Diskriminierung im Namen der Neutralität

Kopftuchverbote für Lehrkräfte und Beamtinnen in Deutschland

Diskriminierung im Namen der Neutralität

Kopftuchverbote für Lehrkräfte und Beamtinnen in Deutschland

I. Zusammenfassung
Methodik
Zentrale Empfehlungen
II. Hintergrund
Befürworter des Kopftuchverbots
Gleichberechtigung der Frau
Die „Neutralität“ des Staates
Islam und Integration
III. Deutschlands Verpflichtungen für die Menschenrechte
Geschlechtliche Gleichstellung
Nicht-Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
Religionsfreiheit
Grenzen der Religionsfreiheit
Recht auf Privatsphäre
Minderheitenrechte
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Kopftuch
IV. Verbote religiöser Symbole im öffentlichen Dienst der Bundesländer
Verbote mit Ausnahmen für christliche Symbole und Kleidung
Begründungen der Verbote
Haltung der Gerichte
Verbote ohne ausdrückliche Ausnahmen für christliche Symbole
Haltung der Gerichte
Bundesländer ohne Verbote
V. Folgen des Verbots für Lehrkräfte und Beamte
VI. Menschenrechtsverletzungen
Diskriminierung von Frauen und andere Verletzungen der Frauenrechte
Diskriminierung auf Grundlage der Religion
Berlin
Verletzung der Religionsfreiheit
Minderheitenrechte
VII. Der Blick nach vorn
Erweiterte Empfehlungen
An die Regierungen der Bundesländer
An die Bundesregierung
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
Anitdiskriminierungsstelle des Bundes
An die Europäische Union
An den Europarat
An die Vereinten Nationen
Danksagungen

 

I. Zusammenfassung

Das von Ihnen vorgelegte Gesetz sagt in der Sprache des Sports sinngemäß: „Auf dem Schulhof ist das Ballspielen verboten.“ Aber dann kommt Satz 2: „Fußball ist kein Ballspiel.“
—Kommentar eines Abgeordneten im baden-württembergischen Landtag während der Debatte über den Gesetzentwurf zum Verbot religiöser Symbole für Lehrer [1] 

In den letzten Jahren wurde in Deutschland wie in vielen anderen europäischen Ländern eine Debatte darüber geführt, wie mit der zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt umgegangen werden soll. Eine der bekanntesten Streitfragen war das Tragen des Kopftuchs durch einige muslimische Frauen. Dieses religiöse Kleidungsstück verdeckt in der Regel das Haar und den Hals seiner Trägerin. Die Hälfte aller Bundesländer hat innerhalb der letzten fünf Jahre Gesetze verabschiedet, die das Recht ein Kopftuch im öffentlichen Dienst zu tragen einschränken, insbesondere an den Schulen.

In Deutschland liegt die Kompetenz für die Gesetzgebung und Richtlinien zu religiösen Symbolen in Schulen nicht bei der Bundesregierung, sondern bei den Ländern. Diese begegneten der Frage des Tragens von Kopftüchern und anderen religiösen Symbolen in Schulen auf – teilweise drastisch – verschiedene Weise. Acht Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland – haben Gesetze und Richtlinien erlassen, die es Lehrern an staatlichen Schulen verbieten, bestimmte sichtbare religiöse Kleidungsstücke und Symbole zu tragen. In zwei Ländern, Hessen und Berlin, erstreckt sich das Verbot auch weitgehender, auf eine Reihe von Beamtentätigkeiten im öffentlichen Dienst.

Keines der Gesetze zum Verbot religiöser Kleidung und Symbole richtet sich ausdrücklich gegen das Kopftuch. Die Regelungen in Bremen und Niedersachsen orientieren sich vor allem an der Frage, welche Wirkung das äussere Erscheinungsbild eines einzelnen Lehrers auf die ideologische und religiöse „Neutralität“ der Schule hat. Sie enthalten weder ein striktes Verbot religiöser Kleidung und Symbole, noch ausdrückliche Ausnahmen für christliche Symbole und westliche Kulturtraditionen. Die Mehrheit der Bundesländer mit Verboten (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland) erlauben jedoch Ausnahmeklauseln für „christlich-abendländische“ Traditionen.

Dennoch stand das Kopftuch im Zentrum der Landtagsdebatten und der Begründungen der Gesetzentwürfe. Darin wurde die Notwendigkeit betont, durch das Christentum (und Judentum) geprägte abendländische Kulturtraditionen anzuerkennen. Zudem ging es in allen Gerichtsverfahren, die bislang im Zusammenhang mit den Gesetzen eingeleitet wurden, um Frauen mit Kopftuch.

Berlin hat einen anderen Ansatz verfolgt. Ein 2005 verabschiedetes Gesetz verbietet dort Lehrkräften an öffentlichen Schulen (bei Einwendungen der Eltern auch in Kindergärten), Beamten, im Bereich des Justizvollzugs oder der Polizei beschäftigt sind, sowie im Bereich der Rechtspflege hoheitlich tätig sind, kategorisch das Tragen sichtbarer religiöser oder weltanschaulicher Symbole oder Kleidungsstücke mit Ausnahme kleiner Schmuckstücke. In Berlin gab es bislang noch keine Gerichtsverfahren in Verbindung mit dem Gesetz.

In acht Bundesländern gelten keine speziellen Gesetze für religiöse Symbole und Kleidungsstücke am Arbeitsplatz. Drei dieser Länder – Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – zogen entsprechende einschränkende Regelungen in Erwägung, verwarfen sie jedoch schließlich.

Human Rights Watch untersuchte Gesetze und Richtlinien sowie ihre Anwendung in den acht deutschen Bundesländern, die das Tragen religiöser Symbole einschränken, und kam zu dem Schluss, dass die Regelungen  gegen die internationalen Verpflichtungen Deutschlands zum Schutz der Religionsfreiheit und des Rechts auf Gleichheit vor dem Gesetz verstoßen. Die Bestimmungen diskriminieren muslimische Frauen, die Kopftuch tragen (entweder ausdrücklich oder in ihrer Anwendung), indem sie sie aufgrund ihres Glaubens vom Lehramt und anderen Beschäftigungen im öffentlichen Dienst ausschließen.

Die Länder, die religiöse Kleidung verbieten, christliche Symbole jedoch erlauben, diskriminieren auf der Grundlage des Glauben.  Unabhängig davon werden die Verbote in allen acht Ländern spezifisch gegen muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, angewandt. In ihrer praktischen Wirkung diskriminieren die Verbote auch auf der Basis des Geschlechts. Die Maßnahmen zwingen Frauen, sich entweder für ihren Beruf oder für den Ausdruck ihres Glaubens zu entscheiden und verletzen damit ihre Religionsfreiheit und ihr Recht auf Gleichbehandlung.

Internationale Menschenrechtsstandards schützen das Recht jedes Menschen seine Kleidung frei zu wählen und insbesondere auch seine religiösen Überzeugungen zu bekunden. Dieses Recht darf nur eingeschränkt werden, wenn der Staat dies ausreichend begründen kann und die Einschränkungen so gering wie möglich gestaltet.

Human Rights Watch hat wiederholt die Politik und Gesetzgebung von Staaten kritisiert, die Frauen zum Tragen des Schleiers zwingen. Doch auch Gesetze wie die in einigen Bundesländern, die Kopftuch tragende Frauen von Teilen der Beschäftigung ausschließen, verstoßen gegen internationale Normen. Die Kopftuchverbote am Arbeitsplatz untergraben die individuellen Rechte auf Autonomie, Selbstbestimmung, Entscheidungsfreiheit und Privatsphäre in ähnlicher Weise wie Bestimmungen, die das Tragen des Kopftuchs zwingend vorschreiben.

Wer derartige Verbote erlässt, muss detailliert begründen, warum sie – obwohl in der Vergangenheit entbehrlich – genau jetzt notwendig sind und warum sie praktisch nur gegen muslimische Frauen Anwendung finden. Es fehlen ausreichende Begründungen für die Restriktionen. Es mag legitime Gründe geben, das Tragen religiöser Symbole und Bekleidung für öffentliche Angestellte und Lehrer in gewissem Maße zu regulieren. Doch die weitreichenden und diskriminierenden Einschränkungen, die derzeit in einigen deutschen Ländern gelten, sind nicht verhältnismäßig zu ihrem erklärten Ziel. Sie stellen daher nach internationalen Menschenrechtsstandards eine unrechtmäßige Diskriminierung der Betroffenen und eine Verletzung der Religionsfreiheit und Rechts auf Privatsphäre dar.

Die Verbote sind kein abstraktes Problem: Die Schilderungen von betroffenen Frauen, die von Human Rights Watch befragt wurden, machen deutlich, wie einschneidend die Gesetze das Leben der Frauen verändern.

In Ländern mit entsprechenden Verboten dürfen Frauen, die ein Kopftuch tragen, nicht als Lehrerinnen arbeiten. Unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Gesetze wurden Lehrerinnen aufgefordert, auf ihr Kopftuch zu verzichten. Wenn sie dieser Aufforderung nicht nachkamen, wurden sie abgemahnt und in einigen Fällen sogar entlassen. Auch Lehrerinnen, die seit Jahren unterrichten, wurden Disziplinarmaßnahmen angedroht, falls sie sich weigerten, auf das Kopftuch zu verzichten. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wurden solche Disziplinarverfahren bereits eingeleitet.

Obwohl verbeamtete Lehrerinnen besser geschützt sind, könnten auch sie aus dem Lehrberuf entlassen werden und ihren Beamtenstatus verlieren, wenn sie auf dem Tragen des Kopftuchs beharren und mit Rechtsmitteln scheitern. Muslimische Referendarinnen wurde die nachfolgende Beschäftigung als Lehrerinnen nach erfolgreicher Beendigung ihrer Ausbildung verweigert, sofern sie das Kopftuch nicht abnehmen.

Manche Frauen ziehen wegen der Verbote in ein anderes Bundesland oder ins Ausland. Andere verlängern die Elternzeit oder Beurlaubungen anderer Art. Einige kehren dem Lehramt den Rücken, nachdem sie Jahre in Studium und Entwicklung ihrer Fähigkeiten investiert haben. Die betroffenen Frauen fühlen sich entfremdet und ausgeschlossen, obwohl viele von ihnen schon seit Jahrzehnten oder seit ihrer Geburt in Deutschland leben oder Deutsche sind, die zum Islam konvertiert sind.

Die Verbote sind nicht notwendig, da eine Verständigung in gegenseitigem Respekt möglich ist. Zahlreiche betroffene Frauen zeigten sich im Gespräch mit Human Rights Watch kompromissbereit und gewillt, Alternativen zum Kopftuch in Erwägung zu ziehen (etwa große Hüte oder andere Arten das Kopftuch zu binden), die ihnen weiterhin erlauben würden, ihren religiösen Pflichten nachzukommen. Verständigung verlangt, dass die Bundesländer in einen ernsthaften, offenen und konstruktiven Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft treten und nach praktikablen Lösungen suchen.

Wenn konkrete Bedenken bestehen, dass das Verhalten einer Lehrerin ihre Neutralität in Frage stellt, sollten dem Einzelfall entsprechend gewöhnliche Disziplinarmaßnahmen ergriffen werden. Lehrkräfte sollten nach ihrem Verhalten beurteilt werden und nicht nach Ansichten, die man ihnen aufgrund des Ausdrucks ihrer Religiosität unterstellt. Diskriminierende Verbote, wie sie die genannten acht Bundesländer eingeführt haben, sind weder gerechtfertigt noch notwendig.

Methodik

Dieser Bericht stützt sich auf Ermittlungen im Zeitraum von April bis November 2008. Im Zuge der Recherchen befragten wir 72 Personen in Berlin, Hamburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Zusätzlich führten wir 12 Telefoninterviews mit Menschen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein durch. Der der Auswahl der Bundesländer wurde darauf geachtet die unterschiedlichen Strategien der Länder im Umgang mit dieser Thematik vollständig erfasst wurden.

Unter den Befragten waren 34 in Deutschland lebende muslimische Frauen, die von den „Kopftuchverboten“ betroffen waren, darunter auch Konvertitinnen. Die Interviews wurden einzeln oder in Gruppen und auf Deutsch durchgeführt. Sie fanden sowohl in Privaträumen als auch in Moscheen und an anderen öffentlichen Orten statt. Die Kontaktaufnahme mit erfolgte in den meisten Fällen über eine Interessengemeinschaft in Nordrhein-Westfalen (dem am stärksten betroffenen Bundesland), dem Kopftuch tragende Lehrerinnen, Referendarinnen, Lehramtsstudentinnen und Sozialpädagoginnen angehören.

Human Rights Watch befragte auch Vertreter relevanter Ministerien, Politiker, Parteisprecher und Parlamentarier in den untersuchten Bundesländern. Neben Anwälten, die ein Mandat in einem relevanten Verfahren trugen, wurden auch Wissenschaftler, Vertreter der Zivilgesellschaft, z.B. Mitarbeiter  von Forschungseinrichtungen, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (darunter Antidiskriminierungs-Organisationen und muslimische Organisationen) sowie Vertreter staatlicher Institutionen und Gewerkschaftsvertreter interviewt.

Die Namen der Befragten wurden zum Schutz ihrer Identität geändert. In einigen Fällen wurden Informationen zurückgehalten, die zur Identifizierung der Interviewten und anderer erwähnter Personen genutzt werden könnten. Der wahre Name eines Befragten wurde nur mit dessen Einwilligung angegeben. Alle Teilnehmer wurden zuvor über den Zweck ihrer Befragung, ihren freiwilligen Charakter, die Methoden, mit denen ihre Aussagen gesammelt und ausgewertet wurden, und über die Ziele der Ermittlungen und des Berichts informiert und stimmten dem Interview ausdrücklich zu.

Neben unserer Feldforschung analysierten wir bestehende Gesetze und Bestimmungen, werteten Presseberichte aus und untersuchten Studien von Wissenschaftlern und Bürgerrechtlern. Weitere Informationsquellen waren Gerichtsurteile, Zeitungsartikel, Pressemitteilungen der Regierungen, Drucksachen der Parlamente (darunter Plenarprotokolle), Berichte und Positionspapiere von NGOs, Materialien von Bürgerinitiativen sowie wissenschaftliche Studien und Aufsätze.

Die Ermittlungen umfassten auch Rechtsgutachten und politische Analysen (unter anderem des nationalen Verfassungsrechts, der Antidiskriminierungs-Gesetzgebung und des Verwaltungs- und Arbeitsrechts). Die Prüfung der Rechtslage beinhaltete nicht nur eine eingehende Analyse der Bestimmungen in verschiedenen Bundesländern im Rahmen der Menschenrechtsgesetze, sondern auch die Auswertung von Gerichtsurteilen verschiedener Instanzen.

Zentrale Empfehlungen

  • Die Landesregierungen sollten die Bestimmungen zu religiösen Symbolen und Kleidungsstücken aufheben und sicherstellen, dass ihre Gesetzgebung in Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen Deutschlands für die Menschenrechte ist. Insbesondere sollten sie garantieren, dass diese nicht aufgrund von Geschlecht oder Religion diskriminieren.
  • Wenn konkrete Bedenken bestehen, dass das Verhalten eines Lehrers die Neutralität in Frage stellt, sollten dem Einzelfall entsprechende,  übliche Disziplinarmaßnahmen und Entscheidungen ergriffen werden.
  • Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollte die Gesetze, die das Tragen von Kopftüchern einschränken, im Hinblick auf ihre diskriminierende Wirkung untersuchen und ihre Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz prüfen.
  • Die UN-Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit sollte Deutschland besuchen, um die Vereinbarkeit der geltenden Verbote religiöser Symbole und Kleidungsstücke im öffentlichen Dienst mit den internationalen Menschenrechtsnormen zu prüfen. Ferner sollte sie konkrete Empfehlungen zur Änderung der beanstandeten Maßnahmen und Praktiken abgeben.

 

II. Hintergrund

Deutschland ist ein Bundesstaat mit 16 Bundesländern. Die Länder genießen ein hohes Maß an legislativer und justizieller Autonomie, die sie durch ihre Landtage und Landesgerichte ausüben. Die Kompetenzen für das Schul- und Bildungswesen sowie kulturelle Belange liegen weitgehend bei den Ländern. Gleichzeitig sind die Bundesländer aber auch an die Verfassung (Grundgesetz)[2]  und an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden.

Zu den 82 Millionen Einwohnern Deutschlands gehören ca. 3,2 bis 3,5 Millionen Muslime[3], von denen etwa eine Million die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.[4]  Der Islam ist die zweitgrößte Religionsgemeinschaft nach den christlichen Konfessionen. Der muslimischen Gemeinschaft gehören verschiedene religiöse Richtungen, wie Sunniten, Schiiten, Ahmadis, Aleviten und säkulare Muslime an.

In Deutschland besitzen einige evangelische Kirchen, die katholische Kirche, eine Reihe christlicher Minderheitenkirchen wie die Zeugen Jehovas, der Zentralrat der Juden und andere jüdische Organisationen sowie einige Kultusgemeinden einen anerkannten Rechtsstatus als Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dieser beinhaltet eine Reihe von Privilegien, etwa das Recht mit Hilfe der Behörden Steuern von den Mitgliedern zu erheben. Keine muslimische Glaubensgemeinschaft besitzt bislang diesen Status.[5]

Die meisten in Deutschland lebenden Muslime stammen aus der Türkei und kamen ursprünglich als Gastarbeiter – ein Begriff, der suggeriert, dass ihr Aufenthalt nur vorübergehend ist und sie das Land schließlich wieder verlassen. Dennoch haben die meisten sich mittlerweile dauerhaft niedergelassen. Sie haben Familienmitglieder nachgeholt, die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und – wie eine Studie befand - „ein breites Spektrum islamischer politischer und sozio-religiöser Organisationen gegründet.“[6]

Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen sind die Länder mit den meisten türkischstämmigen Einwohnern. Auch in Berlin und Niedersachsen leben viele türkische Migranten.

Seit Beginn der 1980er Jahre kam es in Deutschland zu einigen wenigen Gerichtsverfahren, in denen das islamische Kopftuch eine Rolle spielte[7]. Die meisten drehten sich um Pass- und Identifikationsfotos und endeten damit, dass den Frauen das Tragen des Kopftuchs schließlich erlaubt wurde.[8] Die Prozesse erhielten wenig Aufmerksamkeit in Politik und Öffentlichkeit. Erst gegen Ende der 1990er Jahre kam eine öffentliche Debatte über muslimische Frauen auf, die am Arbeitsplatz ein Kopftuch trugen, und es kam zu den ersten Verfahren, die große öffentliches Aufsehen erregten. Eine Studie sieht auch einen Zusammenhang zwischen dem Aufflammen der Debatte und der steigenden Zahl muslimischer Frauen, die sich an Universitäten einschrieben und anschließend Stellen als Lehrerinnen suchten.[9]

Der folgenreichste Prozess war der von Fereshta Ludin. Sie hatte sich 1998 in Baden-Württemberg für eine Stelle als Lehrerin beworben (siehe Kasten unten). Ihr Fall kam schließlich vor das Bundesverfassungsgericht, dessen Urteil im September 2003 einen entscheidenden Einfluss auf die Kopftuchdebatte hatte.

Die Verfassungsrichter beurteilten die Entscheidung des Landes Baden-Württemberg, Ludin wegen ihres Kopftuchs die Beschäftigung als Lehrerin zu verweigern, zwar als verfassungswidrig, doch sie bestätigten das verfassungsmäßige Recht der Bundesländer, solche Einschränkungen gesetzlich einzuführen.

Fereshta Ludin und das Bundesverfassungsgericht

Fereshta Ludin wurde 1972 in Afghanistan geboren, lebte dann in Saudi-Arabien und kam 1987 nach Deutschland. Sie absolvierte in Baden-Württemberg ein Lehramtsstudium, um als Deutsch-, Englisch- und Gemeinschaftskundelehrerin an Grundschulen und weiterführenden Schulen zu arbeiten. 1995 erwarb sie die deutsche Staatsbürgerschaft. Fereshta Ludin trägt seit dem Alter von 12 Jahren ein Kopftuch, eine Entscheidung, die sie nach eigenen Angaben selbst und ohne Einflussnahme ihrer Eltern traf. Schon 1997 stieß sie wegen ihres Kopftuchs auf Hindernisse bei der Suche nach einer Stelle als Referendarin, durfte ihre Ausbildung schließlich jedoch beenden. 1998 bewarb sie sich als Lehrerin an einer staatlichen Schule in Baden-Württemberg, wurde jedoch abgewiesen. Das Oberschulamt verweigerte ihr die Einstellung, weil sie darauf bestand, während des Unterrichts ein Kopftuch zu tragen. Die Behörde bewertete sie deshalb als persönlich ungeeignet und als unfähig, die Pflichten eines öffentlichen Angestellten in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz zu erfüllen. Ihre Qualifikationen wurden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Ebensowenig hatte es während ihres Referendariats Beschwerden von Seiten der Eltern, der Kinder oder der Schulleitung gegeben.

Ludin klagte bei den Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg und ab 1998 beim Bundesverwaltungsgericht, doch sie blieb erfolglos. 2002 ersuchte sie das Bundesverfassungsgericht, die Verfassungsmäßigkeit ihres Ausschlusses vom Lehramt zu prüfen.

Am 24. September 2003, entschieden fünf der acht Verfassungsrichter, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, Ludin wegen des Tragens eines Kopftuchs die Arbeit als Lehrerin zu verweigern, und dass ihre Ablehnung gegen die Grundrechte verstoße.

Die Karlsruher Richter urteilten, dass Verbote nur auf der Grundlage von Gesetzen erlassen werden dürfen. Sie befanden weiter, dass „Neutralität“ an staatlichen Schulen als „übergreifend, offen und respektierend“ verstanden werden könne. Eine solche Neutralität lasse alle Religionen zu, erkenne die zunehmende religiöse Vielfalt an den Schulen an und könne als Möglichkeit genutzt werden, gegenseitige Toleranz zu üben und so zur Integration beizutragen. Es gebe aber auch Gründe, dem Neutralitätsbegriff eine „striktere und mehr als bisher distanzierende“ Bedeutung beizumessen. Es sei nicht gleichzusetzen, ob ein Land es Lehrern erlaube, aus einer persönlichen Entscheidung in religiöser Kleidung zu unterrichten, oder ob es die Anbringung religiöser Symbole in Schulen anordne (etwa das Aufhängen von Kruzifixen), so die Richter. Wenn Lehrern die individuelle „religiöse“ Stellungnahme durch ihre Kleidung gestattet werde, sei dies nicht notwendig als Befürwortung durch das Land zu bewerten.  Das Urteil betonte Ludins Grundrecht auf Glaubensfreiheit, nannte aber auch dagegen abzuwägende Grundrechte wie die Rechte der Eltern oder die Glaubensfreiheit der Schüler. Ferner wies das Gericht auf die mögliche Beeinflussung der Schüler und die Störung des Schulfriedens hin, wenn Schüler unausweichlich mit dem religiösen Bekenntnis eines Lehrers konfrontiert würden.

Diese Gefahren seien „abstrakt“ und träten nicht notwendigerweise ein, so die Richter. Die bloße Möglichkeit von Konflikten an Schulen zwischen den konkurrierenden Rechten der Lehrer, Eltern und Schüler sei nicht ausschlaggebend für die Abwägung der Grundrechte. Wenn ein Bundesland solche Gefahren dennoch beseitigen wolle, so das Fazit der Richter, müsse es das Problem im Rahmen des Schulgesetzes oder anderer spezifischer Gesetze regeln. Bei der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses sei es möglich, dass die einzelnen Länder jeweils unterschiedliche Maßnahmen träfen, die auch schulische Traditionen, die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung und den Grad ihrer religiösen Verwurzelung berücksichtigten.  Die Richter betonten jedoch, dass solche Gesetze, ihre Begründung und ihre praktische Anwendung alle Religionen strikt gleich behandeln müssten.

Fereshta Ludin ist weder gewann und verlor gleichzeitig. Wie zu erwarten verabschiedete Baden-Württemberg rasch ein entsprechendes Gesetz für staatliche Schulen. Das Bundesverfassungsgericht verwies Ludins Fall wieder an das Bundesverwaltungsgericht, der das neue Gesetz in Baden-Württemberg aufrecht erhielt. Ludin hatte letztendlich genug von dem Druck und sah von weiteren Berufungen ab.  Sie arbeitet heute in einer privaten muslimischen Grundschule in Berlin.

Das Urteil überließ es den Bundesländern zu entscheiden, ob sie ein generelles Verbot religiöser Symbole erlassen oder religiösen Pluralismus an den Schulen garantieren wollten.

In Reaktion auf das Ludin-Urteil, verabschiedeten die Landtage in der Hälfte der Bundesländer rasch Gesetze, die Lehrern an staatlichen Schulen das Tragen religiöser Symbole und Kleidung untersagten – obwohl sie ursprünglich nur das Kopftuch im Visier gehabt hatten. In zwei Bundesländern wurde das Verbot auch auf andere Mitarbeiter des öffentlichen Diensts ausgeweitet. Die verbleibenden acht Länder beschlossen schließlich, keine eigenen Gesetze zur Regulierung oder zum Verbot des Kopftuchs zu verabschieden (drei von ihnen hatten Gesetzentwürfe diskutiert, die jedoch im Landtag scheiterten oder aufgegeben wurden).

In der Folge wurden vor den Gerichten der Länder eine Reihe von Klagen gegen die Kopftuchverbote angestrengt. Einige Fälle wurden von Arbeitsgerichten (die Streitfälle im Arbeitsrecht übernehmen) angenommen – in erster Instanz von örtlichen Gerichten und im Falle einer Berufung von den jeweiligen Landesarbeitsgerichten. Andere Klagen wurden vor Verwaltungsgerichten (die für das Beamtenrecht und u.a. auch für Streitfälle im Bildungswesen zuständig sind) verhandelt – in erster Instanz auf lokaler Ebene und im Falle einer Berufung vor den Landesverwaltungsgerichten.

