis zu fünf Jahre lang gelten. Im Oktober kritisierte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte die in der Richtlinie vorgesehene Haftdauer als maßlos und als Erosion der Freiheitsrechte der Migranten.
Menschenrechtsfragen in EU-Mitgliedstaaten
Frankreich
Im Rahmen des UPR-Verfahrens des UN-Menschenrechtsrats im Mai und der Bewertung durch den UN-Menschenrechtsausschuss im Juli wurden schwerwiegende Bedenken gegenüber der französischen Politik und Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung geäußert. Der Menschenrechtsausschuss rief Frankreich auf, Terrorverdächtige nicht bis zu 72 Stunden nach ihrer Festnahme den Zugang zu einem Anwalt und die Aufklärung über ihr Schweigerecht zu verwehren.
Zudem wird bei einem Berufungsverfahren gegen eine Abschiebung nicht automatisch die Ausweisung aufgeschoben, wenn die nationale Sicherheit als besonders gefährdet betrachtet wird. So können Verdächtige, noch bevor ihr Urteil geprüft wird, in Länder abgeschoben werden, wo ihnen Folter oder Misshandlung droht. Ähnliches gilt auch bei beschleunigten Asylverfahren. Im April forderte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Frankreich auf, die Abschiebung von Kamel Daoudi nach Algerien auszusetzen. Daoudi war als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft worden. Die Richter unterstrichen die Notwendigkeit eines effizienten Verfahrens im Inland.
Eine begrüßenswerte Entwicklung war die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur UN-Konvention gegen Folter im Juli. Einen Monat davor hatte Frankreich mit der Ernennung des ersten Generalinspekteurs für Haftanstalten die Verpflichtungen des Protokolls erfüllt.
Im Februar trat ein Gesetz in Kraft, das die präventive Inhaftierung bestimmter Gewalttäter erlaubt, die ihre Haftstrafe bereits abgeleistet haben. Die Haft kann zu diesem Zweck mehrmals um je ein Jahr verlängert werden. Diese Regelung untergräbt das Prinzip der Unschuldsvermutung, das Recht auf persönliche Freiheit und das Verbot, für dasselbe Verbrechen mehrmals bestraft zu werden.
Im Juni verweigerte das Oberste Verwaltungsgericht einer mit einem Franzosen verheirateten Marokkanerin die französische Staatsbürgerschaft. Die Richter argumentierten, dass die „radikalen" religiösen Praktiken der Muslimin, etwa das Tragen des Niqab, französischen Werten wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau widersprächen.
Deutschland
Das Bundesverfassungsgericht fällte im Februar und März wichtige Urteile, in denen es die Erfassung und Speicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten als unangemessene Eingriffe in die Privatsphäre bewertete. Eine im November vom Bundestag verabschiedete Neufassung des BKA-Gesetzes würde es Ermittlern erlauben, einschneidende Überwachungsmethoden gegen Terrorverdächtige bereits bei allgemeinem, unspezifischem Verdacht einzusetzen. Die Novelle lag bei Redaktionsschluss dem Bundesrat vor. Rechtliche Einschränkungen am Arbeitsplatz gelten weiterhin für Lehrerinnen und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die ein Kopftuch tragen. Obwohl Bedenken herrschen, dass die Regelungen eine Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit darstellt, haben Gerichte die seit Dezember 2007 in drei Bundesländern geltenden Kopftuchverbote für Lehrer bestätigt.
Die Nichtregierungsorganisation „European Centre for Constitutional and Human Rights" klagte im Juni vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Bundesregierung. Ihr wurde vorgeworfen, die Auslieferung von 13 CIA-Agenten nicht formal beantragt zu haben, die in Deutschland wegen ihrer Rolle bei der Entführung von Khaled el-Masri angeklagt sind. El-Masri, ein Deutscher libanesischer Herkunft, war in Mazedonien aufgegriffen und nach Afghanistan verschleppt worden, wo er fünf Monate lang festgehalten und gefoltert wurde.
Gegen die Abschiebung von Hassan Atmaca in die Türkei auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen ist derzeit ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig. Dem türkischen Flüchtling werden Kontakte zur kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Zudem prüfen deutsche Gerichte derzeit die Beschwerde zweier Tunesier, die wegen Bedrohung der nationalen Sicherheit unter Verwendung diplomatischer Zusicherungen abgeschoben werden sollen.
