Am 29. September wird Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Präsidenten der fünf zentralasiatischen Länder Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zusammenkommen. Regionale Spannungen, insbesondere seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine, werden wahrscheinlich die Tagesordnung bestimmen. Deutschland sollte die Gelegenheit nutzen, um die zentralasiatischen Staatschefs mit der katastrophalen Menschenrechtslage in ihren Ländern zu konfrontieren.
Der Ukraine-Krieg hat diese strategisch wichtige und rohstoffreiche Region ins Blickfeld gerückt. Deutschland wird die fünf Länder bei dem Treffen am Freitag voraussichtlich auffordern, es nicht zuzulassen, dass Moskau Handelsrouten durch ihre Region nutzt, um Sanktionen zu umgehen. Das Treffen wird das erste seiner Art sein, das von einem deutschen Bundeskanzler oder einem anderen europäischen Staatsoberhaupt geleitet wird. Erst letzte Woche fand der erste Gipfel im C5+1-Format zwischen einem US-Präsidenten und seinen zentralasiatischen Amtskollegen statt. Im Anschluss an dieses Treffen gaben Joe Biden und die Staats- und Regierungschefs der fünf Länder eine gemeinsame Erklärung ab, in der sie sich verpflichten, für den Schutz der Menschenrechte einzutreten.
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, ist seit Oktober letzten Jahres zweimal mit zentralasiatischen Staatschefs zusammengetroffen, und auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird am Freitag mit seinen fünf Amtskollegen zusammenkommen.
Politisch motivierte Strafverfolgung, Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und Straffreiheit für Folter sind in Zentralasien weit verbreitet. Bei Zusammenstößen während der Proteste in Kasachstan und Usbekistan im Jahr 2022 kamen mehr als 250 Menschen ums Leben, ohne dass die Verantwortlichen für diese Todesfälle zur Rechenschaft gezogen worden wären. In Kirgisistan greift die Regierung verstärkt die Zivilgesellschaft und unabhängige Medien an. Tadschikistan hat die Regierung die Unterdrückung der Opposition verschärft und ist gewaltsam gegen friedliche Dissident*innen in der autonomen Region Gorno-Badachschan vorgegangen. Und Turkmenistan gilt nach wie vor als eines der am stärksten abgeschotteten und repressivsten Länder der Welt.
Deutschland sollte seine Stellung als führender Handels- und Investitionspartner in Zentralasien und als zentrales Glied bei der Umsetzung der Zentralasien-Strategie der Europäischen Union nutzen, um gegenüber diesen autoritären Staaten klarzustellen, dass eine langfristige Partnerschaft mit Europa nur möglich ist, wenn sie grundlegende Menschenrechtsstandards einhalten und die Rechtsstaatlichkeit achten.
Angesichts der mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine verbundenen Krise suchen führende zentralasiatische Politiker*innen nun engere Beziehungen zu neuen Verbündeten, auch in Europa. Deutschland sollte diese neue Chance ergreifen, allerdings zu Bedingungen, die die Rechte der Menschen in der gesamten Region fördern.