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(Daressalam) – Kinder im Alter von gerade einmal acht Jahren arbeiten in Tansania im Kleinbergbau zur Goldgewinnung und setzen dabei nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch ihr Leben aufs Spiel, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Die tansanische Regierung soll Kinderarbeit im Kleinbergbau, einschließlich in informellen Minen ohne Schürflizenz, eindämmen. Auch die Weltbank und Geberländer sollen diese Bemühungen unterstützen.

Der 96-seitige Bericht Toxic Toil: Child Labor and Mercury Exposure in Tanzania’s Small-Scale Gold Mines“dokumentiert, wie Tausende Kinder in Tansania, Afrikas viertgrößtem Goldproduzenten, im Kleinbergbau arbeiten – in zugelassenen und nicht zugelassenen Minen. Sie schürfen und bohren in tiefen, instabilen Schächten, arbeiten bis zu 24 Stunden lang unter Tage, transportieren schwere Säcke und zerkleinern das Golderz. Die Kinder sind durch einstürzende Schächte und das Hantieren mit Werkzeug einem hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt. Zudem können der Kontakt mit Quecksilber, das Einatmen von Staub und das Tragen schwerer Lasten zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führen. Ein 17-jähriger Junge, der ein Grubenunglück überlebt hat, sagte zu Human Rights Watch: „Ich dachte, ich sei tot, ich hatte solche Angst.“

„Jungen und Mädchen in Tansania lassen sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Goldminen locken und finden sich in einer gefährlichen, ausweglosen Sackgasse wieder“, so Janine Morna, Research Fellow in der Abteilung Kinderrechte von Human Rights Watch. „Die Regierung und die Geberländer müssen dafür sorgen, dass diese Kinder die Schule besuchen oder eine Ausbildung machen, anstatt in den Minen zu arbeiten.“

Bei vielen Kindern, die im Bergbau arbeiten, handelt es sich um Waisen oder andere schutzbedürftige Kinder, denen es am Notwendigsten fehlt. Mädchen sind an den Minenstandorten sexueller Belästigung ausgesetzt und werden dazu gedrängt, sich zu prostituieren. Manche Mädchen werden Opfer sexueller Ausbeutung und können sich mit HIV oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten anstecken.

Human Rights Watch besuchte elf Minenstandorte in den Distrikten Geita, Shinyanga und Mbeya und befragte mehr als 200 Personen, darunter 61 Kinder, die im Kleingoldbergbau arbeiten. Nach internationalen Abkommen, die auch Tansania unterzeichnet hat, gehört die Beschäftigung von Kindern im Bergbau zu den schlimmsten Formen von Kinderarbeit.

„In Tansania gibt es, zumindest auf dem Papier, strenge Gesetze, die Kinderarbeit im Bergbau verbieten, doch die Regierung hat bisher viel zu wenig für deren Durchsetzung getan“, so Morna. „Arbeitsinspektoren müssen Minen mit und ohne Schürflizenz regelmäßig kontrollieren und dafür sorgen, dass gegen Arbeitgeber, die Kinder beschäftigen, Sanktionen verhängt werden.“

Arbeitende Kinder, aber auch Kinder, die in der Nähe von Minenstandorten leben, sind einem hohen Risiko von Quecksilbervergiftung ausgesetzt. Quecksilber greift das zentrale Nervensystem an und kann bei Kindern zu lebenslangen Behinderungen führen, da das Schwermetall ihre körperliche Entwicklung stark beeinträchtigt. Die Minenarbeiter, einschließlich Kinder, mischen Quecksilber mit dem zerkleinerten Roherz und verbrennen das daraus entstehende Gold-Quecksilber-Amalgam, um das Gold herauszulösen. Dabei setzen sie sich giftigen Quecksilberdämpfen aus. Oft sind sogar Kleinkinder bei diesem Verfahren anwesend, das mitunter Zuhause durchgeführt wird.

Die meisten Minenarbeiter, Erwachsene wie Kinder, sind sich des Gesundheitsrisikos nicht bewusst. Zudem fehlt es an Schulungen und Einrichtungen für medizinisches Personal und an der nötigen Ausstattung zur Diagnose und Behandlung von Quecksilbervergiftungen. Bestehende Gesetze und Initiativen, um die Verwendung von Quecksilber zu reduzieren, sind weitgehend fehlgeschlagen.

Tansania war an der Ausarbeitung eines neuen globalen Abkommens zur weltweiten Eindämmung von Quecksilberemissionen beteiligt, auf das sich im Januar 2013 mehr als 140 Regierungen verständigt haben. Das Minamata-Übereinkommen,benannt nach dem Ort in Japan, an dem es vor einem halben Jahrhundert zu einer der schwersten Quecksilber-Katastrophen gekommen war, soll im Oktober in der Nähe von Minamata unterzeichnet werden.

