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(New York, 15. Juli 2009) – Die iranische Regierung soll neue Bestimmungen widerrufen, die die Unabhängigkeit der iranischen Anwaltsvereinigung massiv einschränken und es der Regierung ermöglichen, die Arbeit von Anwälten zu kontrollieren, so Human Rights Watch.

Das überarbeitete Statut zur Umsetzung des Gesetzes, das die Unabhängigkeit der Anwaltsvereinigung garantiert, würde der Judikative eine entscheidende Rolle bei der Anerkennung von Lizenzanträgen zusprechen. Die Justiz untersteht dem Revolutionsführer und wird vom Chef der iranischen Justiz beaufsichtigt. In den letzten 50 Jahren hat die Anwaltsvereinigung dieses Recht ausgeübt. Das im Jahr 1955 eingeführte Gesetz, dass die Unabhängigkeit der Anwaltschaft garantiert, legt fest, dass das Statut nicht ohne ihre Zustimmung verändert werden kann.

„Diese so genannte Reform würde es der Regierung ermöglichen, beliebig die Anwälte auszuwählen, die ihren Beruf ausüben dürfen“, so Joe Stork, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten und Nordafrika von Human Rights Watch. „Was wir hier sehen, ist der Versuch, iranische Rechtsanwälte zu einem Zeitpunkt einzuschüchtern, an dem die Regierung Hunderte Menschen ohne Anklage festnimmt.“

Am 17. Juni hat der Chef der iranischen Justiz, Ayatollah Mahmoud Shahroudi, die Änderungen des Statuts gebilligt. Die überarbeitete Version tritt sofort in Kraft und muss weder vom Parlament noch von der Regierung bestätigt werden. Zwei Regelungen untergraben massiv die Unabhängigkeit der Anwaltsvereinigung. So kann die Regierung sowohl Regierungskritikern als auch Menschenrechtsverteidigern verbieten, als Anwälte zu arbeiten.

Laut erfahrenen iranischen Rechtsanwälten hat der Chef der Justiz nicht das Recht, derartige Veränderungen des Statuts vorzunehmen, ohne die Anwaltsvereinigung zu konsultieren. Shirin Ebadi, Nobelpreisträgerin und bekannte Menschenrechtsverteidigerin, berichtete Human Rights Watch, dass Shahroudi ganz genau wisse, dass er rechtlich nicht dazu befugt sei, diese Veränderungen zu verordnen. „Offenbar hat er dieses Statut unter politischem Druck gebilligt“, so Shirin Ebadi.

Artikel 11 stellt ein aus fünf Mitgliedern bestehendes Komittee auf, das über die Mitgliedschaft in der Anwaltsvereinigung und über Verlängerungsanträge der Mitgliedschaft entscheidet. Drei der Mitglieder werden vom Justizminister ernannt. Die beiden anderen werden zwar vom Vorstand gewählt, benötigen jedoch die Zustimmung des Chefs der iranischen Justiz.

Artikel 17 besagt, dass der Stellvertreter des Chefs der Justiz oder ein offizieller Vertreter der Judikative für die Zulassung der Anwaltslizensen verantwortlich ist.

In den letzten Jahren haben iranische Beamte aus politischen Gründen Anzeige gegen Menschenrechtsanwälte wie Ebadi und Seyyed Mohammad Seyfzadeh erstattet und die Anwaltsvereinigung dazu gedrängt, gegen solche Mitglieder vorzugehen. Anwälte haben Human Rights Watch berichtet, dass sich die Vereinigung bis heute solchen Forderungen widersetzt hat.

Die Justiz stimmte dem überarbeiteten Statut nur eine Woche nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom 12. Juli und während des scharfen Vorgehens der Regierung gegen friedliche Demonstranten und Dissidenten zu. Sowohl durch die starke Einschränkung der Medien als auch durch die Festnahme Hunderter bekannter Aktivisten, Autoren und bekannter Menschenrechtsanwälte wurden Kritiker massiv in ihrer Möglichkeit eingeschränkt, Einwände gegen das Gesetz und dessen gefährliche Konsequenzen zu äußern.

