Einleitung
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) werden in der Entwicklungswelt, cirka 250 Millionen Kinder im Alter von fünf bis vierzehn Jahren täglich zur Arbeit geschickt. Davon arbeiten mindestens 120 Millionen ganztags. 61 Prozent dieser Kinder befinden sich in Asien, 32 Prozent in Afrika und sieben Prozent in Lateinamerika. Die meisten Kinder in ländlichen Gebieten arbeiten in der Landwirtschaft; städtische Kinder arbeiten im Handel- und Dienstleistungsbereich und in kleineren Zahlen in Fertigung, Baugewerbe und Haushaltsdienst.
Die Bedingungen von Kinderarbeit sind sehr unterschiedlich: In manchen Ländern werden vierjährige an den Teppichwebstuhl gebunden, damit sie nicht wegrennen, in anderen Länder helfen Siebzehnjährige auf dem Bauernhof der Eltern.
In manchen Fällen hilft Arbeit dem Kind oder der Familie weiter; auch kann Arbeiten und Geldverdienen eine positive Erfahrung im Prozess des Erwachsenwerdens sein. Ob dies der Fall ist, ist jedoch vor allem vom Alter des Kindes und den Arbeitsbedingungen abhängig, sowie davon, ob die Beschäftigung das Kind vom Schulbesuch abhält.
Human Rights Watchs Abteilung für Kinderrechte hat sich besonders auf Zwangsarbeit und "bonded child labor" (ausbeuterische Kinderarbeit) konzentriert - beides Praktiken, die verheerende Auswirkungen haben. Kinder, die über lange Zeit in gefährlichen und ungesunden Bedingungen arbeiten, sind bleibendem physischem und psychologischem Schäden ausgesetzt. Die Arbeit an Webstühlen z.B. hinterlässt Kinder mit Augenschäden, Lungenkrankheiten, gehemmtem Wachstum und Anfälligkeit für Arthritis, wenn sie älter werden.
Kindern, die arbeiten müssen, ist eine normale Kindheit und Schulbildung oft versagt. Sie werden eingesperrt, geschlagen und zur Sklaverei gezwungen. Manchen wird Bewegungsfreiheit
versagt - sie können ihren Arbeitsplatz nicht verlassen. In einigen Fällen werden Kinder entführt und zur Arbeit gezwungen.
Solche Praktiken stellen klare und akute Menschenrechtsverletzungen dar. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Welt auf die Not dieser ausgebeuteten Kinder aufmerksam zu machen und so zur Beendigung solcher Praktiken beizutragen - weiterhin liefert unsere Arbeit einen Beitrag zur Diskussion über die Menschenrechtsdimension von Kinderarbeit.
Ausbeuterische Kinderarbeit (bonded child labor)
Ausbeuterische Arbeit findet statt, wenn eine Familie eine Vorauszahlung (manchmal eine so geringe Summe wie 15 US-$) empfängt und dafür ein Kind - einen Jungen oder ein Mädchen - einem Arbeitgeber übergibt. In den meisten Fällen kann das Kind die Schuld nicht abarbeiten, noch kann die Familie genug Geld aufbringen, um das Kind zurückzukaufen. Der Arbeitsplatz ist oft so strukturiert, dass "Ausgaben" und/oder "Zinsen" vom Lohn des Kindes abgezogen werden, so dass es dem Kind unmöglich ist, die Schulden zurückzuzahlen. In manchen Fällen überspannt dieses Arbeitverhältnis Generationen - der Großvater oder Urgroßvater des Kindes wurde dem Arbeitgeber viele Jahre zuvor zugesprochen und jede nachfolgende Generation stellt dem Arbeitgeber einen neuen Arbeiter zur Verfügung - oft ohne jegliche Bezahlung.
Ausbeuterische Arbeit, normalerweise in Form von Schuldknechtschaft oder Leibeigenschaft, ist rechtlich unter der UN-Zusatzkonvention zur Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und der Sklaverei ähnlichen Institutionen und Praktiken von 1956 verboten.
Siehe ebenso: Internationale Rechtsnormen über Zwangsarbeit und ausbeuterische Arbeit.
Millionen von Kindern arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen
in aller Welt - 15 Millionen allein in Indien. Jedoch ist das volle Ausmaß des
Problems noch nicht bekannt. Wie an einem
Fallbeispiel eines Human Rights Watch Berichts vom Juli
1995 verdeutlicht wird, "Contemporary Forms of Slavery in
Pakistan" (Zeitgenössische Formen der Sklaverei in Pakistan): sind viele Kinder schweren körperlichen Misshandlungen ausgesetzt.
