Skip to main content

(Sanaa) – Die jemenitische Regierung soll die Todesstrafe für Jugendstraftäter nicht mehr verhängen und anwenden, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Präsident Abdu Rabu Mansour Hadi soll Hinrichtungsbefehle gegen drei mutmaßliche Jugendstraftäter, die auf ihre Hinrichtung warten, bei denen keine Berufung mehr möglich ist und die jeder Zeit hingerichtet werden können, umgehend aufheben.

Der 30-seitige Bericht „’Look at Us with a Merciful Eye’: Juvenile Offenders Awaiting Execution on Yemen’s Death Row” dokumentiert, dass mindestens 22 Personen zum Tode verurteilt worden sind, obwohl Beweise vorliegen, dass sie zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat jünger als 18 Jahre waren. In den letzten fünf Jahren wurden in Jemen mindestens 15 junge Männer und Frauen hingerichtet, die aussagten, dass sie zum Zeitpunkt des Verbrechens jünger als 18 Jahre waren. Am 3. Dezember 2012 wurde Hind al-Barti von einem Erschießungskommando in Sanaa hingerichtet. Die junge Frau war wegen Mordes verurteilt worden. Nach ihrer Geburtsurkunde war sie zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Verbrechens 15 Jahre alt.

„President Hadi soll mit Jemens Vergangenheit brechen, die geprägt ist von willkürlicher Justiz und staatlich sanktionierter Gewalt, und die Hinrichtungsbefehle gegen die drei jungen Männer aufheben”, so Priyanka Motaparthy, Kinderrechtsexpertin bei Human Rights Watch. „Wenn Jemen die Hinrichtung von Jugendstraftätern beendet, so ist dies ein klares Signal, dass die Regierung ihre Menschenrechtsverpflichtungen einhält.”

Hadi soll alle Todesurteile überprüfen lassen, bei denen zweifelhaft ist, ob der Verurteilte zum Zeitpunkt der Straftat mindestens 18 Jahre alt war. Alle Strafen sollen dann umgewandelt werden, wenn die Beweislage über das Alter eines Straftäters unklar oder nicht schlüssig ist. Jemens Strafgesetzbuch und das Völkerrecht verbieten die Hinrichtung von Jugendstraftätern.

Human Rights Watch sprach mit fünf jungen Männern und einer jungen Frau die im zentralen Gefängnis von Sanaa auf ihre Hinrichtung warten. Zudem wurden die Fälle von 19 anderen Jugendstraftätern überprüft. Unter den befragten Personen war auch al-Barti, die Human Rights Watch im März 2012 berichtete, dass sie zu einem falschen Geständnis gezwungen worden war, nachdem sie von Polizisten geschlagen und ihr mit Vergewaltigung gedroht worden war. Die Behörden informierten ihre Eltern nur wenige Stunden vor der Hinrichtungen.

„Es gibt klare Beweise dafür, dass Hind al-Barti ein Mädchen war, als sie des Mordes beschuldigt wurde. Doch sie wurde verurteilt und schließlich hingerichtet”, so Motaparthy. „Die jemenitische Regierung hätte das Strafmaß verringern müssen, wenn auch nur der geringste Grund für die Annahme besteht, dass sie zum Zeitpunkt des Verbrechens jünger als 18 Jahre war.”

Ebenso wie al-Barti berichteten mehrere Jugendstraftäter, dass sie in Polizeihaft bedroht, misshandelt und gefoltert worden waren, was dazu geführt hätte, dass sie falsche Geständnisse abgelegt haben.

„Sie haben mich mit ihren Händen geschlagen. Manchmal haben sie mich mit Elektroschocks misshandelt, bis ich umgefallen bin”, so Ibrahim al-Omaisy, einer der Personen mit denen Human Rights Watch sprach. „Wenn sie mich zu diesem Zeitpunkt gefragt hätten, ‚Hast Du 1000 getötet‘, hätte ich aus Angst ‚Ja‘ gesagt.“

Die drei mutmaßlichen Jugendstraftäter, die den Berufungsweg ausgeschöpft haben, sind

 

Mohammed Taher Sumoom, Walid Hussein Haikal und Mohammad al-Tawil. Der ehemalige jemenitische Präsident Ali Abdullah Salih unterschrieb ihre Hinrichtungsbefehle, bevor er im Februar 2012 zurücktrat. Die Unterschrift des Präsidenten ist der letzte Schritt vor der Hinrichtung.