Das im Jahr 1955 erlassene Gesetz, das die Unabhängigkeit der Anwaltsvereinigung garantiert, überträgt ihr eine herausragende Rolle bei der Vergabe und dem Einzug der Anwaltslizenz, ohne dass das Justizministerium dabei eingreifen könnte. Es besteht im Wesentlichen auch heute noch und untersagt die Einflussnahme der Justiz auf die Lizenvergabe. Gemäß dem Gesetz müssen alle Änderungen oder dessen Durchführungsverordnungen von der Anwaltsvereinigung bestätigt werden.

Nasrin Sotoodeh, eine in Teheran ansässige Anwältin, berichtete Human Rights Watch, dass die Anwendung der neuen Bestimmungen, Anwälte wie sie selbst in große Gefahr brächte. Wenn sie versuchen würden, ohne Lizenz zu arbeiten, müssten sie harten Bestrafungen entgegensehen, so Sotoodeh.

„Wir laufen Gefahr, festgenommen zu werden. Alle Anwälte, die der Vereinigung angehören, haben ihre Bereitschaft erklärt, Einwände und Klageschriften beim Verwaltungsgerichtshof [Divane Edalate Edari] einzureichen. Zudem haben wir bei einem Treffen von Menschenrechtsverteidigern beschlossen, dass Gruppen mit fünf bis zehn Mitgliedern täglich Petitionsschriften einreichen, um eine Annullierung der neuen Regeln zu erreichen und zu zeigen, wie verbreitet der Widerstand unter Anwälten ist. Der Gerichtshof wird erkennen, dass nicht nur die Anwaltsvereinigung mit der Veränderung unzufrieden ist.“

Am 6. Juli haben Sicherheitsbeamte den bekannten Menschenrechtsverteidiger Mohammad Ali Dadkhah, der auch Gründungsmitglied des „Defenders of Human Rights Center“ (DHRC) ist, in seinem Büro in Teheran festgenommen. Ein Kollege Dadkhahs berichtete, dass die Festnahme während eines Treffens stattfand, als sie über das neue Statut berieten. Dadkhahs Tochter Malihe sowie Sara Sabaghian, Bahareh Dowaloo und Amir Raiisian wurden ebenfalls verhaftet und an einen unbekannten Ort gebracht.

Am 4. Juli schrieb der ehemalige Vorsitzende der Anwaltsvereinigung in der Tageszeitung Etemad:

„Ganz gewiss können wir erwarten, dass jeder Anwalt, der zuviel sagt oder unerwünschte Klienten annimmt, am morgen aufwachen und herausfinden wird, dass seine Lizenz eingezogen wurde. Intellektuelle werden für ihre Gedanken bestraft werden, und es wird ihnen nicht möglich sein, eine angemessene Strafverteidigung zu erhalten, da alle Anwälte, die mutig genug sind, deren Fälle zu bearbeiten, ihrer Lizenz verlieren werden.

Politiker, die auf der schwarzen Liste stehen, werden sich unabhängige und mutige Anwälte suchen, aber nicht in der Lage sein, sie zu finden. Noch schlimmer ist die Situation der Leute, denen schwerwiegende Gerichtsprozesse bevorstehen und die keinerlei Zufluchtsmöglichkeit haben.

Die UN-Grundsätze zur Rolle von Anwälten besagen, dass Anwälte das Recht haben, selbstverwaltete Berufsvereinigungen ins Leben zu rufen, um ihre eigene berufliche Integrität zu schützen und dadurch ohne Beeinflussung von außen arbeiten zu können. Der Versuch der nigerianischen Regierung, die Anwaltsvereinigung des Landes zu kontrollieren, einschließlich der Entscheidung über Mitgliedschaft, wurde von der Afrikanischen Menschenrechtskommission als Verletzung des grundlegenden Rechts auf Vereinigungfreiheit verurteilt.

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