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(Lima) - Die Weigerung der peruanischen Regierung, das Verfahren für den legalen Schwangerschaftsabbruch zu reformieren und Richtlinien dafür zu billigen, gefährdet das Leben und die Gesundheit von Frauen und Mädchen. Bei Risikoschwangerschaften sind sie häufig gezwungen, die Gesundheit gefährdende Lösungen anzuwenden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.

Der 52-seitige Bericht „My Rights, and My Right to Know: Lack of Access to Therapeutic Abortion in Peru" dokumentiert die Schwierigkeiten von Frauen, wenn sie im staatlichen Gesundheitssystem Perus einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch in Anspruch nehmen wollen. Darunter wird eine Abtreibung verstanden, die vorgenommen wird, um das Leben der Frau zu retten oder ernste Gesundheitsrisiken zu vermeiden.  
 
Verlässliche Statistiken über die Anzahl der Frauen, denen eine legale Abtreibung verweigert wurde, stehen nicht zur Verfügung. Anhand von Interviews mit Frauen, medizinischem Personal, Aktivisten für Frauen- und Menschenrechte und mit Regierungsvertretern fand Human Rights Watch jedoch heraus, dass Frauen im Allgemeinen nur unzureichend über ihr Recht auf eine gesetzliche Abtreibung informiert sind. Zudem sind Angestellte im Gesundheitswesen oftmals unsicher über den Sinn der Gesetze, die Frauen den Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch garantieren.  
 
„Frauen und Mädchen, deren Schwangerschaft lebensbedrohlich ist oder ihre Gesundheit dauerhaft beschädigen kann, wird ein legaler Schwangerschaftsabbruch verweigert oder sie wissen nicht einmal, dass sie das Recht auf eine Abtreibung haben", sagte Angela Heimburger, Researcherin in der Abteilung für Frauenrechte bei Human Rights Watch und Autorin des Berichts. „Die Regierung steht nicht nur in der Pflicht, die Öffentlichkeit für das Recht auf einen sicheren, würdevollen und bezahlbaren gesetzlichen Schwangerschaftsabbruch zu sensibilisieren, sondern sie sollte auch dafür sorgen, dass der Zugang der Frauen zu diesem Eingriff mit so wenig Unannehmlichkeiten wie möglich verbunden ist."  
 
Schwangerschaftsabbrüche sind in Peru legal, wenn eine Schwangerschaft das Leben einer Frau gefährdet oder der Abbruch zum Schutz ihrer Gesundheit notwendig ist. Da aber legale Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Krankenhäusern nur äußerst selten angeboten werden, nehmen viele Frauen mit Risikoschwangerschaften Zuflucht zu unsicheren und heimlichen Wegen. Human Rights Watch identifizierte mehrere Hindernisse für den Zugang zum legalen Schwangerschaftsabbruch. Doppeldeutigkeiten im Umgang mit Abtreibungen im peruanischen Rechtssystem schüren die Angst vor Strafverfolgung bei Frauen und Angestellten im Gesundheitswesen. Durch das Fehlen einer nationalen Vorgabe gibt es keine standardisierte Leitlinie, die Klarheit darüber schafft, wann ein therapeutischer Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann. Im öffentlichen Gesundheitssystem sind ärztliche Überweisungen nur schlecht möglich und die Umstände, unter denen ein therapeutischer Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist, sind unklar definiert. Somit gibt es in Peru zwar ein gesetzlich verankertes Recht auf Abtreibung, in der Praxis aber erweist es sich für Frauen als nahezu unmöglich, dieses Recht wahrzunehmen.  
 
Das Unvermögen der peruanischen Regierung, den Zugang zu legalen therapeutischen Schwangerschaftsabbrüchen zu gewährleisten, stellt eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte dar. Frauen haben Anspruch auf den höchstmöglichen Standard für Gesundheit, Leben, körperliche Unversehrtheit und Schutz vor Diskriminierung sowie vor grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung. Menschenrechtsvertreter der Vereinten Nationen und Experten haben Peru zum wiederholten Male und nachdrücklich aufgefordert, die Barrieren zur Durchführung therapeutischer Schwangerschaftsabbrüche zu eliminieren und die verpflichtende Einhaltung von Menschenrechten sicherzustellen.  
 
