Background Briefing

USA

Maher Arar (Aktualisierung)47

Maher Arar besitzt die kanadische und syrische Staatsbürgerschaft und wurde im September 2002 im Flughafentransit von US-amerikanischen Behörden festgenommen. Er war auf einem Flug von Tunesien nach Kanada, wo er seit vielen Jahren lebt, in New York zwischenlandete. Nachdem Arar nahezu zwei Wochen lang inhaftiert war und man ihm nicht die Gelegenheit gab, seine Inhaftierung oder die bevorstehende Überführung wirksam anzufechten, wurde er von den US-Immigrationsbehörden nach Jordanien gebracht. Dort fuhr man ihn an die Grenze und lieferte ihn syrischen Behörden aus. Diese Auslieferung erfolgte, obwohl Arar die amerikanischen Beamten mehrmals darauf hingewiesen hatte, dass er in Syrien gefoltert werden würde und zurück nach Kanada reisen möchte.

Die US-Regierung brachte zu ihrer Verteidigung vor, dass sie vor der Auslieferung Arars von der syrischen Regierung diplomatische Zusicherungen eingeholt hatte. Darin hätte sich Syrien verpflichtete, Arar nach seiner Rückkehr nicht zu foltern.

Arar wurde nach zehn Monaten ohne Anklage aus syrischer Haft entlassen und machte glaubwürdig geltend, dass er von Sicherheitsbeamten in Jordanien geschlagen und während seiner Inhaftierung in einem syrischen Gefängnis regelmäßig gefoltert wurde. Dafür wurden Kabel und Elektroden verwendet.48 Noch steht eine Erklärung der US-Regierung aus, weshalb sie Arar nach Syrien und nicht nach Kanada schickte und warum sie annahm, dass die syrischen Zusicherungen glaubwürdig seien, obwohl doch zahlreiche Folterfälle der syrischen Regierung gut dokumentiert sind. Das Gerichtsverfahren, das Arar in einem amerikanischen Bundesgericht mit der Begründung einleitete, dass die US-Regierung seine Menschenrechte verletzt habe, wurde im Februar 2006 eingestellt. Das Gericht entschied, dass eine richterliche Entscheidung in diesem Fall die Fähigkeit der Regierung beeinträchtigen könnte, auswärtigen Angelegenheiten nachzukommen.49 Ein Berufungsverfahren ist noch anhängig.

Die kanadische Regierung rief im Februar 2004 einen unabhängigen Untersuchungsausschuss (Arar-Ausschuss) ins Leben. Er sollte herausfinden, welche Rolle die Polizei und die Sicherheitsbehörden Kanadas bei Arars Festnahme und Auslieferung durch die US-Regierung spielten.50 Der Arar-Ausschuss veröffentlichte seinen Bericht über das Vorgehen kanadischer Beamter am 18. September 2006. Aus diesem Bericht geht ganz klar hervor, dass keine Beweise dafür vorlagen, dass Arar ein Vergehen begangen oder sich an Aktivitäten beteiligt hatte, die die Sicherheit Kanadas gefährdeten. Abschließend wurde festgestellt, dass Arar das unschuldige Opfer ungenauer und irreführender Informationen war, die den US-Behörden von der RCMP (Royal Canadian Mounted Police) bereitgestellt wurden. Die US-Behörden verließen sich anscheinend auf diese Informationen, als sie Arar rechtswidrig nach Syrien überführten.

Der Ausweisungsanordnung ist zu entnehmen, dass die US-Behörden davon überzeugt waren, dass Arars Auslieferung den Verpflichtungen entsprach, die die US-Regierung aufgrund der Anti-Folter-Konvention eingegangen ist.51 In der Anordnung selbst stand nichts darüber, dass die USA von Syrien diplomatische Zusicherungen gegen Folter eingeholt hatte;52 die USA machten diesen Anspruch erst geltend, nachdem Arar freigelassen wurde und behauptete, dass er gefoltert worden war. Diese Behauptung wurde später im Rahmen eines gesonderten Expertenberichts bestätigt, der vom Arar-Ausschuss in Auftrag gegeben wurde.53 Während Arars Inhaftierung in Syrien wurde kanadischen Konsularbeamten gegenüber versichert, dass man Arar gut behandeln würde. All diese Zusicherungen Syriens entsprachen nicht der Realität. Durch den Bericht des Arar-Ausschusses wurde bestätigt, dass Arar während seiner Inhaftierung in Syrien „einen Albtraum“ von Folter erlebte, der tief gehende, verheerende und dauerhafte Folgen auf sein körperliches, psychologisches, soziales und wirtschaftliches Wohlergeben haben wird. In Bezug auf diplomatische Zusicherungen und die Auslieferungspolitik der USA verwies der Ausschuss mit Nachdruck auf Expertenaussagen von Human Rights Watch, und man gestand ein, dass der Fall Arar ein deutliches Beispiel für die Probleme ist, die entstehen, wenn man sich auf solche Zusicherungen verlässt.54

