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Nepal und Bhutan: Geberländer müssen Lösung der Flüchtlingskrise einfordern
NGOs fordern internationale Konferenz, UNHCR-Vorschlag stellt keine Lösung dar
(Genf, 13. Oktober 2003) – In einem gemeinsamen Schreiben haben sechs führende Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Geberländer, die Bhutan und Nepal unterstützen, aufgerufen, eine internationale Konferenz zur Beilegung der seit vielen Jahren andauernden bhutanesischen Flüchtlingskrise einzuberufen.


Zu diesem Thema

Lutherischer Weltbund
13. Oktober 2003

Open letter to donor governments on Bhutanese refugees
Offener Brief, 8. Oktober 2003



„Die Flüchtlinge haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihre Heimat zurückkehren wollen. Der Vorschlag des UNHCR stellt keine Lösung dar. Er schützt nicht das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr und spricht Bhutan von der Verantwortung für die Vertreibung dieser Menschen frei.“

Rachael Reilly
Beraterin für Flüchtlingsfragen bei Human Rights Watch


 
In dem Schreiben an die Geberregierungen, zu denen Australien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Irland, Japan, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, die Schweiz, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Vereinigten Staaten von Amerika gehören, wiesen die NGOs darauf hin, dass die bilateralen Gespräche zwischen Bhutan und Nepal keine Lösung des Problems erbracht hätten. Gleichzeitig stelle, nach Aussage der NGOs, der vom Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), Ruud Lubbers, unterbreitete Vorschlag, den Flüchtlingen bei ihrer Integration in Nepal bzw. ihrer Umsiedlung in Drittländer zu helfen, für die meisten dieser Menschen keine Lösung dar und würde deren Recht auf eine Rückkehr in die Heimat gefährden.

Die sechs NGOs, Amnesty International, Habitat International Coalition, Human Rights Watch (HRW), der Jesuiten-Flüchtlingsdienst, der Lutherische Weltbund (LWB) und die Bhutanese Refugee Support Group warnten in ihrem Schreiben vom 8. Oktober davor, dass der Beschluss des UNHCR, die Unterstützung der Flüchtlingslager im Südosten Nepals nach und nach einzustellen, schwer wiegende Konsequenzen für die Lage der 100.000 bhutanesischen Flüchtlinge haben würde.

„Die Flüchtlinge haben immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie in ihre Heimat zurückkehren wollen“, erklärte Rachael Reilly, Beraterin für Flüchtlingsfragen bei HRW. „Der Vorschlag des UNHCR stellt keine Lösung dar. Er schützt nicht das Recht der Flüchtlinge auf Rückkehr und spricht Bhutan von der Verantwortung für die Vertreibung dieser Menschen frei“, so Reilly.

Die NGOs betonten, dass der Beschluss des UNHCR, die Hilfe für die Flüchtlingslager einzustellen, die internationalen Gemeinschaft in die Verantwortung stelle, eine Lösung für diese Flüchtlingskrise - die weltweit eine der langwierigsten Flüchtlingskrisen ist - zu finden. Sie riefen die Geberländer zur Einberufung einer internationalen Konferenz auf, an der alle betroffenen Parteien teilnehmen sollten, einschließlich UN-Organen, Regierungen und VertreterInnen der Flüchtlinge, um eine umfassende Lösung für alle Flüchtlinge zu finden. Auf ähnlichem Wege waren in den 1980er und 1990er Jahren erfolgreiche Lösungen für die große Zahl von Flüchtlingen aus Indochina und dem Balkan gefunden worden.

Mehr als 100.000 bhutanesische Flüchtlinge – Schätzungen zufolge ein Sechstel der Bevölkerung Bhutans – leben seit den frühen 1990er Jahren, nachdem sie willkürlich ihrer Staatsbürgerschaft beraubt und in einer der weltweit größten ethnischen Vertreibungen aus Bhutan gewaltsam ausgewiesen worden waren, in Lagern im Südosten Nepals. Mit Hilfe von NGOs unterstützt die UN-Flüchtlingsorganisation diese Flüchtlinge seit 1992.

Aber der UNHCR ist in den letzten zehn Jahren systematisch von den Bemühungen Bhutans und Nepals um eine Beilegung der Flüchtlingskrise auf bilateraler Ebene ausgeschlossen worden. Die Regierung von Bhutan hat dem UN-Organ den Zugang ins Land, der bei Flüchtlingskrisen im Normalfall gewährt wird, verweigert.

Im Juni 2003 teilten die Regierungen von Bhutan und Nepal die Ergebnisse eines Prüfverfahrens mit, dass sie in einem der Lager zur Feststellung des Status der Flüchtlinge und zur Beschlussfassung über deren mögliche Rückkehr gemeinsam durchgeführt hatten. Nach diesem Verfahren würden weniger als drei Prozent der Flüchtlinge nach Bhutan zurückkehren können und ihre vollen staatsbürgerlichen Rechte zuerkannt bekommen, während Zehntausende von Flüchtlingen staatenlos werden könnten. Die NGOs lehnten dieses Prüfverfahren aufgrund rechtlicher Mängel ab und bezeichneten die Ergebnisse als inkorrekt. Auch der UNHCR und verschiedene Regierungen äußerten sich kritisch.

„Der UNHCR und die internationale Gemeinschaft lehnen dieses von Bhutan und Nepal durchgeführte Prüfverfahren aufgrund schwer wiegender Mängel zu Recht ab“, erklärte Peter Prove, Assistent des LWB-Generalsekretärs im Bereich Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte. „Es ist an der Zeit, dass die Geberländer entschlossen handeln, um zu einer Lösung der Flüchtlingskrise beizutragen und das Zwangsexil der Flüchtlinge zu beenden.“

Die 15. gemeinsame bhutanesisch-nepalesische Ministerrunde wird vom 20. bis 23. Oktober dieses Jahres in Thimpu (Bhutan) tagen.