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Niederländische Asylpolitik verletzt Menschenrechte
Humanitäre Tradition ausser Acht gelassen
(Brüssel, 9. April, 2003) — Essentielle Teile der niederländischen Asylpolitik verstoßen gegen internationale Flüchtlingsstandards, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht.


Zu diesem Thema

HRW Flüchtlinge

HRW Kinderrechte

Fleeting Refuge: The Triumph of Efficiency Over Protection in Dutch Asylum Policy

Migranten und Asylsuchende in Westeuropa



Um Immigration zu kontrollieren, dürfen fundamentale Rechte nicht verletzt werden. Die neue Regierung sollte Asylrechtsreformen wichtig nehmen und die Niederlande wieder an ihre traditionelle Rolle als Verteidiger der Menschenrechte und den Schutz der Flüchtlinge in Europa erinnern.”

Elizabeth Andersen Direktorin der Human Rights Watch Abteilung für Europa and Zentral Asien


 
Human Rights Watch mahnte die neue niederländische Regierung, Reformen im Asylbereich als eine Priorität anzuerkennen und an internationale Standards anzugleichen.

Der 33-seitige Bericht, „Fleeting Refuge: The Triumph of Efficiency Over Protection in Dutch Asylum Policy, ” sprach sich besonders besorgt über neue Regelungen aus, die Asylverfahren auf Kosten der Flüchtlinge beschleunigen.

„Um Immigration zu kontrollieren, dürfen fundamentale Rechte nicht verletzt werden,“ sagte Elizabeth Andersen, Direktorin der Human Rights Watch Abteilung für Europa and Zentral Asien. “Die neue Regierung sollte Asylrechtsreformen wichtig nehmen und die Niederlande wieder an ihre traditionelle Rolle als Verteidiger der Menschenrechte und den Schutz der Flüchtlinge in Europa erinnern.”

Der Human Rights Watch Bericht basiert auf einer dreimonatigen Studie, die duzende von Mitschriften, Entscheidungen von Asylfällen und Interviews mit Asyl-Anwälten, humanitären und Menschenrechtsorganisationen und Repräsentanten der niederländischen Einwanderungsbehörde untersuchte. Der Bericht betonte drei Punkte: Verstöße gegen das Recht auf Asyl durch das häufig angewandte Schnellverfahren; die unangemessene Behandlung von Migrantenkindern; Beschränkungen der Rechte der Asylsuchenden im Bereich der Versorgung von Flüchtlingen, u.a.. Ernährung und angemessene Unterbringung.

Human Rights Watch äußerte sich besorgt darüber, dass das beschleunigte “AC Verfahren“ auf ungeeignete Fälle angewandt wird. Ursprünglich war das 48 Stunden-Schellverfahren für Asylbewerber gedacht, die eindeutig keinen Anspruch auf Asyl hatten. Heute wird diese Regelung allerdings auf 60 Prozent aller Asylanträge angewandt. Offiziellen Angaben zufolge wollte die Regierung sogar bis zu 80 Prozent aller Anträge auf diese Weise bearbeiten.


Human Rights Watch sagte, dass dieses Verfahren den Bewerbern so gut wie keine Möglichkeit gäbe, ihre Notlage darzulegen, notwendigen juristischen Rat zu suchen, oder Einspruch gegen einen negativen Bescheid einzulegen. Besonders in Fällen, die humanitäre, komplexe rechtliche oder tatsächliche Fragen aufwerfen, sei das AC Verfahren unpassend, sagte Human Rights Watch

„Das beschleunigte Verfahren wird oft bei traumatisierten Bewerbern angewandt, die aus kriegszerrütteten Ländern oder vor Unterdrückung geflohen sind,” sagte Anderson. “Unter diesen Gegebenheiten ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehleinschätzung sehr hoch. Menschen werden so zurück in Länder geschickt, in denen sie verfolgt werden.”

Der Bericht legt weiterhin dar, dass bestimmte Aspekte der niederländischen Immigrationspolitik die Interessen und Rechte von Migrantenkindern (gemäß der internationalen Konvention über die Rechte des Kindes), außer Acht lassen. Insbesondere die Tatsache, dass mehr als 30 Prozent aller Kinder, die in den Niederlanden Asyl suchen, durch das AC Verfahren bearbeitet wurden, sei Besorgnis erregend.

Human Rights Watch berichtete, dass bei Interviews mit Kindern oft Umstände, wie Alter und Reife nicht berücksichtigt würden und die Kinder weder juristischen Beistand noch den Beistand eines Pflegers genießen könnten. Human Rights Watch sagte außerdem, dass die niederländische Regierung nicht ausreichend prüfe, ob die nahen Angehörigen eines Kindes auch wirklich bereit und in der Lage seien, langzeitlich für das Wohl des Kindes zu sorgen.

Human Rights Watch kritisierte weiterhin, dass die niederländische Regierung den Asylbewerbern fundamentale materielle Unterstützung, u.a. Nahrung und Unterkunft, vorenthalte. Human Rights Watch sagte, dass diese Politik zur Folge hätte, dass Asylbewerber, darunter Familien mit Kindern, auf die Spenden von wohltätigen Organisationen angewiesen seien, während sie auf den endgültigen Bescheid ihres Einspruchs gegen das AC Verfahren warten. So wurde z.B. eine Familie aus Ruanda des Asylantenheims verwiesen, nachdem ihr Antrag abgelehnt worden war. Als ein Gericht die Entscheidung später aufhob, war die Familie nicht mehr aufzufinden.

„Menschen, die um Asyl nachsuchen, können dies nicht wirklich effektiv tun, wenn sie sich darum Sorgen machen müssen, wo sie in der Nacht schlafen werden,“ sagt Andersen. „Eine Politik, die die fundamentalen Menschenrechte missachtet, lässt sich nicht mir der humanitären Tradition der Niederlande in Einklang bringen.“

Der Bericht enthält weiterhin detaillierte Empfehlungen, die es der neuen Regierung erleichtern sollten, das ihre Asyl- und Immigrationspolitik mit internationalen und regionalen rechtlichen Verpflichtungen übereinstimmen.

Um Human Rights Watchs Bericht (Fleeting Refuge: The Triumph of Efficiency over Protection in the Dutch Asylum Policy) online zu lesen, klicken Sie hier.