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Deutschland: Dem usbekischen Staatssicherheitschef werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen

Innenminister Sakir Almatow wurde in Deutschland angezeigt

Überlebende des Massakers vom 13. Mai in Andischan fordern die Strafverfolgung des usbekischen Innenministers Sakir Almatow wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Almatow hält sich gegenwärtig zur medizinischen Behandlung in Deutschland auf.

"Hier bietet sich die vielleicht einzige Gelegenheit, Almatow für zumindest einige der Gräueltaten, die auf seinen Befehl hin begangen wurden, vor Gericht zu bringen", betonte Holly Cartner, Leiterin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Right Watch. "Es ist für die Opfer zu gefährlich, in Usbekistan auf ihr Recht zu bestehen, aber sie können sich nach deutschem Recht an ein deutsches Gericht wenden."

Nach deutschem Recht gilt bei Fällen von Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit das "Weltrechtsprinzip". Dies bedeutet, dass die Verantwortlichen in Deutschland vor Gericht gestellt und bestraft werden können, unabhängig vom Tatort oder der Staatsangehörigkeit der Täter und der Opfer.

Die Opfer von Übergriffen in Usbekistan haben die Bundesanwaltschaft aufgefordert, ein Ermittlungsverfahren gegen Almatow einzuleiten und in drei Punkten Anklage zu erheben: Einerseits wegen einzelner Fälle von Folter. Zweitens wegen Folter als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und zuletzt wegen dem Andischan-Massaker, das ebenfalls ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt. Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten unter anderem systematisch an Zivilisten verübte Straftaten wie Mord und Folter.

Human Rights Watch übermittelte Beweismaterial an Generalbundesanwalt Kay Nehm, das die Vorwürfe der Opfer gegen Almatow untermauert. Human Rights Watch dokumentiert seit Mitte der 90er Jahre, wie die Polizei unter Almatows Befehlsgewalt foltert. Human Rights Watch lieferte auch Beweise zur Rolle der Polizei während des Massakers an Hunderten von Zivilisten in der usbekischen Stadt Andischan im Mai 2005.

Almatow wird vorgeworfen, für die polizeiliche Anwendung von Folter in Untersuchungshaftanstalten und Gefängnissen verantwortlich zu sein. Laut Human Rights Watch liegt es nun am Generalbundesanwalt, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Almatow wegen diesen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird.

"Der Sachverhalt ist klar", meinte Cartner. "Wenn der Generalbundesanwalt das Gesetz auf den Sachverhalt anwendet, muss Almatow in Deutschland verhaftet und vor Gericht gestellt werden."

Deutschland nimmt eine führende Rolle ein, wenn es darum geht, Mechanismen einzurichten, durch die Völkerrechtsverbrechen zur Anklage gebracht werden. Die deutsche Regierung hat die Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs stark unterstützt. Das Statut des Gerichtshofs, in dem völkerrechtliche Verbrechen aufgelistet sind, wurde in nationales Recht aufgenommen. In diesem Bekenntnis zu einer internationalen Justiz spiegelt sich Deutschlands Bemühen wider, seine eigene Vergangenheit zu bewältigen. Dies zeigt aber auch, wie wichtig es für Berlin ist, dass diejenigen, die für Massentötungen, Zwangsumsiedlungen und für den Einsatz von Vergewaltigungen als Kriegswaffe verantwortlich sind, vor Gericht gestellt werden.

"Deutschland hat den Internationalen Strafgerichtshof und dessen Ermittlungen in Afrika stark unterstützt", fügte Cartner hinzu. "Auch im Fall Almatow hat Deutschland die Möglichkeit, sein Engagement zu zeigen, indem es seine eigenen Gerichte einsetzt."

Der UN-Sonderberichterstatter für Folter stellte 2002 fest, dass in Usbekistan "systematisch" gefoltert wird. Die Polizei misshandelt Gefangene auf vielfache Weise. Sie werden mit Schlagstöcken verprügelt, bekommen Elektroschocks und werden an den Hand- oder Fußgelenken aufgehängt. Außerdem kommt es zu Vergewaltigungen und sexuellen Erniedrigungen. Gefangenen werden Plastiktüten und Gasmasken über den Kopf gestülpt, so dass sie meinen zu ersticken, und ihren Verwandten wird körperliche Gewalt angedroht.

Human Rights Watch machte die Bundesanwaltschaft unter anderem auf den Fall von Musafar Avazow aufmerksam. Avazow starb im August 2002, nachdem er im Gefängnis in Jaslyk, dass vom usbekischen Innenministerium betrieben wird, in kochendes Wasser getaucht worden war. Er war unter dem Vorwurf des religiösen Extremismus festgenommen worden.

Almatow kommandierte auch die Truppen, die für die Massentötungen maßgeblich verantwortlich waren, die den blutigsten Tags in der jüngsten Geschichte Usbekistans kennzeichnen. Am 13. Mai 2005 wurden in Andischan Tausende, fast ausschließlich unbewaffnete, Demonstranten von Truppen des Innenministeriums und anderen Sicherheitskräften umringt. Die Kräfte eröffneten ohne vorherige Warnung das Feuer auf die Menge. Hunderte wurden getötet und verletzt. Diejenigen, die versuchten zu entkommen, wurden von bereits wartenden Regierungstruppen niedergemäht oder von auf den umgebenden Gebäuden positionierten Scharfschützen abgeknallt. Zeugen sagten, dass flüchtende Zivilisten keine Chance gegen die Schussgewalt der Regierung hatten.

Ein Augenzeuge des Blutbads, der sah, wie Menschen überall um ihn herum erschossen und getötet wurden, erzählte Human Rights Watch: "Es war fast unmöglich, zu entkommen." Einen Tag nach dem Gemetzel sei die Polizei um die noch am Boden liegenden Menschen herumgegangen und habe gefragt, "Wer ist verletzt?". Als diejenigen, die noch am Leben waren, antworteten, gaben die Beamten einzelne Schüsse mit schallgeschützten Schusswaffen auf sie ab und töteten sie. Wer davonkam, flüchtete über die Grenze nach Kirgisien und schließlich in Sicherheit.

"Überlebende des Massakers in Andischan sind mutig genug, mit ihren Erinnerungen an diesen schrecklichen Tag hervorzutreten", sagte Cartner. "Sie verlangen Gerechtigkeit und nichts Geringeres verdienen sie."

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