Die Gesetze und Prozesse im Zusammenhang mit dem Kopftuch zogen eine breite Aufmerksamkeit in Medien, Politik und Gesellschaft auf sich, was namhafte Politiker veranlasste, sich zu der Frage zu äußern. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte in einem Interview im Jahre 2003, dass es im Staatsdienst keinen Platz für Kopftücher gebe.[10] Renate Schmidt, die von 2002 bis 2005 amtierende Ministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, sprach sich ebenfalls gegen das Kopftuch aus. Ähnlich äußerten sich eine Reihe von Bundestagsabgeordneten türkischer Herkunft. Im Widerspruch dazu verurteilte Marieluise Beck, damals Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, die Restriktionen. Andere prominente Politikerinnen schlossen sich ihrer Kritik an.[11]

Befürworter des Kopftuchverbots

Gleichberechtigung der Frau

Viele Befürworter von Kopftuchverboten – unter ihnen Alice Schwarzer[12], die Herausgeberin der feministischen Zeitschrift Emma, die Sozialwissenschaftlerin und Autorin Necla Kelek,[13] die Rechtsanwältin Seyran Ates[14] und andere Kommentatoren türkischer Abstammung – tragen ihre Argumente in der Sprache der Frauenrechte vor.[15] Sie sind der Ansicht, das Kopftuch unterdrücke Frauen und verletze den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit der Geschlechter. Einschränkungen des Tragens von Kopftüchern halten sie für ein positives Element, das die Rechte der Frauen schützt.[16]

Es wird argumentiert, dass die Kopftuchverbote ein Mittel zum Schutz von Mädchen und Frauen bieten, die durch ihr Umfeld unter Druck gesetzt werden, ein Kopftuch zu tragen. Gleichzeitig, wird dargelegt, mache eine Kopftuch tragende Lehrerin  es jungen muslimischen Schülerinnen schwer oder unmöglich, sich gegen den Willen der Familie und des sozialen Umfelds dazu zu entscheiden, das Kopftuch nicht tragen zu wollen und sich zu behaupten.[17]

Die „Neutralität“ des Staates

Das Prinzip der Neutralität des Staates bezeichnet dessen Pflicht, ideologisch und religiös unabhängig zu bleiben. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts lässt sich dieses Prinzip aus dem Grundgesetz ableiten.

Einige Befürworter der Restriktionen des Kopftuchs und anderer religiöser Kleidung – unter ihnen SPD-Politiker aus Berlin und Bremen und die türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Lale Akgün – behaupten die  Maßnahmen sicherten die Neutralität des Lernumfelds und des öffentlichen Dienstes sowie den „politischen und religiösen Frieden“ an den Schulen und in den Ländern. Sie argumentieren, das Tragen des Kopftuchs durch Lehrerinnen müsse verboten werden, um – so ihre Ausdrucksweise - das Recht der Schüler zu schützen, nicht mit Lehrern (also Repräsentanten des Staates und der Schule) konfrontiert zu werden, die sich offen zu einer bestimmten Religion bekennen.[18] Beamte der Landesbehörden heben die Bedeutung dieses Prinzips der negativen Religionsfreiheit der Schüler (und des Schutzes vor jeglicher Indoktrinierung)hervor gerade in Deutschland, wo die strenge Schulpflicht strikt durchgesetzt wird und Heimunterricht praktisch nicht möglich ist.[19] 

Eine Reihe von Kirchenvertretern und Politikern (hauptsächlich der CDU) rechtfertigen Privilegien für die christliche Glaubensgemeinschaft mit deren tiefer Verwurzelung in der deutschen Kultur und im deutschen Wertesystem. In ihren Augen ist das Kopftuch eine Bedrohung für die christliche Tradition, auf der die Verfassungswerte basieren. Nach dieser Logik stellen christliche Symbole keine Gefahr für das Grundgesetz dar, weil sie vielmehr kulturelle als religiöse Sinnbilder und damit neutral sind.

Islam und Integration

In Deutschland wie in anderen europäischen Ländern wurden in der Kopftuchdebatte Fragen der Religionsfreiheit mit Bedenken über religiösen Fundamentalismus und den politischen Missbrauch religiöser Symbole wie dem Kopftuch verquickt. Befürworter der Restriktionen des Kopftuchtragens – darunter einige türkische Organisationen in Deutschland, Frauen aus türkischen Migrationsfamilien, Frauenrechtlerinnen, die CDU sowie rechtsextreme Parteien wie die Republikaner und die Deutsche Volksunion (DVU) – sehen den Staates und die Frauenrechte durch Islamisten gefährdet. Sie glauben, dass religiöse Bewegungen planen, säkulare Strukturen langsam zu beseitigen und dass die Tolerierung des Kopftuchs nur ein erster Schritt ist, auf den weitere Forderungen folgen werden.[20]

Die weltliche Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD)[21] und der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) haben wiederholt vor der Duldung des Kopftuchs gewarnt. Die TGD befürwortet ein Verbot aller religiösen Symbole an Schulen sowie im gesamten öffentlichen Dienst und kritisiert Kopftuch-Bestimmungen mit Ausnahmen für christliche Symbole, weil sie Muslime diskriminieren.[22]

Gewisse Politiker und Frauenrechtlerinnen glauben, das Kopftuch erschwere die Integration muslimischer Frauen in Deutschland. Sie sind der Meinung, dass Kopftuchverbote an Schulen und im öffentlichen Dienst ein deutliches Zeichen für mehr Integration setzen und jungen muslimischen Frauen zugutekommen.[23]

 

III. Deutschlands Verpflichtungen für die Menschenrechte

Deutschland ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte (IPbpR)[24], des Internationalen Pakts über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (IPwskR),[25] der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD)[26] und der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).[27] Ferner hat Deutschland die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK) ratifiziert.[28]

Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle wurden auf Bundesebene ins deutsche Recht aufgenommen und erhielten damit Gesetzesrang.[29] Bei der Auslegung des nationalen Rechts müssen deutsche Gerichte die Konvention einhalten bzw. anwenden.

Als Mitglied der Europäischen Union ist Deutschland verpflichtet, EU-Recht in der nationalen Gesetzgebung umzusetzen.

Zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau gemäß CEDAW,  muss Deutschland Fällen nachgehen, in denen Frauen mehrfach und gebietsübergreifend diskriminiert werden (etwa wegen ihres Geschlechts und ihrer Religionszugehörigkeit). Dabei ist zu beachten, dass auch geschlechterneutrale Gesetze und Richtlinien die Ungleichheit der Geschlechter verfestigen können, wenn sie in der Praxis überproportional auf Frauen angewendet werden.

Geschlechtliche Gleichstellung

Durch die internationalen Menschenrechtsverträge ist Deutschland verpflichtet, die Rechte der Frau, insbesondere ihr Recht auf Privatsphäre und freie Meinungsäußerung, zu achten ihre Gleichberechtigung zu garantieren und sie vor Diskriminierung zu schützen.

 

Mit der Ratifizierung der CEDAW im Jahr 1985 hat sich Deutschland verpflichtet, alle Formen der Diskriminierung von Frauen zu beseitigen. Der Vertrag verlangt von den Staaten „jede Unterscheidung, Ausgrenzung oder Einschränkung [zu unterbinden], die auf der Grundlage des Geschlechts erfolgt und zur Folge oder zum Ziel hat, die Anerkennung, den Genuss und die Wahrnehmung politischer, sozialer, kultureller oder anderer Rechte durch Frauen zu erschweren oder zu verhindern“.[30]

 

Nach der Konvention muss Deutschland „jede Handlung oder Praxis, die Frauen diskriminiert, unterlassen und gewährleisten, dass Behörden und öffentliche Institutionen in Übereinstimmung mit dieser Verpflichtung handeln“ und  ferner „alle gebotenen Maßnahmen, einschließlich gesetzgeberischer, treffen, um bestehende Gesetze, Vorschriften, Sitten und Praktiken zu verändern oder abzuschaffen, die eine Diskriminierung von Frauen darstellen“. Außerdem muss Deutschland jegliche Diskriminierung von Frauen im öffentlichen Leben unterbinden.[31]

Der UN-Menschenrechtsausschuss, der die Einhaltung des IPbpR durch die Vertragsstaaten überwacht, hat betont, dass die Staaten dafür verantwortlich sind, dass Frauen und Männer gleichermaßen und ohne Benachteiligung in den Genuss aller im IPbpR enthaltener Rechte kommen. Die Regierungen müssen alle dafür notwendigen Maßnahmen ergreifen, etwa Widerstände zu überwinden, die verhindern, dass Frauen und Männer in den gleichen Genuss ihrer Rechte kommen, und nationale Gesetze entsprechend anpassen.[32]

 

Der Ausschuss hob außerdem hervor, dass „jede spezifische Reglementierung der Kleidung, die Frauen in der Öffentlichkeit tragen, eine Reihe von Rechten, die durch den IPbpR geschützt sind, verletzen könnte, etwa Artikel 26, im Falle von Diskriminierung, Artikel 18 und 19, wenn Frauen Kleidungsvorschriften unterworfen werden, die nicht mit ihrer Religion und dem Ausdruck ihrer Persönlichkeit vereinbar sind, und schließlich von Artikel 27, wenn die Bekleidungsvorschriften in Konflikt mit der Kultur stehen, der sich die Frau zugehörig fühlt.“[33]

Auf der Grundlage der Gleichstellung von Frau und Mann bietet der IPbpR Frauen auch Schutz vor Gesetzen und Praktiken, die in ihr Privatleben eingreifen und andere nach Artikel 17 geschützte Rechte beeinträchtigen.[34] Der Schutz der Privatsphäre ist auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.[35] Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist sowohl im IPbpR als auch in der EMRK festgeschrieben.[36]

In Deutschland sind die Gleichheit vor dem Gesetz und die Freiheit von Diskriminierung durch Artikel 3 des Grundgesetzes geschützt, der besagt, dass „niemand... wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden [darf].“[37]

Nicht-Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf

Durch zahlreiche Menschenrechtsverträge, wie CEDAW, IPbpR oder EMRK, ist ein umfassendes Verbot von Diskriminierung in Beruf und Beschäftigung gegeben.[38]

Der IPbpR verpflichtet Deutschland Frauen und Männern gleichen Zugang zu staatlichen Leistungen zu bieten. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat bestätigt, dass diese Verpflichtung die Notwendigkeit wirksamer und aktiver Maßnahmen umfasst, um Frauen den Zugang zu Führungspositionen im öffentlichen Dienst und in der Justiz zu ermöglichen.[39]  Methoden bei der Vergabe hoch bezahlter Positionen, die Frauen benachteiligen, verstoßen ebenfalls gegen Artikel 26 des IPbpR.

Gemäß CEDAW muss Deutschland alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Diskriminierung von Frauen in Beruf und Beschäftigung zu unterbinden und dafür zu sorgen, dass Frauen Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt erhalten und ihren Beruf und Arbeitgeber frei wählen können.

Durch seinen Beitritt zur Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und die Ratifizierung des Übereinkommens über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf der ILO ist Deutschland weitere Verpflichtungen auf diesem Gebiet eingegangen.[40] Der Expertenausschuss der ILO zeigte sich besorgt darüber, dass Regierungen die Rechte von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Religionsausübung einschränken.[41] 

Die EU-Richtlinie 2000/78/EC (die „Beschäftigungsrahmenrichtlinie“) schafft einen Rahmen für die Beseitigung direkter und indirekter Diskriminierung im Beruf auf der Grundlage von Religionszugehörigkeit, Weltanschauung und aus anderen Gründen. Die Direktive verpflichtete die Mitgliedstaaten alle enthaltenen Regelungen bis 2003 in nationales Recht umzusetzen. Wie im Falle geschlechtsspezifischer Diskriminierung bietet das EU-Recht keine Möglichkeit, die Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit (direkte Diskriminierung) zu rechtfertigen. Ebenfalls verboten sind neutrale Bestimmungen, die dennoch Angehörige einer bestimmten Religion benachteiligen und damit zu einer indirekten Diskriminierung führen. Solche Maßnahmen sind nur zulässig, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen.

Das seit langem bestehende EU-Recht zum Verbot  geschlechtsspezifischer Diskriminierung am Arbeitsplatz wurde durch die Richtlinie 2006/54/EC fester verankert. Wie die anderen EU-Staaten musste  Deutschland die Verordnungen der Direktive bis zum 15. August 2008 implementieren.[42]  Die Richtlinie verlangt, dass jede direkte oder indirekte Diskriminierung auf der Grundlage des Geschlechts bei der Einstellung und  den Arbeitsbedingungen gesetzlich verboten wird, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor.[43]

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), mit dem Deutschland die EU-Richtlinien zur Gleichberechtigung umsetzte, trat am 18. August 2006 in Kraft.

Das Grundgesetz schützt das Recht auf freie Berufswahl.[44]

Religionsfreiheit

Durch die Menschenrechtsverträge ist Deutschland verpflichtet, die Religionsfreiheit aller Einwohner zu schützen. Allgemeine und regionale Menschenrechtsverträge, wie IPbpR und EMRK, verweisen auf die Freiheit jedes Menschen „seine Religion oder seine Weltanschauung durch  Gottesdienst, Befolgung, Ausübung und Lehre zu bekennen“.[45]

Artikel 18 des IPbpR sichert das Recht eine Religion oder Weltanschauung zu haben oder anzunehmen und zu bekunden. Der UN-Menschenrechtsausschuss erklärte: „Die Idee religiöser Verehrung umfasst das... Zeigen von Symbolen... Die Befolgung und das Praktizieren einer Religion kann nicht nur zeremonielle Handlungen, sondern auch Bräuche wie ... das Tragen besonderer Kleidung oder Kopfbedeckungen beinhalten.“[46]

Artikel 2(1) des IPbpR gibt allen Menschen grundlegende Rechte ohne Unterscheidung oder Diskriminierung aufgrund (unter anderem) der Religionszugehörigkeit. Nach Artikel 26 müssen Staaten gewährleisten, dass „das Gesetz jede Diskriminierung verbiete[t] ... und allen Menschen den gleichen wirksamen Schutz biete[t] ... vor Diskriminierung aus Gründen wie ... Religion“.

Der UN-Menschenrechtsausschuss hat die Vertragsstaaten aufgerufen, sich  mit dem Problem zu befassen, dass religiöse Diskriminierung Frauen überproportional betrifft. Er betonte, dass „Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen müssen, um die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ... - einschließlich der Freiheit [zum Ausdruck] ... seine[r] Religion oder Weltanschauung – zu garantieren und in Gesetz und Praxis zu schützen, für Männer und Frauen in gleicher Weise und ohne Diskriminierung.“[47]

Die Religionsfreiheit ist fest im Grundgesetz verankert.[48] Dieses erkennt die Bedeutung der Gleichberechtigung an und betont wiederholt das Recht auf gleichen Schutz und gleiche Wahrnehmung der Rechte und Privilegien, einschließlich der freien Religionsausübung.[49] Eine ungleiche Behandlung verschiedener Religionsgemeinschaften verstößt gegen das Grundgesetz.

Grenzen der Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist nach internationalen Menschenrechtsstandards ein einschränkbares Recht.[50] Die bedeutet im weitesten Sinne, dass Einschränkungen der Religionsfreiheit nur zulässig sind, wenn eine demokratische Gesellschaft sie für unerlässlich zum Schutz der allgemeinen Sicherheit, Gesundheit und Moral oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erachtet und wenn sie durch Gesetze erfolgen.

Im Gegensatz dazu gibt es im Grundgesetz keine gesetzlich festgelegten Einschränkungen der Religionsfreiheit. Folglich sind Restriktionen dieses Grundrechts nur verfassungskonform, wenn sie direkt zum Schutz anderer Grundrechte oder ähnlich schützenswerter Rechtsgüter dienen.[51]

In seinem Allgemeinen Kommentar zur Religionsfreiheit stellt der UN-Menschenrechtsausschuss klar, dass „Einschränkungen nicht zum Zwecke der Diskriminierung verhängt oder auf diskriminierende Weise angewendet werden dürfen“.[52] Eine Beschneidung von Rechten ist somit unzulässig, wenn sie das Recht der Frau auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Da der Moralbegriff aus unterschiedlichen sozialen, philosophischen und religiösen Überlieferungen hervorgegangen sei, dürfe eine Begrenzung der Religionsfreiheit zum Schutz der Moral nicht aufgrund von Prinzipien erfolgen, die sich nur aus einer einzigen Tradition ableiten, so der Ausschuss.[53]

Artikel 9(2) der Europäischen Menschenrechtskonvention rechtfertigt Einschränkungen der Gedanken-, Gewissens-, Rede- oder Religionsfreiheit nur im Falle von Notwendigkeit. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte präzisierte im Zusammenhang mit Einschränkungen der freien Meinungsäußerung den Begriff Notwendigkeit als die Existenz eines „zwingenden gesellschaftlichen Bedarfs“ (‘pressing social need’).[54] Während die Vertragsstaaten einen gewissen Ermessensspielraum bei der Feststellung eines solchen Bedürfnisses haben, müssen sie notwendige Beschränkungen in Form eng gefasster Gesetze umsetzen und überzeugend darlegen, warum die Restriktionen nötig sind.

Die UN-Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit hat allgemeine Kriterien entwickelt, mit denen Verbote und Einschränkungen des Tragens religiöser Symbole aus Sicht der Menschenrechte bewertet werden können. Ihrer Darlegung zufolge lassen sich „gesetzgeberische und administrative Handlungen, die unvereinbar mit internationalen Menschenrechtsstandards sind“ an folgenden Faktoren erkennen:

  • Die Einschränkung hat zur Folge, dass eine Person ihre Religion oder Weltanschauung nicht mehr zum Ausdruck bringen kann.
  • Die Beschränkung beabsichtigt oder bewirkt entweder offene Diskriminierung oder eine versteckte Unterscheidung aufgrund der betreffenden Religion oder Weltanschauung.
  • Einschränkungen der freien Religionsausübung zum Schutz der Moral beruhen auf Prinzipien, die sich aus einer einzigen Tradition ableiten.
  • Ausnahmen von dem Verbot, religiöse Symbole zu tragen, werden offen oder stillschweigend auf die vorherrschende oder staatlich erwünschte Religion zugeschnitten.
  • Die Behörden wenden die restriktiven Bestimmungen in der Praxis auf diskriminierende Weise oder mit dem Ziel der Diskriminierung an, etwa indem sie willkürlich gegen bestimmte Personenkreise oder Gruppen, beispielsweise Frauen, vorgehen.
  • Gewisse Besonderheiten einer Religion oder Weltanschauung werden nicht ausreichend berücksichtigt, z.B. wäre eine Religionsgemeinschaft, die bestimmte religiöse Kleidung vorschreibt,  stärker von einem generellen Verbot religiöser Kleidung und Symbole, die keinen besonderen Wert auf diesen Aspekt legt.
  • Der Einsatz von Zwangsmaßnahmen und Strafen gegen Personen, die sich weigern religiöse Kleidung oder ein bestimmtes vorgeschriebenes Symbol zu tragen. Unter dieses Kriterium fallen Gesetze oder Richtlinien, die es gewissen Personen, insbesondere Eltern, erlauben, die Bekleidungsvorschriften mit übermäßigem Druck, Drohungen und Gewalt durchzusetzen.[55]

Nach Ansicht der Sonderberichterstatterin stellt ein Verbot religiöser Symbole, das sich ausschließlich auf Spekulationen und Vermutungen statt auf belegbare Tatsachen stützt, eine Verletzung der Religionsfreiheit dar.[56]

Recht auf Privatsphäre

Das Recht auf ein Privatleben ist in EMRK und IPbpR verankert.[57] Wie bei der Religionsfreiheit, darf der Staat auch den Schutz der Privatsphäre nur einschränken, wenn dies einem legitimen Zweck dient und auf nicht-diskriminierende Weise erfolgt. Der Umfang und die Auswirkungen der Eingriffe müssen verhältnismäßig gegenüber dem angestrebten Ziel sein. Es obliegt dem Staat, die Restriktionen überzeugend zu begründen.[58]

Minderheitenrechte

Nach Artikel 27 des IPbpR darf in Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten den Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben.

Die Erklärung über Minderheiten der UN-Generalversammlung fügt in Artikel 1 hinzu, dass Staaten „die Existenz und ... religiöse ... Identität von Minderheiten auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und Bedingungen, die dieser Identität förderlich sind, herstellen sollen“.[59]

Deutschland ist Vertragsstaat der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats, die ihre Unterzeichner zur Achtung der religiösen Rechte von Minderheitenverpflichtet. Nach Artikel 6 der Konvention müssen die Staaten ein Klima der Toleranz und des interkulturellen Dialogs schaffen und wirksame Maßnahmen zur Förderung des gegenseitigen Respekts und der Zusammenarbeit aller Bewohner ihres Hoheitsgebiets schaffen, insbesondere auf den Gebieten der Bildung, der Kultur und der Medien und unabhängig von ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität.

Deutschland hat unilateral erklärt, es werde die Konvention nur auf vier  „historische“ Minderheiten anwenden: Dänen, Sorben, Roma und Sinti sowie Friesen.[60]

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das Kopftuch

Der Großteil des in dieser Frage relevanten internationalen Rechts, insbesondere jene Normen, die sich aus den Menschenrechtsverträgen der UN und den Antidiskriminierungsrichtlinien der EU ableiten, verlangen, dass Deutschland aktiv handelt, um das Recht der muslimischen Minderheit zur öffentlichen Glaubensbekundung zu schützen, und dass es religiöse oder geschlechtsspezifische Diskriminierung streng verbietet.

Leider hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden EGMR) in der Frage von Einschränkungen des Tragens von Kopftüchern (seit kurzem auch von Turbanen) eine Haltung eingenommen, die es Staaten nach Ansicht von Human Rights Watch erlaubt, die Rechte von Angehörigen nicht-christlicher Religionen, die bestimmte Kleidungsstücke aus Glaubensgründen öffentlich tragen, zu verletzen. In seinen Einschätzungen einer Reihe von Fällen gab das Gericht mehreren Umständen zu wenig Gewicht. Dazu gehören die Notwendigkeit, dass Staaten derartige Restriktionen überzeugend rechtfertigen, der mit den Restriktionen einher gehende Eingriff in das Leben der Betroffenen und die diskriminierende Wirkung von Verboten, die vorwiegend Kopftuch tragende Frauen und Mädchen treffen.

Im Fall Dahlab gegen die Schweiz aus dem Jahr 2001 wiesen die Richter die Klage der Grundschullehrerin Lucia Dahlab aus dem Kanton Genf ab. Dahlab, die jahrelang erfolgreich unterrichtet hatte, wurde das Tragen des Kopftuchs verboten, nachdem sie zum Islam konvertiert war.[61] Das Gericht bestätigte das Recht der Regierung, muslimische Lehrerinnen zum Verzicht auf das Kopftuchs zu verpflichten mit der Begründung, dass „die Verordnung sich nicht gegen den Glauben der Klägerin richtete, sondern auf den Schutz der Freiheit und Sicherheit anderer sowie die Wahrung der öffentlichen Ordnung zielte“. Dahlabs Klassen (Vier- bis Achtjährige) seien „leichter beeinflussbar“ durch solche „starken äußeren Symbole“ als andere Kinder.

Die Richter schlossen sich der Einschätzung des Schweizerischen Bundesgerichts an, das Verbot des Kopftuchtragens sei, da die Klägerin als Lehrerin arbeite, „gerechtfertigt durch die potentielle Beeinflussung der religiösen Ansichten ihrer Schüler, anderer Schüler ihrer Schule und der Eltern der Schüler sowie durch den Verstoß gegen das Prinzip der religiösen Neutralität der Schulen“.[62]

Im Fall Leyla Şahin gegen die Türkei befasste sich das Gericht erneut mit der Kopftuchproblematik. Darin ging es um den Ausschluss von Studenten, die ihre Köpfe bedecken, von Vorlesungen und Prüfungen an höheren Bildungseinrichtungen. Die Richter räumten den türkischen Behörden einen breiten Ermessensspielraum ein und kamen zu dem Schluss, dass keine Verletzung von Artikel 9 der EMRK vorliege.

Nach Ansicht des Gerichts dient der Ausschluss von Studentinnen, die ein Kopftuch tragen, vom Universitätsbesuch in erster Linie dem legitimen Ziel des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer und der Wahrung der öffentlichen Ordnung. Das Verbot gründe sich auf das Prinzip der Trennung von Religion und Staat und dem Gleichheitsgrundsatz. Die Trennung von Religion und Staat in der Türkei sei mit den Werten vereinbar, auf denen die Konvention beruht, so die Richter. Man dürfe „nicht vergessen, welchen Einfluss das Tragen eines solchen Symbols, das als religiöse Pflicht dargestellt oder wahrgenommen werde, auf jene haben könne, die es nicht tragen.“[63]

Die Richterin Françoise Tulkens schloss sich diesem Urteil nicht an und sah in dem Verbot eine Verletzung von Artikel 9, EMRK: Sie wandte sich gegen die Art, wie die Große Kammer das Prinzip der Trennung von Religion und Staat und den Gleichheitsgrundsatz angewendet hatte, insbesondere den allgemeinen und vagen Bezug auf die Trennung von Religion und Staat. Sie  äußerte außerdem Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Verbots.[64] Tulkens wandte sich entschieden gegen die Auffassung, das Kopftuch stehe seinem Wesen nach im Konflikt mit dem Gleichheitsgrundsatz.

Im November und Dezember 2008 befasste sich der EGMR mit weiteren Fällen von Einschränkungen religiöser Freiheiten für Angehörige nicht-christlicher Religionen und knüpfte dabei an seine vorausgegangenen Urteile an. In den Fällen Dogru gegen Frankreich[65] und Kevanci gegen Frankreich[66] ging es um zwei 12-Jährige, die im Jahr 1999 von ihrer Schule verwiesen worden waren, weil sie sich geweigert hatte, ihr Kopftuch während des Sportunterrichts abzunehmen.[67] Der Vorschlag ihrer Eltern, sie könnten Hüte tragen, wurde von der Schulleitung abgelehnt.[68] 

Das Gericht erkannte keinen Verstoß gegen die Religionsfreiheit und erklärte die Mädchen hätten ein „auffälliges“ Zeichen getragen. Sie verteidigten die Trennung von Religion und Staat in Frankreich, obwohl es in diesem Fall lediglich um die Frage gegangen war, ob ein Kopftuch oder Hut beim Sportunterricht zulässig ist. Die Richter beurteilten die Verweise nicht als unverhältnismäßig, da die Mädchen ihre Schulbildung durch Fernunterricht fortsetzen könnten. Auf Argumente, das Recht der Mädchen auf Bildung sei verletzt, gingen sie nicht ein.

