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Russland: Strenge Drogenpolitik führt zur Ausbreitung der AIDS-Epidemie
Fehlverhalten der Regierung macht jene, die am stärksten von der Krankheit bedroht sind, noch verletzlicher
(Moskau, 28. April 2004) - Russlands aufkeimende AIDS-Epidemie wird durch die Politik der Regierung verschlimmert. Den Menschen, die dem höchsten AIDS-Risiko ausgesetzt sind, wird der Zugang zu HIV-Präventionsprogrammen versagt und die Regierung lässt die Diskriminierung der Menschen mit AIDS zu, erklärte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.


"Statt von jenen Ländern zu lernen, die schon länger gegen die AIDS-Epidemie ankämpfen, gefährdet die russische Regierung die breite Bevölkerung, indem sie den Zugang zu HIV-Präventionsprogrammen für die Hochrisikogruppen verbaut."

Joanne Csete
Direktorin des HIV/AIDS-Programms von Human Rights Watch


 
Der 62-seitige Bericht: "Lessons Not Learned: Human Rights Abuses and HIV/AIDS in the Russian Federation", dokumentiert, wie die harte Drogenpolitik und die routinemäßige Belästigung von Drogenabhängigen, der in Russland am stärksten von AIDS betroffenen Bevölkerungsgruppe, seitens der Polizei den Zugang zu grundlegenden HIV-Präventionsmaßnahmen wie z. B. Nadelaustauschprogrammen, wie sie in anderen Ländern rund im die Welt bestehen, erschwert oder die Menschen so einschüchtert, dass sie solche Hilfsleistungen nicht wahrnehmen. Da sich AIDS nun rasch in der allgemeinen Bevölkerung ausbreitet, hat diese fehlgeleitete Politik weitreichende Konsequenzen.


Zu diesem Thema

Lessons Not Learned: Human Rights Abuses and HIV/AIDS in the Russian Federation
HRW Bericht    28. April 2004

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"Statt von jenen Ländern zu lernen, die schon länger gegen die AIDS-Epidemie ankämpfen, gefährdet die russische Regierung die breite Bevölkerung, indem sie den Zugang zu HIV-Präventionsprogrammen für die Hochrisikogruppen verbaut", sagte Joanne Csete, Direktorin des HIV/AIDS-Programms von Human Rights Watch.

Drogenkonsumenten, die für den Besitz von kleinsten Mengen von Rauschmitteln verhaftet werden, sind ein leichter Fang für die Polizei, wenn diese versucht, ihre Verhaftungsquoten zu erfüllen. Aufgrund solcher Vorgehensweisen schrecken viele Drogensüchtige davor zurück, sich in Nadelaustauschprogrammen saubere Spritzen zu besorgen, da sie Angst haben, festgenommen, identifiziert oder durch den Staat als Drogenkonsumenten registriert zu werden. In Russland ist auch der Einsatz von Methadon in der Heroin-Substitutionstherapie verboten, der in vielen Ländern einen grundlegenden Bestandteil der HIV-Prävention für Heroinabhängige darstellt.

Die russische Regierung schließt mit AIDS infizierte aktive Drogenkonsumenten von der Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten aus. Dies ist ein kontraproduktiver Schritt in einem Land, in dem sich 85 Prozent der Menschen, die mit AIDS leben, durch das Injizieren von Drogen mit der Krankheit angesteckt haben. Strenge Anti-Drogen-Gesetze sorgen dafür, dass die meisten Drogenkonsumenten in Staatsgefängnissen landen, wo sie einem noch größeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Gefängnisse in Russland sind Brutstätten für HIV, da die staatlichen Behörden Nadelaustauschprogramme verboten haben und in diesen Einrichtungen weder Kondome noch andere HIV-Präventionsleistungen anbieten.

Eine Änderung im russischen Strafgesetzbuch, die im Dezember von der Staatsduma in Kraft gesetzt wurde, könnte eine Reform der föderalen Anti-Drogen-Gesetze ermöglichen. Dadurch könnte verhindert werden, dass jene, die kleine Mengen von Drogen konsumieren, zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. In den letzten Monaten haben die föderalen Drogenkontrollbehörden jedoch noch härtere Strafen vorgeschlagen als jene, die vor der Gesetzesänderung verhängt wurden. Die neuen Verordnungen sollen Mitte Mai in Kraft gesetzt werden.

"Wenn die russische Regierung zeigen will, dass sie AIDS und Menschenrechte ernst nimmt, sollte sie übermäßig strenge Strafmaßnahmen für die Benutzer kleiner Mengen von Drogen ablehnen und sicherstellen, dass alle Drogenkonsumenten Zugang zu einem breiten Spektrum von HIV-Präventionsprogrammen haben", so Csete. "Das anhaltende Verbot von Methadon ist absolut unverantwortlich angesichts des deutlichen Erfolges der Substitutionstherapie bei der Bekämpfung von AIDS sowie bei der Behandlung von Heroinabhängigkeit."

Drogenabhängige, die mit HIV/AIDS leben und andere HIV-positive Menschen werden aufgrund ihres HIV-Status am Arbeitsplatz diskriminiert. Das lässt sich zumindest teilweise darauf zurückführen, dass die Regierung so wenig in die grundlegende Aufklärung der Öffentlichkeit über die HIV-Übertragung investiert hat.

"Präsident Putin hat angeboten, 20 Mio. Dollar an den Global Fund to Fight AIDS zu spenden, doch seine eigene Regierung hinkt mit kaum einem Viertel dieses Betrags für die Bekämpfung der Krankheit im eigenen Land hinterher", meinte Csete.

Die russische Regierung muss Reformen der föderalen Anti-Drogen-Gesetze im Sinne der Änderung im Strafgesetzbuch durchführen, verlangt Human Rights Watch.

Human Rights Watch fordert darüber hinaus von der Regierung, den Zugang zu Programmen, die Drogenabhängige mit sauberen Nadeln versorgen, zu erweitern und das Verbot des Einsatzes von Methadon in der Behandlung von Heroinabhängigkeit aufzuheben. Ferner soll die Regierung den Drogenkonsumenten die Möglichkeit auf eine antiretrovirale AIDS-Behandlung einräumen und in öffentliche Aufklärungsprogramme investieren, um sicherzustellen, dass alle Menschen in Russland Zugang zu wissenschaftlich fundierter Information über HIV/AIDS haben.