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Sudan: Ölfirmen verstoßen gegen Menschenrechte
(London, 25. November 2003) – Der Versuch der sudanesischen Regierung, die Ölfelder im kriegsgebeutelten Süden des Sudan zu kontrollieren, hat die Zwangsumsiedlung von hunderttausenden Zivilisten nach sich gezogen, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Internationale Ölfirmen sind mitverantwortlich für die Vertreibungen und die damit einhergehenden Zerstörungen und Tötungen.


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“Für die Menschen im Sudan sollte die Ölförderung im Süden des Landes einen Vorteil darstellen. Jedoch hat sie der Bevölkerung nur Leid gebracht”.

Jemera Rone
Sudan-Expertin von Human Rights Watch


 
Der Bericht: “Sudan, Oil, and Human Rights” untersucht, welche Rolle das Öl im sudanesischen Bürgerkrieg gespielt hat. Das 754-seitige Dokument ist der bisher umfassendenste Bericht über die Verbindungen zwischen Rohstoffgewinnung und Menschenrechtsverletzungen.

“Für die Menschen im Sudan sollte die Ölförderung im Süden des Landes einen Vorteil darstellen”, sagte Jemera Rone, die Sudan-Expertin von Human Rights Watch. “Jedoch hat sie der Bevölkerung nur Leid gebracht”.

Der Bericht dokumentiert, wie die Regierung die von den Ölfirmen errichteten Straßen, Brücken und Flugfelder für Angriffe auf die Zivilbevölkerung im ölreichen Süden genutzt hat. Um die Lage weiter zu destabilisieren, hat die Regierung zusätzlich zur regulären Armee, militante islamische Milizeinheiten eingesetzt und Splittergruppen im Süden des Landes mit Waffen ausgerüstet.

Human Rights Watch drängte darauf, dass die laufenden Friedensverhandlungen den Kampf um das Öl sowie die ethnischen Auseinandersetzungen in den südlichen Ölfeldern, die einer anhaltenden Friedenssicherung entgegenstehen, berücksichtigen müssen.

Der Bericht liefert weiterhin Beweise für die Beteiligung der Ölfirmen bei Menschenrechtsverletzungen. Spitzenmanager sollen von Angriffen der Regierung auf zivile Einrichtungen gewusst haben. Dabei wurden unter anderem Krankenhäuser, Kirchen, Schulen und humanitäre Operationen aus der Luft bombardiert.

“Ölfirmen, die im Sudan operieren, wussten von Tötungen, Bombardierungen und Plünderungen”, so Rone. “Sie sind sowohl in öffentlichen als auch privaten Treffen immer wieder darauf aufmerksam gemacht worden. Trotz der anhaltenden Zerstörung setzten sie ihre Geschäfte fort“.

Die Bedingungen für die Bevölkerung in den Ölfeldern hatten sich weiter verschlechtert, nachdem die kanadische Firma Talisman Energy Inc. und die schwedische Firma Lundin Oil AB als Hauptkonzessionäre bei zwei Projekten gearbeitet hatten. Unter wachsendem Druck von Menschenrechtsgruppen hatte Talisman Ende 2002 ihren Anteil an der Bohrkonzession verkauft. Lundin folgte diesem Schritt im darauffolgenden Juni.

Jedoch traten staatliche Ölfirmen aus China und Malaysia, – China National Petroleum Corp. (CNPC) und Petrolium Nasional Berhad, kurz Petronas – zwei Firmen, die bereits mit Talisman und Lundin zusammengearbeitet hatten, an die Stelle der kanadischen und schwedischen Firmen. Als drittes Unternehmen begann die indische ONGC Videsh Ltd. im Sudan zu operieren.

Statistiken der sudanesischen Regierung und den Ölfirmen zeigen, dass mit rund 60 % der 580 Millionen US-$ aus dem Erdölgeschäft in 2001 sowohl für den Ankauf von Waffen als auch für die Entwicklung einer nationalen Waffenindustrie aufgebraucht werden.

“Die sudanesische Regierung hat das Geld auch für Kampagnen verwandt, um hunderttausende Bauern und Hirten aus ihren Häusern, die auf den Ölfeldern liegen, zu vertreiben,“ sagte Rone. “Diese Zivilisten sind nicht friedlich umgesiedelt und entschädigt worden. Regierungstruppen haben hingegen ihre Rinder und Felder verbrannt, Häuser und Dörfer zerstört, Verwandte getötet und verstümmelt und humanitäre Organisationen an ihrer Arbeit gehindert.”

Im Sudan herrscht seit 20 Jahren Bürgerkrieg zwischen der islamischen- und arabisch sprechenden Regierung im Norden und der an den Rand gedrängten afrikanischen Bevölkerung im Südsudan, wo die Sudan People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) die grösste Rebellen-Gruppe ist. Der Krieg hat sich auch auf den Osten und das Zentrum des Landes ausgedehnt. Während im Oktober 2002 ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden ist, wurden die Kämpfe im Süden fortgesetzt.

Der Human Rights Watch Bericht untersucht weiterhin die Rolle der SPLM/A im Kampf um die Ölfelder. Die SPLM/A-Truppen haben schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begangen, einschliesslich Exekutionen von gefangenen Kombattanten. Verantwortliche der SPLM/A haben nichts unternommen, um den Verbrechen nachzugehen.

Mit Unterstützung der USA, Grossbritanniens und Norwegens werden seit Juni 2002 in Kenia Friedensgespräche geführt. Die zwei Streitparteien, die sudanesische Regierung einerseits und die SPLM/A andererseits, haben aber noch keine Vereinbarung getroffen, wie die Einnahmen aus den Ölreserven (die zum Grossteil im Süden liegen) aufgeteilt werden. Die Regierung im Norden hat einem Selbstbestimmungsreferendum in der südlichen Region zugestimmt – jedoch nicht bevor sechseinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages verstrichen sind.

“Hundertausenden zwangsumgesiedelten Zivilisten sollte die Rückkehr in ihr Zuhause im Ölgebiet erlaubt werden – mit entsperchenden Sicherheitsgarantien und Entschädigungszahlungen,” sagte Rone. “Dies muss ein zentraler Teil des Friedensvertrages sein”.