Internationale Justiz
Fragen und Antworten zum Internationalen Strafgerichtshof und den Vereinigten Staaten
Was ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH)?

Der IStGH ist ein ständiges internationales strafrechtliches Tribunal mit der Aufgabe, die Personen, die für schwerwiegendsten internationalen Straftaten, wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Folter, zwangsweise Verschwinden, Vergewaltigung) und Völkermord, verantwortlich sind, zu verhandeln.

Zu welchem Zweck wurde der IStGH errichtet?

Nach dem Jahrhundert des Holocausts, der Massenhinrichtungen Pol Pots in Kambodscha, des Völkermords in Ruanda, der ethnischen Säuberung auf dem Balkan und zahlloser anderer Verbrechen gegen Zivilisten, fanden sich die Nationen zur Schaffung eines Gerichts zusammen, wo Opfern zukünftiger Verbrechen so gut es geht Gerechtigkeit widerfahren soll. Wenn Anführer wissen, dass es einen Ort gibt, an dem sie für solche Gräueltaten zur Verantwortung gezogen werden können, sind sie vielleicht weniger geneigt, sie zu verüben.

Wird es nicht noch Jahre dauern, bis der Gerichtshof seine Tätigkeit aufnimmt?

Nein, das IStGH-Statut muss zu seinem Inkrafttreten von 60 Ländern ratifiziert werden. Zum 20. Juni 2002 hatten bereits 76 Länder das Statut ratifiziert, und somit konnte der Gerichtshof am 1. Juli 2002 seine Tätigkeit aufnehmen.

Werden die Vereinigten Staaten bei der Errichtung dieses Gerichtshofs eine Führungsrolle übernehmen?

Nein, obwohl der US-Präsident, Bill Clinton, den Vertrag unterzeichnet hatte, unterstützen die Vereinigten Staaten den Gerichtshof mittlerweile nicht mehr. Tatsächlich sind die Vereinigten Staaten, neben der Türkei, das einzige NATO-Mitglied, das dem Gericht nicht beitritt und die einzige Demokratie der Welt, die sich dem Gerichtshof aktiv widersetzt.

Wenn die Vereinigten Staaten gegen die Errichtung des Gerichtshofs sind, haben sie dann nicht gute Gründe dafür?

Viele der von den Vereinigten Staaten vorgebrachten Einwände beruhen einfach nicht auf den Tatsachen. (Siehe bitte IStGH: Gerüchte und Fakten). Andere amerikanische Einwände spiegeln die Befürchtung wider, das Gericht könne politisch gegen amerikanische Staatsangehörige missbraucht werden. Ein Blick auf die im Vertrag festgelegten Sicherungsmaßnahmen und gegenseitigen Kontrollen zeigen jedoch, dass das Gericht fair und unparteiisch handeln wird. Außerdem wäre der IStGH gar nicht befugt, in US-Staatsangehörige betreffenden Fällen zu ermitteln, wenn die Vereinigten Staaten selbst ermitteln und, falls notwendig, die verantwortliche Person vor Gericht bringen.

Was passiert aber mit Fällen, in denen die Vereinigten Staaten vielleicht nicht ermittelt haben, wie z.B. im Vietnamkrieg?

Der IStGH kann keine Fälle aus der Vergangenheit anhören. Seine Gerichtsbarkeit beginnt am 1. Juli 2002 mit dem Inkrafttreten des IStGH-Statuts.

Kissinger kann also nicht vor Gericht gebracht werden?

Ja.

Wie steht es mit künftigen amerikanischen Präsidenten und Politikern?

Es könnte Leute geben, die gern einen politisch motivierten Prozess gegen einen US-Politiker führen würden, aber solche Leute werden wohl kaum den IStGH als ihr Instrument wählen. Der Ankläger des Gerichtshofs dürfte ohne die Genehmigung einer Richterkammer überhaupt keine Ermittlung gegen einen Amerikaner unternehmen. Die Richter und der Ankläger wissen, dass sie im Falle eines Amtsmissbrauchs durch eine einfache Stimme der Mitgliedsstaaten des IStGH - zu denen gewissermaßen alle Verbündeten Amerikas zählen - ihren Posten verlieren können. Zudem kann der UN-Sicherheitsrat einen Beschluss zur Einstellung einer IStGH-Ermittlung fassen. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Mehrheit der Mitglieder des Sicherheitsrats einen schikanösen Prozess gegen einen US-Politiker zulassen würde.

Wie können wir sicher sein, dass der IStGH US-Militärangehörige nicht unfair behandelt?

