Der Bericht warnt, dass Gewalt und Übergriffe auf Frauen und Kinder
den politischen Prozess und die Fortschritte im Bereich der Frauenrechte
zunichte machen könnten.
„Nach dem Sturz der Taliban haben die USA und ihre Koalitionspartner den
Warlords zur Macht verholfen. Heute begehen diese Warlords die
schrecklichsten Menschenrechtsverletzungen,“ sagte Brad Adams,
Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch. „Die Gegend
außerhalb von Kabul wird vollständig von den Warlords kontrolliert.
In weniger als einem Jahr stehen Wahlen an – doch Afghanistans
Situation im Hinblick auf Menschenrechte scheint sich mit jedem Tag
zu verschlechtern“.
Der 101-seitige Bericht: „Killing You Is a Very Easy Thing for Us”:
Human Rights Abuses in Southeast Afghanistan, dokumentiert
unter anderem, wie unschuldige Bürger von Soldaten und Polizei
gekidnappt und in inoffiziellen Gefängnissen festgehalten werden.
Im Bericht wird von Einbrüchen und Überfällen; von vergewaltigten
Frauen und Kindern; von erpressten Geschäftsinhabern, Bus- Lastwagen-
und Taxifahrern berichtet. Politische Aktivisten, Journalisten und Redakteure
erhalten Morddrohungen und werden von Armee, Polizei und den
Sicherheitsbeamten eingeschüchtert. Human Rights Watch
besuchte Kabul und den Südosten Afghanistans – die bevölkertste
Gegend des Landes.
Vor allem in ländlichen Gebieten trauen sich viele Frauen aus Angst
vor der erneuten Gewalt nicht aus dem Haus. Das Klima der
Gewalt verhindert den Schulbesuch und das Aufnehmen von
Arbeit und trägt dazu bei, dass Frauen nicht an dem Wiederaufbau
ihrer Gesellschaft teilnehmen können. Die Sicherheitslage
und erneut aufkeimender Fundamentalismus, droht den größten Fortschritt im
Bereich der Menschenrechte zunichte zu machen: den normalen Schulbesuch von
Mädchen.
„Tatsächlich können die meisten afghanischen Mädchen immer noch nicht die Schule
besuchen,“ sagte Adams.
Die Aussagen von Opfern und Zeugen belasten vor allem Soldaten und Polizisten,
die unter der Aufsicht von hochrangigen afghanischen Beamten und Politikern
stehen. Darunter sind Verteidigungsminister Mohammad Qasim Fahim; Militärischer
Befehlshaber der Östlichen Region, Hazrat Ali; Bildungsminister Younis Zanooni;
ehemaliger afghanischer Präsident Burhanuddin Rabbani; sowie Abdul Rabb
al-Rasul Sayyaf, ein einflussreicher ehemalige Mujaheddin Befehlshaber, dem
viele Beamte, die in Gewalttaten in und um Kabul verwickelt sind, noch immer
die Treue schwören.
Der Bericht fordert die afghanische Regierung auf, die verantwortlichen Warlords
unter Druck zu setzten und ihre Macht zu unterbinden. Weiterhin sollte die
afghanische Regierung verstärkt internationale Unterstützung anfordern.
Human Rights Watch fordert die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Iran,
Russland und Deutschland dazu auf, Warlords und Befehlshaber, die zu
Menschenrechtsverletzungen beitragen, nicht länger zu unterstützen.
„Die Unterstützung der Warlords durch andere Länder destabilisiert
Afghanistan,“ sagte Adams. „Die Vereinigten Staaten und Großbritannien müssen
entscheiden, ob sie hinter Karzai in Kabul oder in Wirklichkeit hinter den Warlords
stehen. Je länger gezögert wird, desto schwieriger wird es sein, die
Macht der Warlords zu unterbinden“.
Human Rights Watch betonte, dass vor allem das afghanische
Verteidigungsministerium, das derzeit von der „Shura-e Nazar“ Gruppe
ehemaliger Mujaheddins dominiert wird, reformiert werden müsse.
Das Verteidigungsministerium sollte die verschiedenen ethnischen
und politischen Gruppen des Landes wiederspiegeln, sagte Human Rights Watch.
Erst dann könne Afghanistan erfolgreich abgerüstet werden.
Human Rights Watch forderte die NATO, die im August das ISAF
Kommando übernehmen wird, auf, das ISAF Mandat über Kabul
hinaus auszudehnen. Human Rights Watch forderte weiterhin, dass
Abrüstung und der Schutz der Menschenrechte unter das ISAF Mandat
fallen sollten. Obwohl Pläne, die internationale Provincial Reconstrution
Teams (PRTs) zu verstärken, ein Schritt in die richtige Richtung wären,
stelle dies keinen Ersatz zu einem erweiterten Sicherheitsmandat dar.
Human Rights Watch forderte die Vereinten Nationen dazu auf, ihre Dokumentation
und Beobachtungsarbeit im Hinblick auf die Menschenrechtslage zu verbessern.
Dies wäre durch vermehrtes Personal gewährleistet.
„Wenn mehr UN-Menschenrechtspersonal vor Ort ist, werden die potentiellen Opfer
geschützt. Eine verstärkte Präsenz der UN, die die Menschenrechtslage beobachten
würde, könnte der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft
außerdem einen besseren Einblick in die Lage des Landes geben,“ sagte Adams.
„Dies ist ein ganz normales Verfahren, das bei allen UN Einsätzen
angewendet wird – aber bis jetzt hat die UN noch keine Schritte in diese Richtung unternommen“.
Human Rights Watch forderte weiterhin, dass die UN ihre Berichterstattung zur
Menschenrechtslage verbessere und mehr Personal zur Hilfe der Afghan
Independent Human Rights Commission zur Verfügung stelle.