Interviews mit Mitarbeiterinnen
auf Englisch
Interview mit einer Expertin für Untersuchungsmissionen
Frage: Was sind die ersten Schritte beim Planen einer Untersuchungsmission?
Antwort: Bei den Vorbereitungen einer Untersuchungsmission stehen alle Mitarbeiterinnen vor zwei grundlegenden Fragen: Auf was für Menschenrechtsverletzungen wollen wir uns konzentrieren? Auf welches Land sollen wir uns konzentrieren?
Aus vielen Ländern der Welt erhalten wir Berichte von Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen. Bevor wir ein Untersuchungsthema festlegen, gehen wir daher durch eine strategische Checkliste: Würde ein HRW Bericht die Situation der Frauen verbessern? Glauben örtliche
Frauenrechtsaktivisten, dass ein Bericht einer internationalen
Nichtregierungsorganisation (NGO) ihre Arbeit und ihr eigenes Eintreten
unterstützen würde? Ist dies das wichtigste Thema, auf das sich die Frauenrechtsabteilung im Moment konzentrieren sollte? Gibt es Bereiche, in denen wir politisch etwas ausrichten und Verbesserungen im
Bereich der Frauenrechte bewirken können? Können wir unsere Nachforschungen langzeitlich durchführen? Das Team der Frauenrechtsabteilung diskutiert diese Fragen,
nachdem wir mit regionalen NGOs konsultiert haben.
Sobald wir uns auf ein Land und eine Strategie festgelegt haben,
beginnen wir, Informationen über die Gesetzeslage, neueste
Entwicklungen, Schlüsselfiguren und Presseberichte über die Menschenrechtslage zu sammeln. Außerdem kooperieren wir mit NGOs vor Ort, um ein Untersuchungskonzept zu erstellen und mit
der Planung der Untersuchungsmission zu beginnen.
Die Vorbereitung einer Untersuchungsmission kann einen Monat oder länger dauern.
Frage: Wie knüpfen Sie Kontakt mit lokalen NGOs?
Antwort: HRW bemüht sich, ständig in Kontakt mit Organisationen vor Ort zu stehen. Wenn wir unseren alljährlichen Weltbericht erstellen aber auch während der Vorbereitungsphase von Untersuchungsmissionen konsultieren wir mit lokalen Frauengruppen. Wir sind überzeugt, dass der Erfolg unserer Arbeit maßgeblich von der Kooperation mit örtlichen
Menschenrechtsgruppen abhängt - von Gruppen, die
Menschenrechtsverletzungen beobachten, dokumentieren und publizieren und
solchen, die verschiedene Leistungen anbieten. Schließlich hoffen wir,
dass unsere Berichte lokalen Gruppen dabei helfen, wirksame Strategien
zur Einflussnahme zu entwickeln und Veränderungen vor Ort zu bewirken.
Frage: Interviewen Sie Opfern von Menschenrechtsverletzungen? Wie lange sind diese Interviews?
Antwort: Unsere Methodik schließt Interviews mit Missbrauchsopfern
ein. Wenn ich zu einer Untersuchungsmission
aufbreche, ist mein Hauptziel, Frauen zu finden, die über Menschenrechtsverletzungen sprechen und die Verantwortlichen identifizieren können. Häufig leiden die Opfer unter schweren Traumata. Wir sind daher aufs Äußerste bemüht, eine Retraumatisierung der Opfer zu vermeiden:
Ich interviewe nur Frauen, die mir ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben haben. Die Frauen bestimmen das Tempo der Fragen und können das Interview jederzeit
abbrechen. Die Interviews können von einer halben bis hin zu drei
Stunden dauern, je nach Verlauf und Inhalt.
Frage: Interviewen Sie Regierungsbeamte? Wie reagieren diese auf Ihre Untersuchungen?
Antwort: Wir sind stets bemüht, Regierungsvertreter zu interviewen und
ihre Einschätzung zu den von uns ermittelten Menschenrechtsverletzung
zu erhalten. Dies ist für Ausgewogenheit der
Untersuchung sehr wichtig. Manchmal streiten die Beamten die Vorwürfe ab, manchmal stimmen sie
ihnen zu, manchmal schießen sie bei ihren Aussagen auch Eigentore. Wir
versuchen diese Interviews jeweils am Ende einer Mission durchzuführen,
um die Staatsbediensteten mit unseren Ergebnissen zu konfrontieren. Wir
verletzen jedoch niemals die Vertraulichkeit der Zeugen oder der Opfer, die
mit uns gesprochen haben.
Frage: Was geschieht sonst noch bei einer Untersuchungsmission?
Antwort: Untersuchungsarbeit erfordert Kreativität. Häufig spreche ich
mit Krankenschwestern, wenn ich auf der Suche nach Beweisen für
Vergewaltigung als ein Kriegsverbrechen bin, sammle Gerichtsakten über
spezifische Fälle bei der Untersuchung von Frauenhandel, gehe Berichten
der örtlichen Presse über ein Menschenrechtsproblem nach und sehe
forensisch-medizinische Berichte durch, wenn ich mich mit den
staatlichen Reaktionen auf Gewalt gegen Frauen beschäftige. Die
stärksten und zwingendsten Beweise kommen immer von den Opfern der
Menschenrechtsverletzung selbst. Ich benutze aber auch andere Beweise, um die Aussagen der Opfer zu erhärten und das Versagen eines Staates aufzudecken.
Frage: Auf was für Hindernissen stoßen Sie?
Antwort: Hindernisse gibt es im Überfluss. Die Missionen erfordern
manchmal lange Warteperioden - z.B. auf Gespräche mit
Regierungsvertretern oder mit Frauen, die sind in Hafteinrichtungen
befinden. Außerdem verbringe ich einen großen Teil der Zeit damit,
Frauen ausfindig zu machen, die gewillt sind, über den tief
traumatisierenden Missbrauch, wie z.B.
Gewalt in der Familie, Vergewaltigung oder Zwangsprostitution, zu sprechen.
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