Die Bush-Regierung trifft zur Zeit letzte Vorbereitungen, um die
Gefangenen von Guantanamo vor Militärkommissionen zu stellen. Werden
diese Tribunale ein faires Verfahren darstellen? Diese Frage ist nicht
eindeutig zu beantworten. Das US-Verteidigungsministerium verhandelt
derzeit noch mit Großbritanniens Generalstaatsanwalt, wie mit den zwei
britischen Häftlingen verfahren werden soll. Sie befinden sich unter den
ersten sechs Beschuldigten, die vor den Tribunalen verhandelt werden
sollen. Die breiten Konturen, wie sich die Bush-Regierung die
Verfahren vorstellt, sind bereits bekannt. Diese sind äußerst
besorgniserregend.
Die Sorgen beginnen damit, dass diejenigen, die vor die geplanten
Militärkommissionen gestellt werden, zu keinem Zeitpunkt vor einem
unabhängigen Gericht erscheinen werden - nicht einmal im
Rechtsmittelverfahren. Dies bedeutet praktisch, dass kein unabhängiger
Richter einen Beschuldigten verteidigen, noch seine mögliche Hinrichtung
verhindern kann, die auf der Grundlage eines Geständnisses basieren
könnte, welches möglicherweise durch unrechtmäßige Vernehmungsmethoden
erlangt wurde.
Dieses Fehlen eines unabhängigen Kontrollsystems steht im Widerspruch zu
den Militärgerichten, die die Vereinigten Staaten errichtet haben, um
eigene Soldaten und feindliche Kriegsgefangene zu verhandeln. In dem
amerikanischen Militärgerichtssystem kann gegen ein Urteil Rechtsmittel vor
einem Zivilgericht eingelegt werden. Anschließend kann das Verfahren bis
vor das höchste US-Gericht gebracht werden. Dagegen würde bei den
geplanten Militärkommissionen ein Rechtsmittel nur an Präsident Bush,
Verteidigungsminister Rumsfeld oder deren Vertreter gehen. Das würde
bedeuten, dass Militärbeamte, die der Befehlsgewalt Bushs und Rumsfelds
unterliegen, als Ankläger, Richter und Berufungsrichter dienen können.
Ein unabhängiger Richter würde dem Verfahren ganz fehlen.
Insbesondere da Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld die
Gumantanamo Gefangenen bereits für schuldig erklärt haben, indem sie sie
als "schlechte Menschen" und "das Schlimmste vom Schlimmsten"
bezeichneten, erweckt ihr geplantes System kaum Vertrauen. Stattdessen
verdeutlicht es die Ungerechtigkeit, der die
Guantanamo Gefangenen ausgesetzt sind.
Auf das Drängen des britischen Generalstaatsanwalts hin, hat sich die
Bush-Regierung bereit erklärt, einige Gefangene vor eine
Berufungskommission zu stellen. Doch wenn diese Kommission den Weisungen
von Bush und Rumsfeld unterliegen, stellen diese Richter wohl kaum eine
unabhängige Instanz dar. Diese Unabhängigkeit wäre nur von
amerikanischen Zivilgerichten gewährleistet.
Im Bezug auf die Verfahren der Militärkommissionen hat die
Bush-Regierung einige ihrer untragbaren ursprünglichen Pläne revidiert.
Ursprünglich sollten anerkannte rechtsstaatliche Prinzipien, wie das
Prinzip der Unschuldsvermutung oder das Erfordernis der Urteilsfindung
"jenseits eines vernünftigen Zweifels" nicht mehr gelten. Dennoch
bestehen weiterhin schwerwiegende Mängel. So kann ein Beschuldigter
unter den gegenwärtigen Verfahrensregelungen belastende Beweise, die
von der Regierung als "sensibel" qualifiziert wurden, nicht einsehen.
Dadurch ist es dem Beschuldigten unmöglich, sich gegen "geheime" Beweise
zu verteidigen und führt somit zu einem unfairen Verfahren.
Die einzigen Personen, die Zugang zu den Beweisen haben werden, sind die
vom Pentagon berufenen Verteidiger. Doch wenn der Verteidiger die
Beweise nicht mit dem Beschuldigten diskutieren kann, wird dem
Beschuldigten nicht möglich sein, Gegenbeweise vorzubringen, die seine
Unschuld beweisen könnten. Sollte der Angeklagte kein Vertrauen zu dem
vom Pentagon berufenen Anwalt haben und einen eigenen Anwalt ernennen
wollen, hätte auch dieser keinen Einblick in die "geheimen" Beweise,
obwohl er einem speziellen Sicherheitsverfahren unterzogen werden würde.
Diese ernsthaften Verfahrensmängel stellen nicht nur ein Problem für die
Beschuldigten dar, sondern auch für die Regierungsbeamten, die diese
Verfahren führen werden. Die Genfer Konventionen verlangen, dass
Kriegsgefangene, die wegen eines Verbrechens vor ein Tribunal gestellt
werden, nach dem gleichen Verfahren verhandelt werden, das für die
eigenen Soldaten vorgesehen ist - in den USA würde dies dem Verfahren
der Militärgerichte gleichkommen. Eine Missachtung dieser Bestimmung
würde ein Kriegsverbrechen darstellen.
Eine solche Paralleljustiz ist das letzte, was die Bush-Regierung zur
Zeit unterstützen sollte. Das beste Mittel im Kampf gegen den
Terrorismus ist, Menschen weltweit zu überzeugen, dass Prinzipien der
Rechtsstaatlichkeit geachtet werden und friedliche Mittel für eine
politische Lösung gesucht werden. Die Bush-Regierung setzt gerade alles
daran, um diese Prinzipien zu unterminieren.
*Kenneth Roth ist der Direktor von Human Rights Watch.