Kein US-Militärangehöriger könnte vor den IStGH gebracht werden, solange die Vereinigten Staaten im guten Glauben eine eigene Ermittlung durchführen, zu der sie sich grundsätzlich bekennen. Käme dennoch eine Ermittlung zustande, so enthält das IStGH-Statut eine Liste von Rechten, die jedem Angeklagten zustehen, und die so umfassend ist, wie die der amerikanischen Verfassung („Bill of Rights“). Zu diesen Rechten gehören die Unschuldsvermutung, das Recht auf einen rechtlichen Beistand, das Recht zur Vorlegung von Beweismaterial und zum Verhör von Zeugen, das Recht auf Aussagenverweigerung und das Recht darauf, dass Anklagen über einen berechtigten Zweifel hinaus erwiesen werden. Alles spricht dafür, dass Prozesse vor diesem Gericht fair ausgetragen werden. In der Tat würde ein US-Staatsangehöriger vor dem IStGH ein „ordnungsgemäßeres“ Verfahren genießen, als vor den Gerichten der meisten Länder, an welche die Vereinigten Staaten ihre Staatsangehörigen ausliefern.

Wird der IStGH ohne die Vereinigten Staaten effektiv arbeiten können?

Ja. Der Gerichtshof genießt die Unterstützung von Ländern in der ganzen Welt, einschließlich aller Mitglieder der EG und vieler politisch wichtigen Regionalstaaten. Human Rights Watch würde es auf jeden Fall begrüßen, wenn die USA dem Gericht beitreten würde, jedoch nahm das Gericht Mitte des Jahres 2002 auch ohne die USA seine Arbeit auf.

Warum sollten die Vereinigten Staaten ihre Meinung zum Gerichtshof ändern?

Der IStGH ist möglicherweise die wichtigste Menschenrechtsinstitution der letzten 50 Jahre. Der fortdauernde Widerstand der Vereinigten Staaten, eines langjährigen Vorkämpfers des internationalen Rechts, wird Amerikas Glaubwürdigkeit als weltweiter Verfechter der Menschenrechte und der Gerechtigkeit ernsthaft in Frage stellen. Selbst wenn die Vereinigten Staaten weiterhin Zweifel am IStGH hegen, wäre es besser mit den Verbündeten Amerikas zusammenzuarbeiten und ihre Bedenken zur Sprache zubringen, statt sich von ihnen zu isolieren.

Kann nicht jedes Land selbst für die Verfolgung von Verbrechen verantwortlich sein?

Die Antwort darauf ist leider in vielen Fällen nein. Wo Gräueltaten verübt worden sind, haben es nationale Justizwesen oft versäumt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Der IStGH wird nur dann eingreifen, wenn das nationale Justizwesen eines Landes seiner Pflicht der strafrechtlichen Verfolgung von Verbrechern nicht nachkommt.

Wer kann vor den IStGH gebracht werden?

Jede Einzelperson, ungeachtet ihrer zivilen, militärischen oder amtlichen Stellung, kann vor das Gericht gebracht werden.

Wer werden Richter und Ankläger des Gerichts sein?

Richter und Ankläger werden von den Vertragsstaaten aus einer Liste von nominierten Kandidaten gewählt. Ein US-Staatsangehöriger könnte nur dann als Richter dienen, wenn die Vereinigten Staaten das IStGH-Statut ratifizierten.

Wie wird der IStGH Opfer und Zeugen schützen?

Der IStGH hat eine eigene Abteilung zur Unterstützung und zum Schutz von Opfern und Zeugen. Das IStGH-Statut enthält umfassende Bestimmungen zum Schutz der an den Gerichtsverfahren mitwirkenden Opfer und Zeugen.

Wodurch unterscheidet sich der IStGH vom Internationalen Gerichtshof (Weltgerichtshof) und anderen internationalen Tribunalen?

Der Internationale Gerichtshof (IGH oder Weltgerichtshof) ist ein Organ der Vereinten Nationen zur Anhörung von Streitfällen zwischen Ländern. Der IStGH dagegen ist kein Organ der Vereinten Nationen und dient nur der strafrechtlichen Verfolgung von Einzelpersonen.Die beiden speziellen Tribunale für Ruanda (International Criminal Tribunal for Rwanda - ICTR) und für das ehemalige Jugoslawien (International Criminal Tribunal for Yugoslavia - ICTY) wurden durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegründet. Obwohl sie ebenfalls Einzelpersonen wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verfolgen, ist ihr Auftrag beschränkt - im Falle des ICTY auf die Regionen des ehemaligen Jugoslawiens und im Falle des ICTR auf die in Ruanda zwischen April und Juni 1994 begangenen Verbrechen. Die Bildung solcher spezieller Gerichte ist teuer und zeitaufwendig. Weil sie im Nachhinein gegründet werden, werden sie oft mit dem Vorwurf, Siegerrecht zu betreiben, belastet.

Warum ist der IStGH wichtig?

Der IStGH gewährleistet die Bestrafung der für die schwerwiegendsten Menschenrechtsverbrechen verantwortlichen Personen auch dann, wenn nationale Gerichte Unwillens oder nicht in der Lage sind, dieses zu tun. Dies wird einem dauerhaften Frieden und der internationalen Sicherheit förderlich sein. Es wird den Mitgliedern der diesen Verbrechen zum Opfer gefallenen Gemeinschaften die Möglichkeit geben, ihr Leben wieder aufzubauen und gibt allen Tyrannen ein unmissverständliches Zeichen, dass ihre Verbrechen nicht straflos bleiben.

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