Pressemitteilungen
Türkei: Wahlen als Test
Internationale Wahlbeobachter begrüßt
(Istanbul, 28. Oktober 2002) - Die türkischen Parlamentswahlen am 3. November werden zeigen, wie weit sich das Land seit den, von ernsthaften Irregularitäten beeinträchtigten Wahlen von 1999 verändert hat, sagte Human Rights Watch heute, anlässlich der Veröffentlichung eines Hintergrundberichts über die letzten Wahlen in der Türkei. Die Tatsache, dass die Türkei neuerdings internationale Wahlbeobachter zulasse, wurde von der Menschenrechtsorganisation als positives Zeichen gewertet. So könnten Missbräuche der Vergangenheit, verhindert werden.


Beweisstück der angeblichen Wahlmanipulation von 1999: Ein Wahlzettel mit einer Stimme für die hauptsächlich kurdische Demokratische Volkspartei (HADEP) der generellen Wahlen von 1999, verbrannt und entsorgt mit einem Bündel anderer Wahlzettel in einer Stadt im Südosten der Türkei. Die internationale Wahlbeobachtung durch die OSCE und den Europarat könnte derartige Missbräuche am 3. November vermeiden.
Zu diesem Thema

EU überprüft Beitritt der Türkei
HRW Pressemitteilung, 8. Oktober 2002

Turkey: Close Scrutiny of Elections Warranted
HRW Hintergrundpapier



„Die Anwesenheit internationalen Beobachter bei den Wahlen ist ein sehr willkommener Schritt. Die Berichte über Missbräuche während der Wahlen von 1999 und im Vorfeld der diesjährigen Wahlen haben deutlich gemacht, dass unabhängige Überwachung nötig ist. Wir hoffen, dass die türkischen Behörden mit den Beobachtern in vollem Umfang kooperieren werden.“

Elizabeth Andersen
Direktorin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch


 
Einer Einladung der türkischen Regierung folgend, werden Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) diese Woche voraussichtlich die ersten Wahlbeobachter in die Türkei entsenden.

Die Wahlen finden nur einen Monat vor der Entscheidung der Europäischen Union zur Festlegung eines Datums für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei statt. Bisher waren Probleme mit Menschenrechten und politischen Freiheiten, der Grund, warum der Türkei der EU-Beitritt verweigert wurde.

„Die Anwesenheit internationalen Beobachter bei den Wahlen ist ein sehr willkommener Schritt“, sagte Elizabeth Andersen, Direktorin der Abteilung für Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Die Berichte über Missbräuche während der Wahlen von 1999 und im Vorfeld der diesjährigen Wahlen haben deutlich gemacht, dass unabhängige Überwachung nötig ist. Wir hoffen, dass die türkischen Behörden mit den Beobachtern in vollem Umfang kooperieren werden.“

Der heute veröffentlichte Hintergrundbericht von Human Rights Watch nennt Details der Probleme bei den 1999 Wahlen und berichtet von einer Reihe von Verletzungen politischer Rechte sowie Drohungen, die die jetzigen Wahlen überschatten. Dazu gehören:

  • die angedrohte Auflösung der hauptsächlich kurdischen Partei für Rechte und Freiheit (Hak-Par) und der Demokratischen Volkspartei (HADEP);
  • die Tatsache, dass drei früheren Parteiführern, der Sozialdemokratischen Partei, der HADEP und der Wohlfahrtspartei, die Kandidatur ebenso verweigert wurde, wie dem momentanen Chef der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, und zwar aufgrund von strafrechtlichen Verurteilungen wegen gewaltfreier Meinungsäußerung;
  • Drohungen gegen und Festnahmen von Vertretern der Türkischen Kommunistischen Partei und der Partei der Freiheit und Solidarität wegen des Versuchs Poster aufzuhängen;
  • die Festnahme von Kandidaten der Hak-Par und der hauptsächlich kurdischen Demokratischen Volkspartei – gebildet aus früheren Mitgliedern der HADEP, der Arbeiterpartei und der Sozialdemokratischen Partei; und
  • die Einschüchterung von Dorfbewohnern im Südosten durch Sicherheitstruppen, die diese davor warnten, DEHAP zu wählen.


Die Wahlen von 1999 waren überschattet von Berichten über Missbräuche durch Polizei, Sicherheitskräfte und örtliche Verwaltungsangestellte, die versuchten, das Wahlergebnis, durch willkürliche Verhaftungen, Drohungen, Einschüchterung, das Konfiszieren von Wahlunterlagen und den Ausschluss von Parteiabgeordneten aus Dörfern, in denen Wahlkampfaktivitäten stattgefunden hatten, zu beeinflussen.

1999 gab es erstzunehmende Berichte über die Manipulation von Wahlzetteln. Human Rights Watch wurden Beweise von teilweise verbrannten Wahlzetteln gezeigt, die Stimmen für HADEP enthielten. Die Wahlzettel waren von Kindern einige Tage nach der Wahl auf einer Müllhalde gefunden worden. HADEP-Beauftragte behaupteten, dass die Wahlzettel aus den Wahlurnen herausgenommen und zerstört worden waren. Ein Foto von einer der verbrannten Wahlzettel ist auf der Webseite zu sehen.

„Die internationale Überwachung der diesjährigen Wahlen ist eindeutig gerechtfertigt,“ sagte Andersen. „Wir hoffen, dass die Anwesenheit des Europarats und der OSZE dazu beitragen wird, freie und faire Wahlen zu gewährleisten.“

Ein HRW Team ist ebenfalls in der Türkei, um die Ereignisse während der Wahlperiode zu dokumentieren. Anlässlich der Veröffentlichung des neuen HRW-Berichtes „Displaced and Disregarded: Turkey's Failing Village Return Program“ wird eine Pressekonferenz abgehalten werden. Der Bericht beschreibt die Notlage von Menschen, die während des 15 Jahre andauernden Konfliktes im Südosten vertrieben worden waren und nach wie vor nicht zurückkehren können.