Bekhzod Yusupov

Die US-Regierung machte geltend, dass sie die usbekischen Behörden um Zusicherungen gebeten hatte, um den seit über vier Jahren in den USA inhaftierten Usbeken Bekhzod Yusupov auszuliefern.

Im August 2005 entschied das BIA (Board of Immigration Appeals), dass Bekhzod Yusupov ein Recht auf den Aufschub seiner Ausweisung nach Usbekistan hatte, da sich die US-Regierung aufgrund der Anti-Folter-Konvention dazu verpflichtet hat, niemanden an einen Ort zu schicken, an dem Folter droht. Yusupov ist ein „unabhängiger Muslim“, d.h. er praktiziert den Islam außerhalb staatlicher Institutionen und Richtlinien. Das BIA sah glaubhafte Beweise dafür vorliegen, dass die usbekische Regierung regelmäßig foltert und dies besonders für Personen gilt, die wegen „religiösen Extremismus’“ inhaftiert sind. Yusupov würde daher nach seiner Rückkehr nach Usbekistan „mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit“ gefoltert werden.55

Bekhzod Yusupov wird derzeit vom ICE (US Immigration and Customs Enforcement) im Gefängnis in Milford (Pike County), Pennsylvania, festgehalten. Am 19. Juli 2006 informierte das ICE Yusupov in einem Schreiben mit dem Betreff „Entscheidung über die Fortsetzung der Inhaftierung“ darüber, dass von der usbekischen Regierung Zusicherungen eingeholt werden sollen, durch die gewährleistet wird, dass er nach seiner Rückkehr nicht gefoltert werden würde.56 Am Ende des Schreibens stand, es sei ziemlich wahrscheinlich, dass Yusupov nach Erhalt dieser Zusicherungen und somit in absehbarer Zukunft ausgewiesen werde und er bis zum Erhalt dieser Zusicherungen inhaftiert bleiben würde.

Human Rights Watch und die amerikanische Bürgerrechtsvereinigung ACLU wandten sich daraufhin im September 2006 gemeinsam schriftlich an US-Beamte. Sie brachten darin ihre Bestürzung zum Ausdruck, dass die Regierung von Usbekistan, einem Land, das für den systematischen Einsatz von Folter bekannt ist, diplomatische Zusicherungen einholen wolle.57 In diesem Schreiben wies man darauf hin, dass usbekische Sicherheitsbehörden weiterhin unabhängige Muslime wie Yusupov verhaften und foltern würden und dass ein weiterer unabhängiger Muslim, Imam Ruhiddin Fakhruddinov, festgenommen und während der Haft misshandelt worden war, nachdem er im November 2005 von kasachischen Behörden zwangsweise und gesetzeswidrig von Kasachstan nach Usbekistan ausgeliefert worden war. Aus dem Brief ging auch hervor, dass „[u]sbekische Behörden politische und religiöse Dissidenten (auch Flüchtlinge, die das Land nach dem im Mai 2005 stattgefundenen Massaker von Andischan verlassen hatten) regelmäßig wegen der Unterstützung ‚illegaler religiöser Bewegungen‘ anklagen und sie deswegen inhaftieren. Wegen der hohen Foltergefahr und anderer Misshandlung für Dissidenten in Usbekistan, die wegen der Unterstützung ‚illegaler religiöser Bewegungen‘ angeklagt wurden, hat das amerikanische Außenministerium andere Regierung dazu aufgefordert, usbekischen Forderungen in Bezug auf die Rücksendung solcher Dissidenten nicht stattzugeben. Trotzdem versucht man nach Aussagen des ICE, diplomatische Zusicherungen einzuholen, um die Rückführung im Fall Yusupov durchführen zu können.“58

Im Oktober 2006 wurde Yusupov vom amerikanischen Außenministerium mitgeteilt, dass man nicht mehr versucht, Zusicherungen aus Usbekistan einzuholen. Vielmehr solle er in ein Drittland - möglicherweise Russland – gebracht werden. Der Fall Yusupov hat Befürchtungen aufkommen lassen, dass die US-Regierung die Verhandlung über diplomatische Zusicherungen als Ausrede verwenden könnte, um Menschen länger zu inhaftieren, als es derzeit nach amerikanischem Immigrationsrecht zulässig ist. Bemüht man sich um Zusicherungen, so können schutzwürdige Personen, die normalerweise nach einem Höchstzeitraum freizulassen wären, von der US-Regierung mit der Begründung weiterhin inhaftieren werden, dass sie in naher Zukunft nach Erhalt diplomatischer Zusicherungen gegen Folter ausgeliefert werden können.



