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Einleitung

Seit Ende Februar 2014 übernehmen auf der ukrainischen Krim bewaffnete Truppen, die keinerlei militärische Abzeichen tragen, aber immer häufiger als Mitglieder russischer Sicherheitskräfte identifiziert werden, die Kontrolle. 2013 waren im Rahmen des 1997 abgeschlossenen Abkommens über den Status und die Aufenthaltsbedingungen der russischen Schwarzmeerflotte schätzungsweise 13 000 russische Marineangehörige auf der Krim stationiert. Die Ukraine gibt an, dass sich derzeit einige Tausende weitere Militärangehörige dort aufhalten.

Aus Russland entsandte zusätzliche Einheiten haben im Auftrag der örtlichen Behörden der Krim an Sicherheitsoperationen teilgenommen. Russisches bewaffnetes Personal und pro-russische Milizen auf der Krim haben ukrainisches Militärpersonal am Verlassen seiner Stützpunkte gehindert, haben die Kontrolle über strategische Einrichtungen wie den Erdgasterminal im ukrainischen Oblast Cherson übernommen und sie haben Schritte eingeleitet, die Verwaltungsgrenzen der Krim gegenüber der restlichen Ukraine abzusichern.

Am 16. März führten die örtlichen Behörden der Krim eine Volksabstimmung zu der Frage durch, ob sich die Krim von der Ukraine loslösen und der Russischen Föderation beitreten sollte. Die Regierung der Ukraine verurteilte die Volksabstimmung als illegal. Am 17. März gaben die örtlichen Behörden bekannt, dass 97 Prozent der Bevölkerung einem Beitritt zu Russland zugestimmt hätten. Daraufhin unterschrieb Russlands Präsident Wladimir Putin einen Dekret, in dem die Krim als unabhängiger Staat anerkannt wurde. Am 18. März unterzeichneten Putin und die Führung der Krim Vereinbarungen, welche die Krim und die Stadt Sewastopol Teil der Russischen Föderation machen. Putin bat das russische Parlament, ein Gesetz zu verabschieden, das die neuen Regionen als Teil der Russischen Föderation anerkennt.

Human Rights Watch vertritt die Ansicht, dass für die russischen Truppen auf der Krim das Besatzungsrecht gilt. Laut humanitärem Völkerrecht hat eine Besatzungsmacht die Pflicht, die öffentliche Ordnung und Sicherheit soweit wie möglich wiederherzustellen und die geltenden Gesetze des besetzten Landes zu respektieren, es sei denn sie wird daran absolut gehindert. Humanitäres Völkerrecht ist auch auf Situationen anzuwenden, die einer Besatzung gleichkommen. Die besetzende Macht ist letztendlich auch für Verstöße örtlicher Behörden oder Stellvertretereinheiten gegen das humanitäre Völkerrecht oder die Menschenrechte verantwortlich.

Zu dieser Einschätzung der Situation auf der Krim gelangt Human Rights Watch mit Blick auf das vierte Genfer Abkommen von 1949, wie unten erörtert. Das Ergebnis der Volksbefragung, die Entscheidungen zu Fragen der Souveränität durch lokale Behörden auf der Krim und die Entscheidung der russischen Regierung, das Referendum anzuerkennen, haben keine Auswirkung darauf, dass auf die Situation auf der Krim das Besatzungsrecht anzuwenden ist.

Im Einklang mit seiner langjährigen Leitlinie zum Kriegsvölkerrecht bleibt Human Rights Watch neutral in Bezug auf Entscheidungen von Konfliktparteien militätische Gewalt anzuwenden und Territorium anderer Länder oder Regionen militärisch zu besetzen.

Das Genfer Abkommen legt nicht  fest, ab wann ein Besatzungszustand gegeben ist, aber bestimmte Rahmenbedingungen sind von Experten für humanitäres Völkerrecht anerkannt. Dazu gehören:

1. Die Anwesenheit ausländischer Truppen;

2. das Ausüben von Amtsgewalt ("wirksame Kontrolle") im als besetzt geltenden Territorium;

3. der besetzte Staat stimmt der kriegerischen Besetzung nicht zu;

4. indirekte Kontrolle wird über örtliche Behörden oder anderes Kontrollorgan  ausgeübt.