Im Fall Mann Singh gegen Frankreich ging es um die Klage eines Sikh, der seit 20 Jahren einen Führerschein besaß, auf dem er mit einem Turban zu sehen war und dem 2004 mitgeteilt wurde, seine Fahrerlaubnis könne nur verlängert werden, wenn er ein Foto einreiche, auf dem er keinen Turban trage. Singh sah darin eine Verletzung seiner Religionsfreiheit.[69] Ein französisches Gericht gab seiner Klage mit der Begründung statt, es gebe im französischen Recht keine Grundlage für die Entscheidung. Die Regierung erklärte daraufhin in einem Rundschreiben, alle Fotos, die zur Identifizierung einer Person dienten, müssten diese ohne Kopfbedeckung zeigen. Der EGMR ließ den Fall ohne vorherige Anhörung nicht zum Verfahren zu. Das Gericht schloss sich dem Argument der französischen Regierung an, Fotos ohne Kopfbedeckung seien zur Identifikation notwendig. Über die Frage, warum die Behörden bis 2005 solche Fotos akzeptiert hatten, sahen sie hinweg.

Human Rights Watch betrachtet die Urteile des EGMR zu nicht-christlicher religiöser Kleidung (in erster Linie dem Kopftuch) als hoch problematisch. Unser Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass das Gericht das Tragen eines Kopftuchs wiederholt als eine religiöse Bekundung anerkannt hat und deshalb prinzipiell der Schutz der Religionsfreiheit nach Artikel 9,EMRK gilt.[70]

In den Fällen Dahlab und Şahin maß das Gericht der angeblichen „Gefährdung“ anderer durch das Tragen des Kopftuchs große Bedeutung zu, doch gerade für diese Bedrohung hatten die betroffenen Regierungen nur sehr wenige Beweise vorgelegt. Wie Richterin Tulkens unterstreicht, können nur „unbestreitbare Tatsachen und Gründe, deren Legitimität außer Frage steht,“ Einschränkungen der durch die Konvention garantierten Rechte begründen.[71]

Human Rights Watch kritisierte das Şahin Urteil zu seiner Zeit dahingehend, dass das Gericht  die Argumente der türkischen Regierung bereitwillig anerkannt und den Folgen der schweren Restriktionen für Frauen wie Leyla Şahin beschränktes Gewicht gegeben hatte.[72]

Mit dem Şahin-Urteil verwässerte der EGMR faktisch die Schutzfunktion von Artikel 9. Die Richter legten nicht nur übertrieben großen Wert auf die säkularen Verfassungstraditionen in bestimmten Staaten, sie sahen sich offenbar auch als deren Verteidiger, obwohl die Konvention auf alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise angewendet werden sollte. Die Urteilsbegründung bleibt die Erklärung schuldig, welche Nachteile den Frauen, die kein Kopftuch tragen, durch die Zulassung des islamischen Kopftuchs an den Universitäten entstehen würden.[73]

Ein weiteres im Fall Şahin angeführtes Argument gegen das Kopftuch ist die angenommene Verbindung zwischen der Praxis des Kopftuchtragens und dem politischen Extremismus. Während es in der Türkei zweifellos extremistische politische Strömungen gibt, wurde die Kampagne für das Recht, ein Kopftuch zu tragen, nach Recherchen von Human Rights Watch seit mehr als einem Vierteljahrhundert gewaltlos geführt.[74] Außerdem kann – wie Richterin Tulkens bemerkt – das Recht auf freie Ausübung und Bekundung einer Religion durch äußere Symbole nicht vollständig durch das öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Fundamentalismus aufgehoben werden. Der Kampf gegen den Extremismus kann auch ohne ein Kopftuchverbot für Frauen geführt werden, die dieses Symbol nicht zur Unterstützung des Extremismus, sondern aus anderen Gründen tragen.[75]

Wenn der EGMR nur wenig Verständnis für die konkreten Folgen der Verbote für Träger von Kopftüchern und Turbanen zeigt, steht dies in krassem Gegensatz zu seiner Haltung in Fällen, in denen es um die Notwendigkeit geht, die christliche Religion zu schützen. Dies macht der bekannte Fall des Otto Preminger-Instituts deutlich, in dem das Gericht die Beschlagnahmung eines Films durch österreichische Behörden für rechtens erklärte, weil Angehörige des christlichen Glaubens möglicherweise daran Anstoß genommen hätten. Die Richter lasen aus Artikel 9 die Notwendigkeit heraus, „den Respekt für die religiösen Gefühle der Gläubigen“ zu schützen.[76] Wenn es jedoch um den Ausdruck des Glaubens durch Muslime oder Sikh ging, zeigte sich das Gericht bereit, Frauen und Mädchen den Zugang zu Bildung   zu verweigern oder die Vergabe wichtiger Papiere wie Führerscheine abzulehnen.

 

IV. Verbote religiöser Symbole im öffentlichen Dienst der Bundesländer

Acht der 16 deutschen Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland – haben Gesetze verabschiedet, die Lehrern an öffentlichen Schulen das Tragen sichtbarer religiöser Symbole und Kleidungsstücke verbieten. In Baden-Württemberg und Berlin gelten ähnliche Gesetze auch für Erzieher in Kindergärten. In Hessen und Berlin erstreckt sich das Verbot auch auf Teile oder die Gesamtheit der Beamtenschaft in Justiz,[77] Polizei und Strafvollzug (darunter Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte sowie Angestellte der Gerichte und Haftanstalten).

Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen lassen auch Ausnahmen im Rahmen des Religionsunterrichts zu. Referendare können im Allgemeinen von den Verboten befreit werden,[78] da der Staat bei der Lehrerausbildung über ein Monopol verfügt und andernfalls die Berufsfreiheit verletzen würde. Dies wurde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Juni 2008 bestätigt (siehe unten stehenden Abschnitt „Verbote ohne ausdrückliche Ausnahmen für Christen“).

Alle acht Länder verpflichten Lehrer, sich religiös, politisch und ideologisch neutral zu verhalten. Das islamische Kopftuch wird in den Gesetzestexten nicht ausdrücklich erwähnt, der Begriff taucht jedoch in den Begründungen der Gesetzentwürfe und in den Landtagsdebatten auf. Zudem bezogen sich alle bisher eingereichten Klagen gegen die Verbote auf das Kopftuch: Seit Inkrafttreten der Landesgesetze sind in 12 Prozessen 20 Urteile ergangen.

Zu den Klägern in diesen Verfahren gehören nicht nur Referendarinnen, die Stellen als Lehrerinnen suchen, sondern auch Sozialpädagoginnen, die bereits (teilweise seit Jahrzehnten) im Bildungswesen tätig sind. Der Großteil der Klagen wurde abgewiesen. Die wenigen Fälle, in denen zu Gunsten der Kläger entschieden wurde, betrafen Referendarinnen.

Verbote mit Ausnahmen für christliche Symbole und Kleidung

In fünf Bundesländern – Baden-Württemberg, das Saarland, Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen – enthalten die Verbote Ausnahmen für christliche Symbole und Kleidung, die sich auf die Bekundung und Darstellung christlich-abendländischer Werte, Überzeugungen und Traditionen beziehen.

Nach dem Ludin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (siehe Kapitel II) verabschiedete Baden-Württemberg im April 2004 als erstes Bundesland ein Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, welches das Tragen religiöser Kleidungsstücke und Symbole durch Lehrer an staatlichen Schulen regelt.[79]

Nach dem geänderten Schulgesetz dürfen Lehrer an staatlichen Schulen keine „politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören“.[80] Nach dem Gesetz ist insbesondere „Verhalten unzulässig, welches bei Schülern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrkraft gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt“.

Im Weiteren erklärt das Schulgesetz jedoch: „[D]ie entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot [für Lehrer].“ Sie diene vielmehr pädagogischen Zielen. Mit diesem Gesetz beabsichtigte Baden-Württemberg, Lehrerinnen an staatlichen Schulen das Tragen des islamischen Kopftuchs zu verbieten, christliche Bekleidung und Symbole,[81] etwa die Ordenstracht der Nonne, aber weiterhin zuzulassen.[82]

Die Sprache des baden-württembergischen Paragraphen findet sich auch in dem Gesetz wieder, das der nordrhein-westfälische Landtag im Juni 2006 verabschiedete.[83]

Bayern erließ im Jahr 2004 Restriktionen des Tragens des Kopftuchs.[84] Die Trachten von Ordensschwestern sind erlaubt.[85]  Nach dem bayerischen Gesetz dürfen Lehrer keine Kleidung tragen, die unvereinbar mit „verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung“[86] ist. Zu diesen werden  „christlich-abendländische Bildungs- und Kulturwerte“ gezählt.[87]

Das im Saarland im Juni 2004 eingeführte Gesetz betont christliche Werte und Traditionen: „Die Schule unterrichtet und erzieht die Schüler bei gebührender Rücksichtnahme auf die Empfindungen anders denkender Schüler auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte.“[88]

In Hessen wurde 2004 ein äußerst strenges Gesetz verabschiedet, das allen Mitarbeitern des öffentlichen Diensts, einschließlich Lehrern an staatlichen Schulen das Tragen religiöser Kleidung und Symbole verbietet, die „geeignet sind, die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Schule zu gefährden“.[89] Welche Symbole und Kleidung unter das Verbot fallen, müsse unter Berücksichtigung der „christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen“ im Einzelfall entschieden werden.

Begründungen der Verbote

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und des Saarlands argumentieren, Ausnahmen für christliche Kleidung und Symbole (insbesondere die Ordenstracht der Nonne) stellten keine Bevorzugung der christlichen Religion dar, weil solche Kleidung und Symbole Werte ausdrückten und bewahrten, die in den Landesverfassungen (die ihrerseits christlich geprägt sind) festgehalten sind.[90]  Sie behaupten, dass christliche Kleidung und Symbole deshalb die staatliche Neutralität und den Schulfrieden nicht beeinträchtigen.

Eine Beamtin des bayrischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus sagte Human Rights Watch, dass „die Zulassung christlicher Kleidung und Symbole (wie das Nonnenhabit) in der Schule ergibt sich durch Auslegung des Gesetzes. Sie privilegiert nicht das Christentum, da solche Kleidung und Symbole im Einklang mit der bayerischen Verfassung stehen. Zulässig sind auch Kleidung oder Symbole anderer Religionen, solange diese Kleidung und Symbole den Zielen und Werten der Verfassung nicht widersprechen.”[91]

Die Regierungsparteien in Nordrhein-Westfalen, die die Gesetzentwürfe im Landtag eingebracht hatten, unterstrichen die Bedeutung der „christlich -abendländischen und europäischen Tradition“ und erklären, das Bekenntnis zu dieser Tradition sei „kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot“.[92] Ebenfalls blieben „die Tracht von Ordensschwestern oder die jüdische Kippa ... daher zulässig.“[93]

Neben Ausnahmen für christliche Symbole scheinen einige der Gesetze auf den ersten Blick auch das Tragen jeglicher politischer und religiöser Kleidungsstücke und Symbole zu untersagen. Aus den Erläuterungen der Gesetzestexte, Äußerungen in den Landtagsdebatten und Aussagen von Vertretern der Landesregierungen geht jedoch hervor, dass die Maßnahmen sich gegen das Tragen des Kopftuchs richten.

Diese Absicht des Gesetzgebers geht aus den Erläuterungen der Gesetzentwürfe in Bayern und im Saarland im Jahr 2004 und in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 hervor. Darin wird erklärt, das Kopftuch dürfe während des Unterrichts nicht getragen werden, „weil zumindest ein nicht unerheblicher Teil seiner Befürworter damit eine mindere Stellung der Frau in Gesellschaft, Staat und Familie oder eine fundamentalistische Stellungnahme für ein theokratisches Staatswesen im Widerspruch zu den Verfassungswerten ... verbindet“.[94] Die Begründungen des Gesetzes in Nordrhein-Westfalen charakterisieren das Kopftuch zudem als politisches Symbol[95] (in gleicher Weise äußerten sich christdemokratische Politiker in Baden-Württemberg)[96] und weisen auf die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hin (gleiches geschah in Landtagsdebatten in Hessen).[97]

In den Debatten über die Gesetzentwürfe in den Landtagen Bayerns und Nordrhein-Westfalens wurde wiederholt der Begriff „Kopftuchverbot“ verwendet.[98] In seiner Rede im hessischen Landtag zum „Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität“ erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende: „Mit dem von uns eingebrachten Gesetzentwurf wollen wir hessischen Lehrerinnen und Beamtinnen das Tragen des islamischen Kopftuches verbieten.“[99]

Die Befürworter des Gesetzentwurfs in Nordrhein-Westfalen äußerten sich im Landtag mit den Worten: „Das Kopftuch ist inzwischen weltweit zu einem Symbol des islamischen Fundamentalismus geworden. ... , dass das muslimische Kopftuch als politisches Symbol des islamischen Fundamentalismus angesehen werden kann, das die Abgrenzung zu Werten der westlichen Gesellschaft wie individuelle Selbstbestimmung und Emanzipation der Frau ausdrückt. ... Maßgeblich für diese Feststellung ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Empfängerhorizont. Es kommt also nicht etwa darauf an, so das Bundesverfassungsgericht, aus welchen Motiven die jeweilige Lehrerin das Kopftuch trägt, sondern es kommt darauf an, wie es von den betroffenen Eltern und vor allem Kindern wahrgenommen wird.“[100] Ähnliche äußerten sich Abgeordnete der CDU-Fraktion in Hessen, die den hessischen Gesetzentwurf in den Landtag einbrachte und in erlaeuternden Aussagen ausdrücklich auf das Kopftuch Bezug nahm.[101]

In den Begründungen der Gesetzentwürfe zum Verbot religiöser Kleidung und Symbole in Hessen und Bayern führten deren Verfasser an, dass eine Lehrerin, die ein Kopftuch trage, nicht in der Lage sei, ihren Erziehungs- und Lehrauftrag im Sinne der Verfassung zu erfüllen, insbesondere im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau.[102]

Ministeriumsbeamte in Hessen, mit denen Human Rights Watch sprach, sagten, der Anwendungsbereich des Neutralitätsgesetzes dürfe nicht auf Kopftücher reduziert werden. Die Beamten erwähnten Einzelfälle von Rechtsreferendaren, die im Rahmen der Wahrnehmung von öffentlichen Sitzungen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften einen Ring durch die Nase oder einen rot gefärbten Irokesenhaarschnitt trugen und bereit waren, dieses beanstandete Erscheinungsbild zu ändern. In anderen Fällen sei von der Übertragung der Sitzungsleitung abgesehen worden oder die Referendare hätten die Verhandlung vom Zuschauerraum aus verfolgt.[103]  Unter den Anwendungsbereich des Gesetzes würden beispielsweise auch Männer im Gewand eines Taliban fallen, die traditionelle Kleidung der indischen Bhagwan-Bewegung[104] oder politische Meinungskundgebungen auf Buttons oder T-Shirts mit Aussagen wie „Ausländer raus“ oder „Gegen Atomkraft“.[105]

Eine Beamtin des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erklärte, welche Symbole und Kleidung unter das relevante Gesetz fielen, würde im konkreten Einzelfall entschieden.[106] Er wertete das Ausbleiben von Beschwerden durch von dem Verbot betroffene Lehrerinnen als Anzeichen, dass das Gesetz seinen Zweck reibungslos erfülle.

Im Gespräch mit Human Rights Watch erklärten Vertreter des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, dass zur Rechtfertigung des Kopftuchverbots keine konkrete Störung des Schulfriedens vorliegen müsse und eine abstrakte Gefährdung bereits ausreiche.[107] Die Beamten hielten eine natürlich aussehende Perücke für die einzige Alternative zum Kopftuch.[108] Dem Gesetz zufolge können Referendarinnen von dem Verbot ausgenommen werden, was auch gängige Praxis ist. Falls sie wegen ihres Kopftuchs auf Probleme stoßen, können sie an eine andere Schule versetzt werden.[109]

Haltung der Gerichte

Die „Kopftuchgesetze“ wurden von Gerichten in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen im Rahmen mehrerer Klagen gegen die Verbote bestätigt. Auch in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen ergingen Urteile, die die Verbote stützten oder präzisierten.

Baden-Württemberg

Das baden-württembergische „Kopftuchgesetz“ wurde als erstes gerichtlich geprüft. Wie oben erwähnt, befasste sich das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Klage von Fereshta Ludin im Juni 2004 mit dem Gesetz.[110] Die Richter erklärten die Entscheidung des Oberschulamts in Stuttgart für rechtens, welches Ludin die Einstellung als Lehrerin verweigert hatte, weil sie durch das Tragen des Kopftuchs nach dem neuen Gesetz als „ungeeignet“ für eine Beschäftigung als Lehrerin an eine staatlichen Schule galt.

Nach Ansicht der Richter hält das baden-württembergische Gesetz, das eine abstrakte Bedrohung beseitigen soll, das Gleichgewicht zwischen den Grundrechten Ludins auf der einen und den Rechten der Schüler und Eltern sowie dem Neutralitätsprinzip auf der anderen Seite.

Der Anwalt des Landes Baden-Württemberg (und Verfasser des Gesetzes)[111]  führte vor dem Bundesverfassungsgericht aus, das Verbot betreffe zwar das islamische Kopftuch, nicht jedoch die Ordenstracht einer Nonne, weil letztere eine „Berufskleidung“[112] sei und unter die Ausnahmen für christlich-abendländische Traditionen und Werte falle, die das baden-württembergische Gesetz vorsieht.[113]

Das Bundesverwaltungsgericht wies auf die Position des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach „Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter Kleidung in bestimmten Regionen, wie sie der Prozessbevollmächtigte des Beklagten [Baden-Württemberg] in der mündlichen Verhandlung in Erwägung gezogen hat, ... daher nicht in Betracht [kommen]“.

Diese Vorgabe ließen die Richter jedoch außer Acht, als sie bewerteten, ob die Ausnahme für die „Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs-und Kulturwerte oder Traditionen“ in dem baden-württembergischen Gesetz gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstößt.[114]

Das Gericht urteilte, dass der Bezug auf christlich-abendländische Werte in der baden-württembergischen Regelung nicht zu einer rechtswidrigen Bevorzugung der christlichen Religion führe, weil er kein Bekenntnis zu einer einzigen Glaubensgemeinschaft darstelle. „Christliche“ Werte seien vielmehr, losgelöst von ihrer religiösen Bedeutung, als Bestandteil des Grundrechte anzusehen. Nach Ansicht des Gerichts sind christliche Bildungs- und Kulturwerte jene Werte, zu denen sich jeder Mitarbeiter des öffentlichen Diensts bekennen müsse, ungeachtet seines religiösen Bekenntnisses.

Durch diese Argumentation werden Gesetze, die Ausnahmen für die Darstellung christlich-abendländischer Werte und Traditionen enthalten, in scheinbaren Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes gebracht, obwohl hinter ihnen eine eindeutige, grundgesetzwidrige Absicht des Gesetzgebers steht.

In seiner Urteilsbegründung erklärt das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das baden-württembergische Gesetz: „Die islamische Glaubensgemeinschaft wird davon auch nicht übermäßig betroffen, da sich das Verbot auf Lehrer im Staatsdienst beschränkt“. Das Gesetz betreffe also weder das Recht von Schülerinnen an staatlichen Schulen, ein Kopftuch zu tragen, noch das von Lehrerinnen und Schülerinnen an Privatschulen.[115]

Vor Gerichten in Baden-Württemberg wurde ein zweiter Fall im Zusammenhang mit dem Kopftuchverbot verhandelt. Die Klägerin war Doris Graber, eine Konvertitin, die seit mehr als 30 Jahren als Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule in Stuttgart gearbeitet hatte.  Graber war 1984 zum Islam konvertiert und hatte 1995 begonnen, beim Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Im Jahr 2004 ordnete die Schulleitung an, dass sie das Kopftuch im Klassenzimmer abnehmen müsse, und drohte ihr andernfalls mit Kündigung.

Graber klagte vor dem Verwaltungsgericht in Stuttgart gegen die Entscheidung. Im Juli 2006 entschied das Gericht, dass die Anordnung der Schulleitung gegen das Gleichbehandlungsprinzip verstoße, da es Nonnen gestattet sei, an staatlichen Schulen in Baden-Württemberg in Ordenstracht zu unterrichten.[116] Die Richter urteilten, das Land dürfe das Kopftuch an staatlichen Schulen nicht verbieten, solange Nonnen dort in ihrer Ordenstracht unterrichten dürften.

Dieses Urteil wurde jedoch im März 2008 vom Verwaltungsgericht Baden-Württemberg revidiert und die Anordnung für rechtens erklärt.[117] Die Richter erklärten, das Tragen eines Kopftuchs während des Unterrichts sei eine Darstellung eines religiösen Symbols, die unvereinbar mit der Verpflichtung der Lehrerin sei, im Klassenzimmer auf religiöse Äußerungen und Bekundungen zu verzichten. Laut der Richter habe bei der Entscheidung, Nonnen das Tragen der Ordenstracht zu gestatten, ein „historisch bedingter Ausnahmefall auf einer einmaligen sondervertraglichen Grundlage“ vorgelegen. Das Gericht befand dennoch, dass Graber selbst dann nicht berechtigt sei, ihre religiös motivierte Kopfbedeckung zu tragen, wenn man ein solches Verbot als ungleiche Auslegung des Gesetzes betrachte, denn „[e]inen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe es regelmäßig nicht“.

Nordrhein-Westfalen

Von den fünf Bundesländern mit Kopftuchverboten, die christliche Symbole und Kleidung ausnehmen, verzeichnete Nordrhein-Westfalen die höchste Anzahl von Klagen gegen das Verbot. Nicht alle Klagen wurden jedoch zur Verhandlung gebracht.

Laut einer Aussage des nordrhein-westfälischen Schulministers im Februar 2007 waren damals landesweit 12 Kopftuch tragende Lehrerinnen – einige von ihnen mit Beamtenstatus – angestellt.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf[118] entschied im Juni 2007 in erster Instanz, dass eine Referendarin, die sich geweigert hatte, ihr Kopftuch abzunehmen, nicht als Lehrerin in Nordrhein-Westfalen arbeiten könne. In einem Urteil, das logisch nicht nachvollziehbar ist, befanden die Richter, dass die Ausnahmeregelung das Tragen christlicher oder jüdischer Symbole durch Lehrer zwar nicht rechtfertige, das Verbot jedoch nicht bei Nonnen, die an staatlichen Schulen unterrichten, angewendet werden müsse, weil diese deren Anzahl so gering sei, dass dadurch kein Vollzugsdefizit des Gesetzes entstehe.

Zu einem ähnlichen Schluss kamen ein Gericht in Düsseldorf im August 2007 im Fall von Mariam Brigitte Weiss, das den Umstand, dass Weiss ihr Kopftuch im Stil von Grace Kelly trug[119], für unerheblich bei der Anwendung des Verbots erachtete (es handele sich dabei weiterhin um eine offensichtliche Glaubensbekundung).

Verwaltungs- und Arbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen begründeten ihre Urteile in anderen Fällen mit ähnlichen Argumenten, bespielsweise das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Februar 2008, das Arbeitsgericht Düsseldorf im Juni 2007[120] , das Arbeitsgericht Herne im März 2007 und das Landesarbeitsgericht Wuppertal im Oktober 2008.[121] Zusätzlich wies das Arbeitsgericht Wuppertal im Juli 2008 die Klage einer muslimischen Lehrerin ab, die seit 2002 beschäftigt gewesen war und nach ihrer Weigerung, auf das Kopftuch zu verzichten, (nach vorheriger Verwarnung) entlassen wurde.[122]

Auf große öffentliche Beachtung stieß ein Urteil der ersten Instanz des Arbeitsgerichts Düsseldorf im Juni 2007. Es betraf eine Sozialpädagogin, die bei ihrer Arbeit in einer Schule seit einigen Jahren ein Kopftuch getragen hatte. Nach Inkrafttreten des geänderten Schulgesetzes ersetzte sie das Kopftuch durch eine rote „Baskenmütze“, die ihre Haare und Ohren vollständig bedeckte. Das Gericht entschied, die „Baskenmütze“ diene dem gleichen Zweck wie das Kopftuch. Im April 2008 bestätigte das Landesarbeitsgericht das Urteil.[123] Nach Einschätzung der Landesrichter bekunde die Sozialpädagogin durch das Tragen der Mütze ihre religiösen Überzeugungen und verletze damit das Neutralitätsgebot und die negative Religionsfreiheit der Schüler. Den Kompromissvorschlag, eine Perücke zu tragen lehnte die Pädagogin ab. Die erste Instanz des Verwaltungsgerichts Köln begründete im Oktober 2008 ihr Urteil im Fall einer muslimischen Lehrerin, die seit 2006 beim Unterrichten eine Baskenmütze getragen hatte, in ähnlicher Weise.

Wie die obigen Beispiele zeigen, haben die Gerichte in Nordrhein-Westfalen das Verbot von Kopftüchern für Lehrer streng ausgelegt und Ersatzlösungen abgelehnt, die die Haare, Schultern und Ohren verdecken wie ein islamisches Kopftuch. Letztere sind nach Ansicht der Richter immer noch als religiöse Symbole einzustufen. Für gläubige Musliminnen bedeuten die Gerichtsurteile, dass sie praktisch keine Möglichkeit haben ihrer – in ihren Augen – religiösen Pflicht nachzukommen, selbst wenn sie dazu ein Kopfbedeckung tragen, beispielsweise eine rosa Wollmütze, die nicht als religiöses Symbol erkenntlich ist und keine denkbaren Assoziationen mit dem religiösen Fundamentalismus hat.

