Die Herausforderungen im Menschenrechtsbereich

Um mangelnde Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte, die effizientere weltweite Führung verlangen, muss man sich wahrlich nicht sorgen. Erst im September 2005 haben Regierungen aus aller Welt in einer historischen Erklärung die Doktrin der Verantwortung für den Schutz von Zivilisten, die von Grausamkeiten in großem Ausmaß bedroht sind, bereitwillig angenommen. Diese Verpflichtung bleibt jedoch hohl, solange Darfur weiterhin als Synonym für Massenmord, Vergewaltigung und Zwangsvertreibung steht und die internationale Gemeinschaft nicht mehr als unzählige wirkungslose Resolutionen der Vereinten Nationen auf den Weg gebracht hat. Die übliche politische Feigheit, wenn es um militärisches Engagement gegen Massenmord geht, ist ein Grund für das unterlassene Einschreiten. Jedoch wurde auch viel zu wenig Druck auf die sudanesische Regierung ausgeübt, eine effektive Schutztruppe zu akzeptieren. Wie vorauszusehen war, beantwortete Khartum diese Schwäche mit Widerstand. Bei Redaktionsschluss im November gab es Zeichen dafür, dass die sudanesische Regierung nachgeben könnte, teilweise aufgrund neuen und willkommenen Drängens durch China. Es bleibt aber weiterhin unklar, ob Khartum der Truppenstationierung mit einem wirkungsvollen Mandat und der nötigen Truppenstärke zustimmen wird, um dem Morden ein Ende setzen zu können, oder ob Khartum selbst seine mörderische Politik beenden wird.

Der amerikanische Einmarsch in den Irak ist Teil des Problems. Die von der Bush-Regierung nachträglich unternommenen Versuche, den Einmarsch als humanitäre Intervention zu rechtfertigen, machen es Regierungen wie etwa der sudanesischen leichter, sich jedem konsequenten Versuch zu widersetzen, die Menschen in Darfur zu retten. Zudem kann ein wesentliches Ziel des Menschenrechtsprinzips, das Werben für die Demokratie, leicht diskreditiert werden, wenn Regierungen dies mit einem militärischen Regimewechsel gleichsetzt. 

In der Zwischenzeit ist das Ziel, Massenmörder vor Gericht zu stellen, besonders in Uganda gefährdet. Dort versuchen Mörder in Verhandlungen, Frieden gegen Straflosigkeit zu erreichen. Terrorismus – die gefährliche Annahme, Zivilisten dürften für politische Ziele ermordet werden – wird in zu vielen Regionen der Welt immer noch akzeptiert. Irak ist in einen religiösen Bürgerkrieg abgeglitten; die Mehrzahl der Opfer sind Zivilisten. Rücksichtslose Unterdrückungsregime gehen mit enormer Grausamkeit  gegen ihre eigene Bevölkerung vor, in Nordkorea, Burma und Turkmenistan. Die Diktaturen in Vietnam, Saudi-Arabien und Syrien bestehen fort. China fällt wieder zurück. Russland und Ägypten unterdrücken Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Peru und Venezuela denken über ähnliche Maßnahmen nach. Iran und Äthiopien unterdrücken die Opposition. Usbekistan bekämpft Dissidenten mit neuer Vehemenz und weigert sich, eine unabhängige Untersuchung zu dem im Mai 2005 stattgefundenen Massaker in der Stadt Andischan zuzulassen. In Zimbabwe treibt der Präsident sein Land lieber in den Ruin, als politische Opposition zu tolerieren. Der Bürgerkrieg ist in Sri Lanka wieder entfacht, in Afghanistan nimmt er an Stärke zu, in Kolumbien geht er weiter und bedroht Nigeria. Israel ging mit willkürlichen Angriffen während seines Krieges im Libanon gegen die Hisbollah vor; die Hisbollah beschoss währenddessen israelische Städte ohne militärische Ziele.

Die zwischenstaatliche Institution, die sich dieser Probleme annimmt – der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen - muss erst beweisen, dass er eine echte Verbesserung gegenüber seiner ineffektiven Vorgängerin, der Menschenrechtskommission, ist. Der Rat muss zuallererst Druck auf menschenrechtsverachtende Regierungen ausüben, um Veränderung zu ermöglichen. Dies erfordert Maßnahmen, die Schritt für Schritt vom Einsatz von Menschenrechtsbeobachtern bis zu öffentlicher Verurteilung reichen können. Der Rat hat bislang nur Israel kritisiert und damit seine ehrenvollen Gründungsziele nicht erfüllt. Das einzige, was er bislang bewerkstelligen konnte, war ein „interaktiver Dialog“ mit UN-Ermittlern und ein geplantes gegenseitiges Kontrollverfahren („peer review“) auf den Weg zu bringen. Dadurch ließ der Rat sein schlagkräftigstes Mittel – die kollektive Verurteilung durch andere Regierungen - außer Acht. Dieses Scheitern könnte zu der Frage führen, ob die Vereinten Nationen überhaupt in der Lage sind, weltweite Menschenrechtsstandards aufrechtzuerhalten. Befürworter der „Koalition der Willigen“, das Gegenteil des von den Vereinten Nationen propagierten Ideals universeller Standards, behalten solange die Oberhand, bis andere Regierungen sie zu Gunsten der Menschenrechte wieder zurückgewinnen.