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China: Diskriminierung verstärkt AIDS-Krise
Untersuchungen im Blutskandal müssen durchgeführt werden
(Hong Kong, 3. September 2003) - Die AIDS-Epidemie in China wird durch weitverbreitete Diskriminierung von Menschen, mit HIV infiziert, verstärkt, sagte Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Viele Krankenhäuser verweigern HIV-Infizierten jeglichen Zugang zu medizinischer Versorgung.


Zu diesem Thema

Locked Doors: The Human Rights of People Living with HIV/AIDS in China
HRW Bericht, September 2003

HIV/AIDS und Menschenrechte



"Viele Menschen werden so stark diskriminiert, dass sie gezwungen sind, als Aussätzige zu leben. Die AIDS-Krise wird dadurch täglich verschlimmert."

Brad Adams
Direktor der Asien Abteilung von Human
Rights Watch


 
Nationale Gesetze diskriminieren Menschen, die mit HIV/AIDS leben, und einige regionale Gesetze verbieten den Zugang zu Schwimmbädern oder die Arbeit im Gastronomiebereich. Drogenabhängige werden von der Polizei in Entziehungseinrichtungen gebracht, wo sie gezwungen sind, ohne Bezahlung Schmuck für Touristen herzustellen. Anstatt Hilfe zu erhalten, werden sie in den Untergrund getrieben. Dadurch wird die Arbeit der Regierung im Kampf gegen den Aidsvirus noch erschwert.

Der 94-seitige Bericht, "Locked Doors: The human rights of people living with HIV/AIDS in China", basiert auf über 30 Interviews mit Menschen, die mit HIV/AIDS infiziert sind, mit Polizeibeamten, Drogenabhängigen und Streetworkern. Die Interviews wurden in Peking, Hong Kong und Yunnan durchgeführt.

"Viele Menschen werden so stark diskriminiert, dass sie gezwungen sind, als Aussätzige zu leben," sagte Brad Adams, Direktor der Asien Abteilung von Human Rights Watch. "Die AIDS-Krise wird dadurch täglich verschlimmert."

Der Human Right Watch Bericht dokumentiert;

  • wie verseuchte staatliche Blutbanken in sieben Provinzen den HIV-Virus verbreiteten;
  • wie das Ausmaß der Epidemie durch Regionalbeamte vertuscht wurde;
  • wie China darin versagte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und Behandlung für Infizierte anzubieten;
  • wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Recht auf Information von HIV-Infizierten und ihren Helfern eingeschränkt werden;
  • wie HIV-Infizierte in Krankenhäusern und in staatlichen Behörden diskriminiert werden;
  • wie Menschen in staatlichen Einrichtungen zu Aidstests gezwungen werden,
  • wie die Vertraulichkeit der Patientendateien verletzt wird;
  • das Fehlen medizinischer Versorgung in Chinas marodem Gesundheitssystem.

In der Yunnan Region besuchten Human Rights Watch Mitarbeiter Südostasiens größte Entziehungseinrichtung - wo Drogenabhängige in überfüllten, verschmutzen Zellen, ohne Wasser und adäquate Ernährung hausen. Das Center führt Aidstests ohne das Wissen der Patienten durch, informiert diese nicht über die Ergebnisse und bietet keine medizinische Versorgung für Aidspatienten an.

Chinesische Regierungsunterlagen, zu denen Human Rights Watch Zugang erhalten hat, beweisen, dass die HIV-Rate unter Blutspendern in sieben Provinzen zwischen 4% bis 40% liegt - in diesen sieben Provinzen leben insgesamt 420 Millionen Menschen. Demzufolge liegt die Zahl der HIV-Infizierten in China weit über Pekings offiziellen Angaben von einer Millionen.

Peking hat vor kurzem ein HIV-Grundsatzprogramm verabschiedet, welches betont, dass landesweite Aktionspläne nicht gegen Aidspatienten diskriminieren dürfen. Einige regionale Parlamente, wie in Suzhou Stadt, haben Verordnungen erlassen, die die Rechte von Aids-Infizierten schützen sollen. Weiterhin könnten Pilotprogramme zur Aidsaufklärung und Vorbeugung erweitert werden und erfolgreiche Gesetze und Praktiken, die zur Zeit in Hong Kong angewandt werden, auf das Festland übertragen werden. Doch betont der Human Rights Watch Bericht auch, dass die verhältnismäßig geringe Anzahl an Projekten nicht ausreichend sei, den Umfang der eskalierenden Aidskrise anzugehen.

„SARS zeigte, dass die nationale Führung und ein starkes Gesundheitssystem entscheidend für die Bekämpfung einer Epidemie sind,“ sagte Adams. „Es ist an der Zeit, dass Peking die gleiche Entschlossenheit zeigt, um Menschen mit HIV/AIDS zu helfen.“

Der Human Rights Watch Bericht dokumentiert auch, dass die chinesische Regierung noch immer den größten Aidsskandal der Geschichte im Dunkeln hält. In den frühen neunziger Jahren wurden in sieben Provinzen in Zentralchina Bürger durch verseuchte staatliche Blutkonserven angesteckt. Bis heute haben wenige der Opfer medizische Behandlung oder Wiedergutmachung erfahren. Bislang wurde keiner der verantwortlichen Beamten strafrechtlich verfolgt.

„Es ist Zeit, dass sich China dem Blutspendeskandal stellt,“ sagte Adams. „Peking muss eine umfangreiche Untersuchung starten, um aufzuklären, wie lokale Behörden in diesen Skandal verwickelt sind - die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Sollte China dazu nicht in der Lage sein, muss die UN oder andere unabhängige Organisationen um Hilfe gebeten werden“.

China sollte sofort Wiedergutmachung und Behandlung für diejenigen bereitstellen, die direkt oder indirekt durch den Blutskandal angesteckt wurden, sagte Adams.