In einem Dorf der pakistanischen Provinz Sindh fing Anwar vor zwei Jahren, im Alter von sieben Jahren, an Teppiche zu weben. Ihm wurde etwas Essen, ein wenig Freizeit, aber keine
medizinische Hilfe zur Verfügung gestellt. Immer wieder wurde Anwar gesagt, dass er
nicht aufhören könne zu arbeiten, bevor er nicht genug Geld
verdient habe, um einen angeblichen Schuldenbetrag der Familie
zu bezahlen. Aber er erfuhr niemals, von wem seine Familie dieses
Geld geliehen hatte oder wie hoch der Betrag war. Wenn ihm ein Fehler bei der Arbeit unterlief, bekam er eine Geldstrafe und sein Schuldenbetrag wuchs an. Als seine Arbeit als zu
langsam befunden wurde, wurde er mit einem Stock geschlagen.
Nachdem ihm eine besonders schmerzvolle Prügel verabreicht
worden war, versuchte er davonzurennen, aber er wurde von der
örtlichen Polizei aufgegriffen und gewaltsam zu den
Teppichwebstühlen zurückgebracht.
Bei unserem Einsatz haben wir mit Kinderrechts- und
Menschenrechtsgruppen zusammengearbeitet, sowie mit
Vertretern des UN-Weltkinderhilfswerks (UNICEF), der
Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Weltbank und
anderen Organisationen, und haben versucht, eine ganzheitliche
Strategie auszuarbeiten, um zu verhindern, dass Kinder ihre
Kindheit, ihre Schulbildung und ihre Chancen
durch ausbeuterische Arbeit verlieren. Wir
haben uns außerdem bemüht Kinderorganisationen und
internationale Fürsprache-Gruppen mit objektiven
Vor-Ort-Berichten zu versorgen, um Bemühungen für einen Wandel
zu unterstützen.
Trafficking (auf Englisch)
HRW Background Briefing: International Trafficking of Women and Children
Promises Broken: Sexual Abuse and Exploitation
Die Internationale Arbeiterorganisation (auf Englisch)
HRW Background Briefing: Child Soldiers and the Child Labor Convention
Die Weltbank
Eine HRW-Untersuchung und ein Bericht von 1996, The Small Hands of Slavery: Bonded Child Labor in India, legten dar, dass die Seidenindustrie, welche stark von der Weltbank unterstützt wird, viele „bonded child laborers“(zur Arbeit gezwungene Kinder) beschäftigt. Verlegen durch diese Enthüllung, machte die Weltbank NGO-Überwachungsmechanismen zur Unterbindung von Kinderarbeit zur Bedingung für zukünftige Projekte.
Die Weltbank hat nun eingestanden, dass Kinderarbeiter in ihren Projekten eingesetzt wurden und hat - in Zusammenarbeit mit der Regierung und mit Nichtregierungsorganisationen – Pilotprogramme entwickelt, welche zum Ziel haben, Kinder aus der Arbeitssituation herauszunehmen, zu rehabilitieren und mit einer Schulausbildung zu versorgen. Im Jahre 1997 hat die Weltbank zum ersten Mal verkündet, dass eine Strategie gegen Kinderarbeit in Betracht gezogen werden müsse, wenn über Darlehensvereinbarungen verhandelt wird. Zusätzlich schaffte die Weltbank im Jahre 1998 einen Posten, dessen Inhalt die Auseinandersetzung mit der Problematik von Kinderarbeit im Zusammenhang von Kreditgewährung ist.
Die schweizerische Entwicklungsgesellschaft, welche ebenfalls Projekte zur Seidenraupenzucht in Indien finanzierte, rief im Jahre 1996 eine NGO-Arbeitsgruppe ins Leben, welche Kinderarbeit im Rahmen von Programmen, die von der schweizerischen Entwicklungsgesellschaft und der Weltbank finanziert werden, einschränken soll. Die Arbeitsgruppe trifft sich regelmäßig, um Ansätze zur Ausmerzung von Menschenrechtsverletzungen als Ergebnis von Kinderarbeit im Bereich von Seidenraupenzucht auszuarbeiten.
HRW Kampagnen (auf Englisch)
Promises Broken: Child Labor
HRW Veröffentlichungen (auf Englisch)
Backgrounder: Child Labor in Agriculture
June 2002
Tainted Harvest: Child Labor and Obstacles to Organizing on Ecuador's Banana Plantations
April 2002
From the Household to the Factory: Sex Discrimination in the Guatemalan Labor Force
February 2002
World Report 2002 Section on Children's Rights: Child Labor
Underage And Unprotected: Child Labor in Egypt's Cotton Fields
January 2001
Fingers to the Bone: United States Failure to Protect Child Farmworkers
June 2000
The Small Hands of Slavery: Bonded Child Labor in India 1996
Contemporary Forms of Slavery in Pakistan 1995
Rape for Profit: Trafficking of Nepali Girls and Women to India's Brothels 1995
Children of Sudan: Slaves, Street Children and Child Soldiers 1995A Modern Form of Slavery: Trafficking of Burmese Women and Girls into Brothels in Thailand 1993
Mehr HRW Veröffentlichungen (auf Englisch)
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