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Russland: Wehrdienstleistenden wird Nahrung und medizinische Versorgung verweigert
U.N. sollte die Lage der Rekruten untersuchen
(Moskau, 14. November 2003) – In Russland wird Wehrpflichtigen im ersten Militärjahr routinemäßig der Zugang zu angemessener Nahrung und medizinischer Versorgung verweigert, berichtete Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.


Zu diesem Thema

To Serve Without Health: Inadequate Nutrition and
HRW Bericht, November 2003



„Der russische Durchschnittssoldat ist krank und hungrig. Das Problem wird von der russischen Regierung ignoriert – geschweige denn angesprochen“.

Rachel Denber
amtierende Direktorin der Europa/Zentralasien Abteilung von Human Rights Watch


 
„Der russische Durchschnittssoldat ist krank und hungrig“, sagte Rachel Denber, amtierende Direktorin der Europa/Zentralasien Abteilung von Human Rights Watch. „Das Problem wird von der russischen Regierung ignoriert – geschweige denn angesprochen“.

Am 17. November wird das UN-Komitee für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte Russlands Situation über ihre ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte bewerten – dazu gehören auch die Rechte auf angemessene Ernährung und medizinische Versorgung.

Der 40-seitige Bericht: “To Serve Without Health: Inadequate Nutrition and Health Care in the Russian Armed Forces”, beschreibt, wie Wehrdienstleistenden im ersten Militärjahr angemessene Nahrung verweigert wird. Die Kost der Rekruten ist fleischlos und beinhaltet nur selten grünes Gemüse. Insgesamt entspricht sie nicht dem Ernährungsstandard, der für russische Soldaten gilt. Essen, das die Rekruten erhalten, ist häufig schlecht, verfault und verseucht. Selbst jugendliche Wehrdienstler erhalten nicht ausreichen zu essen. Zudem wird ihnen das wenige gute Essen von ihren älteren Mitrekruten weggenommen.

Weil viele Schützlinge gewalttätige Vergeltungsmaßnahmen und Schikanen durch ihre älteren Mitrekruten fürchten, werden sie oft daran gehindert, nach medizinischer Versorgung zu fragen. In einigen Fällen wurden Rekruten von ranghohen Soldaten belästigt und geschlagen, nachdem sie einen Arzt aufgesucht hatten. Oft wird Rekruten der Antrag, einen Arzt aufzusuchen, von ihren Vorgesetzten und selbst von Ärzten verweigert.

In einigen dramatischen Fällen hatte ein derartiges Verhalten zum Tod eines Rekruten oder zur permanenten Gesundheitsschädigung geführt. Zum Beispiel ist Viacheslav
Turov, ein 19-jähriger Rekrut aus der sibirischen Stadt Novokuznetsk, im Jahr 2001 nach nur dreieinhalb Monaten Wehrdienst wegen Komplikationen einer schweren Lungenentzündung gestorben. Zu Beginn seines Militärdienstes hatte er sich darüber beschwert, dass er in nur wenigen Wochen sieben Kilogramm an Körpergewicht wegen unzureichender Ernährung verloren hatte. Der Obduktionsbericht bestätigte Unterernährung als Mitursache für seinen Tod.

Gewalttätige Schikanierung wird in vielen militärischen Krankenstationen und in einigen Militärkrankenhäusern, wo ranghohe Soldaten Rekruten schlagen oder misshandeln, oder sie unter Drohungen zu einer Vielzahl von erniedrigenden Arbeiten zwingen, fortgesetzt.

In einem Fall hatte ein Rekrut, nachdem er in einer Nacht besonders misshandelt worden war, Selbstmord begangen.

Um diese Missstände zu beheben, fordert Human Rights Watch die russische Regierung auf, sofort folgende Schritte zu unternehmen:

  • Maßnahmen müssen eingeführt werden, um die Bestimmungen des Militärgesetzes, die darauf gerichtet sind, dass Soldaten eine ausreichende Ernährung erhalten, sie regelmäßig untersucht werden und sie, wenn notwendig, ungehindert Zugang zu medizinischer Versorgung bekommen, effektiv durchzusetzen.
  • Untersuchungen müssen durchgeführt werden, um zu klären, warum diese Bestimmungen nicht durchgesetzt werden.
  • Mechanismen müssen geschaffen werden, um die Rechte der Soldaten zu schützten: Alle Offiziere und anderes Militärpersonal, die die Rechte der Soldaten für ausreichende Ernährung und medizinische Versorgung verletzt haben oder es unterlassen haben, diese Rechte zu schützten, müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Ein ständiges Beobachtungsgremium muss geschaffen werden, eventuell durch einen Ombudsmann für Militärpersonal, um einen angemessenen Standard zu gewährleisten.
  • Die europäische Sozialcharta muss ratifiziert werden.