Pressemitteilungen
Afghanistan: Erneute Verbrechen durch Warlords
Report dokumentiert Gefahren für Frauenrechte und Meinungsfreiheit
(New York, 29. Juli 2003) - Afghanische Warlords und hochrangige Politiker, die von den Vereinigten Staaten und anderen Ländern unterstützt werden, tragen zu einem Klima der Angst bei. Die derzeitige Sicherheitslage in Afghanistan droht die neue Verfassung zu unterbinden und könnte die anstehenden Wahlen gefährden, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.


Zu diesem Thema

Killing You Is a Very Easy Thing for Us": Human Rights Abuses in Southeast Afghanistan
HRW Bericht, Juli 2003

Bonner Afghanistan Abkommen ein Jahr später
Pressemitteilung, 5. Dezember 2002



„Nach dem Sturz der Taliban haben die USA und ihre Koalitionspartner den Warlords zur Macht verholfen. Heute begehen diese Warlords die schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen. Die Gegend außerhalb von Kabul wird vollständig von den Warlords kontrolliert. In weniger als einem Jahr stehen Wahlen an – doch Afghanistans Situation im Hinblick auf Menschenrechte scheint sich mit jedem Tag zu verschlechtern“.

Brad Adams
Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch


 
Der Bericht warnt, dass Gewalt und Übergriffe auf Frauen und Kinder den politischen Prozess und die Fortschritte im Bereich der Frauenrechte zunichte machen könnten.

„Nach dem Sturz der Taliban haben die USA und ihre Koalitionspartner den Warlords zur Macht verholfen. Heute begehen diese Warlords die schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen,“ sagte Brad Adams, Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch. „Die Gegend außerhalb von Kabul wird vollständig von den Warlords kontrolliert. In weniger als einem Jahr stehen Wahlen an – doch Afghanistans Situation im Hinblick auf Menschenrechte scheint sich mit jedem Tag zu verschlechtern“.

Der 101-seitige Bericht: „Killing You Is a Very Easy Thing for Us”: Human Rights Abuses in Southeast Afghanistan, dokumentiert unter anderem, wie unschuldige Bürger von Soldaten und Polizei gekidnappt und in inoffiziellen Gefängnissen festgehalten werden. Im Bericht wird von Einbrüchen und Überfällen; von vergewaltigten Frauen und Kindern; von erpressten Geschäftsinhabern, Bus- Lastwagen- und Taxifahrern berichtet. Politische Aktivisten, Journalisten und Redakteure erhalten Morddrohungen und werden von Armee, Polizei und den Sicherheitsbeamten eingeschüchtert. Human Rights Watch besuchte Kabul und den Südosten Afghanistans – die bevölkertste Gegend des Landes.

Vor allem in ländlichen Gebieten trauen sich viele Frauen aus Angst vor der erneuten Gewalt nicht aus dem Haus. Das Klima der Gewalt verhindert den Schulbesuch und das Aufnehmen von Arbeit und trägt dazu bei, dass Frauen nicht an dem Wiederaufbau ihrer Gesellschaft teilnehmen können. Die Sicherheitslage und erneut aufkeimender Fundamentalismus, droht den größten Fortschritt im Bereich der Menschenrechte zunichte zu machen: den normalen Schulbesuch von Mädchen.

„Tatsächlich können die meisten afghanischen Mädchen immer noch nicht die Schule besuchen,“ sagte Adams.

Die Aussagen von Opfern und Zeugen belasten vor allem Soldaten und Polizisten, die unter der Aufsicht von hochrangigen afghanischen Beamten und Politikern stehen. Darunter sind Verteidigungsminister Mohammad Qasim Fahim; Militärischer Befehlshaber der Östlichen Region, Hazrat Ali; Bildungsminister Younis Zanooni; ehemaliger afghanischer Präsident Burhanuddin Rabbani; sowie Abdul Rabb al-Rasul Sayyaf, ein einflussreicher ehemalige Mujaheddin Befehlshaber, dem viele Beamte, die in Gewalttaten in und um Kabul verwickelt sind, noch immer die Treue schwören.

Der Bericht fordert die afghanische Regierung auf, die verantwortlichen Warlords unter Druck zu setzten und ihre Macht zu unterbinden. Weiterhin sollte die afghanische Regierung verstärkt internationale Unterstützung anfordern.

Human Rights Watch fordert die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Iran, Russland und Deutschland dazu auf, Warlords und Befehlshaber, die zu Menschenrechtsverletzungen beitragen, nicht länger zu unterstützen.

„Die Unterstützung der Warlords durch andere Länder destabilisiert Afghanistan,“ sagte Adams. „Die Vereinigten Staaten und Großbritannien müssen entscheiden, ob sie hinter Karzai in Kabul oder in Wirklichkeit hinter den Warlords stehen. Je länger gezögert wird, desto schwieriger wird es sein, die Macht der Warlords zu unterbinden“.

Human Rights Watch betonte, dass vor allem das afghanische Verteidigungsministerium, das derzeit von der „Shura-e Nazar“ Gruppe ehemaliger Mujaheddins dominiert wird, reformiert werden müsse. Das Verteidigungsministerium sollte die verschiedenen ethnischen und politischen Gruppen des Landes wiederspiegeln, sagte Human Rights Watch. Erst dann könne Afghanistan erfolgreich abgerüstet werden.

Human Rights Watch forderte die NATO, die im August das ISAF Kommando übernehmen wird, auf, das ISAF Mandat über Kabul hinaus auszudehnen. Human Rights Watch forderte weiterhin, dass Abrüstung und der Schutz der Menschenrechte unter das ISAF Mandat fallen sollten. Obwohl Pläne, die internationale Provincial Reconstrution Teams (PRTs) zu verstärken, ein Schritt in die richtige Richtung wären, stelle dies keinen Ersatz zu einem erweiterten Sicherheitsmandat dar.

Human Rights Watch forderte die Vereinten Nationen dazu auf, ihre Dokumentation und Beobachtungsarbeit im Hinblick auf die Menschenrechtslage zu verbessern. Dies wäre durch vermehrtes Personal gewährleistet.

„Wenn mehr UN-Menschenrechtspersonal vor Ort ist, werden die potentiellen Opfer geschützt. Eine verstärkte Präsenz der UN, die die Menschenrechtslage beobachten würde, könnte der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft außerdem einen besseren Einblick in die Lage des Landes geben,“ sagte Adams. „Dies ist ein ganz normales Verfahren, das bei allen UN Einsätzen angewendet wird – aber bis jetzt hat die UN noch keine Schritte in diese Richtung unternommen“.

Human Rights Watch forderte weiterhin, dass die UN ihre Berichterstattung zur Menschenrechtslage verbessere und mehr Personal zur Hilfe der Afghan Independent Human Rights Commission zur Verfügung stelle.