Diese Kriterien sind erfüllt. Seit Ende Februar haben sogenannte Selbstverteidigungseinheiten der Krim in Begleitung voll bewaffneten und gut ausgerüsteten Sicherheitspersonals ohne militärische Abzeichen auf der gesamten Krim Verwaltungseinrichtungen und Militärstützpunkte übernommen und kontrollieren sie. Sowohl die Krim-Behörden als auch russische Behörden bestreiten, dass es sich um russische Einheiten handelt, aber zumindest einige dieser Einheiten, die Human Rights Watch auf der Krim gesehen hat, wurden eindeutig als russisch identifiziert. Viele Journalisten und auch Human Rights Watch haben Militärfahrzeuge und anderes militärisches Gerät gesehen, von dem bekannt ist, dass es die ukrainischen Streitkräfte nicht besitzen, beispielsweise das moderne geländegängige Infanterietruppenfahrzeug "Tigr" ("Tiger").

Fragen und Anworten

  1. Seit wann gilt das Besatzungsrecht für die Anwesenheit Russlands in der Ukraine?
  2. Hat die Anwendung des Besatzungsrechts auf Russland Auswirkungen auf den Status des von Russland besetzten Gebiets?
  3. Welche Gesetze zu Fragen der Besatzung gelten für Russland und die Ukraine?
  4. Welche Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts liegen bei einer militärischen Besetzung zugrunde?
  5. Welche Schutzverpflichtungen haben Besatzungsmächte gegenüber der einheimischen Bevölkerung?
  6. Welchen Verpflichtungen als Besatzungsmacht unterliegt Russland in Hiblick auf Handlungen von Krim-Behördensowie lokalen Einheiten, wie der "Armee der Krim-Republik" und Selbstverteidigungseinheiten?
  7. Was sind die Verpflichtungen einer Besetungsmacht um für das Wohlergehen der Bevölkerung zu sorgen?
  8. Müssen Konfliktparteien humanitären Organisationen Zugang zu Kriegsgefangenen und anderen Häftlingen gewähren?
  9. Wann kann können Zivilisten von einer Besatzungsmacht inhaftiert oder gefangen genommen werden?
  10. Welche Verpflichtungen gibt es bezüglich des Eigentums und der Ressourcen des besetzten Territoriums?
  11. In welchem Umfang gelten internationale Menschenrechte?
  12. Fällt die Krim noch immer in die Zuständigkeit von Menschenrechtssorganen wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem UN-Menschenrechtsausschuss?

1.  Seit wann gilt das Besatzungsrecht für die Anwesenheit Russlands in der Ukraine?

Gemäß des Genfer Abkommens von 1949 gilt Territorium als "besetzt", wenn es teilweise oder vollständig unter die Kontrolle oder die Befehlsgewalt ausländischer Streitkräfte gerät, ohne dass die heimische Regierung dem zustimmt. Dies ist eine Tatsachenentscheidung und die Gründe oder Motive, die zu der Besetzung führten oder als Grundlage für eine weitere Besetzung dienen, spielen keine Rolle. Selbst wenn die ausländischen Streitkräfte nicht auf bewaffneten Widerstand stoßen und es keine Kämpfe gibt, gilt: Sobald ein Territorium unter die effektive Kontrolle der ausländischen Streitkräfte gerät, ist das Besatzungsrecht anzuwenden.

Wo auch immer also russische Truppen wirksame Kontrolle über Bereiche wie die Krim ausüben, die zum ukrainischen Hoheitsgebiet gehören, sind sie nach humanitärem Völkerrecht (Kriegsvölkerrecht) eine Besatzungsmacht und müssen sich an die entsprechenden Verpflichtungen halten. Dass Russland die Präsenz seiner Truppen auf der Krim bestreitet, hat keinerlei rechtliche Auswirkungen, wenn die Tatsachen vor Ort anderes zeigen.

2. Hat die Anwendung des Besatzungsrechts auf Russland Auswirkungen auf den Status des von Russland besetzten Gebiets?

Ob das Besatzungsrecht angewendet wird und die Frage, ob Russland gemäß humanitärem Völkerrecht Besatzungsmacht ist, hat keinerlei Auswirkungen auf die Souveränität des Territoriums. Die Souveränität geht nicht auf die Besatzungsmacht über.

Die örtlichen Behörden auf der Krim organisierten die Volksabstimmung vom 16. März ohne Autorisierung der ukrainischen Regierung. Die Befragung hat auch keine umfassende Anerkennung durch andere Länder gefunden. Sie kann nicht als eine Übertragung der Souveränität angesehen werden, die den Status der aggressiven Besetzung beenden würde.

3. Welche Gesetze zu Fragen der Besatzung gelten für Russland und die Ukraine?

Ein Großteil des Besatzungsrechts ist auch Teil des üblichen internationalen humanitären Rechts, aber Hauptquelle für das moderne Besatzungsrecht sind die Haager Abkommen von 1907 (Haag), das vierte Genfer Abkommen von 1949 (Genf IV) und einige Bestimmungen des ersten Zusatzprotokolls von 1977 zum Genfer Abkommen von 1949, die von Russland un der Ukraine ratifiziert wurden.