Bayern, Hessen und das Saarland

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof urteilte im Januar 2007, dass das neue Gesetz zum Verbot religiöser Kleidung an Schulen prinzipiell mit der Verfassung des Landes vereinbar sei.[124] Das Gericht entschied, dass die genaue Auslegung der Bestimmung im konkreten Einzelfall durch die betroffenen Gerichte erfolgen müsse. Ferner dürfe der Gesetzgeber bestimmte Symbole und Kleidunge erlauben, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, sofern diese den Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung entspräche.

Am 10. Dezember 2007 bestätigte der Staatsgerichtshof des Landes Hessen in einer knappen Entscheidung das Gesetz zum Verbot religiöser Symbole als verfassungskonform. Sechs Richter stimmten zu Gunsten des Gesetzes, fünf dagegen.[125] Noch im April 2005 hatte die Landesanwältin, die alle Landesgesetze hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Landesverfassung prüft, das Gesetz für verfassungswidrig befunden. Sie hatte das Verbot als Verletzung der Religionsfreiheit und als diskriminierend bezeichnet und seine Rücknahme gefordert.

Die Mehrheit der hessischen Verfassungsrichter teilte die Auffassung, dass die Berücksichtigung der christlich-abendländischen Tradition Hessens bei Urteilen zu religiösen Symbolen keine Privilegierung der christlichen Religion darstelle, sondern lediglich die Tatsache widerspiegele, dass christliche Kleidung und Symbole mit den Werten der Verfassung vereinbar seien und die Neutralität und den Frieden der Schulen nicht bedrohten. Das Urteil bezieht sich nur auf den Wortlaut des Gesetzes, nicht auf dessen Anwendung, und legt nicht fest, ob das islamische Kopftuch im Geltungsbereich des Gesetzes liegt. Wie in Bayern wird die Anwendung des Gesetzes den Gerichten überlassen, die sich mit den konkreten Fällen befassen.

Weder der hessische noch der bayerische Richterspruch beantworten die Frage, ob christliche Kleidung tatsächlich von den Verboten ausgenommen ist, und wälzen sie auf niedrigere Instanzen ab. Beide bekräftigen das Neutralitätsgebot für Staatsbedienstete, auch wenn damit Eingriffe in die Religionsfreiheit oder die Privatsphäre verbunden sind.

Bislang hat es in Hessen keine Klagen von betroffenen Lehrerinnen gegeben. Human Rights Watch sind fünf Fälle bekannt, in denen sich Referendarinnen,  die ein Kopftuch tragen, gegen das Verbot zur Wehr gesetzt haben. Nach Angaben der hessischen Behörden konnten für alle fünf Frauen Schulen gefunden werden, an denen sie ihr Referendariat absolvieren konnten.[126]

Im Saarland hat es bis heute kein Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Verbot gegeben.

Verbote ohne ausdrückliche Ausnahmen für christliche Symbole

Die Gesetze in Bremen und Niedersachsen berufen sich auf den Schutz der Neutralität der Schule und des Schulfriedens als Grundlage für das Verbot religiöser Kleidung. Im Gegensatz zu den oben genannten fünf Bundesländern schreiben Bremen und Niedersachsen in ihren Regelungen keine expliziten Ausnahmen für den christlichen Glauben oder abendländische Traditionen und Werte fest.

Die in Bremen im Jahr 2005 eingeführte Neuregelung bestimmt: „[D]as  äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte und des betreuenden Personals darf in der Schule nicht dazu geeignet sein, die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten zu stören oder Spannungen, die den Schulfrieden durch Verletzung der religiösen und weltanschaulichen Neutralität gefährden, in die Schule zu tragen.“[127]  Das Gesetz gilt auch für Referendare und Referendarinnen, soweit sie Unterricht erteilen.

Das im Jahr 2004 geänderte Schulgesetz in Niedersachsen besagt: „Das äußere Erscheinungsbild von Lehrkräften in der Schule darf, auch wenn es von einer Lehrkraft aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen gewählt wird, keine Zweifel an der Eignung der Lehrkraft begründen, den Bildungsauftrag der Schule überzeugend erfüllen zu können. Dies gilt nicht für Lehrkräfte an Schulen in freier Trägerschaft.“[128] Das Verbot gilt auch für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, sofern sie eigenverantwortlich unterrichten; im Einzelfall sind für sie jedoch Ausnahmen zulässig.

Trotz der scheinbaren Unterschiede zwischen diesen Gesetzen und denen der fünf Länder, die Ausnahmen für christliche Symbole vorsehen, ging es in den Landtagsdebatten und in den Begründungen der Gesetzentwürfe in Bremen und Niedersachsen vor allem um das Kopftuch, wobei auch die Anerkennung abendländischer, vom Christentum (und Judentum) geprägter Traditionen erwähnt wurde.[129]

Bemerkenswert ist auch, dass das niedersächsische Schulgesetz in Artikel 2 über den Bildungsauftrag der Schule das Christentum an erster Stelle in einer Liste anführt, die Grundlagen für die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler nach der vorschulischen Erziehung nennt, obwohl das Gesetz nur den Bildungsauftrag des Landes betrifft und auf den ersten Blick neutral erscheint. Laut der Begründung des Gesetzentwurfs bleibt das Tragen  christlicher und jüdischer Symbole weiter zulässig.[130]

Das Land Berlin begegnet der Problematik in anderer Weise.[131] In seinem 2005 verabschiedeten Gesetz, das für große Teile der Beamtenschaft gilt, legt es den Neutralitätsbegriff streng säkular aus. Die Rechtsvorschrift untersagt alle „sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder  Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren“ und alle „auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke“. Das Gesetz behandelt – zumindest faktisch – alle Religionen gleich.

Die Novelle verbietet das Tragen sichtbarer religiöser oder ideologischer Symbole oder Kleidungsstücke (mit Ausnahme kleiner Schmuckstücke) kategorisch und gilt für Lehrer an öffentlichen Schulen (im Falle von Beschwerden durch die Eltern auch für Erzieher in Kindergärten), Polizeibeamte, Richter, Justizangestellte und, Strafvollzugsbeamte, Staatsanwälte und Justizbeamte.[132] Die Ausnahme für Kleinschmuck erlaubt beispielsweise das Tragen kleiner Kreuze (obwohl dies für Christen eine gängige Art der Glaubensbekundung ist).

Haltung der Gerichte

In Niedersachsen[133] und Berlin[134] ist es bislang nicht zu Gerichtsverfahren über die neuen Gesetze gekommen. In Bremen wurde die bisher einzige Klage von einer Frau angestrengt, die auf ihre Bewerbung als Lehrerin eine Absage erhielt, weil sie ein Kopftuch trägt.[135] (Wie oben bemerkt dürfen Referendare in Bremen keine religiöse Kleidung tragen, wenn sie Unterricht erteilen. Mit Ausnahme des Saarlands lassen alle Länder mit „Kopftuchverboten“ individuelle Ausnahmen für Referendare zu.[136])

Das Verwaltungsgericht Bremen gab der Klage der Referendarin im Jahr 2005 in erster Instanz statt.[137] Das Urteil wurde jedoch durch das Oberverwaltungsgericht Bremen revidiert.[138] Im Juni 2008 wurde jedoch auch diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben.[139] Da das Bundesland über ein Monopol bei der Lehrerausbildung verfüge, so die Begründung der Bundesrichter, sei es eine unverhältnismäßige Einschränkung der freien Berufswahl, wenn eine Person auf religiöse Symbole verzichten müsse, um eine solche Ausbildung absolvieren zu können. Dies gelte, solange keine konkrete Bedrohung des Schulfriedens und der Rechte der Schüler und Eltern bestehe.

Die Bedeutung dieses Urteils wird auch davon abhängen, in welchem Ausmaß Referendarinnen, die wegen ihres Kopftuchs nicht im staatlichen Schulsystem arbeiten können, angemessene Berufschancen an Privatschulen finden.

Bundesländer ohne Verbote

Derzeit gibt es acht Bundesländer, in denen keine besonderen Gesetze zu religiösen Symbolen und Kleidungsstücken am Arbeitsplatz gelten. Drei dieser Länder – Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein – hatten entsprechende Gesetzentwürfe vorgelegt. In Brandenburg und Rheinland-Pfalz scheiterten sie im Landtag, in Schleswig-Holstein gab der Gesetzgeber das Vorhaben auf.[140] Die fünf übrigen Länder – Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – beschlossen, keine eigenen Gesetze zu erlassen.

In allen acht Ländern kann einem Lehrer im Einzelfall das Tragen religiöser Symbole untersagt werden, falls Anzeichen dafür bestehen, dass seine Handlungen die Neutralität der Schule gefährden. Solche Verbote können auf der Grundlage des bestehenden Beamtenrechts ausgesprochen werden, das in gut begründeten Fällen Strafen zulässt.

In keinem der acht Bundesländer gab es relevante Gerichtsverfahren.

Nach Aussage mehrerer Lehrer und einer Vertreterin der Zivilgesellschaft, die von Human Rights Watch befragt wurden, gab es in Hamburg und Rheinland-Pfalz mehrere Fälle, in denen Kopftuch tragende Frauen bei der Suche nach Referendariats- oder Praktikumsstellen an Schulen auf Schwierigkeiten stießen und gefragt wurden, ob sie auf ihr Kopftuch verzichten könnten.[141]

Es fällt auf, dass alle fünf neuen Bundesländer keine Verbote erlassen haben.[142] Wegen der religions- und kirchenfeindlichen Indoktrinierung und der Angriffe auf die Religionsfreiheit zu DDR-Zeiten versuchen die neuen Länder im Allgemeinen die Thematik der Beziehung zwischen Kirche und Staat zu vermeiden.[143] Zudem lebt in den neuen Ländern nur eine geringe Zahl muslimischer Migranten, was teilweise erklärt, warum es dort kaum zu Streitfällen über muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch kommt.

In Schleswig-Holstein erwog die Regierungskoalition aus SPD und CDU die Einführung eines Gesetzes zum Verbot religiöser Symbole an Schulen zum Jahresbeginn 2006.[144] Die Regierung zog den Gesetzentwurf jedoch zurück, nachdem sie Rechtsexperten konsultiert hatte und diese darauf hinwiesen, dass zur Wahrung der Gleichbehandlung der Religionen auch christliche Symbole verboten werden müssten sowie im Zusammenhang damit auch Vertreter der Kirchen für den Erhalt religiöser Symbole an den Schulen eintraten.[145]

Nach der Rücknahme des Gesetzentwurfs im September 2006 erklärte die Landesregierung, dass das Neutralitätsgebot weiterhin gelte, es aber dennoch Raum für das Tragen religiöser Kleidung einschließlich des Kopftuchs geben müsse. Ein Referent der CDU-Fraktion in Schleswig-Holstein sagte gegenüber Human Rights Watch, dass es dort keine Probleme mit Kopftuch tragenden Lehrerinnen gegeben habe und die Frage „kein Thema“ sei.[146] Sollte es in konkreten Fällen zu problematischer Missionierung kommen, so der Befragte, werde man das geltende Beamtenrecht anwenden, jedoch auf der Grundlage des Verhaltens, nicht der Kleidung, der Person. Seiner Ansicht nach gefährde das Erscheinen des Kopftuchs die Neutralität der Schule nicht. In der Abwägung der Rechte könne das Kopftuch allein keine Eingriffe oder Restriktionen rechtfertigen.

Im Hamburg wurde 1999 die erste Lehrerin eingestellt, die während des Unterrichtens ein Kopftuch trug – aus religiösen Gründen, wie sie selbst sagte.[147] Ein Beamter der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg sagte gegenüber Human Rights Watch, die Lehrerin sei nach einer Prüfung ihres Einzelfalls eingestellt worden. Er berichtete weiter, es habe zwei bis drei Fälle gegeben, in denen Lehrerinnen im Verlauf ihrer Berufstätigkeit zum Islam konvertiert seien. Die Schulbehörden wären in diesen Fällen nicht aktiv geworden.[148]

In den vergangenen Jahren verzeichneten die Behörden der Hansestadt eine Zunahme der Bewerbungen und Anfragen von Referendarinnen, die ein Kopftuch tragen, aus anderen Teilen Deutschlands. Der von Human Rights Watch befragte Beamte der Schulbehörde sprach von einem Dutzend Anmeldungen von Lehramtsanwärterinnen mit Kopftuch zur letzten Bewerbungsfrist (keine von ihnen trat allerdings letztendlich eine Stelle an). Keine Referendarin sei wegen ihres Kopftuchs abgelehnt worden, so der Schulbeamte. Er fügte hinzu, dass die Behörde für Referendarinnen, die an einer Schule auf Probleme stößen würden, eine andere Schule suchen würde. Dabei habe es bislang, mit Ausnahme eines einzigen muslimischen Elternteils, der eine Lehrerin mit Kopftuch ablehnte, keine Probleme mit Eltern gegeben. Auch in diesem Fall sei nach einem Gespräch eine Lösung gefunden worden. Derzeit arbeiten im Raum Hamburg zwei Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen (eine von ihnen ist die oben erwähnte Lehrerin, die 1999 eingestellt wurde). Es gibt keine Lehrkräfte, die in Ordenstracht oder mit einer Kippa unterrichten und auch keine Fälle anderer Beamten bekannt sind.[149]

 

V. Folgen des Verbots für Lehrkräfte und Beamtinnen

Unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Gesetze wurden Lehrerinnen, die ein Kopftuch trugen, Disziplinarmaßnahmen angedroht, falls sie darauf beharrten, dieses weiter zu tragen. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wurden bereits derartige Sanktionen verhängt. In zumindest zwei Fällen in Nordrhein-Westfalen wurden Lehrerinnen (ohne Beamtenstatus)  entlassen.

In Berlin und Hessen, wo die Verbote auch für Beamte außerhalb des Schulwesens gelten, gab es eine Reihe von Auseinandersetzungen mit Kopftuch tragenden Rechtsreferendarinnen, in Berlin auch mit Justizangestellten.[150]

Obwohl verbeamtete Lehrerinnen besser geschützt sind, kann auch ihnen das Unterrichten verboten und sogar der Beamtenstatus entzogen werden, wenn sie am Tragen des Kopftuchs festhalten und mit Rechtsmitteln scheitern.

Muslimische Frauen hatten es in der Folge schwer, Referendariatsstellen zu finden. Muslimischen Referendarinnen, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatten, wurde die anschließende Einstellung verweigert, wenn sie sich nicht an das Verbot hielten.

Die Verbote sind kein abstraktes Problem. Sie haben eine einschneidende Wirkung auf das Leben der betroffenen Frauen. Die von Human Rights Watch befragten Frauen beschrieben, wie man ihre Qualifikationen – nach  Jahrzehnten im Lehrberuf ohne Konflikte oder disziplinarische Probleme – auf einmal in Frage stellte und sie plötzlich um ihren Arbeitsplatz fürchten mussten.

Die Debatten im Zusammenhang mit den Verboten und ihr breiter Gültigkeitsbereich erwecken bei muslimischen Frauen den Eindruck, dass die deutschen Behörden sie für verdächtig halten. Maryam (Name geändert), eine Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen und Konvertitin zum Islam, hatte seit Jahrzehnten beim Unterrichten ein Kopftuch getragen. Sie erklärte im Gespräch mit Human Rights Watch: „Man hat plötzlich das Gefühl ‘wir wollen euch nicht’...wohin soll ich verschwinden? Ich gehöre hierher. ... Das hätte ich nie für möglich gehalten.“[151] Elma (Name geändert), eine in Baden-Württemberg ausgebildete Grund- und Hauptschullehrerin, sagte, sie sei die einzige Referendarin gewesen, die das Oberschulamt persönlich kennen lernen wollte.[152] Andere Frauen berichteten über ähnliche Begebenheiten.[153]

 

Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen, werden grundsätzlich gefragt, warum sie dies tun. Zudem werden ihre Unabhängigkeit und ihre Haltung zur Gleichberechtigung der Frau in Frage gestellt. Fahimah, eine Grundschullehrerin in Essen (Nordrhein-Westfalen) brachte gegenüber Human Rights Watch ihre Enttäuschung über die Unterstellungen, die hinter den Verboten stehen, zum Ausdruck: „Die, die Gesetze gemacht haben, kennen uns nicht.“ Sie fuhr fort:
 
Sie sollten unsere Kollegen, Rektoren und unsere Schulräte fragen was wir für Menschen sind. Jeder von denen kennt mich so gut, dass die mit Sicherheit bezeugen können, dass ich weder unterdrückt bin noch aus irgendwelchen ‚Unterdrückungsgründen’ das Tuch trage... [Die Behörden] können das nicht einfach so behaupten; dafür müssten sie uns erst einmal kennenlernen, um zu wissen, dass wir unterdrückte Frauen sind, die das durch ihr Kopftuch äussern. ... Das kann man nicht einfach so behaupten. Man kann das Tuch nicht als Symbol dafür ansehen.
               
Fahimah fügte hinzu,
 
Es gibt sicherlich auch Menschen, die weder Muslime sind noch Tuch tragen und unterdrückt werden. Wo soll man das denn in diesen Fällen sehen? Ich verstehe nicht, wie man das an einem Tuch festlegen möchte.[154]

 

Sara (Name geändert), Lehrerin an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen, teilte diese Enttäuschung:

 

Ich kann mir vorstellen, dass man zu diesem Schluss kommen kann, aufgrund der Darstellung von muslimischen Frauen in den Medien. Ja und? Aber ich bin nicht so. ... Viele Frauen mit Kopftuch sind nicht so and man kann nicht eine Religion komplett verurteilen weil, einige so sind. ... Ich bin ein Muster für Integration ... ich gehe raus, ich bemühe mich um einen Job, ich habe mein Studium beendet, habe nicht früh geheiratet und erst nach der Vollendung meiner Universitätsausbildung ... Ich habe meinen Ehemann frei ausgewählt, nicht unter Zwang, kannte ihn auch schon lange vorher, so wie es alles zu sein hat. Ich wurde auch nicht gezwungen, das Kopftuch zu tragen -  Ich bin praktisch ein Muster dafür, was sie suchen. Sie haben jetzt ein Förderprogramm für Migratinnen, Lehramt zu studieren und als Lehrerin zu arbeiten. Hallo? Ich bin da, nehmt mich! Es ist sehr traurig, damit konfrontiert zu werden, gesagt zu bekommen, ich wäre in einer Art, die ich auch nur aus den Medien kenne. Ich kenne die Person nicht, die sie in mir sehen.[155]

Die von Human Rights Watch befragten Frauen – selbst jene, die schon seit Jahrzehnten oder seit ihrer Geburt in Deutschland leben bzw. Deutsche, die zum Islam konvertiert sind – sagten, sie fühlten sich entfremdet und ausgeschlossen. Ein Gruppe von Frauen sagte im Gespräch mit Human Rights Watch, es stimme sie betroffen, dass man sie für gefährlich erklärt habe.[156] Eine konvertierte Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen beschrieb, wie sie von dem Verbot erfuhr: „ Ich fühlte mich plötzlich wie eine fremde Person in Deutschland. ... Das werde ich nie vergessen.”[157]

Martina, eine Lehrerin aus Frankfurt, die zum Zeitpunkt der Befragung eine Stelle als Lehrerin an eine Privatschule suchte, erzählte Human Rights Watch:

Ich trage es, weil es für mich eine religiöse Pflicht ist. Ich brauchte 10 Jahre, um mich zu entscheiden, das Kopftuch [zu tragen]. Da werde ich nicht hingehen und einer 15-jährigen Schülerin sagen, es zu tragen. Wenn ich Schüler beeinflussen wollte, könnte ich das auch ohne Kopftuch machen – das würde mehr Sinn machen. ... Durch das Gesetz wird mir unterstellt, dass ich eine Art latente islamische Arbeit leiste. Das ist eine Unterstellung, die ich absolut zurückweise. Wenn ich Deutsch unterrichte, unterrichte ich Deutsch. ... Neutralität muss für alle gelten.[158]

In ähnlicher Weise bezeichneten auch andere Befragte das Verbot als ungeeignet, um gegen tatsächliche Indoktrinierung vorzugehen. Eine Teilnehmerin eines Gruppeninterviews meinte dazu: Das Kopftuch wird überbewertet. Man braucht kein Kopftuch, um zu manipulieren. und es gibt auch andere Mechanismen, um [gegen Indoktrinierung] vorzugehen.”[159]

Eine Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen äußerte ihr Unverständnis über die mangelnde Wertschätzung ihrer Fähigkeit, Schüler und Eltern mit Migrationshintergrund zu erreichen:

Die Schüler und die Eltern hatten kein Problem damit [mit dem Kopftuch und einer Kopfbedeckung] … Die Schuldirektorin hat gesagt, durch mich würde sie noch mehr Probleme mit den Muslimen bekommen, als sie bereits hat, aber ich hätte Ihr im Gegenteil dabei helfen können und auch mit den muslimischen Eltern reden können, aber sie hat das nicht verstanden.[160]

 

Frauen beklagten gegenüber Human Rights Watch, sie fühlten sich durch die Debatte über das Kopftuch und die Verbote „auf das Kopftuch reduziert“[161]. Eine Betroffene sagte: “Man wird ‘Kopftuchfrau’”[162] Eine andere bemerkte: “Vor dem Kopftuchgesetz habe ich das Kopftuch einfach so getragen. Seit es das Kopftuchgesetz gibt und seit man so ins Zentrum der Aufmerksamkeit geschoben wird, trage ich mein Kopftuch viel bewusster. ... Man fühlt sich so wie auf dem Präsentierteller. Alle schauen auf einen: die Kollegen, die das auch in der Presse verfolgen ... die Situation ist ekelhaft.“[163] Eine Grundschullehrerin meinte dazu: “Das Kopftuch war nur das “I-Tüpfelchen“ für mich, nie so wichtig, nie so ein Thema.“[164]

Die Gymnasiallehrerin Sara sah sich vor eine unmögliche Entscheidung gestellt:

Sich tatsächlich vorstellen zu müssen, man kommt in die Schule und muss das Kopftuch abnehmen, dieses erste Mal ins Lehrerzimmer zu gehen. Wenn ich nur jetzt daran denke, wird mir schlecht. Man fühlt sich so erniedrigt. Es ist etwas anderes, wenn ich das Kopftuch nicht mehr tragen will und so zur Schule gehe, aber wenn es unter Zwang geschieht. ... auch vor meinen Schülern ... Ich habe ihnen immer gesagt, ihr müsst euch überlegen, wofür ihr steht, und dafür steht ihr dann, es sei denn, ihr lasst euch überzeugen, von etwas anderem. ... und dann gehe ich selber hin und ziehe mein Kopftuch aus? ... Ich bin dann kein Vorbild mehr.[165]

Andere Frauen erzählten Human Rights Watch, wie das Kopftuchverbot zu widerstrebenden Entscheidungen führte über alternative Kopfbedeckungen zum Kopftuch,  in ein anderes Bundesland oder ins Ausland zu ziehen oder ihre Elternzeit zu verlängern und sich beruflich neu auszurichten nach Jahren des Studiums und der Vertiefung ihrer Lehrqualifikationen.

Die oben erwähnte Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen beschrieb die Schwierigkeiten, auf die sie selbst nach ihrer Entscheidung, eine Mütze als Ersatz für das Kopftuch zu tragen, noch stieß:

Der Schulrat, die Direktorin haben mir nahegelegt, dass ich Elternzeit nehme, [da ich Anspruch hatte], um überlegen zu können, was ich jetzt mache. Ich mochte sie und sie mochten mich... Ich trage das Kopftuch, seitdem ich 16 Jahre alt bin, auch während meiner Jahre als Studentin und Referendarin. ... Gut kein Tuch, dann trage ich eine Mütze, und ich dachte, dann haben sie dieses ganze islamische Symbol nicht mehr und alle haben etwas davon, aber das ist auch nicht erlaubt... Ich hatte vorher mit dem Schulrat geprochen über das Tragen der Mütze und er hat mir gesagt, „mir ist egal, was Sie auf dem Kopf tragen, Hauptsache Sie sind eine gute Lehrerin. Dann gehen Sie mit Mütze, versuchen wir es.“ ... Es war meine Idee. ... Zu der Zeit, obwohl es schon das Kopftuchgesetz gab, wussten wir nicht, dass die Mütze auch nicht erlaubt ist. Das kam erst später durch die Fälle von Lehrerinnen mit Mütze, die dann aufgetreten sind. Erst dann wurde gesagt, dass eine Mütze  auch nicht erlaubt ist. ... Meine Direktorin musste es melden. Ich mache ihr keinen Vorwurf ... sie wollte sich an das Gesetz halten.[166]

Um ihre Kündigung zu vermeiden, ging diese Lehrerin schließlich auf den Vorschlag ein, in Elternzeit zu gehen. Als Human Rights Watch sich mit ihr traf, überlegte sie, in ein Bundesland zu ziehen, wo sie mit ihrem Kopftuch unterrichten darf: „Ich denke daran, nach Rheinland-Pfalz zu gehen ... aber der Vater meiner Kinder [von dem sie geschieden ist] lebt hier ... [E]s ist schwierig für die Kinder ... aber ich muss auch daran denken, wie ich sie versorge, auch später wenn sie studieren wollen. ... Aber wenn das Gesetz auch in Rheinland-Pfalz kommen sollte, dann stehe ich wieder am Anfang. ... Meine ganze Famile ist hier, deshalb wäre es schwer für mich zu gehen. Ich brauche den Kontakt zu Familie und Freunden.”[167]

Emilie (Name geändert), eine zum Islam konvertierte Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, beschrieb die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen sie infolge der Verbots zu kämpfen hatte. Um dem Konflikt mit dem Gesetz aus dem Weg zu gehen, hatte sie entschieden, ihren Mutterschaftsurlaub zu verlängern und dann in die verlängerte Elternzeit zu gehen, obwohl ihr Ehemann arbeitslos und auf ihr Einkommen angewiesen war.
 
