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Bonner Afghanistan Abkommen ein Jahr später
Ein Katalog verpasster Gelegenheiten
(New York, 5. Dezember 2002) Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Bonner Afghanistan Abkommens begegnet Afghanistan weiterhin ernsthafte Hindernisse im Schutz von Menschenrechten und der Gewährleistung von grundlegender Sicherheit, sagte Human Rights Watch heute.


Zu diesem Thema

Afghanistan's Bonn Agreement: A Catalog of Missed Opportunities
Backgrounder, December 5, 2002

"All Our Hopes Are Crushed: Violence and Repression in Western Afghanistan
HRW Report, November 2002

Afghanistan: Folter und politische Unterdrückung in Herat
HRW Bericht, 5. November 2002



„Ein Jahr später verkörpert das Bonner Abkommen immer noch eine Chance, der chronischen Instabilität, Gewalt und massiven Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen. Jedoch wurden im letzten Jahr viele der Versprechen des Abkommens nicht erfüllt. Die internationale Gemeinschaft hat einige gute Gelegenheiten verpasst, lokale Militärgesetze abzuschaffen und bessere Sicherheit und Schutz für Menschenrechte zu garantieren“.

Brad Adams
Direktor der Asienabteilung von Human Rights Watch


 
Ein 12-seitiges Instruktionspapier, „Afghanistan's Bonn Agreement: A Catalog of Missed Opportunities” (Bonner Afghanistan Abkommen: Ein Katalog verpasster Gelegenheiten), analysiert ein Jahr nach dem Abkommen die Bedingungen im Land. Das Abkommen markierte formell das Ende der Taliban-Herrschaft. Das Instruktionspapier hebt einige Gebiete hervor, in welchen es die afghanische Regierung und internationale Akteure versäumt haben, grundlegende Sicherheit und Schutz der Menschenrechte zu verbessern. Human Rights Watch bietet den internationalen und afghanischen Akteuren einige Empfehlung an, Kernpunkte des Abkommens umzusetzen.

Das Bonner Abkommen wurde am 5. Dezember 2001 von Repräsentanten verschiedener Anti-Taliban-Fraktionen und politischer Gruppen unterzeichnet. Es begründete einen Plan zur Schaffung von Frieden und Sicherheit, zum Wiederaufbau des Landes, zur Wiedereinführung einiger wichtiger Institutionen und zum Schutz von Menschenrechten. Das Abkommen enthält Bestimmungen, welche die Demobilisierung und Integrierung des Militärs, die internationale Friedenssicherung und die Beobachtung der Menschenrechte betreffen.

„Ein Jahr später verkörpert das Bonner Abkommen immer noch eine Chance, der chronischen Instabilität, Gewalt und massiven Menschenrechtsverletzungen ein Ende zu setzen,“ sagte Brad Adams, Direktor der Asienabteilung von Human Rights Watch. „Jedoch wurden im letzten Jahr viele der Versprechen des Abkommens nicht erfüllt. Die internationale Gemeinschaft hat einige gute Gelegenheiten verpasst, lokale Militärgesetze abzuschaffen und bessere Sicherheit und Schutz für Menschenrechte zu garantieren“.

Human Rights Watch stellte fest, dass wenig Fortschritt erzielt wurde, in der Schaffung von Sicherheit und dem Schutz von Menschenrechten außerhalb der Hauptstadt Kabuls. Gegenwärtig ist die Internationale Afghanistan-Schutztruppe (ISAF), die internationale Friedenssicherungstruppe für Afghanistan, nur in und um Kabul herum stationiert. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien versprachen kürzlich kleinere Truppen in andere Teile des Landes zu entsenden. Human Rights Watch sagte, dass eine größere internationale Militärpräsenz gebraucht werde, um Sicherheit für die afghanische Bevölkerung im ganzen Land zu gewährleisten.

Human Rights Watch stellte auch fest, dass im letzten Jahr keine ernsthaften Bemühungen unternommen wurden, um Afghanistans Militär zu demobilisieren und zu integrieren. Human Rights Watch rief die Länder, die sich mit den Problemen der Sicherheit in Afghanistan beschäftigen - einschließlich der Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland und die Niederlande - auf, ein größeres Augenmerk auf die Entwaffnung und Demobilisierung zu richten. Außerdem sollte mehr Personal und Beobachter für diese Aufgabe bereitgestellt werden. Human Rights Watch begrüßte Präsident Hamid Karzais Ankündigung eines neuen Plans zur Demobilisierung und Errichtung einer nationalen Armee. Darüber hinaus die Neuigkeit, dass die japanische Regierung die Absicht hat, durch Beobachtungen die zukünftigen Entwaffnungsbemühungen zu unterstützen.

