Gef&aumle;ngnissen
Menschenrechtsverletzungen an Gefangenen

Im Jahr 2000 erreichte die Zahl der Inhaftierten in den Vereinigten Staaten die Zwei-Millionen-Grenze. Dies ist sowohl absolut, als auch relativ (im Hinblick auf die Inhaftiertenrate) erschreckend hoch. Doch stehen die USA bei Rekordzahlen von Inhaftierten nicht allein da. Weltweit steigt die Zahl der Gefangenen stetig - was wiederum überfüllte Gefängnisse und Haftanstalten zur Folge hat. Obwohl Schätzungen schwierig sind - einige Länder veröffentlichen diese Informationen nicht -, wird die Zahl der Inhaftierten weltweit auf zwischen acht und zehn Millionen Menschen geschätzt.

Amtliche Geheimhaltung macht es nicht nur schwierig, Zahlen zu schätzen, sondern verhindert auch, dass jegliche Information zu Missbrauch in Gefängnissen an den Tag kommt. Dadurch dass Menschenrechtsgruppen, Journalisten und andere außenstehende Beobachter in vielen Ländern keinen Zutritt zu den Strafanstalten haben, ist es oft unmöglich, katastrophale Haftbedingungen aufzudecken. In extremen Fällen, wie in China und Kuba, wird dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes verwehrt, humanitäre Güter an Gefangene zu liefern.

Während Haftbedingungen sehr von Land zu Land und Haftanstalt zu Haftanstalt variieren, sind die Standards in den meisten Ländern schockierend niedrig. Selbst in den wohlhabendsten Ländern sind Gefängnisse oft von Überfüllung, Mangel an technischer Infrastruktur, Mangel an medizinischer Versorgung, Misshandlungen an Häftlingen durch Gefängnisbeamte, Korruption und Gewalt geplagt. Die breite Öffentlichkeit allerdings ist nur daran interessiert, dass Häftlinge hinter Gitter bleiben. Daher ist in den letzten Jahren im Bezug auf die Menschenrechte von Inhaftierten nur wenig Fortschritt gemacht worden.

Misshandlungen in Gefängnissen

Unkontrollierte Gewaltausbrüche in Gefängnissen, verletzen das fundamentale Recht auf Leben. Am 27. April 2000, wurden mindestens 25 Häftlinge in Bogotas Modelo Gefängnis getötet - eines der blutigsten Gefängnisaufstände in der Geschichte Kolumbiens. Nachdem ein verstümmelter Körper in einem Abwasserrohr gefunden wurde, standen sich zwei rivalisierende Häftlingsgruppen gegenüber.

Obwohl die Zahl der Todesopfer erschreckend war, war es die Gewalt selbst nicht. In einer darauffolgenden Gefängnisuntersuchung wurden zwei AK-47 Maschinengewehre, acht Granaten, ein duzend Feuerwaffen und einige tausend Messer sichergestellt - das Modelo beherbergte ein kleines Waffenarsenal. Tatsächlich wurden cirka 1 200 kolumbianische Häftlinge im letzten Jahrzehnt getötet; eine überproportionale Zahl davon im Modelo Gefängnis. "In den vier Jahren in denen ich im Modelo war, habe ich mehr Blut und mehr Tote gesehen, als während meines ganzen kriminellen Lebens", sagte ein Häftling aus. Die Kombination von überfüllten Zellen, Mangel an Gefängnispersonal und massenhaft Waffen führen unvermeidlich zu Gewalt.
Mittlerweile sind 4 700 Häftlinge in Modelo inhaftiert; ursprünglich war die Anstalt jedoch nur für 1 900 Insassen konzipiert.