Da mein Mann auch Arbeit suchte, gehen wir jetzt für eine Zeit ins Ausland [nach Marokko] Ich gehe mit gemischten Gefühlen, denn selbst ein halber Job hätte hier ein sparsames Leben ermöglicht.  Nun warte ich ab, dass andere muslimische Frauen kämpfen für das Recht auf freie Religionsausübung und hoffe, dass es erfolgreich sein wird.[168]
 

Eine zum Islam konvertierte Referendarin zog nach Wien, nachdem ihr das bayerische Kultusminsterium mitgeteilt hatte, sie könne ihren Vorbereitungsdienst nur ohne Kopftuch absolvieren. In Wien arbeitet sie  heute als Assistentin an einer muslimischen Grundschule.[169]

Frauen, die sich beugten und ihr Kopftuch durch eine Perücke ersetzten, die Ohren und Haare nicht verdeckt, verspüren Unbehagen und Ärger über diese  Entscheidung. Eine Lehrerin aus Süddeutschland beschrieb ihre Gefühle mit den Worten:

Ich war 15 [Jahre alt], als ich angefangen habe, Tuch zu tragen. ...  Es gibt keine Fotos mit mir und der Perücke, ich vermeide das. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl damit. ... Ich gehe nicht gern in die Öffentlichkeit damit: Ich mache Ausflüge mit meinen Schülern, weil ich das wichtig finde für die Kinder, aber ich fühle mich nicht wohl, so in die Strassenbahn zu steigen zum Beispiel. Ich vermeide auch, Fortbildung zu machen, die außerschulisch ist, und versuche, Fortbildung zu machen, die bei uns an der Schule sind. Nein, ich fühle mich damit nicht wohl. ... Es war im Grunde die Frage: Gebe ich mein komplettes Studium und meine Ausbildung auf oder finde ich ein Schlupfloch, wie ich dann doch arbeiten kann? ... Meine Heimatstadt zu verlassen, wäre ein zu großes Opfer gewesen. [170]

Rabia, eine Konvertitin und Sonderschullehrerin in Dortmund, die während ihrer Ausbildung und Beschäftigung als Lehrerin (seit 1995 an derselben Schule) ein Kopftuch getragen hatte, trägt seit Inkrafttreten des Verbots in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2006 ein breites Haarband. Sie hatte zunächst versucht, einen Schal zu tragen. Man hätte sie jedoch so nicht in die Klasse gelassen .

“Ich habe mein Gewissen befragt, habe mich mit meinem Mann beraten, wie ich es ertragen würde...und habe entschieden, das Kopftuch abzunehmen. Ich trage, das Haarband eher aus Trotz, um irgendetwas zu haben. Es sieht nicht gut aus und ist unbequem. Ich habe mir auch Perücken, die recht teuer sind, zeigen lassen. ‚Wie echt’ hat die Verkäuferin am Ende gesagt, und ich habe gedacht, dann kann ich auch gleich meine eigenen Haare zeigen. Auf das Kopftuch zu verzichten, ist sehr schwierig. Am ersten Tag habe ich mich auf der Schultoilette „verkleidet“. Als eine Kollegin mich gefragt hat, bin ich in Tränen ausgebrochen.“[171]

Rabia fügte hinzu: „Mein Sohn hat mich gefragt: ‚Was ist wichtiger Allah oder Arbeit?’ Ich habe ihm geantwortet, dass ist kompliziert, wenn Du älter bist...“[172]

Obwohl Referendarinnen gemäß des Urteils des Bundesverfassungsgerichts  vom Juni 2006 eigentlich von dem Verbot ausgenommen sind, hatten sie in der Praxis Schwierigkeiten, an Referendariats- oder Praktikantenstellen zu kommen, obwohl letztlich alle Bewerberinnen eine Stelle fanden.[173] Rechtsreferendarinnen berichteten im Gespräch mit Human Rights Watch, sie könnten bestimmte Stationen ihrer Ausbildung nicht absolvieren, da man ihnen beispielsweise nicht erlaube, neben dem Richter zu sitzen oder die Staatsanwaltschaft zu vertreten.[174] In den Bundesländern mit Kopftuchverboten für Lehrerinnen konnte seit Inkrafttreten der Verbote keine einzige Referendarin mit Kopftuch eine Stelle an einer staatlichen Schule finden.

Die Gerichtsverfahren und die damit einhergehende umfangreiche Medienaufmerksamkeit setzen die betroffenen Frauen, ihre Familien und die Schulen, an denen sie unterrichten, einem erheblichen Druck aus.[175] Aus diesem Grund verzichten manche von ihnen auf Rechtsmittel. Eine Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen meinte dazu: Ich würde nie vor Gericht gehen, ich habe die Kraft und die Nerven dafür nicht, mich damit auseinanderzusetzen. Auch wenn es den anderen vielleicht helfen würde, wenn viele von uns klagen, ich kann es einfach nicht. Deshalb habe ich das auch nie in Betracht gezogen.“[176]

Die Gymnasiallehrerin Sara zog nach Einführung des Verbots in ihrem Bundesland nach Nordrhein-Westfalen, nur um dort kurz darauf ihr Recht, ein Kopftuch zu tragen, erneut zu verlieren. Ihre Klage gegen das Verbot in Nordrhein-Westfalen wurde wegen ihrer Schwangerschaft ausgesetzt. Den enormen Druck, unter dem sie steht, beschrieb sie mit den Worten:

Wenn ich zurück komme in den Job, werde ich mein Gerichtsverfahren weiterführen, dass ich in meinem Job bleiben kann mit Kopftuch, was ich hoffe bis dahin nicht mehr notwendig sein wird. ... Das sage ich heute ... Wie es dann kurz vor der Entscheidung aussieht, kann ich nicht sagen ... weil einem unglaublich viel durch den Kopf geht ... Der Klageweg ist unheimlich belastend, auch für die Familie. Mein Mann steht hinter mir, was auch immer meine Entscheidung ist, aber es ist trozdem alles sehr schwierig. Ich war auch nie jemand der politisch und juristisch versiert war.[177]

Emilie, eine Grundschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen, deren finanzielle Probleme und deren Entscheidung, für einige Zeit nach Marokko zu gehen, bereits erwähnt wurden, begründete ihren Entschluss, vorerst nicht zum Unterrichten zurückzukehren und stattdessen gegen das  Verbot zu kämpfen wie folgt:

Ich habe vier Kinder und war in Elternzeit 2006 als das Kopftuchverbot kam. ...In dem Jahr hatte ich mir überlegt, wieder teilzeit zu arbeiten, aber das ist ins Hintertreffen geraten, weil dieses Verbot kam. Weil ich nicht die Kraft dafür hatte, auf beiden Ebenen zu kämpfen: Es erst einmal mit vier Kindern zu schaffen, wovon eines sehr konzentrationsgestört ist ... und ich dachte, ich kann jetzt nicht auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ich habe mitbekommen, was die anderen Kolleginnen da auch leisten müssen [wenn Sie gegen das Gesetz klagen]: die Presse kommt an die Schule, Anfragen kommen und auch manchmal Feindseligkeiten.[178]

In einem von muslimischen Frauen gegründeten und betreibenen Bildungs- und Begegnungszentrum sprach Human Rights Watch mit Frauen, die überzeugt waren, ihre Entscheidung, ein Kopftuch zu tragen, würde bedeuten sie hätten keine Chance auf eine Stelle im öffentlichen Bildungsbereich gehabt. Sie berichteten auch, dass  Frauen, die ein Kopftuch tragen, in Nordrhein-Westfalen nur schwer Praktikumsplätze bei Anwälten finden.[179]

Die Debatte über das Kopftuchverbot hatte offenbar auch auf die Berufung von Kopftuch tragenden Frauen als Schöffen einen negativen Effekt. [180] Obwohl die gesetzlichen Verbote nicht ausdrücklich für Schöffen gelten, gab es in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2006 eine Reihe von Fällen[181] (in Berlin gab es 2004 eine parlamentarische Anfrage[182]), in denen Richter Schöffinnen aufforderten, ihr Kopftuch während der Sitzungen abzunehmen, und sie vom Verfahren ausschlossen, wenn sie dieser Anordnung nicht nachkamen.[183] 

In Berlin,[184] Hessen,[185] Niedersachsen[186] und Nordrhein-Westfalen[187] wurde Rechtsreferendarinnen, die ein Kopftuch trugen, der Zugang zu Gerichtssälen im Rahmen ihrer Ausbildung verweigert. Sie wurden notwendiger Teile ihres Referendariats entbunden, da man ihnen nicht erlaubte, Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft zu übernehmen oder auf der Richterbank zu sitzen.

Von Human Rights Watch befragte Intellektuelle und Vertreter von Frauenorganisationen und muslimischen Organisationen (darunter auch muslimische Frauengruppen) sagten, durch die „Kopftuchverbote“ der Länder habe die Diskriminierung von Frauen, die ein Kopftuch tragen, zugenommen. Untersuchungen der Landesstelle für Gleichbehandlung in Berlin deuten darauf hin, dass das dortige „Kopftuchverbot“ auch Auswirkungen auf Kopftuchträgerinnen in anderen, nicht betroffenen Berufsfeldern und auf die allgemeine Debatte hat.[188] Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im  Abgeordnetenhaus Berlin räumte ein, die Gefahr der Diskriminierung sei real. Ähnliche Bestimmungen in der Privatwirtschaft, die sich auf das Kopftuch beziehen, seien jedoch rechtswidrig.[189]

Einige der betroffenen Frauen und Vertreter von Organisationen, die von Human Rights Watch interviewt wurden, waren der Ansicht, dass die „Kopftuchgesetze“ eine negative Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt haben. Statt religiöse Symbole zu verbieten, solle das Bildungssystem ein friedliches Miteinander von Gemeinschaften und universelle Werte vermitteln.[190]

 

Muslimische Gruppen, Frauengruppen und einige der befragten Frauen vertreten die Auffassung, ein Kopftuchverbot sei der Integration von Muslimen in Deutschland hinderlich, weil es ihnen auf diskriminierende und paternalistische Weise vorschreibe, wie sie sich zu verhalten und zu kleiden hätten.[191] Eine Befragte formulierte es so: „Ich war auf einem guten Weg die Vorurteile abzubauen, aber sie haben mich nicht gelassen.“[192] Ihren Gegnern zufolge führen die Verbote zu Entfremdung und finanzieller Abhängigkeit, weil sie den Betroffenen die Möglichkeit eines unabhängigen Einkommens nehmen und zu ihrem sozialen Abstieg beitragen.[193] In den Worten einer Betroffenen (der sich eine andere anschloss):  “So lange wir in den Schulen geputzt haben, hatte keiner ein Problem mit dem Kopftuch.“[194]

 

VI. Menschenrechtsverletzungen

Die Kopftuchverbote haben nicht nur einschneidende Auswirkungen für das Leben der betroffenen Frauen, sie stellen auch Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen der Verpflichtungen Deutschlands nach internationalen Menschenrechtsverträgen dar.

Diskriminierung von Frauen und andere Verletzungen der Frauenrechte

Human Rights Watch hat sich wiederholt gegen eine Politik ausgesprochen, die Frauen zum Tragen des Kopftuchs zwingt oder andere Vorgaben zu ihrer Kleidung macht.[195] Doch auch die Politik des Ausschlusses Kopftuch tragender Frauen von bestimmten Berufsfeldern verstößt gegen internationale Normen wie Artikel 11 der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz untergräbt die individuelle Selbstbestimmung und Wahlfreiheit – ein fundamentaler Aspekt der Frauenrechte, der auch durch Länder verletzt wird, die Frauen zum Tragen des Kopftuchs zwingen. Die betroffenen muslimischen Frauen werden entweder gar nicht erst eingestellt oder müssen – falls sie bereits beschäftigt sind – mit Maßregelung, Beurlaubung und Entlassung rechnen. Diese Behandlung steht in direktem Zusammenhang mit dem Tragen des Kopftuchs. Tatsächlich kommt ein genereller Ausschluss Kopftuch tragender Frauen aus den Klassenzimmern staatlicher Schulen einem lebenslangen Berufsverbot in dieser Laufbahn gleich.

Staatliche Restriktionen der Kleidung von Frauen gleich welcher Art beeinträchtigen den Schutz der Privatsphäre und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Im Falle des Kopftuchs, das Teil der Identität seiner Trägerin ist und ihre religiösen Überzeugungen widerspiegelt, verletzen die Verbote diese Rechte. Sie verhindern, dass muslimische Frauen  durch das Tragen eines religiösen Symbols, des Kopftuchs, ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen können. Dies ist ungerecht, rechtswidrig und in einer demokratischen Gesellschaft nicht hinnehmbar.

Die Verbote verstoßen auch gegen das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz, indem sie die Frauen ohne Rücksicht auf ihr tatsächliches Verhalten als Quelle „(fundamentalistischer) Indoktrinierung“ deklarieren. Dies bedeutet eine Umkehrung der Beweislast in Diskriminierungsfällen. Nach deutschem und EU-Recht obliegt es den Behörden sich zu rechtfertigen, wenn ihnen eine Ungleichbehandlung nachgewiesen wird.

Die Gesetze in allen acht Bundesländern diskriminieren auf der Grundlage von Geschlecht und Religion. Die Religionsfreiheit der Frauen wurde verletzt, da die Bestimmungen in der Praxis ausschließlich gegen Frauen eingesetzt wurden, die ein Kopftuch tragen. Durch diese klare, negative Unterscheidung zwischen Frauen und Männern verstoßen die Regelungen gegen die oben erwähnten Antidiskriminierungsbestimmungen in den internationalen Menschenrechtsverträgen.[196] Muslimische Frauen, die das Tragen des Kopftuchs als religiöse Pflicht betrachten, werden durch die Gesetze gezwungen, sich zwischen ihren tiefsten Überzeugungen und ihrem Arbeitsplatz als Lehrerin oder Beamtin zu entscheiden.

Laut Aussagen von Politikern und Vertretern der Landesbehörden können auch Männer unter das Verbot fallen, wenn sie typisch muslimische Kleidung[197] oder traditionelle Kleidung der indischen Bhagwan-Bewegung[198]  tragen (in den 1980er Jahren hatte es eine Reihe solche Fälle gegeben).[199] Tatsächlich trafen die Verbote seit ihrem Inkrafttreten keinen einzigen Mann, sondern nur Kopftuch tragende Frauen; sie diskriminieren also doppelt, auf der Grundlage von Geschlecht und Religion.[200] 

Wie bereits bemerkt argumentieren die Befürworter der Gesetze, dass diese zum Schutz der Gleichberechtigung von Mann und Frau und der Frauenrechte  notwendig und damit gerechtfertigt seien: Das Tragen eines Kopftuchs kann durchaus durch die Familie oder das soziale Umfeld erzwungen sein. Dennoch besteht kein Zweifel, dass manche Frauen das tiefes Bedürfnis haben, als Teil ihrer religiösen Identität ein Kopftuch zu tragen. In allen von Human Rights Watch untersuchten Fällen, einschließlich der einschlägigen Gerichtsverfahren, erklärten die betroffenen Frauen ausdrücklich, das Tragen des Kopftuchs sei für sie eine persönliche, keine aufgedrängte Entscheidung.

Mitglieder der Frauenbewegung, unter ihnen auch zahlreiche Wissenschaftler an Universitäten, betrachten das Tragen des Kopftuchs als eine persönliche Bekundung, die im Rahmen der Religionsfreiheit geschützt ist. Sie befürworten die Integration und den Zugang muslimischer Frauen zu höheren Qualifikationen und Posten. Wie die Mehrheit der Karlsruher Verfassungsrichter[201] glauben auch sie, dass das Kopftuch für jede Frau eine andere Bedeutung hat.

An dieser Stelle soll auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall Ludin aus dem Jahr 2003 hingewiesen werden, in dem die Richter erklärt hatten, es sei „nicht belegt, dass die Beschwerdeführerin allein dadurch, dass sie ein Kopftuch trägt, etwa muslimischen Schülerinnen die Entwicklung eines den Wertvorstellungen des Grundgesetzes entsprechenden Frauenbildes oder dessen Umsetzung im eigenen Leben erschweren würde“. Zudem setzt sich die muslimische Bevölkerung in Deutschland aus  einer Vielzahl verschiedener Gruppen zusammen, weshalb einseitige und vereinfachte Wahrnehmungen und Debatten über die Gemeinschaft der Muslime vermieden werden sollten. Es wird häufig ignoriert, dass die Muslime in Deutschland keine homogene Gruppe sind.

Das in Deutschland vorherrschende Bild der muslimischen Frau führt zu bedenklichen Fehlwahrnehmungen.[202] Wie der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte Heiner Bielefeldt hervorhebt, besteht die Gefahr, dass eine Politik zugunsten verbesserter Chancen für Frauen und Mädchen aus Migrationsfamilien zum „Kulturkampf“ mit dem Islam gerät. Diese Tendenz zeigt sich bereits in den Alternativen, vor die sich muslimische Frauen – gleich ob mit oder ohne Kopftuch – gestellt sehen, nämlich sich „entweder unablässig von ihrer Religion distanzieren zu müssen oder in Kauf zu nehmen, dass man sie pauschal als Opfer oder gar Komplizinnen autoritärer Familienstrukturen betrachtet.“[203]

Da es zu den obersten Pflichten des Staates gehört, die Menschenrechte zu schützen, wiegt ein staatlich verordnetes „Kopftuchverbot“ schwerer als ein von privaten Parteien ausgehender „Kopftuchzwang“. Die legitimen Bemühungen zum Schutz von Frauen, die gegen ihren Willen ein Kopftuch tragen müssen, rechtfertigen keine Zwangsmaßnahmen gegen andere, die das Kopftuch freiwillig tragen.

Ein Kopftuchverbot für erwachsene Frauen im öffentlichen Dienst verhindert nicht notwendigerweise Druck aus Familie und sozialem Umfeld. Bei der Formulierung ihrer Gesetze haben die Bundesländer offenbar nicht geprüft, ob ein generelles Verbot ein wirksames Mittel gegen mögliche Quellen dieses Zwanges ist.

Statt die Rechte von Frauen einzuschränken, die aus eigenem Entschluss ein Kopftuch tragen, sollte man diese Probleme einzeln angehen.[204] Es wäre wesentlich hilfreicher, nach gesetzlichen oder behördlichen Schutzmechanismen für Frauen zu suchen, die kein Kopftuch tragen möchten, und sich öffentlich zu dem Recht der Frau auf freie Wahl ihrer Kleidung zu bekennen. Vor allem könnten die Landesregierungen aktiv und auf breiter Front den Dialog mit ausgewählten Bürgerrechtsgruppen suchen, die sich für die Belange von Frauen (einschließlich muslimischer, Kopftuch tragender Frauen) einsetzen, und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen für die oben diskutierten Probleme suchen.

Alle von Human Rights Watch befragten Frauen betonten, dass das Tragen des Kopftuchs eine persönliche Entscheidung sei, die sie einer anderen muslimischen Frau nicht aufdrängen würden.[205] Sie widersprachen der Auffassung, das Kopftuch unterdrücke Frauen und legten Wert darauf, dass niemand eine Frau zwingen dürfe, ein Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen.

Diskriminierung auf Grundlage der Religion

Die Mehrzahl der Landesgesetze zu religiösen Symbolen diskriminieren offenkundig auf Grundlage der Religion. Sie verstoßen damit gegen IPbpR, EMRK und gegen EU-Recht.[206] Diese direkte Diskriminierung ist rechtswidrig.

Wie in Kapitel IV erläutert enthalten die Gesetze in Baden-Württemberg, Hessen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ausdrückliche Ausnahmen für christlich-abendländische Werte und Traditionen. In Bremen und Niedersachsen wurde in Landtagsdebatten und in den Begründungen der Gesetzentwürfe kein Widerspruch zwischen christlichen Traditionen und dem Neutralitätsgebot gesehen, mit dem die Regelungen gerechtfertigt wurden. Folglich erlauben die Gesetze den Ländern, Anhänger bestimmter (verbreiteter) Religionen und Mitglieder anderer (weniger verbreiteter) Religionen unterschiedlich zu behandeln. In der Praxis bedeutet dies, dass Schulbehörden legal Unterrichtsverbote gegen Kopftuch tragende muslimische Lehrerinnen verhängen können, während sie christlichen Nonnen weiterhin erlauben, in religiöser Kleidung und mit religiösen Symbolen zu unterrichten.[207]

In sieben Bundesländern zielen die Regelungen direkt auf Muslime oder betreffen sie überdurchschnittlich stark. Dies belegt die Tatsache, dass es in allen Prozessen, die mit der Verfassungsmäßigkeit der Verbote religiöser Symbole und ihrer praktischen Anwendung zu tun hatten, um Frauen ging, die zur Bekundung ihres muslimischen Glaubens ein Kopftuch tragen.  Wie oben erwähnt, erklärten Vertreter der Landesregierungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens, die Regelungen zielten auf ein Verbot, des Tragens von Kopftüchern – und nicht anderer religiöser Symbole.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm diese Konzentration auf Muslime während des Verfahrens um Fereshta Ludin zur Kenntnis. Die Richter erkannten die Auswirkungen des baden-württembergischen Gesetzes auf die „islamische Religionsgemeinschaft“ an, bewerteten sie jedoch nicht als „übermäßig“, weil muslimische Lehrerinnen auch an Privatschulen Arbeit finden können.

Alle übrigen Fälle in Deutschland, in denen bestimmte Kleidung verboten wurde, hatten keinen religiösen Bezug. Wie oben erwähnt wurde Rechtsreferendaren nahe gelegt, auf eine „Punkerfrisur“ oder auf Piercings zu verzichten, die als Verstoß gegen die Neutralität des Staates erachtet wurden. Außerdem wurde einem „linksextremen“ Referendar in Baden-Württemberg   eine Referendariatsstelle verweigert, weil er Mitglied der Antifa war. Er klagte und verlor 2006 in erster Instanz. 2007 gab das Landesverwaltungsgericht seiner Berufung statt. Der Betroffene arbeitet heute als Lehrer.[208] Mit anderen Worten: Ungeachtet der potentiellen Gefahr für die Neutralität der Schule gaben die Grundüberzeugungen des Klägers den Ausschlag für ein Urteil zu seinen Gunsten.

Der diskriminierende Charakter der Verbote wurde noch verstärkt durch Bemühungen in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, christliche Nonnen, die in Ordenstracht unterrichten, von den Verboten auszunehmen. Die drei Länder ignorierten dabei die Rechtssprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der alle Religionen gesetzlich gleich behandelt werden müssen. Baden-Württemberg gestatte Nonnen weiterhin das Tragen ihrer Ordenstracht während des Unterrichts an staatlichen Schulen, setzte das Urteil also nicht um.

Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde wies darauf hin, dass die Versuche der Länder Ausnahmen für den Nonnenhabit zu erhalten, während sie das Kopftuch verbieten, eine Diskriminierung darstellen und das Recht auf Gleichbehandlung verletzen.[209] Böckenförde warnt, auf lange Sicht könne in Deutschland und besonders in Ländern, in denen die katholische Kirche tief verwurzelt ist, die Möglichkeit zur Darstellung christlicher Werte und Traditionen verloren gehen, da ein Verbot muslimischer Symbole an Schulen und öffentlichen Einrichtungen, falls es auf nicht-diskriminierende Weise erfolge, letztlich zur allgemeinen öffentlichen Bekenntnisfreiheit führe.[210]

Es soll darauf hingewiesen werden, dass sich auch einige Kirchenvertreter  gegen ein Kopftuchverbot ausgesprochen haben. Sie waren besorgt, dass die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei den Verboten alle Religionen gleich behandelt werden müssen, letztlich zum Säkularismus und zum Verbot christlicher Kleidung und Symbole führen würde.[211]

Den größeren Zusammenhang, in dem die Kopftuchverbote zustande kamen, erhellt auch die Tatsache, dass der Islam nicht zu den staatlich anerkannten Glaubensgemeinschaften in Deutschland gehört. Damit verfügt der Islam nicht über den gleichen Status und die gleichen Rechte wie die christlichen und jüdischen Religionsgemeinschaften.[212]

Berlin

Berlin nimmt in dieser Frage eine Sonderrolle ein, da es jeglichen Ausdruck eines religiösen Bekenntnisses im Erscheinungsbild der Lehrer verbietet. Dies wirft die Frage auf, ob die „Sichtbarkeit“ religiöser Symbole ein Kriterium bei der Ausübung der Religionsfreiheit sein sollte. Offensichtlich ist ein Kopftuch „sichtbarer als ein kleines goldenes Kreuz an einer Halskette“. Man kann deshalb der Ansicht sein, dass das Berliner Gesetz Muslime überdurchschnittlich stark trifft.[213]

Abgesehen davon fallen natürlich überproportionale viele Lehrer unter das Berliner Verbot, die sich zu einer Religion bekennen und dies bekunden möchten. Das Gesetz behandelt Lehrer mit bzw. ohne religiöses Bekenntnis also nicht gleich.

Das Gesetz erscheint durch die Gleichbehandlung aller Religionen zunächst  gerechter, es diskriminiert aber dennoch religiöse Menschen, die im öffentlichen Dienst arbeiten und gleichzeitig ihren Glauben bekunden möchten, indem es sie zwingt, zwischen Beruf und Religion zu entscheiden.

Darüber hinaus wurde das Verbot religiöser Kleidung in Berlin bislang nur auf Kopftuch tragende Frauen angewendet, was einer indirekten Diskriminierung gleichkommt.

