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Vietnams Schlag gegen „Cyber-Dissidenten“
Anklage gegen Online-Kritiker sollte abgewiesen werden
(New York, 17. Juni 2003) - Die vietnamesische Regierung sollte die Anklage gegen den „Cyber-Dissidenten“ Pham Hong Son einstellen, sagte Human Rights Watch heute. Son soll am 18. Juni in Hanoi wegen Spionagevorwürfen vor Gericht gestellt werden.


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Nach einer halbtätigen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Verhandlung wurde Pham Hong Son am 18. Juni 2003 in Hanoi wegen Spionage gemäß Art. 80 des vietnamesischen Strafgesetzbuchs zu 13 Jahren Haft verurteilt. Westlichen Reportern und Diplomaten aus Europa, USA und Kanada wurde der Zugang verboten.
Internet Dissidents: Pham Hong Son
Cyber-Dissident Pham Hong Son
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The Indictment of Pham Hong Son by the Supreme People's Procuracy
(unofficial English translation)

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„Vietnams Schläge gegen Kritiker, die das Internet nutzen, um auf friedliche Weise ihre Vorstellungen zu verbreiten oder um mit Aktivisten für Demokratie zu kommunizieren, nehmen extreme Ausmaße an.“

Minky Worden
Direktorin für elektronische Medien bei Human Rights Watch


 
„Vietnams Schläge gegen Kritiker, die das Internet nutzen, um auf friedliche Weise ihre Vorstellungen zu verbreiten oder um mit Aktivisten für Demokratie zu kommunizieren, nehmen extreme Ausmaße an“, sagte Minky Worden, Direktorin für elektronische Medien bei Human Rights Watch.

Human Rigths Watch bestätigte weiterhin, dass im vergangenen Jahr fünf prominente Regierungskritiker in Vietnam verhaftet und zu harten Gefängnisstrafen verurteilt worden waren. Darunter waren auch Personen, die das Internet nur nutzten, um ihre persönliche Meinung zu verbreiten.

Human Rights Watch liegt eine Anklageschrift vom 10. April vor, der zufolge Pham Hong Son gemäß Art. 80 des vietnamesischen Strafgesetzbuchs der Spionage angeklagt wird. Die Anklage wird dadurch begründet, dass er die Initiative ergriff, per Telefon und Email mit „politischen Opportunisten“ in Vietnam und anderswo zu kommunizieren. Spionage kann mit Gefängnisstrafe zwischen zwölf bis zwanzig Jahren, lebenslanger Haftstrafe oder sogar der Todesstrafe bestraft werden. Son wird seit März 2002 festgehalten und befindet sich derzeit in der Haftanstalt Thanh Liet in Hanoi.

Die Anklageschrift enthält weiterhin: „Son unterstützte willentlich die Sichtweisen der genannten politischen Opportunisten und wurde zum Anhänger eines Aktionsplans, mit dem die Freiheit und Demokratie ausgenutzt werden sollten, um im Widerstand gegen die Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam die Einführung von Pluralismus und Mehrparteiensystem zu propagieren.“ Die Anklage hält weiter fest, dass Son Emails von Dissidenten aus anderen Ländern erhalten habe, die ausführten, „um die Natur des derzeitigen Regimes zu verändern, müssten die Beschränkungen aufgehoben werden, die von Parteiführung und Regierung verfügt worden sind, und die Kräfte der Demokratie und des Pluralismus zu vereinigen.“

Die Anklage sagt weiterhin, dass Son Emails nutzte, um „Anti-Partei- und Anti-Regierungsdokumente an Kollegen in anderen Ländern zu übersetzen und zuzuschicken.“ Eines seiner vermeintlichen Verbrechen war es, einen Text mit dem Titel: „Was ist Demokratie?“, den er von der Website der US-amerikanischen Botschaft in Vietnam heruntergeladen hatte, zu übersetzen und zu verbreiten.

„Hinter derartig harten Gefängnisstrafen und unklar formulierten Spionagevorwürfen scheint die Absicht zu stecken, nicht nur Regierungskritiker einzuschüchtern, sondern alle Menschen in Vietnam, die das Internet nutzen,“ sagte Worden.

Vietnams Strafgesetzbuch führt zahlreiche Verbrechen gegen die nationale Sicherheit auf, wovon einige Bestimmungen enthalten, die zweifelsohne internationale Menschenrechtsgesetze verletzen. Beispiele hierfür sind etwa Art. 88 des vietnamesischen Strafgesetzbuchs, „Propagandamaßnahmen gegen die Sozialistische Republik Vietnam“; Art. 87 „Unterminierung der Einheitspolitik“ und Art. 79 „Durchführung von Aktivitäten zum Umsturz der Volksrepublik.“

Im vergangenen Jahr wurden mehrere Dissidenten verhaftet; darunter Nguyen Dan Que der im März 2003 nach Art. 80 verhaftet, aber noch nicht vor Gericht gestellt wurde; Nguyen Khac Toan, der im Dezember 2002 nach Art. 80 zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde; Pham Que Duong, im Dezember 2002 unter Art. 80 angeklagt; Tran Van Khue, im Dezember 2002 verhaftet und wegen Propagandamaßnahmen gegen den Staat angeklagt (angeblich unter Art. 88); schließlich Le Chi Quang, der im Oktober 2002 unter Art. 88 zu vier Jahren Haft verurteilt wurde.

Human Rigths Watch sagte, dass die Verhaftung von Pham Hong Son und anderen Dissidenten eine Verletzung ihrer fundamentalsten Rechte darstelle und forderte ihre unverzügliche Freilassung.

Vietnam ist seit 1982 Vertragspartner des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte von 1966. Nach Art. 9 des Paktes „darf niemand willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden.“ Art. 19 gewährleistet allen Menschen das Recht auf ungehinderte Meinungsfreiheit. Hierzu gehört auch die Freiheit, sich „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art ... zu beschaffen, empfangen und weiterzugeben.“