 
In Brasilien macht ein Häftling auf sich aufmerksam.
Im März 2000 wurde die "Mata" Strafanstalt in Rondonopolis, Brasilien, zum Schauplatz einer ähnlichen Tragödie. Als eine Gruppe von Häftlingen die Wärter überwältigten und sich Zugang zu einem benachbarten Block verschafften, kamen 13 Gefangene ums Leben. Angeblich war das Ziel dieser Aktion, den Drogenhandel im Gefängnis zu kontrollieren. Obwohl Gewalt in der "Mata" Strafanstalt alltäglich war, reagierte die Polizei erschreckend langsam - sie benötigte drei Stunden, um die Häftlinge in ihre Kontrolle zu bringen.

Tragödien wie diese werden gelegentlich von der Presse aufgegriffen - jedoch bleibt die Mehrzahl von getöteten Häftlingen unerwähnt. Besonders in Ländern wie Brasilien, Kenia, Venezuela, und Panama sind Gefängnismorde an der Tagesordnung. Obwohl Häftlinge meist von anderen Häftlingen (und nicht von Wärtern) bedroht werden, ist diese Art von Gewalt das direkte Resultat der Nachlässigung der Behörden. Dadurch, dass Häftlinge innerhalb der Einrichtungen nur wenig kontrolliert werden, dass Gewalt toleriert wird, dass Waffen eingeschleust werden und die stärkeren Gefangenen immer wieder die Schwächeren unterdrücken können, sind Wärter und Behörden direkt für die Gewalt in Gefängnissen mitverantwortlich.

Proportional sterben weit mehr Menschen in Haft als in Freiheit. Jedoch ist dies nicht nur auf die dort herrschende Gewalt zurückzuführen. Die häufigste Todesursache in Gefängnissen sind Krankheiten, welche oft auf überfüllte Zellen, Unterernährung, unhygienische Bedingungen und den Mangel an medizinischer Versorgung zurückzuführen sind. Nahrungsmangel, verbunden mit überfüllten Zellen, führen zum Ausbruch von übertragbaren Krankheiten.

Besonders Tuberkulose (Tbc) hat in Gefängnissen auf der ganzen Welt verheerende Auswirkungen. In Russland ist angesichts der hohen Anzahl von Häftlingen (über eine Millionen im September 2000) und der Verbreitung von multiresistenten (MDR multi-drug resistant) Bakterien der Anstieg von Tbc besorgniserregend. Etwa jeder Zehnte Häftling ist mit Tuberkulose infiziert und mehr als 20 Prozent der Kranken Häftlinge sind von multiresistenten Keimen (MDR) befallen. Dies stellt eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar. Zudem ist die Tuberkulose-Epidemie nicht nur auf Russland begrenzt, sondern breitet sich schnell in den Gefängnissen der früheren Sowjetunion aus. Auch in in brasilianischen und indischen Gefängnissen werden erschreckend hohe Tbc-Raten verzeichnet. Beide Länder weisen eine extrem hohe Häftlingsrate auf.

Auch die HIV/AIDS-Epidemie hat verheerende Auswirkungen auf Häftlinge. Auf der ganzen Welt berichten Strafanstalten von überproportional hohen HIV-Infektionsraten. Eine positive Ausnahme stellt die botsuanische Regierung dar. Im Juli 2000 führte sie ein Gesetz ein, welches Häftlingen, die sich im letzten Stadium von AIDS und/oder anderer unheilbarer Krankheiten befinden, erlaubt, nach Hause zu ihren Familien zurückzukehren. Weltweit sterben Tausende Häftlinge an AIDS, weil ihnen häufig die grundlegendste medizinische Versorgung verwehrt wird.

Körperliche Misshandlungen von Wärtern ist ein weiteres chronisches Problem in Gefängnissen. In einigen Ländern ist die Prügelstrafe sowie der Gebrauch von Fußfesseln, Manschetten und Ketten nach wie vor erlaubt. Die in pakistanischen Gefängnissen verwendeten schweren Stangenmanschetten führen bei kleinsten Bewegungen zu schrecklichen Qualen. In vielen Gefängnissystemen sind unberechtigte Züchtigungsmittel so geläufig, dass sie zum täglichen Gefängnisleben dazugehören.

