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Resolution des UN-Sicherheitsrates muss irakische Zivilisten schützen
(New York, 24. Februar 2003) – Sollte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschieden, die einen Krieg gegen den Irak autorisieren würde, so muss diese Resolution ausdrückliche Schutzmassnahmen für Zivilisten beinhalten, sagte Human Rights Watch heute.


Zu diesem Thema

Iraq: Open Letter for UN Security Council Debate
HRW Offener Brief, 24. Februar 2003

International Humanitarian Law Issues In A Potential War In Iraq
HRW Hintergrundpapier, 20.Februar 2003



„Im Falles eines Krieges, leidet die Zivilbevölkerung am meisten. Ein intensiver Druck von Seiten des Sicherheitsrates ist die einzige Möglichkeit, ein humanitäres Desaster zu vermeiden.“

Kenneth Roth
Direktor von Human Rights Watch


 
Die Vereinigten Staaten und Großbritannien hatten für heute geplant, eine neue Resolution einzubringen, die eine Militäraktion autorisieren würde. Human Rights Watch hatte die Mitglieder des Sicherheitsrates in einem Offenen Brief auf die ernsthaften Gefahren für die Zivilbevölkerung im Falle eines Krieges aufmerksam gemacht.

Human Rights Watch bezieht keine Position zu der Frage, ob ein Krieg gegen den Irak gerechtfertigt oder legal ist. Falls es jedoch zum Krieg käme, drängt Human Rights Watch darauf, dass der Sicherheitsrat die Risiken für die Zivilbevölkerung voraussehen und versuchen sollte, diese zu verringern.

„Im Falles eines Krieges, leidet die Zivilbevölkerung am meisten,“ sagte Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch. „Ein intensiver Druck von Seiten des Sicherheitsrates ist die einzige Möglichkeit, ein humanitäres Desaster zu vermeiden.“

Aus Erfahrungen mit der Berichterstattung im Golfkrieg von 1991, der NATO-Intervention im Balkan und dem Konflikt in Afghanistan betont Human Rights Watch die folgenden Punkte:

  • Angreifende Streitkräfte: Die US-geführten Streitkräfte sollten fragliche Praktiken der letzten Kriege vermeiden, einschließlich bewaffneter Angriffe auf die Moral der Zivilbevölkerung sowie Angriffe auf wichtige Infrastruktur und humanitäre Güter, selbst wenn diese durch die gegnerischen Streitkräfte genutzt werden. Auch sollten US-Kommandanten mobile Ziele genauer überprüfen, um eine Wiederholung früherer Angriffe zu vermeiden, in denen Zivilisten fälschlicherweise angegriffen worden waren.
  • Mögliche irakische Vergehen: Im Falles eines Krieges ist es durchaus möglich, dass Saddam Hussein Angriffe auf die irakische Bevölkerung, insbesondere im Norden und Süden des Landes, anordnen und menschliche Schutzschilder verwenden wird. Der Sicherheitsrat sollte deutlich machen, dass jeder, der Gräueltaten gegen die irakische Bevölkerung anordnet oder ausübt, sich wegen Kriegsverbrechen verantworten muss. Auch wenn man Überläufer ermutigen will, darf dieser Grundsatz nicht kompromittiert werden. Auch muss dieser Grundsatz den oppositionellen irakischen Gruppen verdeutlicht werden, die während des Aufstands von 1991, Regierungsbeamte und Regierungsbefürworter willkürlich hingerichtet hatten. Zudem müssten die Vereinigten Staaten und ihre Koalitionspartner vorbereitet sein, um Gebiete, die unter ihre effektive Kontrolle geraten, energisch zu patrouillieren, um potentielle Opfer vor derartigen Übergriffen zu schützen.
  • Massenvernichtungswaffen: Keine Kriegspartei darf Massenvernichtungswaffen, wie z.B. chemische, biologische und nukleare Waffen, verwenden. Dies gilt sowohl für einen ersten Angriffsschlag als auch für Vergeltungsmaßnahmen. Der Gebrauch von Massenvernichtungswaffen im Irak ist unter keinen Umständen zu rechtfertigen.
  • Andere Waffen: Antipersonenminen, Splittermunition in der Nähe von bevölkerten Gebieten oder jegliche Splittermunition, (so die Fehlerrate nicht radikal reduziert werden kann) sollten unter keinen Umständen verwendet werden.
  • Humanitäre Vorbereitungen und Zugang: Eine okkupierende Streitmacht ist rechtlich verpflichtet, für die Sicherheit und das Wohlbefinden der Zivilbevölkerung zu sorgen. Die meisten Iraker sind von staatlichen Rationen abhängig. Durch Sanktionen der letzten zehn Jahre sind persönliche und familiäre Vorräte so gut wie erschöpft. Es ist daher unabdingbar, dass noch bevor jeglicher Kriegshandlungen, ein umfassender und gut fundierter humanitärer Plan ausgearbeitet wird. Militärstreitkräfte sollten einen sicheren und ungehinderten Zugang für humanitäre Organisationen gewährleisten und deren Unparteilichkeit und Neutralität respektieren.
  • Flüchtlinge: Im Jahre 1991 schloss die Türkei ihre Grenzen vor zehntausenden fliehender Kurden. Viele davon mussten erfrieren. Im Falle eines Krieges, sollten die irakischen Nachbarstaaten aufgerufen werden, ihre Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen und ihnen angemessene Sicherheit gewähren. Die Errichtung von Lagern, „Sicherheitszonen“ oder „humanitären Zonen“ innerhalb Iraks wird nicht ausreichend sein.
  • Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen: Der Sicherheitsrat sollte sich schon jetzt zu einem internationalen Prozess verpflichten, der Mitglieder aller Kriegsparteien für Verbrechen in den Kampfhandlungen zur Verantwortung ziehen wird. Auch sollte der Sicherheitsrat eine spezielle Expertenkommission einberufen, um die Vergehen während des letzten Irak-Krieg zu untersuchen und eine rechtliche Verfolgung empfehlen, wie z.B. die Errichtung eines angemessenen internationalen Tribunals.

„In den vergangenen Jahren hat der Sicherheitsrat wichtige Verpflichtungen übernommen, um Zivilisten vor den schlimmsten Auswirkungen eines Krieges zu schützen,“ sagte Roth. „Die Irakkrise wird diese Verpflichtungen auf die Probe stellen. Die irakische Bevölkerung kann es sich nicht leisten, dass der Sicherheitsrat versagt.“