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Ukrainische Frauen werden in der Arbeitswelt diskriminiert
(New York, 27. August 2003) - Frauen in der Ukraine werden aufgrund ihres Geschlechts aus der Arbeitswelt ausgeschlossen, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Der Bericht führt weiter aus, dass die Regierung nichts gegen dieses Problem unternimmt.


Zu diesem Thema

Women’s Work: Discrimination Against Women in the Ukrainian Labor Force
HRW Bericht, August 2003

Frauenarbeit: Diskriminierung von Frauen in der ukrainischen Arbeitswelt
HRW Bericht (Zusammenfassung und Empfehlungen), August 2003



„Der Arbeitsmarkt in der Ukraine spiegelt veralterte Vorurteile über die Fähigkeiten von Frauen wieder. Die ukrainische Regierung kann nicht behaupten, die Rechte der Frauen zu schützen, wenn sie gleichzeitig zulässt, dass Frauen nur Jobs mit dem geringsten Einkommen und niedrigsten Prestige erhalten.“

LaShawn Jefferson
Direktorin der Abteilung für Frauenrechte von Human Rights Watch


 
Der 60-seitige Bericht: “Women’s Work: Discrimination Against Women in the Ukrainian Labor Force,” beschreibt wie weibliche Bewerber durch die Art, wie Arbeitgeber freie Stellen ausschrieben und Bewerbungsgespräche führen, benachteiligt werden.
Sowohl im staatlichen als auch im privaten Bereich fordern Stellenangebote häufiger, dass Bewerber männlich sind. Weiterhin benutzen Arbeitgeber Informationen über die familiären Umstände der Frauen – die diese während der Interviews angeben müssen – als Grund, ihnen eine Stelle zu verweigern. Vorraussetzungen in bezug auf Alter und Aussehen schließen viele Frauen von Jobs aus, für die sie eigentlich qualifiziert wären.

„Der Arbeitsmarkt in der Ukraine spiegelt veralterte Vorurteile über die Fähigkeiten von Frauen wieder,“ sagte LaShawn Jefferson, Direktorin der Abteilung für Frauenrechte von Human Rights Watch. „Die ukrainische Regierung kann nicht behaupten, die Rechte der Frauen zu schützen, wenn sie gleichzeitig zulässt, dass Frauen nur Jobs mit dem geringsten Einkommen und niedrigsten Prestige erhalten.“

Ukrainische Regierungsbeamte beteuern immer wieder, dass die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt kein Problem sei. Doch den Inspektoren des Arbeitsministeriums fehlen der Wille und die Ausbildung, solch diskriminierende Anstellungspraktiken zu untersuchen. Selbst die staatliche Arbeitsvermittlung unterstützt diskriminierende Anstellungspraktiken, indem sie Stellen geschlechtsspezifisch ausschreibt und von den Arbeitgebern ausdrücklich geschlechtsspezifische Informationen über freie Stellen verlangt.

Die ukrainische Regierung hat mehrere internationale Verträge unterschrieben, die die Jobdiskriminierung gegen Frauen verbieten - unter anderem das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) und das Übereinkommen C111 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Geschlechtsspezifische Stellenangebote erscheinen in Zeitungen, Arbeitsvermittlungsmagazinen und entsprechenden Internetseiten. Auch staatliche Arbeitsämter, private Rekrutierungsfirmen und Jobvermittlungsagenturen verbreiten regelmäßig solche Angebote. Stellenausschreibungen mit Anforderungen wie „junge Frau zwischen 18 und 30, attraktive Erscheinung“ sind häufig.

Geschlechtsspezifische Stellenangebote findet man in allen Arbeitsbereichen. Sowohl in Anzeigen für gewerbliche Arbeit, die körperliche Anstrengungen erfordern, als auch in Ausschreibungen für mittlere bis obere Managerpositionen werden männliche Bewerber häufig bevorzugt. Anzeigen, die sich direkt an weibliche Bewerber wenden, sind meist im Dienstleitungsbereich zu finden – zum Beispiel für Bedienungen oder Haushaltshilfen, Sekretärinnen und Buchhalter. Frauen werden so abgehalten, sich für Positionen zu bewerben, die ihren beruflichen Fähigkeiten entsprechen.

Diskriminierung bei Jobinterviews ist ebenfalls weit verbreitet und ist für viele weibliche Arbeitssuchende gleichzeitig zermürbend und erniedrigend. In Bewerbungsgesprächen werden Frauen oft über ihr Alter, ihren Familienstand, ihre familiäre Situation, familiäre Pläne und die berufliche Stellung des Ehemannes befragt. Einstellungsentscheidungen werden oft von diesen persönlichen Informationen abhängig gemacht. Beispielsweise werden junge Frauen oft abgelehnt, da sie möglicherweise Kinder haben wollen.

Frauen über 35 sind erheblichen Einstellungshindernissen ausgesetzt, da die Mehrzahl der Jobs, die für Frauen angeboten werden, wie Sekretärinnen, Pflegerinnen und Kellnerinnen, typischerweise nur für junge Frauen „angemessen“ sind. Stellenangebote geben oft ein bestimmtes Alter an und vielen Frauen wird eine Anstellung verweigert, so sie dieses Alter überschreiten.

Um auf die vorherrschende Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt aufmerksam zu machen, fordert Human Rights Watch die ukrainische Regierung auf, folgende Maßnahmen zu ergreifen;

  • die Diskriminierung von Frauen bei allen Anstellungsvorgängen öffentlich zu verurteilen, einschließlich bei der Stellenausschreibung;

  • sicherzustellen, dass staatliche Stellen keine diskriminierenden Anstellungspraktiken anwenden und geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen unterlassen;,

  • eine Gesetzgebung zu verabschieden, die geschlechtsspezifische Einschränkungen bei elterlichen Unterstützungen beseitigt, mit der Ausnahme von Mutterschaftsurlaub;

  • eine nationale Aufklärungskampagne in Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Organisationen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und anderen durchzuführen, um unter weiblichen Jobsuchenden, Arbeitgebern, öffentlichen Angestellten und Beamten das Bewusstsein für Diskriminierung und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu fördern und auf die den Betroffenen zur Verfügung stehenden offiziellen Hilfsmöglichkeiten aufmerksam zu machen.

Weiterhin ruft Human Rights Watch internationale Organisationen dazu auf, wirksamere Maßnahmen zu ergreifen, um sich bei der ukrainischen Regierung für eine Abschaffung von diskriminierenden Praktiken einzusetzen. Insbesondere forderte Human Rights Watch die Regierung der Vereinigten Staaten und anderer Länder dazu auf, in ihren Hilfsprogrammen Anti-Diskriminierungs-Elemente zur Aufklärung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufzunehmen. Solche Schritte haben das Ziel, die Rechte von Frauen zu fördern und Menschenhandel zu bekämpfen.

Human Rights Watch rief die Europäische Union dazu auf, die ukrainischen Regierung dabei zu unterstützen, ihre Gesetzgebung so anzupassen, dass sie den EU-Richtlinien bezüglich der Vermeidung von Diskriminierung und der Gleichbehandlung im Arbeitsbereich entspricht, und bat die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) für ukrainische Regierungsangestellte, unter anderem für die Inspektoren des Arbeitsministeriums, zusätzliche Fortbildungsmöglichkeiten im Bereich der geschlechtsspezifischen Arbeitsrechtes und im Bereich der Untersuchungstechniken zu ermöglichen.