Verletzung der Religionsfreiheit

Ein generelles Verbot des Tragens sichtbarer religiöser Symbole für Lehrer und Beamte verletzt die Religionsfreiheit. Der IPbpR und andere internationale Menschenrechtsverträge verpflichten staatliche Behörden, in Gewissensfragen auf Zwangsmaßnahmen zu verzichten. Die Vertragsstaaten müssen diese Verpflichtung berücksichtigen, wenn sie Kleidungsvorschriften für ihre Schulen herausgeben. Länder wie der Iran oder Saudi-Arabien, die Frauen zum Tragen des Kopftuchs zwingen, verletzen dieses Prinzip, ebenso wie Staaten, die generelle Verbote religiöser Symbole erlassen.[214]

Wie bereits bemerkt, ist die Religionsfreiheit, einschließlich der Freiheit der Glaubensbekundung durch Kleidung und Symbole, kein absolutes Recht. Der Staat kann verhältnismäßige und begründete Einschränkungen dieses Rechts vornehmen, falls diese einem legitimen öffentlichen Interesse dienen.

Die derzeitigen Verbote religiöser Symbole für Lehrer und Beamte sind jedoch keine verhältnismäßigen und begründeten Einschränkungen. Das Kopftuch stellt keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Gesundheit, Ordnung oder Moral dar und es steht nicht im Konflikt mit den Rechten anderer. Das Kopftuch ist nicht in sich gefährlich oder Unruhe stiftend, und es behindert die Lehrtätigkeit nicht. Es mag Umstände geben, unter denen staatliche Interessen die Reglementierung religiöser Kleidung rechtfertigen, etwa wenn solche Kleidungsstücke die allgemeine Sicherheit oder Gesundheit gefährden. Derartige Bedenken können jedoch kein generelles Verbot begründen.[215]

Die Landesgesetze, insbesondere jene mit Ausnahmen für den christlichen Glauben, erfüllen zahlreiche der von der UN-Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit benannten „erschwerenden Umstände“ - ein  weiterer Beleg, dass die Maßnahmen unvereinbar mit internationalen Menschenrechtsstandards sind: 1. Die Gesetze führen zu Diskriminierung oder versteckter Unterscheidung aufgrund der Religion; 2. Die Restriktionen beruhen auf Prinzipien, die sich aus einer einzigen Tradition ableiten und Ausnahmen sind auf die vorherrschende oder staatlich erwünschte Religion zugeschnitten; 3. Die Behörden wenden die Bestimmungen in der Praxis in diskriminierender Weise an, etwa indem sie willkürlich gegen bestimmte Personenkreise oder Gruppen vorgehen, beispielsweise gegen muslimische Frauen; 4. Gewisse Besonderheiten einer Religion oder Weltanschauung werden nicht ausreichend berücksichtigt.

Kopftuchverbote für Lehrerinnen an staatlichen Schulen berühren zwei konkurrierende Aspekte der Religionsfreiheit: Das positive Recht der Lehrerin zum Ausdruck ihres Glaubens und möglicherweise die negative Religionsfreiheit ihrer Schüler, insbesondere die Freiheit von „Indoktrinierung“. Eltern oder Erziehungsberechtigte haben das Recht, die religiöse und moralische Erziehung ihrer Kinder gemäß ihrer Überzeugungen und im Hinblick auf die sittlichen Erziehungsziele zu gestalten.[216] 

Nach Ansicht von Human Rights Watch dürfen einer Lehrerin nur dann Restriktionen auferlegt werden, wenn eine Beurteilung ihres gesamten Verhaltens ergibt, dass sie in einer Weise gehandelt hat, die die Religionsfreiheit der Kinder beeinträchtigt, etwa durch Zwangsmaßnahmen. Ein allgemeines Kopftuchverbot ist kein angemessenes Mittel: Ein solches beruht auf der Annahme der abstrakten Gefahr negativer Auswirkungen. Dabei fehlt jeder konkrete Beweis, dass das Tragen eines Kopftuchs durch eine Lehrerin an sich einen zwanghaften Einfluss auf die Kinder hat, der sie zur Annahme des Islam bewegt, oder sich muslimische Mädchen deswegen verpflichtet fühlen, ein Kopftuch zu tragen.

Keine der Voraussetzungen nach internationalen Menschenrechtsstandards zur Einschränkung der Religionsfreiheit ist im Falle der deutschen Kopftuchverbote erfüllt. Mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und Moral hat das Verbot ganz offensichtlich wenig zu tun. Gleiches gilt für die Prävention von Unruhen oder Verbrechen. Lehrerinnen, die sich durch ihren Glauben zum Tragen des Kopftuchs verpflichtet fühlen, sind nicht verpflichtet, für Harmonie zu sorgen, indem sie sich gänzlich zurückziehen.

Sich auf das Prinzip der Trennung von Religion und Staat oder die Neutralität Deutschlands zu berufen ist aus einer Reihe von Gründen nicht überzeugend: Erstens muss bezweifelt werden, ob die Regelungen in Deutschland (mit Ausnahme von Berlin) in Anbetracht der ausdrücklichen Ausnahmen für christliche Symbole und Werte überhaupt als säkular beschrieben werden können. Zweitens haben die Landesregierungen, abgesehen von der Bezugnahme auf ein abstraktes Prinzip nicht zeigen können, in welcher Weise die Neutralität des Staates beeinträchtigt würde, wenn das Tragen des Kopftuchs an Schulen erlaubt würde. Eine solche Erlaubnis kann sicherlich nicht als Bekenntnis des Landes zu diesen Werten gedeutet werden.

Das Streben nach öffentlicher Ordnung steht nicht über allem und der Nutzen aus der Einschränkung eines Rechts muss gegen die Interessen derer abgewogen werden, die dieses Recht wahrnehmen möchten. In diesem Fall ist der Preis für die Frauen, die aus dem Staatsdienst ausgeschlossen werden, hoch, während der Nutzen für andere Bürger alles andere als erkenntlich ist, da Lehrerinnen und Beamtinnen – nach bestem Wissen von Human Rights Watch – vor der Einführung der Verbote ihren Dienst bereits mit Kopftuch versahen, ohne dass es zu Unregelmäßigkeiten kam.

Ebensowenig lassen sich die deutschen Kopftuchverbote als notwendig für die öffentliche Sicherheit rechtfertigen. Wiederum stellen die Erfahrungen aus der Zeit vor den Verboten die Stichhaltigkeit dieses Arguments in Frage. Es ist schwer einzusehen, wie – wenn verlässliche Schutzmechanismen für Frauen, die kein Kopftuch tragen möchten, existieren – Kopftuch tragende Lehrerinnen und Beamtinnen zu einer Bedrohung für die öffentliche Sicherheit werden könnten, die bedeutend genug ist, um einen so drastischen Eingriff in die  Religions- und Meinungsfreiheit zu begründen.

Das letzte üblicherweise zugunsten des Kopftuchverbots vorgebrachte Argument besagt, dass ein Verbot die Rechte und Freiheiten derer schütze, die ihren Kopf nicht bedecken. Human Rights Watch sind keine Begebenheiten aus der Zeit vor Inkrafttreten der Verbote bekannt, die darauf hindeuten, dass dies ein reales Problem ist. Trägerinnen des Kopftuchs vom Lehrerberuf oder vom gesamten öffentlichen Dienst auszuschließen, ist keine verhältnismäßige Reaktion auf eine zukünftige, hypothetische Bedrohung für Frauen ohne Kopftuch. Die Landesregierungen können vernünftigerweise nicht behaupten, dass das Verbot von Kopfbedeckungen einem „zwingenden gesellschaftlichen Bedarf“ Abhilfe schafft und der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit dient, besonders in einem Land, in dem Muslime in der Minderheit sind.

Minderheitenrechte

Tatsächlich gibt es in keinem der betreffenden Bundesländer irgendwelche Anzeichen, dass die Behörden ihrer Pflicht nachgekommen sind, besondere Maßnahmen zu ergreifen, damit religiöse Minderheiten geschützt werden und ihre Mitglieder ihren Glauben praktizieren können. Im Gegenteil wird offen oder verdeckt versucht, die Mehrheitsreligion zu privilegieren. Deshalb  verletzt Deutschland aufgrund der Verantwortlichkeit für die Länder seine Verpflichtungen zum Schutz der Minderheitenrechte.

 

VII. Der Blick nach vorn

Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte immer wieder betont hat, ist der Staat verpflichtet neutral und unparteiisch zu bleiben, um den Pluralismus zu bewahren und das Funktionieren der Demokratie zu sichern.  Wenn ein Thema wie das Kopftuch zu einer Quelle von Spannungen wird, ist es die Aufgabe der Behörden, diese nicht durch die Abschaffung des Pluralismus' zu lösen, sondern indem sie dafür sorge, dass konkurrierende Gruppen einander zumindest tolerieren und die Rechte der jeweils anderen achten.[217]

Eine Lösung auf der Grundlage gegenseitigen Respekts ist möglich. Viele der Frauen, mit denen Human Rights Watch sprach, suchten eine Annäherung, etwa durch das Tragen eines Hutes, und waren bereit, auf Alternativen einzugehen, die mit ihren religiösen Pflichten vereinbar sind. Die Mehrheit der befragten Kopftuch tragenden Frauen sahen ein, dass Restriktionen für islamische Kleidungsstücke, die das Gesicht verdecken, angemessen sein können, wenn diese erwiesenermaßen die Berufsausübung stören und  beispielsweise verhindern, dass Kinder das Sprechen oder andere Fähigkeiten durch die Nachahmung des Mienenspiels erlernen.

Um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen, müssen die Bundesländer einen offenen und konstruktiven Dialog mit allen Teilen der Gesellschaft eingehen. Dabei würden die Befürworter der Verbote die Gelegenheit erhalten, ihre Bedenken zum Ausdruck zu bringen und Schutzmechanismen oder Maßnahmen von Seiten der Regierung vorzuschlagen, um die Gesellschaft vor der Aushöhlung der Rechte – insbesondere der Frauenrechte – zu schützen, die sie im Falle der Aufhebung der „Kopftuchverbote“ befürchten.

Wenn die Landesregierungen den Sorgen und Bedenken der Frauen auf allen Seiten der Debatte ein offenes Ohr schenken, könnten sie sich von den strikten Verboten lösen und in Richtung eines echten Pluralismus' bewegen, der den Frauen eine eigene, freie Entscheidung über das Tragen des Kopftuchs zugesteht. Wenn ihre Bedenken zudem sowohl im Wortlaut der Gesetze als auch durch den verstärkten Einsatz der Regierungen für die Frauenrechte aufgegriffen werden, können auch Bestimmungen, die internationale Menschenrechtsstandards erfüllen, der Problematik gerecht werden.

Der Interkulturelle Rat, eine Organisation zur Überwindung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, lehnt generelle Kopftuchverbote ab. Der Rat ist ein Dachverband, unter dem sich Bürgerrechtsbewegungen, Gewerkschaften, Arbeitgeberorganisationen, Städte, Landeseinrichtungen und Medien sammeln. Er setzt sich für den interkulturellen und interreligiösen Dialog ein, um dem ethnischen Rückzug der Minderheiten entgegenzuwirken. Im Januar 2004 veröffentlichte der Interkulturelle Rat eine Liste von „Argumenten zum Kopftuch“, in der die Standpunkte beider Seiten beschrieben werden und die sich sowohl an die Mehrheitsgesellschaft als auch an muslimische Organisationen richtet.[218]   Das Papier plädiert bei Konflikten im Zusammenhang mit dem Kopftuch für Einzelfalllösungen und fordert staatliche Eingriffe auf Fälle zu beschränken, in denen Zweifel über die Verfassungstreue der Lehrerin bestehen.

Dies lenkt den Blick nach vorn. Zweifellos ruft es bei manchen Eltern Bedenken hervor, wenn Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten. Die Schulen sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Lehrer sich im Einklang mit der Verfassung verhalten. Doch die beste Art, diese Bedenken ernst zu nehmen und gleichzeitig die Rechte der Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen, zu achten, ist es, an jeden Fall individuell heranzugehen. Lehrer sollten auf der Grundlage ihres Verhaltens beurteilt werden, nicht nach ihrer Kleidung.

Wenn begründete Bedenken bestehen, dass das Verhalten eines Lehrers gegen die Neutralität der Schule verstößt, sollte diesen im Einzelfall mit gewöhnlichen Disziplinarmaßnahmen begegnet werden. Schulen und Schulbehörden sollten außerdem auf Angebote von Lehrerinnen eingehen, die sich bereit erklären, alternative Kopfbedeckungen zu tragen, die nicht an ein Kopftuch erinnern und dennoch mit ihrem Glauben vereinbar sind.

 

Erweiterte Empfehlungen

An die Regierungen der Bundesländer

  • Die Landesregierungen sollten existierende Gesetze zum Verbot religiöser Kleidung und Symbole überprüfen und aufheben, um sicherzustellen, dass die Religions- und Meinungsfreiheit geschützt sind und das Prinzip der Nichtdiskriminierung eingehalten wird, und mit dem Ziel, Diskriminierung aufgrund von Religion und Geschlecht zu beenden.

o   Zwischenzeitlich sollten Schulen und Schulbehörden wohlwollend mit Angeboten von Lehrerinnen umgehen, die bereit sind, alternative Kopfbedeckungen zu tragen, die nicht einem Kopftuch ähneln und dennoch mit ihrem Glauben vereinbar sind.

o   Zwischenzeitlich, sollten die Landesregierungen die Behörden und die deutsche Bevölkerung besser über den genauen Gültigkeitsbereich und die Grenzen der Verbote zu informieren. Dabei sollte deutlich gemacht werden, dass das Recht des Tragens oder der Darstellung religiöser Symbole ein wichtiger Aspekt der Religionsfreiheit ist, der nur unter bestimmten Bedingungen eingeschränkt werden darf. Die Regierungen sollten sich außerdem um rasche Abhilfe und Wiedergutmachung für Personen bemühen, die wegen ihrer religiösen Symbole Opfer von Diskriminierung oder religiöser Intoleranz geworden sind.

  • Wenn das Verhalten einer Lehrkraft konkreten Anlass zu Zweifeln an ihrer Neutralität gibt, sollten dem Einzelfall entsprechende gewöhnliche Disziplinarmaßnahmen und Entscheidungen ergriffen werden.
  • Die Länder sollten ihre Gesetze und Regelungen zur Kleidung an staatlichen Schulen unter Einbeziehung aller relevanten Parteien einer gründlichen Prüfung unterziehen, um zu gewährleisten, dass diese in voller Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards zur Religionsfreiheit und freien Meinungsäußerung stehen.
  • Landesregierungen, die das Tragen religiöser Symbole regulieren wollen, sollten sich dabei durch das Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und die UN-Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen über Religions- und Weltanschauungsfreiheit beraten lassen.
  • Die Länder sollten ihre Rechtspraxis in Einklang mit der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), der Internationalen Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD) und anderen relevanten UN-Verträgen bringen.

An die Bundesregierung

Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration

  • Die Staatsministerin sollte die Auswirkungen der Landesgesetze zu religiösen Symbolen und Kleidungunsstücken und ihre Vereinbarkeit mit den intenationalen Menschrenrechtsverpflichtungen prüfen, die Deutschland eingegangen ist. Dazu gehören insbesondere die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), die Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD) und das EU-Antidiskriminierungsrecht.
  • Die Staatsministerin sollte die Vorbehalte bei der Anwendung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarats in Deutschland aufheben, damit diese für alle Minderheiten gilt.

Anitdiskriminierungsstelle des Bundes

  • Die Antidiskriminierungsstelle sollte gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen und Antidiskriminierungs-Organisationen in den Ländern ein Bewusstsein für das Thema schaffen und eine Debatte über die Verbote religiöser Symbole in Gang bringen – unter Einbeziehung der Entscheidungsträger aus der Politik, der Öffentlichkeit und der Betroffenen solcher Regelungen. Insbesondere sollte sie:

o   öffentlich zu den entsprechenden Landesgesetzen Stellung nehmen, ihre diskriminierende Wirkung untersuchen und ihre Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) und den Gleichbehandlungsrichtlinien der EU prüfen;

o   in seinem ersten regelmäßigen Bericht an den den Bundestag relevante Statistiken, Bedenken und Empfehlungen zu den „Kopftuchverboten“ anführen.

An die Europäische Union

  • Die EU-Mitgliedstaaten sollten ihre Politik und Gesetzgebung im Hinblick auf die in diesem Bericht dargelegten Bedenken überprüfen und sicherstellen, dass gesetzliche Einschränkungen des Tragens religiöser Kleidung – im öffentlichen Dienst und allgemein – mit internationalen Menschenrechtsstandards und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar sind.
  • Die Ausschüsse des Europaparlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) bzw. für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sollten einen (möglicherweise gemeinsamen) Bericht erstellen, in dem die Gesetze und Praktiken der Mitgliedstaaten mit Blick auf die in diesem Bericht aufgezeigten Probleme untersucht werden, insbesondere in Bezug auf die Religionsfreiheit und die diskriminierende Wirkung.
  • Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte sollte diese Frage als Themenschwerpunkt in ihr Arbeitsprogramm für 2010 aufnehmen oder ein thematisches Forschungsprojekt entwerfen, Einschränkungen des Tragens religiöser Symbole und Kleidung in EU-Mitgliedstaaten weiterhinkontinuierlich beobachten und ihre  Vereinbarkeit mit den grundlegenden Menschenrechtsnormen der EU, insbesondere der Gleichbehandlungsrichtlinien, untersuchen.

An den Europarat

  • Der Menschenrechtskommissar des Europarats sollte eine Beurteilung  (in Form eines „viewpoint” oder anders) der in den Mitgliedstaaten des Europarats geltenden Verbote religiöser Symbole veröffentlichen.
  • Der Menschenrechtskommissar sollte die Bundesregierung auf die in diesem Bericht dargelegten Probleme ansprechen, einschließlich der diskriminierenden Wirkung der Verbote, die gegen die internationalen Verpflichtungen Deutschlands verstößt. Ferner sollte er notwendige Maßnahmen aufzeigen, mit denen  Deutschland den Schutz der Religionsfreiheit sichern kann.
  • Der Ausschuss für Rechte und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats und sein Unterausschuss für die Rechte von Minderheiten sollten die Gesetzgebung und Rechtspraxis aller Mitglieder des Europarats im Hinblick auf die in diesem Bericht genannten Probleme analysieren, mit besonderem Augenmerk auf Diskriminierung und die Verletzung der Religionsfreiheit.
  • Der Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung für die Gleichstellung von Frauen und Männern sollte sich in Anlehnung an seinen 2005 veröffentlichten Bericht über Frauen und Religion mit den Auswirkungen der Verbote befassen, die in diesem Bericht beschrieben werden.
  • Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) sollte in ihrem nächsten Bericht über Deutschland den in diesem Bericht aufgeworfenen Fragen nachgehen und die Bundesregierung über die diskriminierende Wirkung der Verbote befragen.
  • Der Beratende Ausschuss für das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (FCNM) sollte die Problematik bei seiner nächsten Überprüfung Deutschlands ansprechen.

An die Vereinten Nationen

  • Die UN-Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit sollte Deutschland besuchen, um zu bewerten, ob die deutschen Maßnahmen mit den internationalen Menschenrechtsverträgen vereinbar sind. Ausgehend von den – ihrem  Bericht an den UN-Menschenrechtsausschuss (E/CN.4/2006/5) entwickelten und in diesem Bericht aufgeführten – Kriterien für Verbote religiöser Symbole  sollte sie relevante Empfehlungen abgeben.
  • Der UN-Menschenrechtsausschuss sollte seine nächsten Überprüfung Deutschlands zum Anlass nehmen, die in diesem Bericht dokumentierten Politiken und Praktiken kritisch anzusprechen und konkrete Empfehlungen an die deutschen Behörden zu richten.

Danksagungen

Dieser Bericht wurde recherchiert und geschrieben von Haleh Chahrokh, Researcherin in der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. Er wurde redigiert von Benjamin Ward, stellvertretender Direktor der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, Clive Baldwin, Senior Legal Advisor, und Ian Gorvin, Senior Program Officer. Liesl Gerntholtz, Direktor der Abteilung Frauenrechte, Veronika Szente Goldston, Advocacy-Direktorin der Abteilung Europa und Zentralasien, gaben weitere Anregungen. Judith Sunderland, Researcherin in der Abteilung Europa und Zentralasien, redigierte ebenfalls den Bericht und war an der Durchführung einiger Interviews mit betroffenen Frauen beteiligt. Für die Produktionsleitung war Iwona Zielinska, Mitglied der Abteilung Europa und Zentralasien, verantwortlich.  Anna Lopriore sorgte für die Bereitstellung der Fotos, Grace Choi, Meg Raber und Fitzroy Hepkins übernahmen die Vorbereitung zum Druck.

Wir bedanken uns bei allen Personen und Organisationen, die unsere Ermittlungen ermöglicht haben. Einige Rechtsanwälte opferten dankenswerterweise einen Teil ihrer begrenzten Zeit während laufender Prozesse, um über die Fälle ihrer Mandanten zu sprechen und Einblick in die Rechtslage zu geben. Wir danken den im Rahmen unserer Ermittlungen befragten Anwälten und Behördenvertretern für ihre Gesprächsbereitschaft. Zuletzt gilt unser Dank den von den Verboten betroffenen Frauen, die sich zu Gesprächen bereit erklärten und uns ihre Erfahrungen mitteilten.

[1] Landtag von Baden-Württemberg, Plenarprotokoll 13/62, 13. Wahlperiode, 62. Sitzung, 4. Februar 2004, http://www.landtag-bw.de/Wp13/Plp/13_0062_04022004.pdf (aufgerufen am 5. Januar 2009), Seite. 4408.

[2]  Grundgesetz, Art. 1 (3), Art. 20 (3) und Art. 28 (1).

[3] Aktuell existieren keine genauen  Statistiken über Religionszugehörigkeit in Deutschland. In statistischen   Schätzungen wird die Religionszugehörigkeit üblicherweise nach Herkunftsland zugeordnet. Siehe z.B. 3,3 Millionen laut „Tatsachen über Deutschland“, einem Handbuch des Auswärtigen Amts  http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/de/society/content/background/religions.html?type=1 (aufgerufen am 25. November 2008).

[4]  Reaktion der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zum Stand  der rechtlichen Gleichstellung des Islam in Deutschland, BT-Drucksache 16/5033, 18. April 2007, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/050/1605033.pdf (aufgerufen am 10. Januar 2009), S. 6.

[5] Sabine Berghahn und Petra Rostock, „Cross national comparison Germany,” 2008, unveröffentlichter Bericht, verfasst im Auftrag von VEIL (Values, Equality & Differences in Liberal Democracies), ein Projekt der Europäischen Kommission im Rahmen des  6. Forschungsrahmenprogrammes.

[6]  Dominic McGoldrick, Human Rights and Religion: The Islamic Headscarf Debate in Europe (Oxford: Hart Publishing, 2006), S. 109.

[7] Religiöses Kleidungsstück im Islam, bestehend aus einem Tuch, das über oder um den Kopf getragen wird und üblicherweise Haare und Hals verdeckt. In Deutschland tragen muslimische Frauen Kopftücher in unterschiedlichen Formen, Typen und Gestaltungen.

[8] Siehe z.B. ein Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden von 1984 (VG Wiesbaden von 10.07.1984, AZ.: VI/1 E 596/82).

[9]Sabine Berghahn und Petra Rostock, „Cultural Diversity, Gender Equality – The German case“, Artikel für die Konferenz „Gender Equality, Cultural Diversity: European Comparisons and Lessons“ in Amsterdam, 8.-9.Juni 2006, http://www.fsw.vu.nl/en/Images/Berghahn%20Rostock%20The%20German%20Case_tcm31-41627.doc (aufgerufen am 11. Dezember 2008), S. 15.

[10] „‘Kopftücher haben für Leute im staatlichen Auftrag keinen Platz,’“ Bild am Sonntag (Hamburg), 21. Dezember 2003, nachgedruckt unter http://www.bpb.de/themen/MQ04WD,0,0,Kopft%FCcher_haben_f%FCr_Leute_im_staatlichen_Auftrag_keinen_Platz.html (aufgerufen am 11. Dezember 2008).

[11]  Im Dezember 2003 unterzeichneten zahlreiche prominente Frauen aus Kunst und Politik den Aufruf „Religiöse Vielfalt statt Zwangsemanzipation! Aufruf wider eine Lex Kopftuch“, initiiert von Marieluise Beck (Grüne), der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Bundestagsabgeordneten; Barbara John (CDU), der ehemaligen Ausländerbeauftragten des Berliner Senats und Koordinatorin für Sprachförderung bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport in Berlin; und von Rita Süssmuth (CDU), der ehemaligen Bundestagspräsidentin und Vorsitzenden der Einwanderungskommission, http://www.bpb.de/themen/XUDYWD,0,0,Religi%F6se_Vielfalt_statt_Zwangsemanzipation!.html (aufgerufen am 12. Dezember 2008).

[12] Alice Schwarzer, die bekannteste Vertreterin der deutschen Frauenbewegung hat sich häufig in die Diskussion über das Kopftuch eingeschaltet. Sie führt das Gebot, das weibliche Haar oder den gesamten Körper zu verschleiern als Beweis für die Unvereinbarkeit des Islam mit den deutschen Werten der Demokratie und der Freiheit an.

[13]  Die Sozialwissenschaftlerin und Autorin wendet sich offen gegen das Kopftuch, das sie als „Flagge der Islamisten“ bezeichnete.

[14]  Seyran Ates erhielt Morddrohungen, als sie die Opfer häuslicher Gewalt vor Gericht vertrat. Sie hält eine Aufhebung des Verbots für eine Bedrohung für die seit den 1960er Jahren mühsam erkämpften Frauenrechte.

[15] Der von Marieluise Beck ins Leben gerufene „Aufruf wider eine Lex Kopftuch“ wurde von Mitgliedern der Frauenbewegung und besonders von einer Gruppe von Migrantinnen aus muslimischen Ländern angegriffen. Im Jahre 2004, schrieb die kopftuchkritische Gruppe in einem Brief an Beck, dass Religion eine private Angelegenheit sei und dass Frauen, die „unter dem Einfluss von Islamisten“ stünden und öffentlich ein Kopftuch trügen, nicht zum öffentlichen Dienst zugelassen werden sollten. Der Brief wurde nachgedruckt unter http://www.bpb.de/themen/VKZXQL,0,0,F%FCr_Neutralit%E4t_in_der_Schule.html  (aufgerufen am 29. Dezember 2008).