Im Rechtsfall K.L. gegen Peru, in dem ein 17-jähriges Mädchen zur neunmonatigen Austragung eines nicht lebensfähigen Fötus gezwungen wurde, befand 2005 der UN-Menschenrechtsausschuss, dass die peruanische Regierung mehrere Rechte der Klägerin verletzt hatte. Das Land sei „verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, damit vergleichbare Rechtsverletzungen künftig ausgeschlossen werden" (http://www1.umn.edu/humanrts/undocs/1153-2003.html). Bis heute hat die Regierung keinerlei Schritte unternommen und die Empfehlungen des Menschenrechtsausschusses nicht befolgt.  
 
Die Verweigerung einer legalen Abtreibung kann eine Risikoschwangerschaft durch schwere seelische Not zusätzlich verschlimmern. So berichtete M.L., eine verheiratete Frau und Mutter eines Kindes, dass Ärzte ihr in der 30. Schwangerschaftswoche mitteilten, dass ihr Fötus nicht überleben würde. Ihre Bitte um einen legalen Schwangerschaftsabbruch wurde jedoch von denselben Ärzten in einem öffentlichen Krankenhaus in Lima abgelehnt. „Sie erzählten mir, dass das Gesetz den Eingriff nicht gestattet, dass es nicht gemacht werde könne", so M.L. Einige Wochen später, am Ende des neunten Monats der Schwangerschaft, wurde dann ein Notkaiserschnitt vorgenommen, um den toten Fötus zu entfernen. Als Folge litt M.L. an Depressionen, von denen sie sich auch vier Jahre später noch nicht erholt hat. „Keiner anderen Frau wünsche ich so eine Erfahrung. Was mir zugestoßen ist, war schrecklich."  
 
Die peruanische Regierung hat auch lokale Initiativen blockiert, die den Zugang zu therapeutischen Schwangerschaftsabbrüchen erleichtern wollten. Da eine nationale Richtlinie fehlt, die das medizinische Verfahren regelt und standardisiert, wollten mehrere Krankenhäuser sowie eine Regionalregierung eigene Leitlinien aufstellen. Die nationalen Gesundheitsbehörden erklärten jedoch die meisten dieser lokalen und regionalen Initiativen für rechtsunwirksam. In einem Fall wurde ein Krankenhausdirektor wegen „Überschreitung seiner Befugnisse" entlassen.  
 
In Peru wie auch in anderen Ländern verringert die Verweigerung legaler Schwangerschaftsabbrüche nicht die Zahl der durchgeführten Abtreibungen. Vielmehr werden die Eingriffe illegal durchgeführt. Wer über genügend Geld und Informationen verfügt, kann einen heimlichen Abbruch unter relativ sicheren Umständen durchführen lassen. Bei den vielen armen Frauen und Mädchen in Peru aber werden Abtreibungen häufig von unqualifizierten und unkontrollierten Helfern eingeleitet - oder gar unter Einsatz riskanter „Hausmittel" von den schwangeren Frauen selbst.  
 
„Peruanische Frauen und Mädchen mit dem Recht auf einen therapeutischen Schwangerschaftsabbruch sollten niemals gezwungen sein, sich in die Illegalität zu begeben oder überhöhte Gebühren in Privatkliniken zu zahlen. Vielmehr sollte der Eingriff jederzeit im öffentlichen Gesundheitssystem zugänglich sein, wie es das Gesetz vorschreibt", so Heimburger. „Treibt man arme Frauen und Mädchen, die oftmals weder lesen noch schreiben können, in die Hände unqualifizierter Anbieter von Abtreibungen, so bedeutet dies eine erhebliches Risiko nicht nur für die Frauen selbst, sondern auch für die Familien, die sie zurücklassen."  
 
Human Rights Watch fordert Peru zu unverzüglichem Handeln in folgenden Punkten auf:  

  • Inkraftsetzung einer landesweit gültigen Richtlinie zum therapeutischen Schwangerschaftsabbruch
  • Reform des Abtreibungsrechts, das allen Frauen die Möglichkeit zur freien Entscheidung in Angelegenheit der Fortpflanzung garantiert
  • Information und Aufklärung von Öffentlichkeit und Ärzten zum gesetzlich verankerten Recht auf therapeutischen Schwangerschaftsabbruch
  • Aufklärung der Fälle, in denen medizinisches Personal therapeutische Schwangerschaftsabbrüche verweigert hat, und Ergreifung angemessener Disziplinarmaßnahmen

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