In einem im August veröffentlichten Bericht registrierte der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung einen Anstieg rassistischer Vorfälle in Deutschland, die sich gegen Juden, Muslime, Roma und Sinti sowie gegen Ausländer und Asylbewerber, insbesondere Afrikaner, richten. Der UN-Ausschuss forderte „entschiedene Maßnahmen", um Übergriffe zu verhindern und die Täter zu bestrafen. Im Februar 2009 findet die Überprüfung Deutschlands im Rahmen des UPR-Verfahrens vor dem UN-Menschenrechtsrat statt.
Großbritannien
Internationale Menschenrechtsorgane wie der UN-Menschenrechtsausschuss, der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des UPR-Verfahrens und der Europarat äußerten im vergangenen Jahr große Besorgnis über Großbritanniens Anti-Terror-Gesetzgebung und deren Umsetzung.
Nach einer haushohen Niederlage im Oberhaus zog die Regierung den Entwurf eines Anti-Terror-Gesetzes zurück, der die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Terrorverdächtige von 28 auf 42 Tage verlängert hätte. Auch der Gesetzesantrag über den Einsatz geheimer Ermittlungen, wenn eine Bedrohung der nationalen Sicherheit besteht, wurde zurückgewiesen. Die Regierung erklärte, sie wolle beide Vorhaben, die von verschiedenster Seite als unvereinbar mit den Menschenrechten kritisiert wurden, erneut zur Abstimmung stellen. Derzeit sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, gegen Personen, die für terroristische Handlungen verurteilt worden sind, eine pauschale, lebenslange Meldepflicht im In- und Ausland zu verhängen. Verstöße gegen diese Auflage können als Straftat geahndet werden.
Das oberste Berufungsgericht hob eine Reihe von Verurteilungen wegen terroristischer Straftaten auf. Im Februar verwarf es einen Schuldspruch aus dem Jahr 2007 gegen fünf Studenten nach Absatz 57 des „Terrorism Act 2000". Die Männer hatten im Internet Material heruntergeladen und ausgetauscht, das als terroristisch eingestuft worden war. Die Berufungsrichter erklärten, für eine Verurteilung müsse die Anklage den Beweis erbringen, dass das die Beschuldigten das Material zu terroristischen Zwecken verwenden wollten. Im Juli revidierte dasselbe Gericht die Verurteilung von Samina Malik wegen „Besitzes für Terroristen nützlicher Informationen" nach Absatz 58 des „Terrorism Act 2000". In einem unabhängigen Urteil im Februar hatten die Richter bereits entschieden, dass Absatz 58 nicht auf den Vorwurf reiner Propaganda anwendbar sei.
Im Mai wurden ein Angestellter und ein Student der Universität Nottingham, Hicham Yezza und Rizwaan Sabir, für den Besitz eines im Internet frei verfügbaren Dokuments („Das Al-Qaida-Handbuch") verhaftet. Nach sechs Tagen Haft wurden sie ohne Anklage freigelassen. Ihr Fall macht deutlich, wie Anti-Terror-Gesetze die Freiheit der Wissenschaft gefährden.
Im September begann eine Untersuchung des Todes von Jean Charles de Menezes , der im Juli 2005 während einer Anti-Terror-Operation der Polizei unschuldig erschossen worden war.
Britische Gerichte blockierten auch im vergangenen Jahr Versuche, Terrorverdächtige auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen abzuschieben. Im April verhinderte das oberste Berufungsgericht die Abschiebung von Omar Othman, bekannt als Abu Qatada, nach Jordanien, da dort unter Folter gewonnenes Beweismaterial gegen ihn verwendet werden könne. Othman wurde gegen Kaution und unter strengen Auflagen aus der Hochsicherheitshaft entlassen: Er darf seine Wohnung nur für zwei Stunden am Tag verlassen. Im Oktober befassten sich die Law Lords mit dem Urteil im Fall Othman und einer weiteren Berufung gegen Abschiebungen nach Algerien unter Verwendung diplomatischer Zusicherungen. In beiden Fällen steht das Urteil der Lordrichter derzeit noch aus.
Das oberste Berufungsgericht stoppte im April auch die Abschiebung zweier Libyer. Es stufte ein Abkommen mit Libyen als unzuverlässig ein und befand, dass den beiden Männern im Falle einer Abschiebung ein faires Verfahren „vollständig" verweigert würde. Die britische Regierung ging nicht in Berufung gegen die Entscheidung.