Besonders weibliche Häftlinge sind durch sexuellen Missbrauch gefährdet. In den USA ist dieses Problem sehr verbreitet, da dort die Zahl der männliche Wärter in Frauengefängnissen die Zahl der weiblichen Wärter weit übertrifft. In einigen Ländern - Haiti liefert ein deutliches Beispiel hierfür - werden weibliche Insassen sogar zusammen mit männlichen Häftlingen gehalten. Zwangsläufig führt dies zu verstärkter sexueller Gewalt.

Entgegen internationaler Standards werden jugendliche Gefangene oft zusammen mit Erwachsenen einquartiert. In pakistanischen Gefängnissen und Polizei Stationen werden jugendliche und erwachsene Gefangene zusammen untergebracht. Dies geschieht auch in Haftanstalten in Nicaragua, Kenia, Südafrika und Sambia. Kinder werden in solchen Situationen häufig Opfer von körperlichen Misshandlungen und Vergewaltigungen.

Weltweit sind Erpressung durch Gefängnisbeamte und Korruption von Wärtern an der Tagesordnung. Die Ursache hierfür liegt zum einen in der Macht, die die Wärter ausüben, zum anderen trägt generelle Unterbezahlung dazu bei. Die Gehälter werden so oft durch Bestechungsgelder ergänzt - die Häftlinge erhalten geschmuggelte Ware oder bevorzugte Behandlung. In einigen Haftanstalten in Kolumbien, Indien und Mexiko erhalten privilegierte Häftlinge Mobiltelefone, reichhaltige Ernährung und komfortable Unterkunft, während ihre weniger einflussreichen Mitinsassen im Elend leben. Um der wachsenden Korruption in Gefängnissen Einhalt zu gebieten hat die argentinische Regierung im April 2000 eine Untersuchung eingeleitet, bei der zahlreiche hochrangige Gefängnisbeamte entlassen wurden. Während dieser Untersuchung wurde aufgedeckt, dass Häftlinge von ihren Wärtern freigelassen wurden, um außerhalb der Haftanstalt Raubzüge durchzuführen. Weiterhin wurden die Inhaftierten beauftragt, den Richter, der die Untersuchung leitete, zu ermorden.

Überfüllte Zellen - weltweit verbreitet - führen zu den furchtbarsten Misshandlungen. Dieses Problem ist oft in kleineren Untersuchungshaftanstalten am schlimmsten, in denen Insassen zusammengepfercht werden. In einigen polizeilichen Hafteinrichtungen in Brasilien, in denen ein großer Anteil der Inhaftierten einsitzt, ist das Problem der Überfüllung so akut, dass Insassen sich an die Zellenstangen binden müssen, um schlafen zu können. In Brasilien, wie auch in vielen anderen Ländern, sind Häftlinge häufig sehr lange diesen grausamen Bedingungen ausgesetzt.

Veraltete, zerfallene Gefängnisseinrichtungen stellen ein weiteres Problem dar.
In einer Vielzahl von Ländern wie in den Vereinigten Staaten, Mexiko, Russland, Italien und in Großbritannien existieren immer noch Gefängnisse aus dem neunzehnten Jahrhundert, die ständig instandgehalten werden müssen. Auch modernere Einrichtungen sind mangels Instandhaltungsmaßnahmen ernsthaft baufällig. Einigen Haftanstalten fehlt es an einem funktionierenden Kanalisationssystem. Dies führt dazu, dass Häftlinge ihre Notdurft außerhalb der Zellen verrichten müssen - manchmal in Eimern, die nur gelegentlich geleert werden.

