Pressemitteilungen
FREI    HRW Email Liste  
Indien: Polizeimissbrauch gegen Demonstranten
(New York, 2. Dezember 2003) – Die indische Regierung sollte umgehend unabhängige Untersuchungen des möglichen Polizeimissbrauchs gegen Flüchtlinge und Asylsuchende bei Demonstrationen in Neu Delhi am 12. und 13. November einleiten, forderte Human Rights Watch heute. Die Regierung sollte außerdem sicherstellen, dass keine Flüchtlinge – auch jene nicht, die an den Demonstrationen teilgenommen haben - nach Burma abgeschoben werden.


„Die Polizei hatte keinen Grund, solch brutale Gewalt anzuwenden. Es ist unverständlich, dass die weltgrößte Demokratie Menschen unterdrückt, die in ihrem Heimatland bereits verfolgt wurden“.

Brad Adams
Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch


 
Am 12. November setzte die Polizei Wasserkanonen, Elektroschockgeräte und Schlagstöcke ein, um eine Gruppe von 500 burmesischen Staatsbürgern gewaltsam aufzulösen. Die bereits vom UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) als Flüchtlinge anerkannten Burmesen hatten sich vor dem UNHCR-Büro zu einer Demonstration versammelt. Viele hatten bereits seit dem 20. Oktober gegen die Kürzung der monatlichen Flüchtlingsunterstützung des UNHCR protestiert. Die monatliche Unterstützung wurde vom UNHCR aus Kostengründen von 1.400 Rupien (US $ 30) um bis zu 60 Prozent gekürzt.

Mindestens 25 Demonstranten wurden teilweise schwer verletzt. Sie erlitten Kopf- und Brustverletzungen sowie Knochenbrüche und schwere Prellungen.

„Die Polizei hatte keinen Grund, solch brutale Gewalt anzuwenden“, sagte Brad Adams, Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch. „Es ist unverständlich, dass die weltgrößte Demokratie Menschen unterdrückt, die in ihrem Heimatland bereits verfolgt wurden“.

Am 12. November wurden mehrere hundert Demonstranten in vier verschiedenen Polizeistationen festgehalten. Die meisten von ihnen wurden noch in der Nacht freigelassen. 24 Personen, gegen die Anzeige wegen Unruhestiftung und Widerstand gegen die Polizei erhoben worden ist, sind in das Zentralgefängnis „Tihal Central“ verbracht worden.

Um weitere Versammlungen innerhalb von 200 Metern des UNHCR-Büros zu verhindern, hatte der Polizeikommandant von Neu Delhi außerdem eine 30-tägige Ausgangssperre verhängt. Als sich einen Tag später wieder über 100 Protestanten vor dem UNCHR-Büro versammelten, nahm die Polizei 20 weitere Burmesen fest und brachte diese in das Zentralgefängnis. Die Demonstrationen vor dem UNHCR-Gebäude wurden dennoch fortgesetzt.

UN-Prinzipien sehen vor, dass Gewalt und Schusswaffengebrauch nur als letztes Mittel, wenn alle friedlichen Lösungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind oder sich als uneffektiv herausgestellt haben, angewandt werden dürfen.

Human Rights Watch forderte die indische Regierung dazu auf, die erforderlichen Untersuchungen einzuleiten und Disziplinarmaßnahmen gegen die verantwortlichen Polizeibeamten zu ergreifen. Die Regierung müsse sicherstellen, dass die Demonstranten, denen kriminelle Delikte vorgeworfen werden, rechtlichen Beistand bekommen. Demonstranten, die nicht angezeigt worden sind, müssen freigelassen werden.

„Indien kann jetzt unter Beweis stellen, dass es die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit achtet – selbst für die Schwächsten in der Gesellschaft“, sagte Adams.

Von den 42 verhafteten und angezeigten Demonstranten sind bisher nur zwei gegen Kaution freigelassen worden. Laut UNHCR, sind 16 offiziell als Flüchtlinge unter der Flüchtlings-Konvention anerkannt. 14 Fälle sind noch offen.

UNHCR hat in Neu Delhi rund 1.000 Burmesen als Flüchtlinge anerkannt. Die meisten sind Chin-Christen aus der Provinz Mizoram im Nordwesten Burmas, die Mitte der 90er Jahre wegen Unruhen nach Indien geflohen sind.

In den letzten Jahren nahm die Anzahl der Flüchtlinge aus Burma bedeutend zu. Die Gründe dafür sind vor allem willkürliche Festnahmen, Folterungen, Zwangsarbeit und religiöse Verfolgungen durch die burmesische Regierung sowie die andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der „Chin National Armee“.