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Großbritannien

Ereignisse in 2008

Internationale Menschenrechtsorgane wie der UN-Menschenrechtsausschuss, der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des UPR-Verfahrens und der Europarat äußerten im vergangenen Jahr große Besorgnis über Großbritanniens Anti-Terror-Gesetzgebung und deren Umsetzung.

Nach einer haushohen Niederlage im Oberhaus zog die Regierung den Entwurf eines Anti-Terror-Gesetzes zurück, der die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Terrorverdächtige von 28 auf 42 Tage verlängert hätte. Auch der Gesetzesantrag über den Einsatz geheimer Ermittlungen, wenn eine Bedrohung der nationalen Sicherheit besteht, wurde zurückgewiesen. Die Regierung erklärte, sie wolle beide Vorhaben, die von verschiedenster Seite als unvereinbar mit den Menschenrechten kritisiert wurden, erneut zur Abstimmung stellen. Derzeit sieht der Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, gegen Personen, die für terroristische Handlungen verurteilt worden sind, eine pauschale, lebenslange Meldepflicht im In- und Ausland zu verhängen. Verstöße gegen diese Auflage können als Straftat geahndet werden.

Das oberste Berufungsgericht hob eine Reihe von Verurteilungen wegen terroristischer Straftaten auf. Im Februar verwarf es einen Schuldspruch aus dem Jahr 2007 gegen fünf Studenten nach Absatz 57 des „Terrorism Act 2000". Die Männer hatten im Internet Material heruntergeladen und ausgetauscht, das als terroristisch eingestuft worden war. Die Berufungsrichter erklärten, für eine Verurteilung müsse die Anklage den Beweis erbringen, dass das die Beschuldigten das Material zu terroristischen Zwecken verwenden wollten. Im Juli revidierte dasselbe Gericht die Verurteilung von Samina Malik wegen „Besitzes für Terroristen nützlicher Informationen" nach Absatz 58 des „Terrorism Act 2000". In einem unabhängigen Urteil im Februar hatten die Richter bereits entschieden, dass Absatz 58 nicht auf den Vorwurf reiner Propaganda anwendbar sei.

Im Mai wurden ein Angestellter und ein Student der Universität Nottingham, Hicham Yezza und Rizwaan Sabir, für den Besitz eines im Internet frei verfügbaren Dokuments („Das Al-Qaida-Handbuch") verhaftet. Nach sechs Tagen Haft wurden sie ohne Anklage freigelassen. Ihr Fall macht deutlich, wie Anti-Terror-Gesetze die Freiheit der Wissenschaft gefährden.

Im September begann eine Untersuchung des Todes von Jean Charles de Menezes , der im Juli 2005 während einer Anti-Terror-Operation der Polizei unschuldig erschossen worden war.

Britische Gerichte blockierten auch im vergangenen Jahr Versuche, Terrorverdächtige auf der Grundlage diplomatischer Zusicherungen abzuschieben. Im April verhinderte das oberste Berufungsgericht die Abschiebung von Omar Othman, bekannt als Abu Qatada, nach Jordanien, da dort unter Folter gewonnenes Beweismaterial gegen ihn verwendet werden könne. Othman wurde gegen Kaution und unter strengen Auflagen aus der Hochsicherheitshaft entlassen: Er darf seine Wohnung nur für zwei Stunden am Tag verlassen. Im Oktober befassten sich die Law Lords mit dem Urteil im Fall Othman und einer weiteren Berufung gegen Abschiebungen nach Algerien unter Verwendung diplomatischer Zusicherungen. In beiden Fällen steht das Urteil der Lordrichter derzeit noch aus.

Das oberste Berufungsgericht stoppte im April auch die Abschiebung zweier Libyer. Es stufte ein Abkommen mit Libyen als unzuverlässig ein und befand, dass den beiden Männern im Falle einer Abschiebung ein faires Verfahren „vollständig" verweigert würde. Die britische Regierung ging nicht in Berufung gegen die Entscheidung.

Berichte wurden bestätigt, wonach die CIA das britische Territorium Diego Garcia im Indischen Ozean für Gefangenentransporte genutzt habe. Im Februar räumte CIA-Direktor Michael Hayden ein, dass im Jahr 2002 zweimal Flugzeuge auf dem Weg nach Guantanamo Bay und Marokko zum Auftanken in Diego Garcia gelandet waren. Die britische Regierung beteuerte, sie sei nicht über diese Nutzung der Insel informiert gewesen und habe ihr nicht zugestimmt.

Im August verurteilte der High Court, dass das Außen- und Commonwealth-Ministerium alle Dokumente zugänglich machen müsse, die Binyam Mohamed, einen ehemaligen Einwohner Großbritanniens, in seinem Prozess vor einem Militärtribunal in Guantanamo Bay entlasten könnten. Das Material, so hoffen seine Anwälte, könnte belegen, dass Geständnisse, die Mohamed belasten, unter Folter erpresst wurden und deshalb nicht zulässig sind. Bevor das Urteil in Kraft tritt, soll in geschlossener Sitzung erörtert werden, inwieweit die Herausgabe der Dokumente die nationale Sicherheit gefährden würde. Die Richter wollen zudem den endgültigen Ausgang eines Prozesses in den USA abwarten, in dem die US-Regierung zur Herausgabe der Unterlagen verurteilt wurde. Im Oktober forderte der Innenminister den Generalstaatsanwalt auf zu untersuchen, ob Mohamed von den britischen Sicherheitsdiensten und der CIA misshandelt worden war.

Anlässlich der Überprüfung Großbritanniens durch das UN-Komitee für die Rechte des Kindes im September kündigte die Regierung an, sie werde Vorbehalte gegen die UN-Konvention über die Rechte des Kindes bei der Behandlung von Immigranten aufheben. Das Komitee begrüßte die Ankündigung, zeigte sich jedoch besorgt darüber, dass den Interessen des Kindes im Jugendstrafvollzug, bei der Einwanderung, der Freizügigkeit und der Versammlungsfreiheit nicht oberste Priorität gegeben werde.