Weitere Befürchtungen entstanden nach der Errichtung von ultra-modernen Hochsicherheitsgefängnissen. Die in den USA entstandenen Hochsicherheitsgefängnisse, von Politikern und Gefängnisbehörden als eine politisch populäre Maßnahme "strengere" Gefängnisbedingungen zu schaffen, gefordert, sind mittlerweile auch in anderen Ländern eingerichtet worden. Häftlinge verbringen täglich im Durchschnitt 23 Stunden in ihren Zellen und leiden unter extremer sozialer Isolation, erzwungener Untätigkeit und außerordentlich limitierter Erholungs- und Bildungsmöglichkeiten. Während Gefängnisbehörden behaupten, dass nur Schwerverbrecher, Unruhestifter oder potentielle Ausbrecher in Hochsicherheitsgefängnissen untergebracht werden, ist dies nicht immer der Fall. Oft werden auch andere Gefangene willkürlich oder aus diskriminierenden Gründen dort inhaftiert.

Verdeutlicht wurde dieser Trend mit der Einführung der Isolationshaft im türkischen Kartal Spezialgefängnis. Anfang 1999 begannen die türkischen Behörden Gefangene, die nach dem Anti-Terror Gesetz angeklagt waren, in einem neuen System von Gruppenzellen zu inhaftieren. Die Inhaftierten bleiben für eine übermäßig lange Zeit eingeschlossen, haben keinen menschlichen Kontakt und können an keinerlei körperlichen Aktivitäten, Arbeit oder Bildung teilnehmen. Ein Häftling, der unter diesen Bedingungen eingesperrt war, beschreibt: "Dein Gefühl von Geschmack, Geruch, Hören, Fühlen und Sehen lässt nach. Du kannst über nichts mehr Lachen und heulst bei jeder Kleinigkeit". Gefängnisexperten, darunter Experten des europäischen Komitees zur Verhütung von Folter, haben davor gewarnt, dass solche Bedingungen die körperliche und seelische Gesundheit gefährden könnten.

In einigen Ländern sind katastrophale Haftbedingungen auf wirtschaftliche Probleme und Regierungssparmassnahmen zurückzuführen. Das Beispiel der Hochsicherheitsgefängnisse zeigt jedoch, das schlechte Gefängnisbedingungen auch bewusst eingesetzt werden. So wurden in Peru Hochsicherheitsgefangene in die hochgelegenen Challapalca und Yanamayo Gefängnisse eingeliefert - dessen entfernte Lage und miserable Bedingungen später dazu führten, dass die Inter-Amerikanische Menschenrechtskommission die Einrichtung als "untauglich" bezeichnete.

In vielen Gefängnissen sind die Bedingungen schlichtweg so mangelhaft, dass sie eine grausame, unmenschliche oder degradierende Behandlung darstellen, und daher den Artikel 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verletzen. Bestimmte Gefängnisbedingungen fallen auch unter die detaillierteren Bestimmungen der UN-Regeln über die Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen. Die Regeln des Minimalstandards, sind bekannte "Minimalbestimmungen, die von den Vereinten Nationen als angemessen akzeptiert wurden". Obwohl diese Regeln in vielen Ländern formal in Gefängnisgesetze und Gefängnisbestimmungen umgesetzt wurden, befolgen wenige, bzw. keine der Länder alle diese Vorschriften in der Praxis.

Da die breite Bevölkerung nur selten auf die Rechte von Häftlingen aufmerksam wird, verfallen Gefangene oft auf Hungerstreik, Selbstverstümmelung, und andere verzweifelte Formen des Protestes. Das dramatischste Ereignis fand im Juli 2000 in Kasachstan statt, als Berichten zufolge 44 Gefangene im Arkalyk Gefängnis versuchten, Massenselbstmord zu begehen, um gegen die Gefängnisbedingungen zu protestieren. Die Häftlinge benutzten Rasierklingen und gebrochenes Glas, um sich Hals, Bauch und Handgelenke aufzuschlitzen. Weitere Gefängnisunruhen wurden kürzlich aus Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, der Tschechischen Republik, England, Griechenland, Israel, Italien, Mexiko, Peru, Saudi Arabien, Sri Lanka, Trinidad, Tobago, Türkei und Venezuela berichtet.

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