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Kasachstan: OSZE-Verpflichtungen müssen erfüllt werden

Kaum Fortschritte bei Menschenrechten ein Jahr nach Zusage des Vorsitzes

 

(New York, 1. Dezember 2008) - Die Regierung Kasachstans soll die Menschenrechtssituation in ihrem Land wesentlich verbessern, bevor sie den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernimmt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Kasachstans Menschenrechtbilanz entspricht nicht den Anforderungen der OSZE. Damit droht der Vorsitz Kasachstans im Jahr 2010, die Menschrechtsprinzipien der Organisation zu untergraben.

Der 55-seitige Bericht „An Atmosphere of Quiet Repression: Freedom of Religion, Expression and Assembly in Kazakhstan" erscheint wenige Tage vor dem Treffen des OSZE-Ministerrats in Helsinki. Human Rights Watch dokumentiert darin die weit reichenden Einschränkung der Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Kasachstan, die gegen internationale Verpflichtungen des Landes verstoßen.

„Kasachstan darf bei der Stärkung der Menschenrechte keine Zeit verlieren", so Rachel Denber, Leiterin der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Bevor das Land 2010 den Vorsitz der OSZE übernimmt, soll es seinen Bürgern und der Welt zeigen, dass es die Reformen ernst nimmt."

Vor einem Jahr entschied die OSZE, Kasachstan 2010 als erster der ehemaligen Sowjetrepubliken den Vorsitz zu übertragen. Eine Kernaufgabe der OSZE ist es, die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Mitgliedsstaaten zu gewährleisten.

Die OSZE traf diese Entscheidung, nachdem die kasachische Regierung unter anderem zugesichert hatte, eine Reihe restriktiver Wahl- und Mediengesetze zu reformieren. Am 11. November legte die Regierung dem Parlament ihre Gesetzentwürfe vor, die offensichtlich jedoch nur geringfügige Änderungen enthalten. Der Wortlaut der Gesetze wurde noch nicht bekannt gegeben. Die Regierung veröffentlichte jedoch am 11. November eine Erklärung, in der die Änderungen zusammengefasst werden.

„Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Sie werden den Problemen aber nicht gerecht, und sie weisen nicht den Weg zu echten Veränderungen", so Denber. „Zudem gibt es in der kasachischen Menschenrechtspolitik auch auf anderen Gebieten Defizite und Reformbedarf."

Der Human Rights Watch-Bericht beschreibt, wie die Behörden religiöse Minderheiten als Sekten oder „nicht-traditionell" einstufen, beobachten und unter Druck setzen. Die Medien berichten ablehnend und abschätzig über Gruppen wie „Krishna Bewusstsein", muslimische Minderheiten, Zeugen Jehovas und andere. Einige dieser Religionsgemeinschaften wurden bei der Registrierung behindert, die erforderlich ist, um legal zu agieren. Sie wurden zur Zielscheibe von Razzien, Kontrollen und Forderungen der Regierung nach ihrem Land und Besitz. Das Vorgehen gegen Missionare, die sich ebenfalls registrieren und ihre Schriften von lokalen Behörden genehmigen lassen müssen, führte zu einer Reihe von Abschiebungen.

Am 26. November verabschiedete das Parlament das Religionsgesetz, obwohl eine Expertengruppe des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte Tags zuvor mit dem Justizministerium vereinbart hatte, die Novelle nochmals prüfen zu lassen.

Zwar hatte Human Rights Watch noch nicht Gelegenheit, die verabschiedeten Gesetzesänderungen zu bewerten. Doch sieht der letzte dem Senat übermittelte Entwurf verstärkte Kontrollen vor, die das Recht auf freie Religionsausübung verletzen, etwa durch die übermäßige Regulierung von Missionierungsarbeit und drakonische Einschränkungen bei der Verbreitung religiösen Materials.

Journalisten arbeiten in einem Klima der Angst, eingeschüchtert durch drohende Gerichtsverfahren und nicht selten auch persönliche Drohungen. Verleumdung ist weiterhin ein Straftatbestand. Hinter vorgehaltener Hand beschreiben Journalisten ihr Arbeitsumfeld als äußerst restriktiv und sagen, es gebe Themen, über die sie es nicht wagten zu berichten. Drohanrufe, Polizeibesuche und häufige Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Alle Radio- und Fernsehsender werden de facto von der Regierung oder ihren Verbündeten kontrolliert. Regierungskritische Internetseiten werden häufig von den Behörden gesperrt.

Die Änderungen des Mediengesetzes vom 11. November beheben diese Missstände nicht. Der Entwurf sieht unter anderem vor, die Registrierungspflicht für Fernseh- und Radiosender abzuschaffen, die jedoch ohnehin eine Sendegenehmigung von der Regierung benötigen. Dieser Schritt ist zwar begrüßenswert, doch bringt er keine Liberalisierung des Registrierungsprozesses für andere Medien.

Öffentliche Versammlungen werden sehr strikt kontrolliert und politische öffentliche Versammlungen werden zumeist nicht genehmigt, von der Polizei aufgelöst oder beides. In jeder Stadt, die Human Rights Watch besucht hat, berichteten Bürgerrechtsgruppen, dass es ihnen verboten sei, sich im Stadtzentrum zu versammeln oder zu demonstrieren. Stattdessen würden ihnen außerhalb der Stadt gelegene und schwer erreichbare Flächen für öffentliche Versammlung zugewiesen. Offizielle Demonstrationen dürfen jedoch im Stadtzentrum stattfinden.

„Auch wenn in Kasachstan Versammlung kaum gewaltsam niedergeschlagen werden, ist die Unterdrückung spürbar und wirksam", so Denber. „Die OSZE soll das Treffen ihres Ministerrats in Helsinki nutzen, um die kasachische Regierung zur Rechenschaft zu ziehen und aufzufordern, die Prinzipien der Organisation durch ihr eigenes Beispiel zu stärken."

Human Rights Watch ruft die Regierung Kasachstans auf, rasch und konsequent die Menschenrechtsreformen voran zu treiben, die sie der OSZE in Aussicht gestellt hat und die für OSZE-Mitglieder verpflichtend sind. Insbesondere fordert Human Rights Watch von der Regierung:

    • eine Revision des Entwurfs des Religionsgesetzes, um es in Einklang mit der kasachischen Verfassung und mit internationalem Recht zu bringen;
    • die Veröffentlichung der Bewertung dieses Gesetzesentwurfs durch das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte;
    • die Aussetzung aller Strafprozesse wegen Verleumdung und eine Prüfung der relevanten Artikel im Strafgesetzbuch mit dem Ziel, den Straftatbestand der Verleumdung abzuschaffen und für Urteile wegen übler Nachrede eine Höchststrafe festzusetzen;
    • die Abschaffung von Rechtsvorschriften, welche die Wahl von Orten unnötig einschränken, an denen Demonstrationen stattfinden dürfen.

Human Rights Watch forderte auch die Mitgliedsstaaten der OSZE auf, Kasachstan zur Umsetzung der unverzichtbaren Reformen zu drängen.

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