(New York) – Afghan*innen, die einem erhöhten Verfolgungsrisiko durch Taliban-Kräfte ausgesetzt sind, benötigen dringend Evakuierung und internationalen Schutz im Ausland, so Human Rights Watch heute. Ausländische Regierungen sollten dringend Visa ausstellen und die sichere Ausreise von Zivilist*innen und ihren direkten Familienangehörigen gewährleisten, die von den Taliban aufgrund ihrer Arbeit oder ihres Status verfolgt werden könnten.
Zu den besonders gefährdeten Zivilist*innen gehören Personen, die sich für Menschenrechte, Demokratie und Bildung eingesetzt haben, Akademiker*innen, Schriftsteller*innen, Journalist*innen und andere Medienschaffende sowie Personen, die für ausländische Arbeitgeber tätig waren, und andere gefährdete Gruppen. Angehörige ethnischer Minderheiten und schiitische Muslim*innen, insbesondere Hazaras, sind ebenfalls stärker gefährdet.
„Die Taliban sind seit langem dafür bekannt, Zivilist*innen, die sie als ‚Feinde‘ betrachten, zu misshandeln oder zu töten“, sagte Patricia Gossman, stellvertretende Asien-Direktorin bei Human Rights Watch. „Ob innerhalb oder außerhalb Afghanistans, Regierungen und UN-Büros sollten gefährdeten Afghan*innen Schutz und Hilfe bieten und die Bearbeitung von Reisedokumenten und Transporten zu einer Priorität machen."
Alle Regierungen sollten sofort Abschiebungen und Zwangsrückführungen nach Afghanistan aussetzen, so Human Rights Watch. Alle Länder sollten öffentlich anerkennen, dass Afghan*innen, die aus Afghanistan fliehen, sinnvolle Möglichkeiten erhalten sollten, Asyl zu beantragen. Die Vereinten Nationen und die UN-Mitgliedsstaaten sollten die humanitäre Hilfe für die Nachbarländer, in die Afghan*innen fliehen, aufstocken und die Länder unterstützen, die sie aufnehmen. Die Regierungen sollten auch die Unterstützung für Notevakuierungs-, Umsiedlungs- und Neuansiedlungsmaßnahmen für Afghan*innen erhöhen und dringend zusammenkommen, um koordinierte Protokolle für die Neuansiedlung von besonders gefährdeten Menschen in Drittländern zu verabschieden.
Die Regierungen sollten auch die Unterstützung für nichtstaatliche Gruppen innerhalb und außerhalb Afghanistans verstärken, die sich für Menschenrechte, Frauenrechte, Kinderrechte, Bildung, Gesundheitsversorgung und andere lebenswichtige Bedürfnisse einsetzen. Die Regierungen sollten die Beteiligung afghanischer zivilgesellschaftlicher Gruppen an den Diskussionen über Hilfe und Wiederansiedlung sicherstellen.
Der UN-Menschenrechtsrat in Genf sollte dringend eine Resolution verabschieden und damit ein Gremium schaffen, das mit Unterstützung der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Beweise für Verstöße aller Konfliktparteien in Afghanistan sammelt und sichert und Akten vorbereitet, um faire und unabhängige Strafverfahren zu ermöglichen.
Der UN-Sicherheitsrat sollte in einer Resolution bekräftigen, dass der Internationale Strafgerichtshof, dem Afghanistan beigetreten ist, Kriegsverbrechen und andere Gräueltaten verfolgen kann. In der Resolution sollten alle Parteien aufgefordert werden, dafür zu sorgen, dass alle Zivilist*innen, einschließlich der Binnenflüchtlinge, uneingeschränkten und freien Zugang zu humanitärer Hilfe von UN-Organisationen und humanitären Gruppen haben.
Der Sicherheitsrat wird voraussichtlich im September das Mandat der UN-Unterstützungsmission in Afghanistan (UNAMA) verlängern. Das Mandat der UNAMA sollte dahingehend erweitert werden, dass es ausdrücklich das Sammeln von Informationen und Beweisen für Rechtsverletzungen umfasst, die von allen Konfliktparteien begangen wurden. Der Rat sollte die UNAMA anweisen, öffentlich über ihre Ergebnisse zu berichten und Informationen und Beweise an die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs sowie an andere internationale oder nationale Einrichtungen weiterzugeben, die Kriegsverbrechen und andere Verstöße in Afghanistan untersuchen.