In seinen Anmerkungen zum vierten Genfer Abkommen schreibt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), dass die im Abkommen genannten Verpflichtungen gelten, sobald die zivile Bevölkerung eines Territoriums in Kontakt mit den in das Gebiet vorrückenden Truppen kommt, also zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Laut viertem Genfer Abkommen gelten alle Personen als geschützt, die sich in der Hand einer der Konfliktparteien oder einer Besatzungsmacht befinden, deren Staatsbürger sie nicht sind. Während nicht alle Verpflichtungen einer Besatzungsmacht unmittelbar zum Tragen kommen (einige setzen die Anwesenheit der Besatzungsmacht über einen recht langen Zeitraum hinweg voraus), gelten die im Abkommen festgelegten Bestimmungenzu den Rechten der geschützten Personen und den Umgang mit diesen sofort.

Neben den Bestimmungen des humanitären Völkerrechts muss die Besatzungsmacht bis auf gewisse Ausnahmen auch internationale Menschenrechtsnormen und nationale Gesetze respektieren. Bei den Menschenrechten dürfen gewisse Rechte eingeschränkt werden, wenn es "die Lage unbedingt erfordert", aber jegliche Einschränkungen müssen dennoch Standards des humanitären Völkerrechts erfüllen.

4. Welche Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts liegen bei einer militärischen Besetzung zugrunde?

Das humanitäre Völkerrecht besagt: Sobald eine Besatzungsmacht die teilweise oder vollständige Kontrolle über ein Territorium übernimmt, muss sie, soweit möglich, die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiederherstellen und wahren (Haag, Artikel 43). Die Besatzungsmacht muss zudem die grundlegenden Menschenrechte der Einwohner des Territoriums respektieren, auch die der Nichtbürger (Genf IV, Artikel 29 und 47). Weiter muss sie für ausreichende Standards bei Hygiene und öffentlicher Gesundheit sorgen sowie die Bevölkerung in den besetzten Gebieten mit Lebensmitteln versorgen und ihr ärztliche Betreuung zukommen lassen

(Genf IV, Artikel 55, 56). Kollektivstrafen und Vergeltungsmaßnahmen sind verboten (Protokoll 1, Artikel 75). Rotkreuz- und Rotmondmitarbeiter müssen ihrer humanitären Arbeit nachgehen dürfen (Genf IV, Artikel 63).

5. Welche Schutzverpflichtungen haben Besatzungsmächte gegenüber der einheimischen Bevölkerung?

Eine Besatzungsmacht muss die grundlegenden Menschenrechte der ihr unterstehenden Bevölkerung respektieren. Jeder soll menschlich behandelt und nicht diskriminiert werden, unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder anderen Dingen. Dazu gehört auch, die Ehre und Familienrechte zu würdigen, das Leben der Menschen, ihren Privatbesitz sowie religiöse und sonstige übliche Überzeugungen und Gebräuche.

Frauen sind speziell zu schützen, vor jeglichen Angriffen und insbesondere vor Vergewaltigung, Zwangsprostitution oder jeglicher Form sexueller Übergriffe. Die Besatzungsmacht soll alle Menschen gleich behandeln, niemand soll benachteiligt werden, vor allem aufgrund von Rasse, Religion oder politischer Überzeugung. Privateigentum darf nicht konfisziert werden (Haag, Artikel 46, Genf IV, Artikel 27). Eine Besatzungsmacht darf allerdings als Folge des Kriegszustands Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen ergreifen (Genf IV, Artikel 27).

Vergeltungsmaßnahmen und Kollektivstrafen gegen Menschen oder deren Eigentum auszuüben sind Besatzungsmächten ebenso ausdrücklich untersagt (Genf IV, Artikel 33) wie Geiseln zu nehmen (Genf IV, Artikel 34). Grundsätzlich darf niemand für etwas bestraft werden, das er nicht persönlich begangen hat. Alle Konfliktparteien müssen Informationen zu Kriegsgefangenen (Genf III, Artikel 122) und zu "geschützten Personen" (Zivilpersonen) in ihrem Gewahrsam vorlegen (Genf IV, Artikel 136).

Unabhängig von den Beweggründen darf eine Besatzungsmacht geschützte Personen nicht mit Gewalt umsiedeln oder aus dem besetzten Gebiet deportieren (Genf IV, Artikel 49).