„Tansania hat sich aktiv für das Zustandekommen des Minamata-Übereinkommens eingesetzt“, so Morna. „Um die Zukunft seines eigenen Volkes und seiner wachsenden Bergbauindustrie zu sichern, muss das Land jetzt eine Vorreiterrolle einnehmen und seine Kinder schützen, indem sie aus den Minen geholt werden und ihre Belastung mit Quecksilber überwacht, getestet und behandelt wird.“

Die Arbeit in den Minen wirkt sich auch auf die Schulbildung aus. Kinder, die im Bergbau arbeiten, bleiben dem Unterricht manchmal fern oder brechen die Schule ganz ab. Lehrer berichteten Human Rights Watch, dass die Anwesenheitsquote sank und die schulischen Leistungen abnahmen, sobald in der Nähe eine neue Goldmine in Betrieb genommen wurde. Zudem suchen viele Jugendliche eine Vollzeitbeschäftigung, auch im Bergbau, weil sie keinen Zugang zu einer weiterführenden Schule oder Ausbildung haben.

Welchen Einfluss der Bergbau auf sein Leben hat, brachte ein 15-jähriger Junge im Geita-Distrikt auf den Punkt: „Es ist schwierig, Bergbau und Schule miteinander zu vereinbaren. Ich habe keine Zeit für den Nachhilfeunterricht, [der am Wochenende stattfindet]. Ich denke an die Mine, bin abgelenkt … Einmal … bin ich krank geworden, [nachdem ich in der Mine gearbeitet habe und dann den Unterricht versäumte]. Mein ganzer Körper schmerzte.“

Die tansanische Regierung soll den Schutz der Kinder und ihren Zugang zu weiterführenden Schulen und zu einer Berufsausbildung verbessern, so Human Rights Watch. Die Regierung und Geberländer sollen den neuen Aktionsplan für besonders schutzbedürftige Kinder finanziell und politisch unterstützen und auch Waisenkinder aus den Bergbauregionen im Förderprogramm des Tanzania Social Action Fund berücksichtigen, das Zuwendungen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen vorsieht.

Die Weltbank und andere Geldgeber des Bergbausektors sollen außerdem Maßnahmen unterstützen, durch die Kinderarbeit im Bergbauzu beenden und die Quecksilberexposition von Kindern und Erwachsenen zu verringern, so Human Rights Watch. Sie sollen beispielsweise Kindern, die in nicht zugelassenen Minen arbeiten, dabei helfen, auf eine Schule zu wechseln, und sicherstellen, dass neu zugelassene Minen nicht auf Kinderarbeit zurückgreifen. Ein laufendes 55-Millionen-Dollar-Projekt der Weltbank zur Unterstützung des Bergbausektors zielt nicht direkt auf das Problem der Kinderarbeit ab.

Die Goldindustrie muss sicherstellen, dass sie weder direkt noch indirekt von rechtswidriger Kinderarbeit profitiert. Die meisten Goldhändler, die Human Rights Watch in Tansania befragt hat, verfügten über keine geeigneten Maßnahmen, um Gold, das von Kindern geschürft wird, aus ihrer Zulieferkette auszuschließen.

Kleine Händler kaufen das Gold in der Regel direkt in den Minen oder in den Bergbauorten und verkaufen es dann an größere Händler in Tansania weiter. Manchmal geht das Gold durch die Hände mehrerer Zwischenhändler, bevor es die Exporteure erreicht. Angaben der tansanischen Regierung zufolge wurden 2012 im Kleinbergbau etwa 1,6 Tonnen Gold im Wert von 85 Millionen US-Dollar produziert.

Hauptabnehmer für Gold aus dem Kleinbergbau in Tansania sind die Vereinigten Arabischen Emirate(VAE). Das Gold wird außerdem in die Schweiz, nach Südafrika,Chinaund in das Vereinigte Königreichexportiert.

„Unternehmen – ob groß oder klein, ob in Tansania oder anderswo auf der Welt – sollen eine Verstrickung mit rechtswidriger Kinderarbeit in ihrer Zulieferkette vermeiden“, so Morna. „Als Käufer haben die Goldhändler großen Einfluss auf ihre Lieferanten. Sie sollen diesen Einfluss zum Schutz der Kinder nutzen, aber auch, um die Verbraucher davor zu schützen, Gold zu kaufen, das durch Kinderarbeit gewonnen wurde.“

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