[16]Zu diesen Befürwortern gehören Kirchenvertreter, Frauengruppen, Politiker (größtenteils der CDU, aber je nach Bundesland auch anderer Parteien) sowie prominente Intellektuelle. Siehe auch: Berghahn und Rostock, „Cross national comparison Germany“.

[17]Siehe z.B.: Interkultureller Rat, „Thesen zum Kopftuch”, Januar 2004, http://www.interkultureller-rat.de/argumente_1.pdf (aufgerufen am 22. Dezember 2008), und Kirsten Wiese, „Lehrerinnen mit Kopftuch“ (Berlin: Duncker und Humblot, 2008).

[18] Siehe z.B. Aussagen von Dr. Fritz Felgentreu, einem Berliner Senatsabgeordneten, auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz „Integration zwischen 'Leitkultur' und 'Laizität' – fünf Jahre nach dem 'Kopftuchurteil' des Bundesverfassungsgerichts”, organisiert durch das VEIL-Projekt in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, 5.-6. Juni 2008, http://131.130.1.78/veil/Home3/download.php?4882fd80acb79db3d38c9378a646bbb9 (aufgerufen am 30. Dezember 2008).  Ähnliche Argumente wurden von Mitgliedern der Frauenbewegung geltend gemacht, die das Tragen des Kopftuchs ablehnen – siehe: http://www.bpb.de/themen/VKZXQL,0,0,F%FCr_Neutralit%E4t_in_der_Schule.html (aufgerufen am 29. Dezember 2008). Auch die CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen argumentiert in ihrer Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulordnungsgesetzes und des Schulverwaltungsgesetzes ähnlich; 4. November 2003, Drucksache 13/4564, nachgedruckt unter http://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/inst/IEVR/Arbeitsmaterialien/Staatskirchenrecht/Deutschland/Kopftuchverbot/NRW_Gesetzentwurf_CDU_Drs13-4564.pdf (aufgerufen am 5. Januar 2009), S. 8.

[19] Human Rights Watch-Interviews mit Beamten des Ministeriums für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 29. September; und mit Beamten des Hessischen Kultusministeriums, Wiesbaden, 9. Oktober 2008.

[20] Siehe z.B. Berghahn and Rostock, „Cross national comparison Germany“; und Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), „Keine Kompromisse in der Kopftuchdiskussion”, 7. Januar 2004, http://www.tgd.de/index.php?name=News&file=article&sid=279 (aufgerufen am 12. Dezember 2008).

[21] Die 1995 gegründete TGD ist die nationale Dachorganisation einer Reihe türkischer Gemeinden in Deutschland und von Verbänden wie dem Bund türkischer Akademikervereine in Deutschland e.V. (ATAK), dem ATÖF-Bund der Türkischen Lehrervereine in Deutschland e.V. und dem Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer/innen (BTEU). Die TGD setzt sich für die rechtliche, soziale und politische Gleichstellung türkischer und anderer Einwanderer in Deutschland ein und kämpft gegen Fremdenfeindlichkeit und andere Formen der Diskriminierung.

[22]TGD, „Keine Kompromisse in der Kopftuchdiskussion” und „14 Religionspolitische Thesen der Türkischen Gemeinde in Deutschland“, 26. September 2006, http://www.tgd.de/index.php?name=News&file=article&sid=615 (aufgerufen am 12. Dezember 2008).

[23] Siehe z.B. Rede von Franz Josef Jung, Fraktionschef der CDU, vor dem hessischen Landtag, über den Schutz der Neutralität des Staats, Plenarprotokoll16/30, 16. Wahlperiode, 30. Sitzung, 18. Februar 2004, Wiesbaden, http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//16/0/00030.pdf (aufgerufen am 19. Dezember 2008); und zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes in Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/569, und Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses, Drucksache 14/1927, S. 3344.

[24]  Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (IPbpR), verabschiedet am 16. Dezember  1966, G.A. Res. 2200A (XXI), 21 U.N. GAOR Supp. (No. 16) at 52, U.N. Doc. A/6316 (1966), 999 U.N.T.S. 171, Inkrafttreten: 23 März 1976. Deutschland hat den IPbpR am 17. Dezember 1973 ratifiziert.

[25] Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte (IPwskR), verabschiedet am 16.  Dezember 1966, G.A. Res. 2200A (XXI), 21 U.N. GAOR Supp. (No. 16) at 49, U.N. Doc. A/6316 (1966), 993 U.N.T.S. 3, Inkrafttreten: 3. Januar 1976. Deutschland hat den IPwskR am 17. Dezember 1973 ratifiziert.

[26] Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (ICERD), verabschiedet am 21. Dezember 1965, G.A. Res. 2106 (XX), annex, 20 U.N. GAOR Supp. (No. 14) at 47, U.N. Doc. A/6014 (1966), 660 U.N.T.S. 195, Inkrafttreten: 4. Januar 1969. Deutschland hat die ICERD am 16. Mai 1969 ratifiziert.

[27] Internationale Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), verabschiedet am 18. Dezember 1979, G.A. res. 34/180, 34 U.N. GAOR Supp. (No. 46) at 193, U.N. Doc. A/34/46, Inkrafttreten: 3. September 1981. Deutschland hat die CEDAW am 10. Juli 1985 ratifiziert.

[28] Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 213 U.N.T.S. 222, verabschiedet am 3. September 1953, ergänzt und geändert durch die Protokolle Nr. 3, 5, 8, und 11 die – in gleicher Reihenfolge – am 21. September 1970, 20. Dezember 1971, 1. Januar 1990 und 1.  November 1998 in Kraft getreten sind.

[29] Grundgesetz, Art. 59.2.

[30] CEDAW, Art. 1.

[31] Ebd., Art. 2 (d) (f) und Art. 3.  Siehe auch Artikel 7 über das öffentliche Leben.

[32] Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, Allgemeine Bemerkung Nr. 28, über die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Artikel 3), CCPR/C/21/Rev. 1/Add. 10, ( 2000), http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/0/13b02776122d4838802568b900360e80, Abs. 2-4.

[33] Ebd., Abs. 13.

[34] Ebd., Abs. 20.

[35] EMRK, Art. 8.

[36]IPbpR, Art. 19, und EMRK, Art. 10.

[37] Grundgesetz, Art. 3(3).

[38] Neben CEDAW auch IPbpR, IPwskR, und die entsprechenden Ausschüsse; Internationale Arbeitsorganisation (ILO), Expertenausschuss und Übereinkommen Nr. 111 über Diskriminierung am Arbeitsplatz; Pekinger Erklärung und die Pekinger Aktionsplattform (BDPFA) und die daran anknüpfende 4. Weltkonferenz für Frauen und die volle Umsetzung der Pekinger Erklärung und der Pekinger Aktionsplattform; Ergebnis der 23. außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung.

[39]IPbpR, Art. 25. UN-Menschenrechtsausschuss, Allgemeine Bemerkung Nr. 28, Abs. 29.

[40] ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf , verabschiedet am 25. Juni 1958, 362 U.N.T.S. 31, Inkrafttreten: 15. Juni 1960, von Deutschland ratifiziert am 15. Juni 1961.

[41] Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations (CEACR): Individual Observation concerning Übereinkommen Nr. 111,  Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, 1958 Türkei (Ratifizierung: 1967) Veröffentlicht: 2005, ILO, Genf, http://www.ilo.org/ilolex/cgi-lex/pdconv.pl?host=status01&textbase=iloeng&document=8074&chapter=6&query=Turkey%40ref&highlight=&querytype=bool.

[42] EU-Richtlinie 2006/54/EC, Art. 33.

[43] Ebd. Die Richtlinie definiert direkte und indirekte Diskriminierung in Artikel 2. Direkte Diskriminierung  liegt vor „wenn eine Person aufgrund ihrer Religion weniger vorteilhaft behandelt wird, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation behandelt wird oder würde” und lässt sich nicht rechtfertigen. Von indirekter Diskriminierung wird gesprochen, wenn eine offenbar neutrale Maßnahme, Anforderung oder Handlungsweise für ein Geschlecht bestimmte Nachteile gegenüber dem anderen zur Folge hat. Dies trifft jedoch nicht zu, wenn sich die Maßnahme, Anforderung oder Handlungsweise objektiv durch ein legitimes Ziel rechtfertigen lässt und die Mittel zum Erreichen dieses Ziels angemessen und notwendig sind.

[44]  Grundgesetz, Art. 12.

[45] Die Formulierung findet sich – mit leichten Abweichungen in der Reihenfolge der möglichen Ausdrucksformen der Religion oder Weltanschauung – in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 18(1) des IPbpR, Artikel 9(1) der EMRK und in der Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung (Erklärung der UNO-Generalversammlung, 1981), Artikel 1(1).

[46] Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, Allgemeine Bemerkung Nr. 22, herausgegeben zur Klärung der Bedeutung von Artikel 18  (48. Sitzung, 1993), verabschiedet am 20. Juli 1993, Doc.CCPR/C/21/Rev.1/Add.4, Abs. 4.

[47] Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, Allgemeine Bemerkung Nr. 28, Abs. 21.

[48] Grundgesetz, Art. 3 und 4.

[49] Zudem verbietet das Grundgesetz in Artikel 33 ausdrücklich die Diskriminierung im öffentlichen Dienst auf der Grundlage der Religion oder Weltanschauung. Absatz (2) legt fest: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Absatz (3) bestätigt: „Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.“ Grundgesetz Art. 33(2)–(3).

[50] Siehe z.B. UDHR, Art. 29 (2); IPbpR, Art. 18 (3); und EMRK, Art. 9 (2).

[51] Siehe: Heiner Bielefeldt [Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte], „Bedrohtes Menschenrecht, Erfahrungen mit der Religionsfreiheit“, Herder Korrespondenz, 60. Jahrgang, Heft 2/2006, Februar 2006, S. 56-70.

[52] Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, Allgemeine Bemerkung Nr. 22.

[53] Ebd.

[54] Urteil im Fall Sunday Times v. United Kingdom (6538/74) vom 26. April 1979, series A no. 3, verfügbar unter  www.echr.coe.int, Abs. 49.

[55] Bericht der UN-Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit Asma Jahangir, E/CN.4/2006/5, 9. Januar 2006, UN-Menschenrechtsausschuss, 66. Sitzung, S.17, Abs. 55.

[56] Ebd., S. 16, Abs. 53.

[57] EMRK Art. 8; IPbpR Art. 17 (der IPbpR spricht von dem Recht auf „Privatleben“).

[58] Siehe z.B. UN-Menschenrechtsausschuss, Allgemeiner Bemerkung Nr. 16.

[59]UN- Erklärung über die Rechte von Angehörigen nationaler oder ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten, verabschiedet  in Resolution 47/135 der Generalversammlung, 18. Dezember 1992.

[60] Siehe Länderbericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 25 des  Rahmenübereinkommens des Europarats  zum Schutz nationaler Minderheiten, 13. April 2005.

[61] EGMR,Dahlab gegen die Schweiz, Antrag Nr. 42393/98, Urteil vom 15. Februar 2001.

[62] Ebd.

[63] EGMR, Şahin gegen die Türkei, Antrag Nr. 44774/98, Urteil der Kammer vom 29. Juni 2004, Abs. 108 und Urteil der Großen Kammer vom 10. November 2005, Abs. 115.

[64] EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 10. November 2005, abweichende Einschätzung von Richterin Tulkens, Abs. 4, 13.

[65] Urteil der Kammer im Fall Dogru gegen Frankreich, Antrag Nr. 27058/05.

[66] Urteil der Kammer im Fall Kervanci gegen Frankreich, Antrag Nr. 31645/04.

[67] „Two Chamber judgments in respect of France on wearing the headscarf in school“, Pressemitteilung des Kanzlers des EGMR, 4. Dezember 2008, http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/view.asp?action=html&documentId=843951&portal=hbkm&source=externalbydocnumber&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649 (aufgerufen am 20. Dezember 2008). Die angeblichen Verstöße in beiden Fällen geschahen vor der Verabschiedung eines neuen Gesetzes in Frankreich, das das Tragen religiöser Symbole an staatlichen Schulen verbietet.

[68] Dies geschah vor der Verabschiedung eines vollständigen Verbots an französischen Schulen.

[69] Entscheidung über die Zulassung des Falls Mann Singh gegen Frankreich(Antrag Nr. 24479/07). Siehe Pressemitteilung des EGMR, 27. November 2008, http://cmiskp.echr.coe.int/tkp197/viewhbkm.asp?sessionId=16567387&skin=hudoc-pr-en&action=html&table=F69A27FD8FB86142BF01C1166DEA398649&key=74628 (aufgerufen am 8. Januar 2009).

[70] EGMR, Dahalb gegen die Schweiz, S. 11; Şahin gegen die Türkei, Antrag Nr. 44774/98, Urteil der Kammer vom 29. Juni 2004, Abs. 71; Große Kammer Şahin v. Turkey, Abs. 78.

[71] EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 10. November 2005, abweichendes Urteil von Richterin Tulkens, Abs. 5.

[72] Siehe Analyse in „Turkey: Headscarf Ruling Denies Women Education and Career“, Pressemitteilung von Human Rights Watch, 15. November 2005, http://www.hrw.org/en/news/2005/11/15/turkey-headscarf-ruling-denies-women-education-and-career.

[73] Niraj Nathwani, „Islamic Headscarves and human rights: a critical analysis of the relevant case law of the European Court of Human Rights“, Netherlands Quarterly of Human Rights, vol. 25 no. 2, Juni 2007.

[74] „Turkey: Headscarf Ruling Denies Women Education and Career“, Pressemitteilung von Human Rights Watch.

[75] Nathwani, „Islamic Headscarves and human rights“, Netherlands Quarterly of Human Rights.

[76] Otto Preminger-Institute gegen Österreich, Urteil vom 20. September 1994, Antrag Nr. 13470/87, siehe insbesondere Abs. 48.

[77] Im Justizwesen betrifft dies nur Mitarbeiter, die ein Regierungsamt innehaben.

[78] Ausdrücklich geregelt in den Gesetzen aller Länder mit Verboten religiöser Symbole mit Ausnahme Bremens.

[79] Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, 1. April 2004, GBl. S. 178, und Gesetz zur Änderung des Kindergartengesetzes, 14. Februar 2006 , GBl S. 30.

[80] Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, 1. April 2004, GBl. S. 178, Zusatz zu Paragraph 38 des Schulgesetzes.

[81] Siehe z.B.Nicht ohne meine Kutte“, DerSpiegel (Hamburg), 12. Oktober 2004, http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,322789,00.html (aufgerufen am 25. November 2008), Bezug nehmend auf Aussagen von Annette Schavan, der damaligen Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg, die diese Absicht verdeutlichen. Schavan hatte auch  behauptet, die Ordenstracht sei eine „Berufstracht“. Siehe „Unterricht ohne Haube“, Der Spiegel, 18. Oktober 2004, http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,323678,00.html (aufgerufen am 28. Januar 2009).

[82] Human Rights Watch-Interview mit Vertretern des baden-württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, Stuttgart, 24. September 2008. Die Beamten bestätigten, dass christliche Kleidung und  Darstellungen absichtlich von dem Verbot ausgenommen wurden und Ordenstrachten von Nonnen, Kreuze und die Kippa erlaubt seien.

[83] Erstes Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. Juni 2006, GVBl. S. 270

[84] Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, 23.November 2004, GVBl. S. 443.

[85] Kommentar zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Bayrischer Landtag, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/368, 18. Februar 2004.

[86] Änderung des bayrischen Schulgesetzes, Art. 59.

[87] Ebd.

[88] Gesetz Nr. 1555 zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Saarland (Schulordnungsgesetz), 23. Juni 2004 (Amtsbl. S.1510). Es muss bemerkt werden, dass in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Regelung sich nicht allein auf das Kopftuch bezieht. Nichtsdestotrotz ist das Tragen christlicher und jüdischer Symbole weiterhin zulässig.

[89] Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität, 18. Oktober 2004 (GVBl. I S.306).

[90] Siehe Begründung der bayrischen Regierung zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen; Erste Lesung Lesung des Gesetzentwurfs im nordrhein-westfälischen Landtag, Plenarprotokoll 14/12, S. 1018, 9. November 2005; Zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes im saarländischen Landtag, Plenarprotokoll 12/69, 12. Wahlperiode, 69. Sitzung, 23. Juni 2004, S. 3684, http://www.landtag-saar.de/dms/Land069.pdf (aufgerufen am 20. Dezember 2008); und Debatten im baden-württembergischen Landtag bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes am 4. Februar 2004, Plenarprotokoll 13/62, 13. Wahlperiode, 62. Sitzung, http://www.landtag-bw.de/Wp13/Plp/13_0062_04022004.pdf (aufgerufen am 5. Januar 2009).

[91] Human Rights Watch-Interview mit einer Beamtin des  Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, München, 17. Oktober 2008.

[92] Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP: Erstes Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/569, 14. Wahlperiode, 31. Oktober 2005.

[93] Ebd. Ähnliche Argumente finden sich in: Gemeinsamer Gesetzentwurf der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion zur Änderung des Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Saarland (Schulordnungsgesetz), 12. Februar 2004, Drucksache 12/1072), 12. Wahlperiode, Landtag des Saarlands.

[94] Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP: Erstes Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/569, 14. Wahlperiode, 31. Oktober 2005.

[95] In ähnlicher Weise äußerte eine bayerischerische Beamtin in einem Gespräch mit Human Rights Watch, dass die Tracht von Ordensschwestern unpolitisch sei, während das Kopftuch auch als politisches Symbol gesehen werden könne, das der Gleichberechtigung der Frau  widerspricht. Human Rights Watch-Interview mit einer Vertreterin des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, München, 17. Oktober 2008.

[96] Siehe Aussagen der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg und anderer Abgeordneter in der Debatte im Landtag von Baden-Württemberg am 4. Februar 2004, Plenarprotokoll  13/62, 13. Wahlperiode, 62. Sitzung, http://www.landtag-bw.de/WP13/Plp/13_0062_04022004.pdf  (aufgerufen am 19. Dezember 2008).

[97] Siehe Rede von Franz Josef Jung im hessischen Landtag zum Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität, Plenarprotokoll 16/30, 16. Wahlperiode, 30. Sitzung, 18. Februar 2004, Wiesbaden, S. 1897-1898, http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//16/0/00030.pdf (aufgerufen am 19. Dezember 2008).

[98] Anhörungzum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/368)(sog. Kopftuchverbot), 15. Juni 2004, http://www.landtag.de/cps/rde/xchg/SID-0A033D45-0A0590B4/www/x/-/www/16_1321.htm, (aufgerufen am 25. November 2008).

[99] Rede von Franz Josef Jung im hessischen Landtag zum Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität, Plenarprotokoll 16/30, 16. Wahlperiode, 30. Sitzung, 18. Februar 2004, Wiesbaden, http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//16/0/00030.pdf (aufgerufen am 19. Dezember 2008). Siehe auch den zustimmenden Kommentar eines CDU-Abgeordneten in derselben Debatte, der den Zweck des Gesetzes mit den Worten „Kopftuch nein, Kreuz ja“ zusammenfasste, Plenarprotokoll 16/30, 16. Wahlperiode, 30. Sitzung, 18. Februar 2004, Wiesbaden, S. 1902, http://starweb.hessen.de/cache/PLPR//16/0/00030.pdf (19. Dezember 2008).

[100] Zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen, Drucksache 14/569, S. 3344; Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses, Drucksache 14/1927.

[101] Franz Josef Jung, Rede im hessischen Landtag zum Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität.

[102] Begründung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Bayrischer Landtag, 15. Wahlperiode, Drucksache 15/368, 18. Februar 2004. Siehe auch die Rede von Franz Josef Jung im hessischen Landtag zum Gesetz zur Sicherung der staatlichen Neutralität.

[103] Laut Angaben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport ging es in diesen Fällen um Aufkleber und T-Shirts, die eine Meinungsäußerung enthielten. Sämtliche Fälle wurden von den zuständigen Ausbildern in Gesprächen selbstständig gelöst, zum Teil nach beratender Rücksprache mit der Referats- oder Behördenleitung.

[104] Dieses Argument benutzte auch die hessische Landesregierung im Verlauf des Normenkontrollverfahrens zum Beamten- und Schulgesetz. Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 10. Dezember 2007, AZ.: P.St. 2016. Vertreter des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport in Baden-Württemberg brachten im Gespräch Human Rights Watch ein ähnliches Argument vor, Stuttgart, 24. September 2008.

[105] Human Rights Watch-Interview mit Vertretern des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport,  Wiesbaden, 10. Oktober 2008.

[106] Human Rights Watch-Interview mit einer Beamtin des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, München, 17. Oktober 2008.

[107] Human Rights Watch-Interview mit Vertretern des Baden-Württembergischen Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, Stuttgart, 24. September 2008.

[108] Ebd.

[109] Ebd.

[110] Bundesverwaltungsgericht, 24. Juni 2004, 2 C 45.03, http://www.bverwg.de/media/archive/2282.pdf (aufgerufen am 10. Dezember 2008).

[111] Die Person ist heute Richter beim Bundesverfassungsgericht.

[112] Trotz Protesten von Nonnen, die widersprachen, ihre Ordenstracht sei für sie eindeutig ein religiöses Gewand. Siehe „Nonnentracht an Schulen: Eindeutig religiös motivierte Kleidung“, Spiegel Online, 13. Oktober 2004, http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,322964,00.html (aufgerufen am 11. Dezember 2008).

[113] „Nicht ohne meine Kutte“, Der Spiegel.

[114] Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes, 1. April 2004, GBl. S. 178.

[115] Siehe auch: Ruben Seth Fogel, „Headscarves in German Public Schools: Religious Minorities are Welcome in Germany, Unless — God Forbid—they are Religious“, New York Law School Law Review, vol. 51, issue 3, 2006-2007, S. 618-653.

[116] Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, 7. Juli 2006. Siehe auch: Dietmar Hipp, „Koptfuch-Urteil: Nonnen retten den Islam”, Spiegel Online,  8. Juli 2006, http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,1518,425678,00.html (aufgerufen am 3. Februar 2009).

[117] Verwaltungsgericht Baden-Württemberg, Urteil 4 S516/07, 14. März 2008.

[118] Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 5. Juni 2007, 2 K 6225/06.

[119] Variante, das Kopftuch mit einem Knoten hinter dem Kopf zu binden anstatt es vorne mit Nadeln an der Haarlinie fest zu stecken, die der Schauspielerin und Prinzessin von Monaco Grace Kelly zugeschrieben wird.

[120] Verwaltungsgericht Aachen, Urteil der ersten Instanz, 9. November 2007, 1 K 323/07; Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil der ersten Instanz, 27. Februar 2008, 1 K 1466/07; Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil der ersten Instanz ,29. Juni 2007, 12 Ca 175/05.

[121] Arbeitsgericht Herne, Urteil der ersten Instanz, 7. März 2007, 4 Ca 3415/06. Landesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Oktober 2008, 11 Sa 280/08 und 11 Sa 572/08.

[122] Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil der ersten Instanz, 4 Ca 1077/08, 29. Juli 2008.

[123] Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 10. April 2008, Ref. 5 Sa 1836/07.

[124] Normenkontrollverfahren zum bayerischen Schulgesetz, Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15.  Januar  2007, AZ.: Vf.11-VII-05.

[125] Normenkontrollverfahren zum hessischen Beamten- und Schulgesetz, Urteil des Staatsgerichtshofs des Landes Hessen vom 10. Dezember 2007, AZ.: P.St. 2016.

[126]  Human Rights Watch-Interview mit Beamten des Hessischen Kultusministeriums, Wiesbaden, 9. Oktober 2008.

[127] Gesetz zur Änderung des Bremischen Schulgesetzes und des Bremischen Schulverwaltungsgesetzes, 26. Juni 2005, Brem. GBl. S. 245.

[128] Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes und des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes, 29. April 2004, Nds. GVBl. S. 140-142.

[129] Siehe Debatte im niedersächsischen Landtag zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes, Plenarprotokoll der 23. Sitzung, 21. Januar, 2004, Hannover, S. 2424-2426, http://www.landtag-niedersachsen.de/infothek/dokumente/dokumente_index.htm (aufgerufen am 20. Dezember 2008). Siehe auch Plenarprotokoll der Bremischen Bürgerschaft, 16. Wahlperiode, 43. Sitzung, 23. Juni 2005, http://www.bremische-buergerschaft.de/volltext.php?look_for=1&buergerschaftart=1&dn=P16L0043.DAT&lp=16&format=pdf&ppnr=16/43 (aufgerufen am 3. Februar 2009).

[130] Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes und des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes vom 13 Januar 2004 (Gemeinsamer Entwurf der Fraktionen CDU und FDP), Drucksache 15/720.

[131] Gesetz zur Schaffung eines Gesetzes zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin und zur Änderung des Kindertagesbetreuungsgesetzes, 27.  Januar 2005, GVBl. S. 92.

[132] Bei den Justizbehörden betrifft dies nur Beamte, die ein Regierungsamt innehaben.

[133] In Niedersachsen hatte es vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits einen relevanten Fall gegeben. Die Klägerin, eine Lehrerin und Konvertitin zum Islam, gewann 2001 in erster Instanz, das Urteil wurde jedoch 2002  vom Oberverwaltungsgericht Bremen aufgehoben. Die Klägerin zog ihre Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zurück.

[134]  Der Justizsenator entschied im Januar 2008, dass die Beschwerden zweier Rechtsanwälte über eine Kopftuch tragende Protokollführerin in Charlottenburg nicht in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen, da die Frau nicht „hoheitlich“ tätig sei. Siehe: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2008/0116/berlin/0086/index.html (aufgerufen am 5. Januar 2009).

[135] Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen am 19. Mai 2005, 6 V 760705 (erste Instanz); Urteil des  Oberverwaltungsgerichts Bremen am 26. August 2005; siehe auch die Urteile des Verwaltungsgerichts Bremen vom 20. Juni 2006, 6 K 2036/05 und des Oberverwaltungsgerichts Bremen vom 21. Februar 2007.

