Kinderrechte
Straßenkinder

Überall auf der Welt sind Straßenkinder physischen Misshandlungen durch die Polizei ausgesetzt. Teilweise werden sie sogar ohne Umschweife umgebracht. Häufig sehen Regierungen sie als Plage an, die ausgemerzt werden muss, und nicht als Kinder, die aufgezogen und geschützt werden müssen. Oft werden sie von der Polizei willkürlich festgenommen, einfach, weil sie obdachlos sind, oder sie werden für vage Vergehen angeklagt wie Herumtreiberei und Stadtstreicherei oder für kleine Diebstähle. Sie werden von der Polizei geschlagen oder gefoltert und häufig für längere Zeit unter erbärmlichen Bedingungen festgehalten. Mädchen werden immer wieder von Polizeibeamten sexuell missbraucht, zu sexuellen Handlungen gezwungen und vergewaltigt. Straßenkinder stellen auch einen großen Anteil der Kinder, die mit der Justiz in Berührung kommen und schließlich, oft ohne den ihnen zustehenden fairen Prozess, in Besserungsanstalten (d.h. Gefängnisse) geschickt werden, die man euphemistisch als „Schulen“ bezeichnet. Nur wenige Anwälte setzen sich für diese Kinder ein. Nur wenige Straßenkinder haben Familienangehörige oder kennen andere Personen, die sich um sie kümmern und in der Lage sind, für sie aktiv zu werden.

Der Begriff „Straßenkinder“ bezieht sich auf Kinder, für die die Straße die Familie als Heimat abgelöst hat. Er schließt Kinder mit ein, die nicht notwendigerweise obdachlos oder ohne Familie sein müssen, aber in Umständen leben, in denen es keinen Schutz, keine Betreuung und keine erzieherischen Vorgaben von verantwortungsvollen Erwachsenen gibt.

Wo Straßenkinder in der nationalen und internationalen Aufmerksamkeit stehen, hat sich diese v.a. auf die sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Probleme der Kinder konzentriert – Armut, Mangel an Bildung, AIDS, Prostitution und Drogenmissbrauch. Mit den Ausnahmen der großangelegten Tötungen von Straßenkindern in Brasilien und Kolumbien, oft ausgeübt durch die Polizei, über die Human Rights Watch 1994 berichtet hat, wurden die andauernde Gewaltausübung der Polizei und der Missbrauch, den viele Kinder erleiden, kaum wahrgenommen. Diese oft vernachlässigte Seite des Schicksals der Straßenkinder ist ein Schwerpunkt von Forschung und Aktionen von Human Rights Watch.

Die öffentliche Meinung über Straßenkinder ist in vielen Ländern ganz überwiegend und eindeutig negativ. Die Öffentlichkeit hat häufig Maßnahmen, die Kinder von den Straßen zu bekommen, befürwortet, auch wenn dies auf Massenverhaftungen oder sogar Morde hinauslief. Es ist eine alarmierende allgemeine Tendenz bei Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Zivilbevölkerung, sowie bei Geschäftsleuten und ihren privaten Sicherheitsfirmen festzustellen, Straßenkinder fast schon als Untermenschen zu betrachten.

In vielen Ländern, in denen wir gearbeitet haben, v.a. in Brasilien, Bulgarien und dem Sudan, spielt die rassische, ethnische und soziale Einordnung von Straßenkindern eine bedeutende Rolle bei der Behandlung, die sie erfahren. Das beunruhigende Konzept von „sozialer Säuberung“ wird bei Straßenkindern aber auch dann angewandt, wenn diese nicht als Angehörige einer bestimmten rassischen, ethnischen und religiösen Gruppe identifiziert werden. Als „asozial“ gebrandmarkt, oder aufgrund ihres „anti-sozialen Verhaltens“, werden Straßenkinder voller Argwohn und Furcht betrachtet und vielfach würde es begrüßt, wenn diese Kinder einfach verschwänden. In Bulgarien, Guatemala, Indien und Kenia hat Human Rights Watch über die allgegenwärtige Gewalt der Polizei gegenüber Straßenkindern berichtet, wobei die Täter üblicherweise ungestraft davonkommen. Das Versagen der Strafverfolgungsbehörden, die Fälle von Missbrauch gegen Straßenkinder unmittelbar und effektiv zu untersuchen und zu verfolgen, trägt mit dazu bei, dass die Gewaltausübung fortgesetzt wird. Versuche, die Verantwortlichen bei der Polizei zur Rechenschaft zu ziehen, werden durch die Tatsache weiter behindert, dass Straßenkinder oft keinerlei Rechtsmittel zur Verfügung haben, außer sich direkt bei der Polizei selbst über den Missbrauch durch Polizeibeamte zu beschweren. Die Gefahr von Vergeltungsmassnahmen der Polizei wirkt dabei als schwerwiegende Abschreckung für jedes Kind, das öffentlich aussagen oder eine Anzeige gegen einen Beamten erstatten wollte.

In Kenia hat Human Rights Watch mit Nichtregierungsorganisationen und Streetworkern zusammengearbeitet, um die Einführung eines Netzwerks zur Dokumentation von polizeilichen Missbrauchsfällen an Straßenkindern zu unterstützen, und um letztendlich die Behandlung der Kinder durch die Polizei zu verbessern. Aber sogar in Guatemala, wo die Organisation Casa Alianza in dieser Richtung besonders aktiv war und im Namen von Straßenkindern etwa 300 Anzeigen erstattet hat, kam es nur in einer Handvoll von Fällen zu strafrechtlicher Verfolgung. Selbst wenn es also Anwälte gibt, die willens und in der Lage sind, das ihre dazu beizutragen, dass Straßenkindern Gerechtigkeit widerfährt, werden ohne das Engagement auch der Regierungen eine gesteigerte Verantwortlichkeit der Polizei und ein Ende der Missbrauchsfälle offensichtlich nicht erreicht werden.


Human Rights Watch Documente zu diesem Thema

Charged with Being Children: Egyptian Police Abuse of Children in Need of Protection
Bericht, Februar 2003

Promises Broken: Police Abuse and Arbitrary Detention of Street Children

World Report 2000 Section on Children's Rights: Police Abuse and Arbitrary Detention of Street Children

HRW Veröffentlichungen (auf Englisch)

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