Berichte wurden bestätigt, wonach die CIA das britische Territorium Diego Garcia im Indischen Ozean für Gefangenentransporte genutzt habe. Im Februar räumte CIA-Direktor Michael Hayden ein, dass im Jahr 2002 zweimal Flugzeuge auf dem Weg nach Guantanamo Bay und Marokko zum Auftanken in Diego Garcia gelandet waren. Die britische Regierung beteuerte, sie sei nicht über diese Nutzung der Insel informiert gewesen und habe ihr nicht zugestimmt.
Im August verurteilte der High Court, dass das Außen- und Commonwealth-Ministerium alle Dokumente zugänglich machen müsse, die Binyam Mohamed, einen ehemaligen Einwohner Großbritanniens, in seinem Prozess vor einem Militärtribunal in Guantanamo Bay entlasten könnten. Das Material, so hoffen seine Anwälte, könnte belegen, dass Geständnisse, die Mohamed belasten, unter Folter erpresst wurden und deshalb nicht zulässig sind. Bevor das Urteil in Kraft tritt, soll in geschlossener Sitzung erörtert werden, inwieweit die Herausgabe der Dokumente die nationale Sicherheit gefährden würde. Die Richter wollen zudem den endgültigen Ausgang eines Prozesses in den USA abwarten, in dem die US-Regierung zur Herausgabe der Unterlagen verurteilt wurde. Im Oktober forderte der Innenminister den Generalstaatsanwalt auf zu untersuchen, ob Mohamed von den britischen Sicherheitsdiensten und der CIA misshandelt worden war.
Anlässlich der Überprüfung Großbritanniens durch das UN-Komitee für die Rechte des Kindes im September kündigte die Regierung an, sie werde Vorbehalte gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes bei der Behandlung von Immigranten aufheben. Das Komitee begrüßte die Ankündigung, zeigte sich jedoch besorgt darüber, dass den Interessen des Kindes im Jugendstrafvollzug, bei der Einwanderung, der Freizügigkeit und der Versammlungsfreiheit nicht oberste Priorität gegeben werde.
Griechenland
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge übte im April scharfe Kritik an der Asylpolitik und der Unterbringung von Flüchtlingen in Griechenland und empfahl anderen EU-Staaten, Asylsuchende nicht nach Griechenland abzuschieben. Er widersprach damit einer EU-Richtlinie, nach der Asylanträge im Ankunftsland der EU geprüft werden und Aufnahmebedingungen und Asylverfahren einheitliche Standards erfüllen. Der Hochkommissar beklagte, dass Asylbewerber in Griechenland „häufig grundlegende Rechtsansprüche [verwehrt werden], etwa auf einen Übersetzer und auf einen Rechtsbeistand, die sicherstellen, dass die Asylanträge von den Behörden angemessen geprüft werden können". Im Jahr 2007 wurden in Griechenland nur 1,2 Prozent der Asylanträge in erster Instanz anerkannt.
Die griechische Polizei verhaftet systematisch Einwanderer, vor allem Iraker, auf ihrem Hoheitsgebiet und hält sie tagelang ohne die rechtlich erforderliche Registrierung fest. In Einzelfällen wurden Immigranten geschlagen oder auf andere Weise misshandelt. Regelmäßig werden heimliche Zwangsabschiebungen in die Türkei durchgeführt, bei denen die Schutzbedürftigkeit der Betroffenen nicht geprüft wird.
Im vergangenen Jahr kamen etwa 1.000 unbegleitete minderjährige Migranten nach Griechenland, der Großteil von ihnen aus Afghanistan. In zahlreichen Fällen wurden Flüchtlingskinder von der griechischen Küstenwache, Polizei und Hafenpolizei bei der Festnahme oder in Haft geschlagen und getreten. Minderjährige werden häufig zusammen mit Erwachsenen inhaftiert. Die meisten der Kinder erhalten kein Asyl, besitzen keinen Rechtsstatus und sind ständig in Gefahr, abgeschoben zu werden. Häufig leben die schutzbedürftigen Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen und müssen unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Besonders Mädchen sind außerdem gefährdet, in die Hände von Menschenhändlern zu geraten.