6. Welchen Verpflichtungen als Besatzungsmacht unterliegt Russland in Hiblick auf Handlungen von Krim-Behördensowie lokalen Einheiten, wie der "Armee der Krim-Republik" und Selbstverteidigungseinheiten?

Überall dort, wo Russland auf ukrainischem Territorium ohne die Zustimmung des ukrainischen Staats wirksame Kontrolle ausübt – derzeit auf der Krim ganz oder in Teilen -, ist Russland an das Besatzungsrecht gebunden. Selbst wenn die örtlichen Behörden unverändert im Amt sind, ist Russland der Zivilbevölkerung gegenüber verpflichtet, für öffentliche Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Das bedeutet, Russland is verplichtet Menschenrechtsverletzungen durch lokale Einheiten, die als Vertreter Russlands agieren, zu unterbinden und zu ahnden. Sofern bewaffnete Gruppen außerhalb des Einflusses der örtlichen Behörden agieren, kommt Russland die Verantwortung zu, durch angemessene Maßnahmen für Sicherheit zu sorgen.

7. Was sind die Verpflichtungen einer Besetungsmacht um für das Wohlergehen der Bevölkerung zu sorgen?

Grundsätzlich ist eine Besatzungsmacht dafür verantwortlich, dass der unter ihrer Kontrolle stehende Bevölkerung Lebens- und Arzneimitteln zur Verfügung stehenund Hilfsorganisationen die Arbeit ermöglicht wird.

Eine Besatzungsmacht hat die Pflicht, eine Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu gewährleisten sowie Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen zu erhalten, und zwar "mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln" (Genf IV, Artikel 55, 56). Das beinhaltet den Schutz ziviler Krankenhäuser, medizinischen Personals sowie verletzter und kranker Menschen. Medizinisches Personal inklusive anerkannter Rotkreuz- und Rotmondgesellschaften müssen ihrer Arbeit nachgehen dürfen (Genf IV, Artikel 56, 63). Besondere Anstrengungen soll die Besatzungsmacht unternehmen, um verwaisten oder von ihrer Familie getrennten Kindern zu helfen (Genf IV, Artikel 24) und den Austausch von Familienkorrespondenz zu ermöglichen (Genf IV, Artikel 25, 26).

Werden in einem besetzten Gebiet Teile der Bevölkerung nur unzulänglich versorgt, muss die Besatzungsmacht Abhilfe aus anderen Ländern und von unparteiischen Hilfsorganisationen ermöglichen (Genf IV, Artikel 59). Die Hilfe Dritter entbindet die Besatzungsmacht jedoch nicht von ihrer Verantwortung die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (Genf IV, Artikel 60). Die Besatzungsmacht hat für den Schutz  und Respekt der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen Sorge zu tragen.

8. Müssen Konfliktparteien humanitären Organisationen Zugang zu Kriegsgefangenen und anderen Häftlingen gewähren?

Im dritten und vierten Genfer Abkommen ist festgelegt, dass Konfliktparteien dem IKRK und anderen Hilfsorganisationen Zugang zu Kriegsgefangenen und inhaftierten Zivilisten gewähren müssen. Dem IKRK ist regelmäßig Zugang zu jeder Person zu gewähren, die ihrer Freiheit beraubt ist, um deren Haftbedingungen zu überprüfen und Kontakt zu deren Angehörigen aufzunehmen. Das hat die Freiheit zu entscheiden, welche Orte es besuchen will und Personen vertraulich zu befragen. Nur aus "zwingender militärischer Notwendigkeit" und selbst dann nur in Ausnahmefällen und vorübergehend darf eine Besuchsgenehmigung verweigert werden. Auch andere humanitäre Organisationen können Zugang zu Kriegsgefangenen und inhaftierten Zivilisten beantragen. Die zuständige Behörde soll derartige Visiten ermöglichen, kann aber die Zahl der humanitären Organisationen begrenzen, die einen  Häftling besuchen.

9. Wann kann können Zivilisten von einer Besatzungsmacht inhaftiert oder gefangen genommen werden?

Laut viertem Genfer Abkommen ist es erlaubt, geschützte Personen "aus zwingenden Sicherheitsgründen" zu internieren oder ihnen einen Zwangsaufenthalt aufzuerlegen. Dies muss in einem ordentlichen Verfahren geschehen, das im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht steht, das Recht auf Revision umfasst und mindestens alle sechs Monate einem befugten Gremium zur Überprüfung vorgelegt werden kann (Genf IV, Artikel 78). Das vierte Genfer Abkommen beinhaltet ausführliche Bestimmungen über die humane Behandlung von Inhaftierten. Dem IKRK ist Zugang zu allen geschützten Personen zu gewähren, unabhängig davon, wo sie sind und ob sie ihrer Freiheit beraubt wurden.

