(Seoul) - In Südkorea werden junge lesbische, schwule, bisexuelle und transgender Menschen (LGBT) in Schulen ausgegrenzt, angegriffen und schikaniert, so Human Rights Watch und die Allard K. Lowenstein International Human Rights Clinic der Yale Law School in einem heute veröffentlichten Bericht.
Der 76-seitige Bericht, „‘I Thought of Myself as Defective‘: Neglecting the Rights of LGBT Youth in South Korean Schools“ kommt zu dem Schluss, dass Mobbing und Schikanierung, der Mangel an vertraulicher psychologischer Unterstützung, der Ausschluss von den Lehrplänen und die Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität besonders drängende Probleme für LGBT-Schüler*innen darstellen. Die südkoreanische Regierung sollte Antidiskriminierungsmaßnahmen einführen und sicherstellen, dass LGBT-Jugendliche über unterstützende Ressourcen verfügen, um ihre Gesundheit und Bildung zu schützen.
„LGBT-Schüler*innen werden in Südkorea in der Schule oft schikaniert und diskriminiert, sowohl von Erwachsenen als auch von anderen Schüler*innen“, sagte Ryan Thoreson, Forscher für LGBT-Rechte bei Human Rights Watch. „Ohne klare Schutzmechanismen leiden viele Schüler im Stillen auf Kosten ihrer Bildung und ihrer Gesundheit.“
Human Rights Watch und die Lowenstein Clinic befragten 26 aktuelle und ehemalige Schüler*innen sowie 41 Lehrer*innen, Eltern, Dienstleister*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen vor allem in Seoul, in Cheongju (Provinz Nord-Chungcheong) und in Cheonan (Provinz Süd-Chungcheong). Viele der Schüler*innen gaben an, sie hätten sich allein gefühlt, als sie bemerkten, dass sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender sind, und dass sie nicht wussten, an wen sie sich wenden konnten, um Informationen und Unterstützung zu erhalten, wenn sie Fragen hatten oder in der Schule schlecht behandelt wurden.
Obwohl einige Gemeinden Verordnungen zu den Rechten von Schüler*innen erlassen haben, die eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität verbieten, hat die nationale Regierung noch kein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz erlassen, das Menschen in Bildungseinrichtungen und anderen Bereichen, so auch in der Arbeitswelt, schützen würde. Die Nationale Menschenrechtskommission Koreas kann zwar Beschwerden über die Diskriminierung von LGBT-Personen entgegennehmen, verfügt aber nicht über eine solide Durchsetzungsbefugnis, um sicherzustellen, dass diejenigen, die diskriminiert werden, auch Rechtsschutz erhalten.
Die jungen Menschen, die für den Bericht befragt wurden, berichteten, dass sie ausgeschlossen und ausgegrenzt werden. Sie werden Opfer von Online-Angriffen, zudem werden sie körperlich und sexuell belästigt. Eine 22-jährige lesbische Frau erinnerte sich, dass sie nach Bekanntwerden ihrer sexuellen Orientierung an ihrer Sekundarschule schikaniert wurde: „die älteren Schüler kritisierten mich und sagten: ‚du bist homosexuell, du bist schmutzig‘“.
Ein 17-jähriges Mädchen erinnerte sich, wie ein Klassenkamerad sagte, Homosexuelle sollten sterben.
Auch Transgender-Schüler*innen haben mit den geschlechtsspezifischen Einschränkungen in Schulen zu kämpfen. Viele südkoreanische Schulen teilen die Schüler*innen nach Geschlecht ein oder haben geschlechtsspezifische Kleiderordnungen oder Einrichtungen, und sie erlauben Transgender-Schüler*innen nicht, diese entsprechend ihrer Geschlechtsidentität zu besuchen. Dies kann die Betroffenen besonders belasten, da sie sich so möglicherweise dauerhaft unwohl fühlen oder unter Druck geraten, was wiederum ihre Bildungsmöglichkeiten gefährdet.
Die Missstände, denen junge LGBT-Menschen in den Schulen ausgesetzt sind, werden durch einen Mangel an Unterstützung noch verschärft. Es gibt keine einheitlichen Ausbildungsstandards für Schulberater*innen, die sicherstellen würden, dass diese für die Arbeit mit LGBT-Jugendlichen qualifiziert sind. Die Schüler*innen gaben an, dass sie Angst davor haben, sich Lehrer*innen oder Berater*innen anzuvertrauen, weil sie befürchten, dass diese die Gespräche nicht vertraulich behandeln würden oder sie wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität kritisieren könnten.
Bestehende Programme zum Schutz der Rechte und des Wohlergehens von Schüler*innen berücksichtigen häufig nicht die Bedürfnisse von LGBT-Schüler*innen. Südkorea hat zwar Beratungszentren für junge Menschen und eine Jugend-Hotline für psychologische Hilfe eingerichtet, aber junge Menschen, die diese Dienste in Anspruch genommen haben, sagten, dass diese unterschiedliche sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten nicht gutheißen und bisweilen sogar offen kritisieren. Der nationale Lehrplan für Sexualerziehung enthält keine Inhalte zu LGBT-Themen. Die Schüler*innen gaben an, dass LGBT-Themen in anderen Fächern nur selten diskutiert oder in einem negativen Licht dargestellt wurden.
Vorschläge zum Schutz von LGBT-Rechten stoßen auf erbitterten Widerstand bei konservativen Gruppen, die sich lautstark gegen jede Anerkennung oder jeden gesetzlichen Schutz für LGBT-Personen aussprechen. Trotz der wachsenden Unterstützung für LGBT-Rechte in der Bevölkerung waren die Gesetzgeber bislang nicht in der Lage, ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden, so dass LGBT-Personen weiterhin dem Risiko ausgesetzt sind, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität entlassen, verdrängt oder anderweitig schikaniert, belästigt oder ausgegrenzt zu werden.
Gesetzgeber und Schulbehörden sollten unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Schulen sichere und integrative Umgebungen für LGBT-Schüler*innen sind, so Human Rights Watch und die Lowenstein Clinic. Die Nationalversammlung sollte ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz und Schutzmaßnahmen gegen Mobbing an Schulen auf den Weg bringen. Das Bildungsministerium und das Ministerium für Geschlechtergleichstellung und Familie sollten Maßnahmen ergreifen, um LGBT-Themen in den nationalen Lehrplan für Sexualerziehung und in die Ressourcen für psychische Gesundheit aufzunehmen, die jungen Menschen in Südkorea zur Verfügung stehen.
Die Schulbehörden sollten Maßnahmen ergreifen, um Inklusion und Unterstützung zu fördern, u.a. durch Maßnahmen zur Einbeziehung von LGBT-Themen in die Ausbildung und die Lehrpläne sowie durch Systeme zur vertraulichen Meldung und Unterstützung, wenn Schüler*innen Opfer von Angriffen werden oder in Not geraten.
„Schulen müssen sichere und integrative Orte sein, damit alle jungen Menschen lernen können“, sagte Thoreson. „Der Gesetzgeber und die Schulbehörden müssen sinnvolle Schritte unternehmen, damit LGBT-Schüler*innen in Südkorea ohne Angst vor Mobbing, Ausgrenzung und Bloßstellung lernen und sich entfalten können.“