Italien
Silvio Berlusconi wurde im April als Premierminister wiedergewählt und gewann in beiden Kammern des Parlaments eine deutliche Mehrheit. Im Juli rief seine Regierung wegen der illegalen Einwanderung den nationalen Notstand aus. Wer sich ohne rechtlichen Status in Italien aufhält, begeht seitdem eine Straftat, die mit bis zu vier Jahren Haft bestraft wird und bei anderen Vergehen als erschwerender Umstand gewertet wird, der zu höheren Haftstrafen führt.
Im Juli kritisierte der Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg in seinem Bericht den Anstieg rassistischer und fremdenfeindlicher Vorfälle in Italien und die zunehmende Diskriminierung von Roma und Sinti durch die Regierungspolitik.
Vor dem Hintergrund zunehmender Selbstjustiz, darunter zwei Angriffe im Mai, bei denen Roma-Siedlungen mit Benzinbomben zerstört wurden, und um dem öffentlichen Unmut über einige angeblich von Roma verübten Straftaten zu begegnen, verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über so genannte „Nomadengemeinschaften" (Amtsprache für Roma) in den Regionen Campania, Lazio und Lombardei. Damit gab sie den Lokalbehörden besondere Rechte, etwa zur Durchführung von Volkszählungen, Razzien und Räumungen in Roma-Siedlungen. Im Juli wurde gegen diese Maßnahmen eine Klage eingereicht. Das Europäische Parlament verabschiedete zur gleichen Zeit eine Resolution, in der Italien aufgerufen wurde, das Abnehmen von Fingerabdrücken von Roma, auch von Minderjährigen, zu beenden. Die Europäische Kommission schwächte ihre Kritik an dieser Politik ab, nachdem die italienische Regierung versichert hatte, sie sammle keine Daten zu spezifischen ethnischen Gruppen.
Der Prozess gegen 26 amerikanische und sieben italienische Staatsbürger wegen der Entführung des ägyptischen Imams Hassan Mustafa Osama Nasr, bekannt als Abu Omar, wurde im März wieder aufgenommen. Den Angeklagten wird vorgeworfen, sie hätten Nasr in Mailand auf offener Straße entführt und nach Ägypten verschleppt. Im Zusammenhang mit dem Prozess wurde die Regierung als illoyal kritisiert, weil sie die Mailänder Staatsanwaltschaft vor dem Verfassungsgericht angeklagt hatte. Die Regierung beschuldigte die Staatsanwälte, bei ihren Ermittlungen im Fall Nasr Staatsgeheimnisse verletzt zu haben. Im Oktober beschloss das Gericht, den Fall im März 2009 in geschlossener Sitzung zu verhandeln. Ebenfalls im Oktober bestätigte ein Berufungsgericht die Verurteilung von Rabei Osman wegen seiner Verbindungen zu den Anschlägen auf Pendlerzüge in Madrid im März 2004.
Trotz des Urteils im Fall Saadi gegen Italien wurde Essid Sami Ben Khemais im Juni nach Tunesien ausgewiesen, was einen klaren Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darstellt. Darin wurde Italien aufgefordert, die Abschiebung nicht durchzuführen, bevor das Gericht seinen Fall geprüft habe. Während der Menschenrechtskommissar des Europarats Hammarberg die Abschiebung kritisierte, rechtfertigten die italienischen Behörden ihr Vorgehen: Die Abschiebung habe erst stattgefunden, nachdem die tunesische Regierung diplomatische Zusicherungen abgegeben habe, in denen sie garantierte, dass Ben Khemais nicht gefoltert werde und ein faires Verfahren erhalte. Zurzeit befasst sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erneut mit dem Fall.
Immer noch sterben Flüchtlinge beim Versuch, in nicht seetauglichen Booten nach Italien zu gelangen. Gegen sieben tunesische Fischer, die 44 Migranten gerettet und nach Lampedusa gebracht hatten, läuft ein Prozess wegen Beihilfe zu illegaler Einwanderung. Solche Verfahren schrecken Seeleute davon ab, schiffbrüchigen Flüchtlingen zu helfen, und gefährden damit das Leben der Migranten.