Haikal berichtete Human Rights Watch, dass ihm der Mord an einem Mann aus seiner Nachbarschaft im Jahr 2000 vorgeworfen worden war, als er in der siebten Klasse war. Nach seiner Verhaftung wurde er zwei Monate in der Unterschungsabteilung des Innenministerium festgehalten und von Polizisten geschlagen und gefoltert, weshalb er ein falsches Geständnis ablegte.

Seit 1994 ist die Todesstrafe für Jugendstraftäter im jemenitischen Strafgesetzbuch abgeschafft. Eine zehnjährige Gefängnisstrafe wurde als Höchststrafe für Straftäter festgelegt, die zum Zeitpunkt des Verbrechens jünger als 18 Jahre alt waren. Doch Jugendstraftäter stehen vor großen Hindernissen, wenn sie ihr Alter vor Gericht belegen wollen. In einigen Fällen hatten die Angeklagten einfach nicht die entsprechende Dokumentation, um zu beweisen, dass sie zum Zeitpunkt der Straftat jünger als 18 Jahre alt waren. Weltweit ist Jemen eines der Länder mit der geringsten Registrierungquote von Geburten: bei einer Bevölkerung von mehr als 24 Millionen Einwohnern werden nur 22 Prozent der Geburten registriert und nur 5 Prozent der Geburten von Kindern, die in armen Verhältnissen oder auf dem Land geboren werden, so UNICEF.

Die jemenitische Regierung soll auch eine unabhängig Überprüfungskommission einrichten, die unabhängig von der Staatsanwaltschaft ist, um klare Verfahren und Richtlinien zu entwickeln, wie das Alter von Angeklagten festgestellt werden kann. Die Kommission soll sowohl frühere als auch zukünftige Fälle überprüfen. Zudem sollen alle Jugendlichen, die eines Mordes und anderer Verbrechen beschuldigt werden, Zugang zu einer Altersbestimmung haben, die einem unabhängigen Prozess folgt, der medizinische Belege, neutrale Aufzeichnungen und Interviews umfasst.

Doch selbst wenn Angklagte nachweisen konnten, dass sie zum Zeitpunkt des Verbrechens jünger als 18 Jahre waren, so wurde dies von den Richtern einfach ignoriert. Bashir Muhammad al-Dihar wurde von einem Gericht in Sanaa zum Tode verurteilt. Er berichtete Human Rights Watch, dass der Richter während der Urteilsverkündung sagte, selbst wenn er zehn Jahre alt wäre, so werde Mord mit Hinrichtung bestraft. Im Februar 2013 wurde al-Dihar darüber informiert, dass ein Berufungsgericht seine Strafe auf sieben Jahren Gefängnis reduziert hatte – wegen seines Alters. Er berichtete Human Rights Watch, dass er befürchtet, Jemens Oberstes Gericht könnte die Todesstrafe in seinem Fall aufrecht erhalten.

Jemen hat sowohl die Internationale Konvention über bürgerliche und politische Rechte als auch die Kinderrechtskonvention ratifiziert, die die Todesstrafe für Straftäter ausdrücklich verbieten, die zum Zeitpunkt des Verbrechens jünger als 18 Jahre sind.

Wenn das Gericht nicht sicher feststellen kann, dass ein Angeklagter zum Zeitpunkt des Verbrechens 18 Jahre oder älter war, ist durch internationals Recht festgeschrieben, dass das Gericht die Todesstrafe nicht verhängen darf. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes, der die Kinderrechtskonvention auslegt, hat klargestellt, dass wenn kein Beleg für das Alter existiert, das Kind den Anspruch auf eine verlässliche Untersuchung hat, durch die ihr oder sein Alter festgestellt werden kann. Wenn kein klares Ergebnis möglich ist, so soll zugunsten des Kindes entschieden werden.

Jemen ist eines von nur vier Ländern, das in den letzten fünf Jahren Personen wegen Verbrechen hingerichtet hat, die sie als Kind begangen haben. Die anderen Länder sind Iran, Saudi-Arabien und Sudan.

Human Rights Watch lehnt die Todesstrafe grundsätzlich als irreversible und unmenschliche Form der Bestrafung ab.

„Die Regierung kann nun wirklich zeigen, dass sie den Schutz von Kindern – den verletzlichsten Mitgliedern der Gesellschaft - ernst nimmt, indem sie die Hinrichtungsbefehle in den anstehenden Fällen von Jugendstraftätern aufhebt und das selbst beschlossene Verbot der Hinrichtung von Jugendstraftätern achtet“, so Motaparthy. „Jugendstraftäter vor Erschießungskommandos zu stellen ist kaum der richtige Weg, um zu zeigen, dass Jemen die Menschenrechte achtet.“

Your tax deductible gift can help stop human rights violations and save lives around the world.