Pressemitteilungen
FREI    HRW Email Liste  
Türkei: Beschleunigung der Reformen wichtigste Vorraussetzung für möglichen EU-Beitritt
(Istanbul, 30. Oktober 2003) – In Gesprächen mit der türkischen Regierung in Ankara forderte Human Rights Watch heute die Beschleunigung von Reformen, die für einen möglichen Betritt in die EU von größter Wichtigkeit sind.


Zu diesem Thema

A Human Rights Agenda for the Next Phase of Turkey's E.U. Accession Process
HRW Hintergrundpapier, Januar 2003



„Wenn die Türkei die nötigen Reformschritte bis zum Ende dieses Jahres unternimmt und dann auf ein Jahr zurückblicken kann, indem die Menschenrechte wirklich respektiert worden sind, so sollten keine weiteren Hürden für die EU-Beitrittsverhandlungen im Dezember 2004 bestehen.“

Kenneth Roth
Direktor von Human Rights Watch


 
„Wenn die Türkei die nötigen Reformschritte bis zum Ende dieses Jahres unternimmt und dann auf ein Jahr zurückblicken kann, indem die Menschenrechte wirklich respektiert worden sind, so sollten keine weiteren Hürden für die EU-Beitrittsverhandlungen im Dezember 2004 bestehen,“ sagte Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch.

Die Europäische Union berät derzeit, ob die offiziellen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Ende 2004 beginnen sollen. Eine große Hürde stelle die türkische Menschenrechtspolitik dar, hatte die Europäische Union erklärt.

Während seines Besuches, am 27. und 28. Oktober, traf Roth auf den stellvertretenden Premierminister und Menschenrechtsminister Abdullah Gül, den Innenminister Abdulkadir Aksu, den Vorsitzenden der parlamentarischen Menschenrechtskommission, Mehmet Elkatmýþ, sowie Regierungsvertreter und Mitglieder der parlamentarischen Opposition.

In seinen Gesprächen begrüßte Roth die Beschleunigung der legislativen Reformen in den letzten 14 Monaten. Vor allem politisch sensible Gesetzesänderungen, wie die Abschaffung der Todesstrafe, neue Gesetze, die Radio- und Fernsehausstrahlungen in Minderheitensprachen erlauben und Bestimmungen gegen die Anwendung von Folter von Personen, die unter dem Anti-Terror-Gesetz festgenommen wurden, seien wichtige Reformmaßnahmen.

Zudem wies Roth auf die höhere Rate an Freisprüchen in Fällen von Meinungsfreiheit hin. Jedoch drückte er gegenüber den Ministern seine Besorgnis darüber aus, dass Staatsanwälte immer noch Menschen anklagen würden, die ihre Meinung friedlich äußerten. Weiterhin zeigte sich Roth besorgt, dass vier Parlamentarier immer noch unrechtmäßig in Haft säßen, dass Minderheitssprachen noch unzureichend gefördert würden und dass Menschenrechtsorganisationen wegen des veralteten und restriktiven Vereinsgesetzes immer noch verfolgt würden.

Dagegen begrüßte Roth, dass wichtige Fortschritte im Bezug auf das Verbot einiger schwerwiegender Foltermethoden gemacht wurden. Andere Arten von Folter, wie Schläge, seien immer noch weit verbreitet. Immer noch berichten Hunderte von Gefangenen darüber, dass sie misshandelt werden. Grund dafür ist, dass offizielle und unabhängige Überprüfungen in den Haftanstalten nicht ausreichend streng durchgeführt werden.

„Um diesen Misshandlungen ein Ende zu setzen, müssen die Gouverneure und Staatsanwälte regelmäßig alle Polizeistationen und andere Hafteinrichtungen in ihren Bezirken besuchen. Der Innenminister müsste unabhängigen Beobachtern – darunter die Anwaltskammer – den Zugang gewähren“, sagte Roth.

Roth und die Minister stimmten überein, was die Inhalte der weiteren Reformschritte betrifft. Jedoch drängte Roth den Innenminister Aksu, weniger aggressiv mit friedlichen Demonstrationen umzugehen. „Viel zu oft werden friedliche Demonstrationen von der Polizei gestoppt – häufig mit Gewalt“, sagte Roth. „Zwar hat die Polizei die Aufgabe, Demonstranten von der Begehung von Straftaten abzuhalten, doch darf den Demonstranten das Recht, sich friedlich zu versammeln und ihre Meinung an öffentlichen Plätzen frei zu äußern, nicht verwährt werden“. Am 28. Oktober, zum Zeitpunkt als sich Human Rights Watch mit dem Innenminister getroffen hatte, wurden einige Studenten während eines Protestmarschs der von Istanbul bis nach Ankara führte verhaftet. Die Studenten hatten gegen das schlechte Bildungssystem protestiert.