Malta
Malta steht weiterhin in der Kritik, weil es die Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge unterlässt und Schiffen, die gerettete Migranten an Bord haben, die Einfahrt in seine Häfen verweigert. Mehr als 1.000 Einwanderer erreichten Malta im vergangenen Jahr. Im August ertranken 71 Menschen im Mittelmeer, als ihr Boot kenterte. Acht Überlebende wurden von einem Fischerboot gerettet. Die maltesische Regierung sprach sich wiederholt für eine Lastenteilung innerhalb der EU beim Problem der illegalen Einwanderung aus.
Illegale Einwanderer, auch Kinder, werden nach ihrer Ankunft in Malta bis zu 18 Monate lang in geschlossenen Haftanstalten festgehalten, bis ihre Anträge bearbeitet worden sind. In einem im Mai veröffentlichten Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarats werden die Haftbedingungen für Migranten kritisiert. Die maltesische Regierung ordnete eine Untersuchung der Anschuldigungen an, Häftlinge, die an den Unruhen im Auffanglager Safi im März beteiligt waren, seien misshandelt worden. Die Untersuchung ergab, dass Vollzugsbeamte übermäßige Gewalt angewendet hatten, konnte jedoch keine Verantwortlichen benennen.
Niederlande
Ein Gesetzesantrag über behördliche Maßnahmen für die nationale Sicherheit, das Terrorakte verhindern soll, erhielt im März 2007 die Zustimmung der Zweiten Kammer des Parlaments und liegt derzeit dem Senat vor. Die Vorlage enthält Bestimmungen, die die Freizügigkeit und die Privatsphäre von Personen deutlich einschränken, die in Verdacht stehen, mit terroristischen Aktivitäten „in Verbindung zu stehen" oder sie zu unterstützen. Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Gesetzentwurf wegen seiner mangelnden sprachlichen Präzision und der ungenügenden richterlichen Kontrolle über die vorgesehenen Maßnahmen.
Im Januar entschied das Berufungsgericht in Den Haag, das Hofstad-Netzwerk sei nicht als „Terroristische Vereinigung" einzustufen. Das Gericht sprach sieben Männer, darunter den Mörder des Filmemachers Theo Van Gogh, vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung frei. Im Oktober bestätigte das Amsterdamer Berufungsgericht die Verurteilung von Samir Azzouz und vier weiteren Angeklagten wegen terroristischer Straftaten.
Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zeigte sich in einem im Februar veröffentlichten Bericht besorgt über die Verlegung von Terrorverdächtigen in besondere Hochsicherheits-Trakte, so genannte „Terroristen-Abteilungen". Die Häftlinge lebten dort unter äußerst strikten Haftbedingungen und seien fast völlig isoliert.
Zudem gab es erfolgreiche Klagen gegen diskriminierende Gesetze und Richtlinien zum Familiennachzug. Im Juli befand ein Gericht in Amsterdam es für rechtswidrig, dass Einwanderer aus bestimmten Staaten, die versuchen zu Angehörigen in den Niederlanden zu ziehen, einen Integrationstest ablegen müssen, um Kenntnisse der niederländischen Sprache und Gesellschaft nachzuweisen. Die Richter beurteilten jedoch nicht, ob die Bestimmung auch gegen Menschenrechtsstandards verstößt. Der Test, den überproportional viele marokkanische und türkische Muslime ablegen müssen, wurde von niederländischen Parlamentariern und NGOs kritisiert. Ebenfalls im Juli verwarf ein Gericht in Roermond ein ähnliches Gesetz, nach dem nur Bürger, die mindestens 120 Prozent des Mindestlohns verdienen, einen ausländischen Ehepartner in die Niederlande bringen dürfen. Das Justizministerium ging gegen beide Urteile in Berufung. Die Regierung prüft derzeit ihre Politik beim Familiennachzug.
Polen
Homophobe Äußerungen durch Regierungsvertreter sind weiter ein Problem. Im März drohte Präsident Lech Kaczynski in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache, die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon zu blockieren. Er behauptete, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union würde Polen zwingen, gleichgeschlechtliche Partnerschaften rechtlich anzuerkennen.
Sexuelle und reproduktive Rechte sind immer noch stark eingeschränkt. Es mangelt an Angeboten zu sexueller Aufklärung, und Verhütungsmittel sind unzureichend verfügbar. Sichere und legale Abtreibungen unterliegen engen gesetzlichen Einschränkungen, die den Schwangerschaftsabbruch in den meisten Fällen strafbar machen. Ärzte haben das Recht, die Durchführung von Abtreibungen aus „Gewissensgründen" abzulehnen. Deshalb lassen viele Frauen illegale Abtreibungen durchführen, zumeist unter Gefahr für Leib und Leben.