10. Welche Verpflichtungen gibt es bezüglich des Eigentums und der Ressourcen des besetzten Territoriums?

Grundsätzlich ist die Zerstörung von privatem oder öffentlichem Eigentum verboten, sofern es militärisches Handeln nicht absolut erforderlich macht (Genf IV, Artikel 53). Kulturgut untersteht besonderem Schutz und die Besatzungsmacht muss Sorge tragen, das Kulturgut zu erhalten (Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, Artikel 5). Grundsätzlich darf Privateigentum nicht konfisziert werden. Religiöse Einrichtungen, wohltätige Institutionen und Lehreinrichtungen sind wie Privateigentum zu behandeln. Die Besatzungsmacht darf für die Besatzungstruppen Lebensmittel und Arzneimittel anfordern, sofern die Bedürfnisse der Zivilbevölkerung berücksichtigt werden und eine gerechte Bezahlung erfolgt (Genf IV, Artikel 55). Um die Verwaltungskosten der Besetzung zu decken, dürfen Steuern und Zölle erhoben werden, einschließlich der Kosten für die Besatzungstruppen (Haag, Artikel 49).

Öffentliches Eigentum wird entweder als bewegliches oder unbewegliches Vermögen behandelt. Bewegliches Regierungseigentum, das militärischen Zwecken dienen kann (Transportmittel, Waffen) gilt als "Kriegsbeute" und kann ohne Kompensation beschlagnahmt werden (Haag, Artikel 53). Unbewegliches Regierungseigentum (öffentliche Gebäude, Liegenschaften) darf nicht angeeignet werden, kann jedoch von der Besatzungsmacht genutzt und verwaltet werden, solange der Bestand dieser Güter erhalten bleibt (Haag, Artikel 55). Aus der Nutzung entstehende Wertverluste sind zu ersetzen.

11. In welchem Umfang gelten internationale Menschenrechte?

Die Internationalen Menschenrechte gelten während bewaffneter Konflikten und Besetzungen. Die Ukraine wie auch Russland haben mehrere internationale Menschenrechtsabkommen unterzeichnet, darunter auch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Europäische Menschenrechtskonvention. Diese Abkommen garantieren grundlegende Rechte und viele davon entsprechen den Rechten, die Zivilisten laut humanitärem Völkerrecht zustehen (etwa das Recht auf Leben, das Verbot von Folter, unmenschlicher und herabwürdigender Behandlung, das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person, das Recht auf ein gerechtes Gerichtsverfahren). Während in der Zeit von Krieg oder öffentlichem Notstand viele dieser Rechte eingeschränkt oder abgeschwächt werden können (beispielsweise das Recht auf Versammlungsfreiheit oder den Schutz der Privatsphäre), sind derartige Einschränkungen streng begrenzt auf solche, die aufgrund der Notwendigkeit der Situation zwingend erforderlich sind.. Die Einschränkungen müssen zudem im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht stehen.

12. Fällt die Krim noch immer in die Zuständigkeit von Menschenrechtssorganen wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem UN-Menschenrechtsausschuss?

Die Zuständigkeit dieser Organe ist weiterhin gegeben, die Organe können angerufen werden, um Urteile zu fällen oder Einschätzungen abzugeben, ob ukrainische oder russische Behörden gegen relevante Abkommen verstoßen haben. Die Ukraine hat bereits beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gengen Russland eingereicht, aufgrund mutmaßlicher Verstöße gegendie Europäische Menschenrechtskonvention bei Handlungen auf der Krim. Nach dem Eingang der Klage hat der Gerichtshof, "um derartige Verstöße zu verhindern", die Ukraine und Russland aufgefordert, keinerlei Maßnahmen zu ergreifen—und insbesondere keine militärischen Handlungen—die dazu führen, dass die in der Konvention festgelegten Rechte der Zivilbevölkerung verletzt werden, einschließlich durch Gefährdung des Lebens und der Gesundheit. Außerdem sollen beide Seiten ihren in der Menschenrechtskonvention festgehaltenen Verpflichtungen nachkommen, speziell denen aus Artikel 2 (Recht auf Leben) und Artikel 3 (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung). Beide Länder wurden aufgefordert, dem Gerichtshof schnellstmöglich darzulegen, welche Maßnahmen zur vollständigen Einhaltung der Menschenrechtskonvention sie ergriffen haben.

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