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(New York) – Ältere Frauen und Männer sind die am schnellsten wachsende Gruppe in US-amerikanischen Gefängnissen. Das Wachpersonal ist kaum in der Lage, sie angemessenen unterzubringen und medizinisch zu versorgen, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Weil ältere Gefangene häufiger krank oder körperlich eingeschränkt sind, verursachen sie fast achtmal höhere Gesundheitskosten als jüngere Häftlinge.

In dem 104-seitigen Bericht „Old Behind Bars: The Aging Prison Population in the United States“ wertet Human Rights Watch verschiedene Dokumente der Bundesstaaten und der Zentralregierung aus. Die Daten zeigen, dass die Anzahl älterer Häftlinge in US-Gefängnissen dramatisch zunahm.

Die Recherchen von Human Rights Watch ergaben, dass die Anzahl verurteilter Häftlinge in den Gefängnissen der Einzelstaaten und in den Bundesgefängnissen, die über 65 Jahre alt sind, zwischen 2007 und 2010 94-mal so schnell wuchs wie die Zahl aller Gefängnisinsassen. Der Anteil der über 55-jährigen nahm zwischen 1995 und 2010 sechsmal schneller zu als die Gesamtzahl der Häftlinge.

„Gefängnisse sind noch nie als Einrichtungen zur Altenpflege ausgelegt worden“, so Jamie Fellner, US-Expertin von Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Dennoch muss das Strafvollzugspersonal bald Altenheime hinter Gittern betreiben.“

Aufgrund ihrer hohen Haftstrafen werden viele der derzeitigen Häftlinge das Gefängnis wenn überhaupt erst im hohen Alter verlassen. Den Recherchen von Human Rights Watch zufolge leistet etwa einer von zehn Häftlingen (9,6 Prozent) in den bundesstaatlichen Gefängnissen eine lebenslängliche Haftstrafe ab. Weitere 11,2 Prozent sitzen für mehr als 20 Jahren hinter Gittern.

Human Rights Watch besuchte neun Bundesstaaten und 20 Gefängnisse, um Vollzugsbeamte, Häftlinge sowie Strafvollzugs- und Altenpflege-Experten zu befragen. Es zeigte sich, dass viele Beamte Schwierigkeiten haben, den Bedürfnissen älterer Häftlinge gerecht zu werden. Hinzu kommen Einschränkungen durch knappe Budgets, die nicht altersgerechte Architektur der Gefängnisse, unzureichende medizinische Einrichtungen und mangelndes Fachpersonal, Planungsdefizite, fehlende Unterstützung durch die Politik und die Erfordernisse des täglichen Betriebs.

Das Ableisten einer Haftstrafe kann selbst für junge Menschen beschwerlich sein. Besonders schwierig ist es jedoch für die wachsende Anzahl älterer Häftlinge, die unter Gebrechen, eingeschränkter Mobilität, Seh- und Hörschäden, chronischen, behindernden oder sogar tödlichen Krankheiten leiden.

Die Ausstattung, Regeln und Gebräuche in den Gefängnissen wurden mit Blick auf jüngere Häftlinge entwickelt und können Menschen fortgeschrittenen Alters vor besondere Hindernisse stellen. Für manchen älteren Gefangenen ist es praktisch unmöglich, eine lange Strecke zum Speisesaal zu gehen, auf ein Stockbett zu klettern oder für eine Gefangenenzählung zu stehen. Inkontinenz und Demenz stellen weitere Hürden dar. In den Gefängnissen mit einem hohen Anteil älterer Häftlinge, die Human Rights Watch für den Bericht besuchte, war das Wachpersonal gezwungen, sich auf die praktischen Konsequenzen der Alterung von Körper und Geist einzustellen.

„Gefängnisbeamte, die mit älteren Häftlingen arbeiten, wissen, dass es nichts nützt, einen Gefangenen anzuschreien, der nicht versteht, was sie sagen“, so Fellner. „Ein Wachoffizier sagte mir, das Personal müsse den älteren Häftlingen ‚etwas mehr Spielraum‘ bei der Durchsetzung von Regeln geben.“

Die Anzahl älterer Häftlinge wird weiter ansteigen, solange sich die Politik des harten Durchgreifens gegen Verbrechen mit hohen Mindeststrafmaßen, häufigeren lebenslänglichen Strafen und geringeren Möglichkeiten zur Aussetzung von Strafen auf Bewährung nicht ändert. Viele greise Gefangene bleiben in Haft, obwohl sie zu alt und gebrechlich sind, um im Falle einer Freilassung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darzustellen.

„Wie dient es der Justiz und der öffentlichen Sicherheit, wenn man Frauen und Männer gefangen hält, deren Körper und Geist vom Alter gezeichnet sind“, so Fellner.

Zu den Empfehlungen, die Human Rights Watch gegenüber den Behörden ausspricht, gehören:

  • Richtlinien zur Festlegung des Strafmaßes und zur Freilassung sollen überprüft werden, um die Anzahl älterer Gefangenerzu verringern, ohne jedoch die öffentliche Sicherheit zu gefährden;
  • umfassende Pläne zur Unterbringung und Gesundheitsversorgung sowie Programme für die derzeitige und prognostizierte Anzahl älterer Gefangener sollen entwickelt werden;
  • Gefängnisregeln, die älteren Häftlingen unnötige Härten auferlegen, solen geändert werden.

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