Background Briefing

Deutschland

Metin Kaplan (Aktualisierung)26

Metin Kaplan, ein radikaler muslimischer Kleriker, wurde im Oktober 2004 von der deutschen Regierung basierend auf diplomatischen Zusicherungen in die Türkei abgeschoben. Im Mai 2003 vermied ein deutsches Gericht die Auslieferung Kaplans, da menschenrechtliche Bedenken vorlagen. Unter anderem ging es darum, dass diplomatische Zusicherungen gegen Folter unzureichend sind und ein ungerechtes Gerichtsverfahren zu erwarten wäre. Aufgrund dieses Urteils ersuchten die deutschen Behörden die türkische Regierung, umfangreichere Zusicherungen abzugeben. Kaplan focht die Entscheidung mehrmals rechtlich an, kam damit jedoch nicht durch und wurde infolgedessen abgeschoben. Die deutsche Regierung rechtfertigte die Ausweisung Kaplans damit, dass schriftliche Zusicherungen der türkischen Außen- und Justizministerien vorlagen, wonach Kaplan nach seiner Rückkehr ein faires Gerichtsverfahren gewährt werden würde.

Im Juni 2005 wurde Kaplan in der Türkei zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Man warf ihm vor, mit seiner in Köln ansässigen Extremistengruppe „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden“, die auch unter dem Namen „Hilafet Devleti“ (Kalifatstaat) bekannt ist, den Sturz des weltlichen Systems der Türkei vorbereitet zu haben. Ein türkisches Berufungsgericht erklärte dieses Urteil im November 2005 einstimmig als nicht rechtmäßig, da das Gerichtsverfahren aufgrund von Verfahrensmängeln und unzureichender Ermittlung als nicht fair befunden wurde.27 Laut Kaplans Anwalt, Husnu Tuna, wurde der Kleriker basierend auf Beweisen aus einem früheren Fall verurteilt, für den gerichtsmedizinische Nachweise dafür vorlagen, dass viele der Angeklagten gefoltert worden waren.28

Kaplans Berufungsverfahren begann am 28. April 2006. Nach Aussagen von Kaplans Anwalt hat das türkische Gericht dafür Vorladungen für zwei Zeugen ausgestellt, die beide geltend machten, dass sie bei Kaplans ursprünglichem Gerichtsverfahren durch Gewalt zu belastenden Aussagen gezwungen worden waren. Das Berufungsverfahren wurde dann jedoch auf den 26. Juli 2006 verschoben. Tunas Bitte wurde abgelehnt, Kaplan bis zur Urteilsprechung in diesem Berufungsverfahren freizulassen. Als dieses Dokument verfasst wurde, waren die Anhörungen in Kaplans Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen.



26 Human Rights Watch, „Empty Promises“ (Englisch), S. 31 - 32. Siehe auch Kommentar von Human Rights Watch zu „State Replies: CDDH Questionnaire on Diplomatic Assurances“ (Englisch), S. 4 - 5.

27 „Turkey Overturns Life Sentence against ‚Caliph of Cologne‘“ (Englisch), Agence France-Presse, 30. November 2005. Bedenken über faire Gerichtsverfahren in der Türkei wurden in einem kürzlich im Auftrag von Amnesty International Deutschland, Pro Asyl und der Holtfort-Stiftung veröffentlichten 300-seitigen Gutachten von Helmut Oberdiek geäußert:

„Rechtsstaatlichkeit politischer Verfahren in der Türkei“, 23. Februar 2006, http://www.ecoi.net/pub/mk1122_7888tur.pdf (am 1. Januar 2007 verwendet; der Fall Kaplan wird auf den Seiten 193 bis 234 im Detail beschrieben. Siehe auch folgende Veröffentlichung des amerikanischen Außenministeriums (Dienststelle für Demokratie, Menschenrechte und Arbeitsfragen): „Country Report on Human Rights Practices - 2005: Turkey“ (Englisch), 8. März 2006, http://www.state.gov/g/drl/rls/hrrpt/2005/61680.htm (am 1. Januar 2007 verwendet).

28  Kommunikation per E-Mail zwischen Husnu Tuna, dem Anwalt von Metin Kaplan, und Human Rights Watch, 2. März 2006.