Human Rights Watch drängte auch die UN-Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) darauf, die Zahl der Menschenrechtsbeobachter in Afghanistan zu erhöhen und mehr Berichte über die Menschenrechtsbedingungen innerhalb des Landes zu veröffentlichen.

„Die Umsetzung des Bonner Abkommens im letzten Jahr ist erschwert durch Zerstörungen des zwei Jahrzehnte andauernden Krieges. Zivil-und Regierungsinstitutionen sind in einem desolaten Zustand,“ sagte Adams. „Für die Sabotage des Abkommens sind jedoch hauptsächlich Afghanistans Kriegsherren schuldig. Die internationale Gemeinschaft hat dagegen nicht die notwendige Unterstützung für Afghanen geliefert, die versuchen das Abkommen erfolgreich umzusetzen“.

Human Rights Watch sagte, dass im letzten Jahr viel in Wiederherstellung von Institutionen und den generellen Wiederaufbau Afghanistans erreicht wurde. Dennoch seien viele Afghanen mit dem Mangel an politischem Fortschritt desillusioniert. Der „June loya jirga“ (Großer Rat), der Präsident Hamid Karzai als Präsident von Afghanistan wieder ernannte, war gezeichnet durch Drohungen und Missbrauch durch Militärkommandeure und Kriegsherren.

„Afghanistan ist weit entfernt von freien und fairen Wahlen, die laut dem Bonner Abkommen für 2004 vorgesehen sind,“ sagte Adams. „ Doch hat die afghanische Regierung noch Zeit, vor allem durch eine noch größere Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, auf den richtigen Weg zu kommen“.

Human Rights Watchs Empfehlungen sind u.a.:

  • Die ISAF sollte so bald wie möglich erweitert werden. Die Vereinigten Staaten, EU-Mitglieder, Iran, Pakistan, die Länder Zentralasiens und alle anderen in Afghanistan involvierten Länder sollten die Erweiterung der ISAF unter allen Umständen unterstützen. Die Vereinigten Staaten und ihre Koalitionspartner sollten die notwendige Unterstützung anbieten, eine zukünftige Erweiterung der ISAF zu ermöglichen - u.a. durch die Zuverfügungstellung von Informationen, logistischer Unterstützung und Unterstützung in Notevakuierungen. Wenn Deutschland und die Niederlande das Kommando über die ISAF Anfang 2003 übernehmen, sollten sie anderer Länder überzeugen, Truppen für eine erweiterte ISAF zur Verfügung zu stellen.
  • Geber und Länder, die in die Sicherheitsprobleme des Landes involviert sind, sollten Präsident Karzais Pläne für eine Demobilisierung des Militärs und Integration und Errichtung einer afghanischen Nationalarmee unterstützen.
  • Die Vereinigten Staaten und andere Nationen mit Militärpräsenz in Afghanistan sollten die Bewaffnung regionaler und lokaler Militärkommandeure unterlassen oder dürfen Kräften nicht erlauben entdeckte Waffenlager zu beschlagnahmen. Alle außenstehenden Staaten sollten die Lieferung von Waffen, Munition, Ausrüstung, Geldmittel und anderer materieller Unterstützung an regionale und lokale Militärkommandeure unterlassen. Jegliche militärische Unterstützung sollte über den Verteidigungsminister in Kabul, in einer koordinierten Art und Weise ablaufen.
  • Die UNAMA sollte ihre Menschenrechtsbeobachter im ganzen Land maßgeblich erhöhen, um sowohl eine Abschreckung als auch eine Hilfe für den Bruch eines Kreislaufs der Straflosigkeit zu erreichen. Die UNAMA sollte ein Treuhandkonto für Menschenrechte einrichten, um diese Initiative zu finanzieren.
  • Geber sollten ein angemessenes Training, Sekundierung von Personal, jede notwendige finanzielle Unterstützung und strenge politische Unterstützung an die Nationale Menschenrechtskommission anbieten. Die Nationale Menschenrechtskommission sollte ihre Beobachtungsaufgabe erweitern und Berichte und Enthüllungen in den Gebieten herausgeben, in welchen sie sicher arbeiten können.