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NATO Festnahmen entscheidender Schritt für Gerechtigkeit im Kosovo
(New York, 19. Februar 2003) – Die Festnahmen von drei, vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) angeklagten, Kosovo-Albanern durch die NATO, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit auf dem Balkan, sagte Human Rights Watch heute.


Zu diesem Thema

Overview of Human Rights Developments in the Federal Republic of Yugoslavia
HRW Weltbericht 2003

Under Orders: War Crimes in Kosovo
HRW Berichtt, Oktober 2001



„Im Kosovo herrscht immer noch eine Kluft, wenn es um Gerechtigkeit geht. Das Tribunal sollte daher alles dafür tun, um die schlimmsten mutmaßlichen Kriegsverbrecher aller Parteien vor Gericht zu stellen. Jedoch ist für Stabilität und Versöhnung auch die Verurteilung weniger gravierender Kriegsverbrecher entscheidend.“

Elizabeth Andersen
Direktorin der Europa- und Zentralasienabteilung von Human Rights Watch


 
Am Montag, dem 17. Februar 2003, nahmen Soldaten der NATO-geführten Kosovo Truppe (KFOR) drei ehemalige Mitglieder der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) wegen Anklagen auf Kriegsverbrechen fest. Gemäß den Anklagen des ICTY dienten die drei Angeklagten im Krieg als „Kommandanten/Wärter“ eines Gefangenenlagers in dem Gebiet von Glogovac/Gllogofc. Sie werden beschuldigt, Mitte 1998 Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an kosovo-serbischen und albanischen Zivilisten begangen zu haben.

Haradin Bala, Isak Musliu und Agim Murtezi sind die ersten Kosovo-Albaner, die öffentlich von dem ICTY angeklagt wurden. Serbische Behörden hatten wiederholt argumentiert, dass die fehlende Strafverfolgung von Kosovo-Albanern die Voreingenommenheit des Tribunals beweisen würde.

„Diese Anklagen wiederlegen die Kritik, dass das Tribunal von Kosovo-Albanern begangene Missbräuche ignorieren würde,“ sagte Elizabeth Andersen, die Direktorin der Europa- und Zentralasienabteilung von Human Rights Watch. „Selbstverständlich werden Anklagen gegen alle mutmaßlichen Kriegsverbrecher verfasst werden - solange zwingende Beweise vorliegen. Die Behörden in der Region sollten deshalb mehr unternehmen, um das Tribunal zu unterstützen.“

Das Tribunal erlies weiterhin einen vierten Haftbefehl gegen Fatmir Limaj, einem ehemaligen Mitglied des UCK Generalstabs. Gemäß einiger Presseberichte am Dienstagabend, wurde Limaj am selben Tag außerhalb Kosovos festgenommen und war im Begriff nach Den Haag ausgeliefert zu werden. Die Anklagen gegen alle vier Kosovo-Albaner enthalten neun Anklagepunkte des ungesetzlichen Freiheitsentzugs, Folter, Mord und die grausame Behandlung von kosovo-serbischen und albanischen Zivilisten, die im Lapusnik/Llapushnik Gefangenenlager der UCK festgehalten wurden. Laut Anklage war Limaj für die „Operationen“ im Gefangenenlager verantwortlich.

Human Rights Watch begrüßte die Verhaftungen, gab aber zu bedenken, dass diese nur einen ersten Schritt zur vollständigen Aufklärung der Verbrechen im Kosovo, darstellen. Human Rights Watch drängte die Behörden in Serbien und Montenegro und die UN-Verwaltung im Kosovo weiterhin Maßnahmen zu ergreifen, um Personen, die in Kriegsverbrechen verwickelt waren, zu verfolgen.

„Im Kosovo herrscht immer noch eine Kluft, wenn es um Gerechtigkeit geht.“ sagte Anderson. „Das Tribunal sollte daher alles dafür tun, um die schlimmsten mutmaßlichen Kriegsverbrecher aller Parteien vor Gericht zu stellen. Jedoch ist für Stabilität und Versöhnung auch die Verurteilung weniger gravierender Kriegsverbrecher entscheidend.“

Human Rights Watch sagte, dass lokale Behörden, die beauftragt sind, weniger gravierende Täter vor Gericht zu stellen, bis heute ihrer Aufgabe nicht nachgekommen sind.

Obwohl die Zahl der Täter innerhalb ihrer Gerichtsbarkeit in den Hunderten liegt, haben serbische Gerichte bisher nur drei Fälle der Ereignisse von 1998-1999 im Kosovo eröffnet. Gleichzeitig haben der ICTY und die Gerichte im Kosovo die gewaltige Aufgabe, Verbrechen gegen Nicht-Albaner, während und nach dem Krieg, zu verfolgen. Nach dreieinhalb Jahren internationale Verwaltung hat die Justizgewalt im Kosovo versagt, Kriegsverbrechen an Nicht-Albanern zu verfolgen oder anzuklagen. Nur eine Handvoll Personen wurde bisher erfolgreich für Kriegsverbrechen an Kosovo-Albanern verfolgt.

Die ICTY-Anklagen bestätigen Berichte, dass kosovo-albanische Rebellen in etlichen Fällen für ernsthafte Verletzungen des humanitären Völkerrechts während des bewaffneten Konflikts mit Belgrader Truppen von 1998-1999 verantwortlich sind. Im selben Konflikt hatten serbische Einheiten eine Kampagne der Massentötung, Vertreibungen und Zerstörung an Kosovos ethnisch albanischer Bevölkerung gestartet.