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Usbekistan: Menschenrechtsverteidiger verliert Berufungsverfahren
(New York, 26. September 2003) - Das Urteil gegen den Menschenrechtsverteidiger Ruslan Scharipow wegen homosexueller Handlungen wurde durch ein usbekisches Berufungsgericht bestätigt, sagte Human Rights Watch heute. Die Verurteilung stellt eine Missachtung seiner Grundrechte dar.

"Ruslan Scharipow hätte aus der Haft entlassen werden müssen. Stattdessen wird er weiterhin dem Risiko von Folter und Misshandlung ausgesetzt".

Rachel Denber
amtierende Direktorin der Europa und Zentralasien Abteilung von Human Rights Watch


 

Ruslan Scharipow, der als Journalist und Menschenrechtsverteidiger offen über die Regierungskorruption in Usbekistan geschrieben hatte, erschien mit einem zugeschwollenen Auge, einer Verletzung über dem Auge und einer zerbrochenen Brille im Gerichtssaal. Seine Verletzungen geben großen Anlass zur Sorge, dass Scharipow in der Haft gefoltert wurde.


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"Ruslan Scharipow hätte aus der Haft entlassen werden müssen", sagte Rachel Denber, amtierende Direktorin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. "Stattdessen wird er weiterhin dem Risiko von Folter und Misshandlung ausgesetzt".

In der nicht öffentlichen Sitzung vom 25. September 2003 wurde Scharipows Strafmaß durch ein Taschkenter Bezirksgericht von 5 ½ auf 4 Jahre herabgesetzt. Das Gericht bestätigte die Anklagepunkte hinsichtlich der Homosexualität (Artikel 120 des usbekischen Strafgesetzbuches) und dem sexuellen Kontakt zu Minderjährigen (Artikel 128), ließen jedoch die Anklage wegen Anstiftung Minderjähriger zu "unsozialen Handlungen" (Artikel 127) fallen.

Usbekischen Beamten zufolge habe sich Scharipow die Verletzungen auf dem Weg zum Gerichtssaal bei einem leichten Verkehrsunfall zugezogen - einem Unfall, bei dem offenbar sonst niemand verletzt wurde. Am 17. September bat Scharipow den usbekischen Präsident, Islam Karimow, in einem aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief, die Berufungsverhandlung abzusagen, da er fürchte, man würde ihn durch Folter dazu zwingen, sein Geständnis im Gerichtssaal zu wiederholen. Außerdem habe er große Angst vor Misshandlungen auf dem Weg zum Gericht.

Seit seiner Verhaftung am 29. Mai 2003 steht Scharipow dem Risiko gefoltert und misshandelt zu werden, gegenüber. So hätten Polizeibeamte Scharipow in den ersten Tagen nach seiner Verhaftung Vergewaltigung mit einer Flasche und andere körperliche Misshandlungen angedroht. In einem am 5. September aus dem Gefängnis geschmuggelten Brief berichtete Scharipow, dass Gefängnisbeamte ihm eine Gasmaske über den Kopf gezogen, ihm ein unbekanntes Mittel in den Rachen gesprüht und ein ebenfalls unbekanntes Mittel injiziert hätten. Außerdem hätte man ihm damit gedroht, ihm das HIV-Virus zu injizieren und ihn dazu gezwungen einen Abschiedsbrief zu schreiben. Andere Beamte hätten physische Gewalt gegen seine Anwälte angekündigt, falls Scharipow sie nicht entlassen würde. Überdies verlangten sie, er solle die Regierung für die "Desinformation", die er über sie verbreitet habe, um Verzeihung bitten.

Am 28. August, etwa einen Monat nach Scharipows Verurteilung, wurde dessen Strafverteidiger Surat Ikramow von maskierten Männern in getarnten Uniformen entführt und brutal zusammengeschlagen. Der Innenminister kündigte eine Untersuchung des Falls an, äußerte sich jedoch bis heute nicht zu etwaigen Ergebnissen.

Weil sich Scharipow wegen seiner Verletzung schlecht fühlte, hatte die Verteidigung eine Vertagung des Gerichtsverfahrens gefordert. Der Antrag wurde jedoch vom vorsitzenden Richter zurückgewiesen.

"Die internationale Gemeinschaft sollte bei der usbekischen Regierung die sofortige Haftentlassung Scharipows und eine unabhängige Untersuchung des Falls und der Haftbedingungen Scharipows fordern," sagte Denber. "Außerdem muss Usbekistan auch zur Entkriminalisierung der Homosexualität aufgerufen werden."