47 Human Rights Watch, „Still at Risk“ (Englisch), S. 33 - 36, „Empty Promises“ (Englisch), S. 16 - 17, und Bericht über den kanadischen Ermittlungsausschuss, der das Verhalten kanadischer Beamter in Bezug auf den Fall Maher Arar untersuchte, 7. Juni 2005, http://hrw.org/backgrounder/eca/canada/arar/ (Englisch).

48 Aussage von Maher Arar gegenüber CanWest News Service, 4. November 2003.

49 Amerikanisches Kreisgericht, New York Ost, Arar gegen Ashcroft, Zivilklage Nr. CV-04-0249, http://www.ccr-ny.org/v2/legal/september_11th/docs/Arar_Order_21606.pdf (Englisch; am 1. Januar 2007 verwendet). Siehe auch Webseiten des Center for Constitutional Rights über den Fall Arar unter http://www.ccr-ny.org/v2/legal/september_11th/sept11Article.asp?ObjID=zPvu7s2XVJ&Content=377 (Englisch; am 1. Januar 2007 verwendet).

50 Ermittlungsausschuss für die Handlungen kanadischer Beamter in Bezug auf den Fall Maher Arar, Februar 2004, http://www.ararcommission.ca/ (Englisch; am 1. Januar 2007 verwendet).

51 Julia Hall, Researcherin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch, machte am 7. Juni 2005 vor dem Arar-Ausschuss eine Expertenaussage über die UN-Anti-Folter-Konvention. Auch sprach sie darüber, ob sich die US-Regierung für die Ausweisen Arars auf diplomatische Zusicherungen verlassen hat. Siehe Niederschrift unter http://www.stenotran.com/commission/maherarar/2005-06-07%20volume%2023.pdf (Englisch; am 1. Januar 2007 verwendet). Während ihrer Aussage wurde Hall eine Kopie der für Arar verhängten Ausweisungsanordnung vorgelegt. In dieser Anordnung stand, dass seine Ausweisung mit den Verpflichtungen, die die US-Regierung aufgrund Artikel 3 (Non-Refoulement-Prinzip) der Anti-Folter-Konvention eingegangen ist, vereinbar sei.

52 Ibid.

53 Ermittlungsausschuss für die Handlungen kanadischer Beamter in Bezug auf den Fall Maher Arar, „Report of Professor Stephen J. Toope, Fact Finder“ (Englisch), 14. Oktober 2005, http://www.ararcommission.ca/eng/ToopeReport_final.pdf (am 1. Januar 2007 verwendet). Toope erklärte abschließend, dass Maher Arar in Syrien gefoltert worden war und sich dieser Missbrauch „äußerst negativ“ auf Arar und seine Familie ausgewirkt hat. Ibid., S. 23

54 Ermittlungsausschuss für die Handlungen kanadischer Beamter in Bezug auf den Fall Maher Arar, „Report of the Events Relating to Maher Arar“ (Englisch), 18. September 2006, http://www.ararcommission.ca/eng/AR_English.pdf, S. 176, Fußnote 19 (am 1. Januar 2007 verwendet).

55 Amerikanisches Justizministerium, Dienststelle für die Überprüfung von Immigrationsfällen, Entscheidung des Ausschusses für Immigrationsanfechtungen, Betreff: Bekhzod Yusupov, A79 729 905-York, 26. August 2005, S. 3.

56 Schreiben des ICE (US Immigration and Customs Enforcement Office) über Inhaftierung und Ausweisung an Bekhzod Yusupov (A79 729 905), „Decision to Continue Detention“, 19. Juli 2006, S. 1, im Archiv von Human Rights Watch.

57 Schreiben von Human Rights Watch und American Civil Liberties Union an Richard Boucher, stellvertretender Außenminister, Dienststelle für Süd- und Zentralasien, amerikanisches Außenministerium, 7. September 2006, S. 2, im Archiv von Human Rights Watch.

58 Ibid.