[136] In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen können die Ausnahmen für Referendare nur gewährt werden, „soweit nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.“

[137] Verwaltungsgericht Bremen, 19. Mai 2005.

[138] Oberverwaltungsgericht Bremen, Urteil vom 21. Februar 2007.

[139] Bundesverwaltungsgericht, 26. Juni 2008, AZ.: BVerwG 2 C 22.07.

[140] Am 2. März 2005 lehnten die Abgeordneten der CDU, SPD und PDS im brandenburgischen Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf der DVU-Fraktion in erster Lesung ab. Sie sahen keinen Bedarf für derartige Regelungen. In Rheinland-Pfalz wurde im November 2005 der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion von der Regierungskoalition aus SPD und FDP als unnötig abgewiesen.

[141] Human Rights Watch-Interview mit Özlem Nas, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Muslimischen Frauengemeinschaft in  Norddeutschland, Hamburg, 16. September 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit der Referendarin Aida (Name geändert), Hamburg, 27. Oktober 2008. Human Rights Watch-Interview mit Enif Medeni, einer Lehrerin, die ihr Referendariat in Hamburg absolvierte und die jetzt an einer privaten muslimischen Grundschule in Berlin unterrichtet, Berlin, 22. September 2008. Human Rights Watch-Interview mit Farida (Name geändert), eine in Deutschland geborene und aufgewachsene Lehrerin; sie verließ Baden-Württemberg, weil dort nach Ende ihres Studiums ein „Kopftuchverbot“ verhängt wurde, und unterrichtet nun in Rheinland-Pfalz, Karlsruhe, 14. September 2008.

[142] Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

[143] Siehe auch: Berghahn and Rostock „Cross national comparison Germany“.

[144] Zu den Erwägungen führte u.a. der Fall einer muslimischen Referendarin, die während ihres Vorbereitungsdiensts, den sie im Februar 2006 antrat, ein Kopftuch trug.

[145] Human Rights Watch-Telefoninterview mit einem Referenten der CDU-Fraktion im Landtags Schleswig-Holsteins, 30. Oktober 2008. Zu den Experten, die konsultiert wurden, gehörten  Marieluise Beck und Dr. Silke Ruth Laskowski. Von Seiten der Kirchen äußerten sich der Nordelbische Bischof Hans Christian Knuth und der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke zu dem Thema.

[146] Ebd.

[147] Die Lehrerin war zuvor zum Islam konvertiert.

[148] Human Rights Watch-Telefoninterview mit Norbert Rosenboom, Amtsleiter des Amtes für Bildung in der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg, 10. Oktober 2008.

[149] Ebd.

[150] Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Fällen einvernehmlich gelöst wurden und deshalb nicht bekannt wurden.

[151] Human Rights Watch-Interview mit „Maryam“, einer zum Islam konvertierten Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, 13.Juni 2008.

[152] Human Rights Watch-Interview mit „Elma“, Hauptschullehrerin in Rheinland-Pfalz, Karlsruhe, 14. September 2008.

[153] Human Rights Watch Gruppeninterview mit vier Frauen, die ein Kopftuch tragen und in verschiedenen Berufen arbeiten, im Fortbildungs- und Begegnungszentrum muslimischer Frauen e.V., BFmF in Köln, 11. April 2008.

[154] Human Rights Watch-Interview mit Fahimah Ulfat-Arjumand, einer 33-jährigen Grundschullehrerin („Beamtin auf Probe“) afghanischer Abstammung; sie unterrichtete Mathematik, Deutsch, Kunst und Sport und war zum Zeitpunkt des Gesprächs in der Elternzeit, Essen, 12. Juni 2008. 

[155] Human Rights Watch-Interview mit der Gymnasiallehrerin „Sara“, zum Zeitpunkt des Gesprächs in Elternzeit, 12. Juni 2008. Auf die paradoxe zeitgleiche Nachfrage nach mehr Lehrern mit Migrationshintergrund, wurde auch hingewiesen im Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, einer Sonderschullehrerin mit Beamtenstatus, Dortmund, 28. Juli 2008.

[156] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008.

[157] Human Rights Watch-Interview mit „Emilie“, einer zum Islam konvertierten Grundschullehrerin mit Beamtenstatus in Nordrhein-Westfalen, zum Zeitpunkt des Gesprächs in Elternzeit, Aachen,13. Juni 2008. Sie hat Deutsch, Mathematik und Kunst studiert, unterrichtete bei Bedarf aber auch andere Fächer wie Sport.

[158] Human Rights Watch-Interview mit Martina (Mamak) Makowski-Johari, 30. Juli 2008, Frankfurt, Grundschullehrerin die zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht arbeitete, da sie ein Kind bekommen hatte.

[159] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008. Human Rights Watch-Interview mit Rania (Name geändert), Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, die sich zur Zeit ihrer Befragung wegen des „Kopftuchverbots“ in  verlängertem Erziehungsurlaub befand, Köln, 29. Juli 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit der Referendarin „Aida“, Hamburg, 27. Oktober 2008.

[160] Human Rights Watch-Interview mit einer Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, Juni 2008.

[161] Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, Dortmund, 28. Juli 2008.

[162] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008.

[163] Human Rights Watch-Interview mit der Gymnasiallehrerin „Sara“, 12. Juni 2008.

[164] Human Rights Watch-Interview mit „Rania“, einer Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, Köln, 29. Juli 2008.

[165] Human Rights Watch-Interview mit der Gymnasiallehrerin „Sara“, 12. Juni 2008.

[166] Human Rights Watch-Interview mit einer Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen im Juni 2008.

[167] Ebd.

[168] Human Rights Watch-Emailkorrespondenz mit „Emilie“, einer zum Islam konvertierten Grundschullehrerin mit Beamtenstatus in Nordrhein-Westfalen, in Elternzeit (nimmt danach Familienzeit in Anspruch), 26. Mai 2008. Sie hat Deutsch, Mathematik und Kunst studiert, unterrichtete bei Bedarf aber auch andere Fächer wie Sport.

[169] Human Rights Watch-Interview mit Elisabeth (Name geändert), die eine dreijährige Ausbildung zur Förderlehrerin absolviert hat, 4. Juni 2008 in Bayern.

[170] Human Rights Watch-Interview mit einer Lehrerin in Süddeutschland.

[171] Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, einer Sonderschullehrerin mit Beamtenstatus, Dortmund, 28. Juli 2008.

[172] Ebd.

[173] Human Rights Watch-Interview mit der Referendarin Nuray (Name geändert), Berlin, 12. September 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit der Referendarin „Aida“, Hamburg, 27. Oktober 2008.

[174] Human Rights Watch-Telefoninterview mit Menekse Citak, einer Rechtsreferendarin am Landgericht  Bielefeld, 26. Oktober 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit einer Rechtsreferendarin in Berlin, 28. Oktober 2008.  Human Rights Watch-Telefoninterview mit der Rechtsreferendarin Zahra Oubensalh in Hannover, 1. November 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit Shahla (Name geändert), Rechtsreferendarin in Bielefeld, 3. November 2008.

[175] Human Rights Watch-Interview mit Maryam Brigitte Weiss, Sprecherin der Interessengemeinschaft ISGG (Initiative für Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft), Frauenbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Köln, 12. April 2008.

[176] Human Rights Watch-Interview einer Grundschullehrerin in Nordrhein-Westfalen, Juni 2008. Ähnliche Gründe nannte Rabia (Renate) Karaoglan im Gespräch mit Human Rights Watch in Dortmund am 28. Juli 2008. Sie erzählte, das große öffentliche Interesse an ihr und anderen Betroffenen sei erst nach dem Ludin-Urteil aufgekommen. Vorher seien sie “im System gewesen”.

[177] Human Rights Watch-Interview mit der Gymnasiallehrerin „Sara“, zum Zeitpunkt des Gesprächs in Elternzeit, 12. Juni 2008.

[178] Human Rights Watch-Interview mit der Grundschullehrerin „Emilie“, Aachen, 13. Juni 2008.

[179] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008.  Human Rights Watch-Interview mit Maryam Brigitte Weiss, einer Kopftuch tragenden Hauptschullehrerin aus Nordrhein-Westfalen, bekannt durch das Urteil zur „Grace Kelly-Variante“. Sie engagiert sich als Sprecherin der Interessengemeinschaft ISGG (Initiative für Selbstbestimmung in Glaube und Gesellschaft) und als Frauenbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Köln, 12. April 2008.

[180] Schöffen sind juristische Laien, die als ehrenamtliche Richter berufen werden. Sie sind zur Neutralität und Unparteilichkeit verpflichtet und genießen die gleiche Unabhängigkeit wie Berufsrichter.

[181] Im Januar 2006 hatte das Amtsgericht Bielefeld eine Schöffin wegen ihres Kopftuchs von der Verhandlung ausgeschlossen. Da die Schöffin in der Folge des Saal verließ, es kam zu keiner formellen Gerichtsentscheidung. Die Laienrichterin sollte von der Schöffenliste gestrichen werden, was das Landgericht Bielefeld jedoch ablehnte. In Dortmund schloss der vorsitzende Richter des dortigen Landgerichts im November 2006 eine Schöffin von der Verhandlung aus, weil sie sich weigerte, während der Anhörung ihr Kopftuch abzunehmen. Der Richter ließ sie durch eine Ersatz-Schöffin vertreten.

[182] In dem Fall in Berlin Anfang 2004 beantragte die Verteidigung den Ausschluss der Schöffin, was das Gericht jedoch ablehnte, http://www.welt.de/print-welt/article295150/Erstmals_Schoeffin_mit_Kopftuch_in_einem_Berliner_Gericht.html (aufgerufen am 2. Januar 2008).

[183]  Landgericht Bielefeld, Urteil vom 16. März 2006, Az. 3221 b EH 68, Neue Juristische Wochenschrift (NJW)  2007, 3014; Landgericht Dortmund, Urteil vom 7. November 2006, Az. 14 (III) Gen Str. K, 14 (VIII) Gen.Str.K., Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2007, 3013; Landgericht Dortmund, Urteil vom 12. Februar 2007, Az. 14 Gen Str K 12/06.

[184] Siehe: Sigrid Kneist, „Religionsstreit: Muslimische Referendarin darf nicht mit Kopftuch in den Gerichtssaal“, Der Tagesspiegel, 7. Oktober 2001, http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,1972352 (aufgerufen am 2. Januar 2008).

[185] Der hessische Justizminister entschied im Juli 2007 nach Beschwerden von Anwaltsvereinen, dass eine Rechtsreferendarin am Amtsgericht Offenbach wegen ihres Kopftuchs nicht auf der Richterbank, sondern lediglich im Zuschauerraum an Verhandlungen teilnehmen dürfe. Außerdem dürfe sie weder Beweisaufnahmen durchführen, noch Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft wahrnehmen - beides ist Teil ihrer Ausbildung. Siehe: „Ungenügend wegen Kopftuch“, Der Spiegel 27/2007, 2. Juli 2007, S. 18, http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=52109088&aref=image036/2007/06/30/ROSP200702700180018.PDF&thumb=false (aufgerufen am 2. Januar 2008).

[186] In Jahr 2003 hatte eine Rechtsreferendarin bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg eine schriftliche Erklärung abgegeben, in der sie ihren Verzicht auf das Kopftuch während des Dienstes erklärt. Siehe: „Kopftuch ist in Niedersachsens Justiz tabu“, Welt Online, 14. November 2003, http://www.welt.de/print-welt/article273006/Kopftuch_ist_in_Niedersachsens_Justiz_tabu.html (aufgerufen am 2. Januar 2008).

[187] Laut einer nicht-bindenden Empfehlung des Kölner Richterrates (Interessenvertretung der Kölner Amtsrichter) sollten Rechtsreferendarinnen mit muslimischem Kopftuch getrennt von den Richtern bei den Zeugen und Zuschauern sitzen, um zu vermeiden, dass sie „mit dem Gericht identifiziert“ würden. Die Empfehlung enthält die ausdrückliche Anweisung, dass jeder Richter selbst dafür verantwortlich ist, im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Referendarin während der Verhandlungen ein Kopftuch tragen darf. Siehe: European Forum for Migration Studies (EFMS) Migration Report, Mai 2004, http://www.efms.uni-bamberg.de/dmai04_e.htm (aufgerufen am 2. Januar 2008). 1998 scheiterte eine Rechtsreferendarin in Köln mit ihrer Klage beim Verwaltungsgericht Köln gegen die Entbindung von Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft. In einem anderen Fall aus dem Jahr 2000 ging es um eine Protokollführerin in der Ausbildung am Amtsgericht Düsseldorf. Ihr wurde es untersagt, bei der Protokollführung neben dem Richtertisch tätig zu werden. Man einigte sich auf den Kompromiss, dass sie den Gerichtsverhandlungen nur im Zuschauerraum beiwohnen durfte. Siehe: Sigrid Kneist, „Religionsstreit: Muslimische Referendarin darf nicht mit Kopftuch in den Gerichtssaal“, Der Tagesspiegel, 7. Oktober 2001, http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,1972352 (aufgerufen am 2. Januar 2008).

[188] „Mit Kopftuch außen vor?“, Broschüre der Landesstelle für Gleichbehandlung in Berlin über die Diskriminierung von Frauen mit Kopftuch – auch außerhalb des öffentlichen Diensts, 2008. 

[189]  Dr. Fritz Felgentreu, Berliner Senatsabgeordneter, auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz „Integration zwischen 'Leitkultur' und 'Laizität' – fünf Jahre nach dem 'Kopftuchurteil' des Bundesverfassungsgerichts”, organisiert durch das VEIL-Projekt in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, 5.-6. Juni 2008, http://131.130.1.78/veil/Home3/download.php?4882fd80acb79db3d38c9378a646bbb9 (aufgerufen am 30. Dezember 2008).

[190] Human Rights Watch-Interview mit Maryam Brigitte Weiss, Köln, 12. April 2008. Human Rights Watch-Interview mit „Rania“, Köln, 29. Juli 2008. Human Rights Watch-Telefoninterview mit der Referendarin „Aida”, Hamburg, 27. Oktober 2008. Human Rights Watch-Interview mit Özlem Nas, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der Muslimischen Frauengemeinschaft in Norddeutschland, Hamburg, 16. September 2008.

[191] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008. Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, Dortmund, 28. Juli 2008.

[192] Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, Dortmund, 28. Juli 2008.

[193] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008. Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, Dortmund, 28. Juli 2008.

[194] Human Rights Watch-Gruppeninterview mit vier Frauen im BFmF in Köln, 11. April 2008. Human Rights Watch-Interview mit Rabia (Renate) Karaoglan, Dortmund, 28. Juli 2008. Eine der Frauen fügte hinzu: „In den Schulen tragen die meisten Putzfrauen Kopftuch und dann zeigt man den Mädchen, dass  sie dich mit Kopftuch nur Reiningsjobs machen lassen.“

[195] Human Rights Watch, Perpetual Minors: Human Rights Abuses Stemming from male Guardianship and Sex Segregation in Saudi Arabia, April 2008, http://www.hrw.org/sites/default/files/reports/saudiarabia0408_1.pdf, S.26; Human Rights Watch, Weltbericht (New York: Human Rights Watch) 2002, 2003, 2005, 2007, 2008, 2009 Ausgaben, Afghanistan Kapitel, http://www.hrw.org/legacy/wr2k2/asia1.html; http://www.hrw.org/legacy/wr2k3/asia1.html; http://www.hrw.org/legacy/english/docs/2005/01/13/afghan9827.htm; http://www.hrw.org/legacy/englishwr2k7/docs/2007/01/11/afghan14863.htm; http://www.hrw.org/legacy/englishwr2k8/docs/2008/01/31/afghan17600.htm; http://www.hrw.org/en/node/79295; Human Rights Watch, Weltbericht (New York: Human Rights Watch) 2003, 2005, 2006 , 2007 Ausgaben, Saudi-Arabien Kapitel, http://www.hrw.org/legacy/wr2k3/mideast6.html; http://www.hrw.org/legacy/english/docs/2005/01/13/saudia9810.htm; http://www.hrw.org/legacy/english/docs/2006/01/18/saudia12230.htm; http://www.hrw.org/legacy/englishwr2k7/docs/2007/01/11/saudia14717.htm; Human Rights Watch, Killing You is a Very Easy Thing for Us: Human Rights Abuses in Southeast Afghanistan, vol. 15, no. 05(C), Juli 2003, http://www.hrw.org/en/reports/2003/07/28/killing-you-very-easy-thing-us-0, S. 84-87; Human Rights Watch, Weltbericht 2002 (New York: Human Rights Watch, 2002) Iran Kapitel, http://www.hrw.org/legacy/wr2k2/mena3.html; Human Rights Watch, Weltbericht 2002 (New York: Human Rights Watch, 2002) Women’s Human Rights chapter, http://www.hrw.org/legacy/wr2k2/women.html; Human Rights Watch, We Want to Live as Humans: Repression of Women and Girls in Western Afghanistan, vol. 14, no. 11(C), Dezember 2002, http://www.hrw.org/legacy/reports/2002/afghnwmn1202/,S. 33-39; “Afghanistan's Women Still Need Our Help,” Human Rights Watch-Pressemitteilung, 12. Dezember, 2002, http://www.hrw.org/en/news/2002/12/12/afghanistans-women-still-need-our-help; Human Rights Watch, Taking Cover: Women in Post-Taliban Afghanistan, Mai 2002, http://www.hrw.org/legacy/backgrounder/wrd/afghan-women-2k2.pdf, S.2; "Saudi Arabia: Religious Police Role in School Fire Criticized," Human Rights Watch-Pressemitteilung, 14. März, 2002, http://www.hrw.org/en/news/2002/03/14/saudi-arabia-religious-police-role-school-fire-criticized; Human Rights Watch, Human Rights in Saudi Arabia: A Deafening Silence, Dezember 2001, http://www.hrw.org/legacy/backgrounder/mena/saudi/saudi.pdf, S.4; Human Rights Watch, Humanity Denied: Systematic Violations of Women'sRights in Afghanistan, vol. 13, no. 5(C), Oktober 2001, http://www.hrw.org/legacy/reports/2001/afghan3/, S. 7-8, 13-14; Human Rights Watch, Stifling Dissent: The Human Rights Consequences of Inter-Factional Struggle in Iran, vol. 13, no 4(E), Mai 2001, http://www.hrw.org/legacy/reports/2001/iran/Iran0501.pdf, S.3.

[196] Siehe auch: Memorandum an die türkische Regierung über die Bedenken von Human Rights Watch im Hinblick auf die Freiheit der Bildung und den Universitätszugang für Kopftuch tragende Frauen, Human Rights Watch Briefing Paper, 29. Juni 2004.

[197] Dr. Fritz Felgentreu, Berliner Senatsabgeordneter, auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz „Integration zwischen 'Leitkultur' und 'Laizität' – fünf Jahre nach dem 'Kopftuchurteil' des Bundesverfassungsgerichts”, organisiert durch das VEIL-Projekt in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, 5.-6. Juni 2008, http://131.130.1.78/veil/Home3/download.php?4882fd80acb79db3d38c9378a646bbb9 (aufgerufen am 30. Dezember 2008).

[198] Fälle von Lehrern an staatlichen Schulen in Deutschland, die auffällige rote oder rötliche Kleidung der  Bhagwan-Bewegung (auch Osho-Bewegung) trugen sowie die Mala, ein Medaillon mit einer Darstellung Bhagwans, trugen. Die Bewegung fand in den 1980er Jahren vermehrt Anhänger und galt als Sekte. In zwei Fällen untersagten Gerichte das Tragen der religiösen Symbole. Siehe: Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 26. November 1984, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVWZ 1986, 406; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 9. September 1985, NVwZ 1986, 405, Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8. März 1988, NVwZ 1988, 937. Die Bhagwan-Bewegung hat heute nur noch wenige Anhänger und ihr Führer Rajnesh schaffte die Praxis des Tragens roter Kleidung 1985 und der Mala 1987 ab.

[199] Siehe z.B. Debatte zur ersten Lesung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Schulgesetzes im Landtag von Baden-Württemberg, 4. Februar 2004, Plenarprotokoll 13/62, 13. Wahlperiode, 62. Sitzung, http://www.landtag-bw.de/Wp13/Plp/13_0062_04022004.pdf (aufgerufen am 5. Januar 2009). Im Rahmen des Interviews mit dem hessischen Kultusministerium am 9. Oktober 2008 in Wiesbaden, nannten Beamte  auch die „Bhagwan-Fälle“ als Teil der Vorgeschichte des Gesetzes.

[200] Siehe auch Human Rights Watch-Pressemitteilung: „France: Headscarf Ban Violates Religious Freedom“, 26. Februar 2004, http://www.hrw.org/en/news/2004/02/26/france-headscarf-ban-violates-religious-freedom (aufgerufen am 11. Februar 2009).

[201] In seinem Urteil im Fall Ludin weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass das von Musliminnen getragene Kopftuch als Symbol für höchst unterschiedliche Aussagen und Wertvorstellungen wahrgenommen werden kann und aus verschiedensten Gründen getragen werde. Folglich könne - angesichts der Vielfalt der Motive - die Deutung des Kopftuchs nicht auf ein Zeichen gesellschaftlicher Unterdrückung der Frau verkürzt werden. Vielmehr betonte das Gericht, könne das Kopftuch für junge muslimische Frauen auch ein frei gewähltes Mittel sein, um ohne Bruch mit der Herkunftskultur ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

[202] Siehe auch: Sabine Berghahn und Petra Rostock, „Cultural Diversity, Gender Equality – The German case“, Artikel für die Konferenz „Gender Equality, Cultural Diversity: European Comparisons and Lessons“ in Amsterdam, 8.-9.Juni 2006, http://www.fsw.vu.nl/en/research/research-programmes/sociology/social-change-and-conflict/conference-gender-equality.asp (aufgerufen am 30. Dezember 2008).

[203] Heiner Bielefeldt, „Das Minarett in Duisburg-Marxloh“, die tagesezeitung, 8. April 2006, http://www.taz.de/nc/1/archiv/archiv-start/?dig=2006%2F04%2F08%2Fa0194 (aufgerufen am 30. Dezember 2008). Siehe auch: Sabine Berghahn und Petra Rostock, „Cultural Diversity, Gender Equality – The German case“, Artikel für die Konferenz „Gender Equality, Cultural Diversity: European Comparisons and Lessons“ in Amsterdam, 8.-9.Juni 2006, http://www.fsw.vu.nl/en/research/research-programmes/sociology/social-change-and-conflict/conference-gender-equality.asp (aufgerufen am 30. Dezember 2008).

[204] Siehe auch: Memorandum an die türkische Regierung über die Bedenken von Human Rights Watch im Hinblick auf die Freiheit der Bildung und den Universitätszugang für Kopftuch tragende Frauen, Human Rights Watch Briefing Paper, 29. Juni 2004.

[205] Diese Ansicht wurde von allen befragten Frauen geteilt.

[206] Artikel 2(1) und 26, IPbpR und Artikel 9, EMRK.

[207] Siehe auch: Siehe auch: Ruben Seth Fogel, „Headscarves in German Public Schools: Religious Minorities are Welcome in Germany, Unless — God Forbid—they are Religious“, New York Law School Law Review, vol. 51, issue 3, 2006-2007, S. 618-653.

[208] Bestätigt durch eine Aussage des baden-württembergischen Ministers für Bildung, Jugend und Sport im Gespräch mit Human Rights Watch, Stuttgart, 24. September 2008.

[209]„Unterricht ohne Haube“, Spiegel Online, 18. Oktober 2004, http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,323678,00.html (aufgerufen am 28. Januar 2009).

[210] Siehe: Berghahn und Rostock, „Cross national comparison Germany“; und Ernst-Wolfgang Böckenförde, „Bekenntnisfreiheit als Menschenrecht. Bemerkungen zum Kopftuchstreit in Deutschland.“, Jahrbuch Menschenrechte 2005 – Schwerpunkt: Frauenrechte durchsetzen!, Deutsches Institut für Menschenrechte, Frankfurt/Main, Suhrkamp, S. 314-317, http://www.jahrbuch-menschenrechte.de/ .

[211] Siehe z.B. Aussagen: der Kirchenleitung und des Frauenwerksder Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Kiel im Jahr 2006; von Bischof Hans Christian Knuth, dem Vorsitzenden der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, im August 2006, http://www.bischoefin-hamburg.de/; des Landesbischofs der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe Jürgen Johannesdotter, des Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Nikolaus Schneider und des Landesbischofs von Thüringen Christoph Kähler im Jahr 2004. Siehe auch: http://www.katholisch.de/10595.html, http://www.katholisch.de/9918.html und http://www.katholisch.de/10235.html (aufgerufen am 30. Dezember  2008).

[212] Berghahn and Rostock, „Cross-national comparison Germany“.

[213] Siehe auch: Sabine Berghahn/ Petra Rostock: „Cultural Diversity, Gender Equality – The German Case“, VEIL-Projekt.

[214] Siehe auch: Human Rights Watch-Pressemitteilung „France: Headscarf Ban Violates Religious Freedom“, 27. Februar 2004.

[215]Memorandum an die türkische Regierung über die Bedenken von Human Rights Watch im Hinblick auf die Freiheit der Bildung und den Universitätszugang für Kopftuch tragende Frauen, Human Rights Watch Briefing Paper, 29. Juni 2004.

[216] Siehe Artikel 5 (1) der Erklärung über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Überzeugung der UNO-Generalversammlung, Resolution 36/55 vom 25. November 1981.

[217] Board of Experts of the International Religious Liberty Association (Expertengremium der Internationalen Vereinigung für Religionsfreiheit), „Guiding Principles Regarding Student Rights to Wear or Display Religious Symbols“ („Leitlinien zum Recht der Schüler zum Tragen und zur Darstellung religiöser Symbole“), 15. November 2005, Principles Nos. 6 and 7,  www.irla.org/documents/reports/symbols.html.

[218] Interkultureller Rat, „Argumente zum Kopftuch“, Darmstadt, Januar 2004,http://www.interkultureller-rat.de/argumente_1.pdf (aufgerufen am 22. Dezember 2008).