Spanien
Seit der Wiederwahl von Jose Rodriguez Zapatero als Premierminister im März gehören dem spanischen Kabinett erstmals gleich viele Frauen wie Männer an, insbesondere auch eine Verteidigungsministerin.
Im September hob der Oberste Gerichtshof die Urteile gegen vier der 21 Personen auf, die im Zusammenhang mit den Anschlägen auf Pendlerzüge in Madrid verurteilt worden waren. Die Richter sprachen einen Spanier, der zuvor freigesprochen worden war, schuldig, den Sprengstoff für die Attentate beschafft zu haben. Im Oktober sprach dasselbe Gericht 14 der 20 Angeklagten frei, die im Februar für die Planung eines Bombenanschlags auf den spanischen Anti-Terror-Gerichtshof Audiencia Nacional verurteilt worden waren.
Neben laufenden Verfahren im Zusammenhang mit dem internationalen Terrorismus kam es 2008 zu einer Reihe von Anschlägen der baskischen Separatisten-Gruppe ETA, Festnahmen mutmaßlicher ETA-Mitglieder und Prozessen gegen Personen und Gruppen, denen Verbindungen zur ETA vorgeworfen werden.
Im Mai gab Martin Scheinin, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus, eine Reihe von Empfehlungen an die spanische Regierung ab. Er betonte die Notwendigkeit der „völligen Abschaffung" von Isolationshaft und einer Überprüfung übermäßig weit gefasster terroristischer Straftatbestände. Auch der UN-Menschenrechtsausschuss wies im Oktober in einer abschließenden Einschätzung auf diese Missstände hin.
Scheinin kritisierte auch eine Auslieferung nach Russland unter Verwendung diplomatischer Zusicherungen. Im Februar hatte die Audiencia Nacional die Auslieferung des Tschetschenen Murat Ajmedovich Gasaev auf der Grundlage der russischen Zusicherung genehmigt, Gasaev würde nach seiner Rückkehr menschlich behandelt. Derzeit wartet Gasaev in Haft auf die Entscheidung des Ministerrates über seine Auslieferung.
Im Mai ordnete ein Richter der Audiencia Nacional an, dass die Regierung genaue Informationen über den Zeitpunkt bekannt geben soll, wann Flugzeuge des US-Militärs auf ihren Flügen von und nach Guantanamo Bay zwischen 2002 und 2007 in Spanien zwischengelandet sind. Das Verteidigungsministerium erklärte daraufhin im September, Flugzeuge des US-Militärs mit Ziel Guantanamo seien zwar in Spanien gelandet, sie hätten jedoch keine „kontroversen" Passagiere oder „umstrittene" Fracht an Bord gehabt. Der zuständige Richter forderte zusätzliche Informationen.
Ein Auslieferungsgesuch der Audiencia National an Großbritannien, mit dem die beiden aus Guantanamo freigelassenen Terrorverdächtigen Jamil El-Banna und Omar Deghayes vor ein spanisches Gericht gebracht werden sollten, wurde im März zurückgezogen.
Wie im Vorjahr ging die Anzahl illegaler Einwanderer, die Spanien auf dem Seeweg erreichten, deutlich zurück. In den ersten acht Monaten des Jahres 2008 wurden nach Angaben des Innenministeriums acht Prozent weniger Bootsflüchtlinge registriert als im Vorjahreszeitraum und 64 Prozent weniger als 2006. Im September und Oktober 2008 griffen die spanischen Behörden jedoch insgesamt 329 illegale Einwanderer, darunter auch Kinder, vor den Küsten der Kanarischen Inseln auf.
Der spanische Ombudsmann bestätigte Berichte über die unzureichende Betreuung und Misshandlung unbegleiteter minderjähriger Migranten auf den Kanarischen Inseln. Die Regierung in Madrid hielt an ihrer Politik fest, unbegleitete Flüchtlingskinder ohne angemessene Schutzmaßnahmen nach Senegal oder Marokko abzuschieben. In mehr als zwei Dutzend Fällen verhinderten Gerichtsurteile die Rückführung von Kindern, deren Abschiebebefehle gegen spanisches und internationales Recht verstießen.