In einem Brief an US-Präsident George W. Bush und UK-Premierminister
Tony Blair sagte Human Rights Watch, dass ein Amnestie-Angebot an die
Verantwortlichen von furchtbaren Menschenrechtsverbrechen nicht mit
internationalem Recht vereinbar sei. Des weiteren würde solch ein
Angebot jegliche Bemühungen, im Irak Rechtsstaatlichkeit und Stabilität
zu schaffen, unterminieren.
„Amnestie für ehemalige irakische Regierungsmitglieder, die für
Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
verantwortlich sind, würde einem verheerenden Affront an die Opfer der
ehemaligen irakischen Regierung gleichkommen,“ sagte Richard Dicker,
Direktor des Programms für Internationale Justiz von Human Rights Watch.
„Es ist unmöglich Gerechtigkeit herzustellen, wenn eine Regierung, wann
immer es ihr passt, Amnestie für die schlimmsten Verbrechen anbietet.“
Die Vereinigten Staaten und Großbritannien hatten die schweren
Menschenrechtsverletzungen des Regimes von Saddam Hussein und die
Dringlichkeit, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, als
einen Grund für den Irak Krieg angeführt.
Erfahrungen mit anderen Übergangsregierungen haben gezeigt, dass das
Schaffen von Gerechtigkeit für vergangene Verbrechen ein wichtiger
Schritt ist, um Rechtsstaatlichkeit herzustellen und Frieden und
Stabilität zu sichern.
„Wenn man nur diejenigen Beamten vor Gericht stellt, die keine
nützlichen Informationen haben, würde dies einer Heuchelei gleichkommen
und würde zu ernsthaften Zweifeln an den Koalitionskräften, die sich zu
Gerechtigkeit verpflichtet haben, führen“ sagte Dicker.
In Koalitions-, UN-, irakischen Juristen und NGO-Kreisen wird bereits
diskutiert, wie die vergangenen Verbrechen am besten gerichtet werden
können. Human Rights Watch und andere riefen den UN-Sonderbeauftragten
für den Irak Sergio Vieira de Mello auf, eine UN-Expertenkommission
einzuberufen, die angemessene juristische Mechanismen ausarbeiten
sollte. Zu dieser Aufgabe gehört auch das Sammeln und Sichern von
Beweisen.
„Wenn man beginnt, führenden Regierungsköpfen Amnestie anzubieten,
werden alle Bemühungen für eine gerechte Justiz automatisch
untergraben,“ sagte Dicker.
Seit einigen Jahren propagiert Human Rights Watch für Gerechtigkeit für
die vergangenen Verbrechen der irakischen Führung. Während der
Herrschaft der Baath-Partei waren Verbrechen, wie Völkermord, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folterung, „Verschwinden“
von Personen und willkürliche Hinrichtungen an der Tagesordnung. Während
der „Anfal-Völkermord“ Kampagne wurden mehr als 100.000 Kurden
verschleppt und hingerichtet. In den achtziger Jahren hatte die
irakische Regierung zirka eine halbe Million Schia’s gewaltsam in den
Iran vertrieben. Zuvor waren zirka 50.000 bis 70.000 Schia’s inhaftiert
worden. Viele von ihnen sind noch heute verschollen. Insgesamt sind seit
den späten siebziger Jahren zirka 290.000 Menschen im Irak
„verschwunden“.
Human Rights Watch Brief an Präsident Bush und Premierminister Blair (auf Englisch):
http://hrw.org/press/2003/06/iraq-bush062703-ltr.htm und http://hrw.org/press/2003/06/iraq062703-ltr.htm