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(Washington DC, 12. Juli 2011) - Eine erdrückende Beweislage verpflichtet Präsident Barack Obama, strafrechtliche Untersuchungen zu den Misshandlungsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten George W. Bush und andere Regierungsvertreter einzuleiten, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Bislang hat die US-Regierung Vorwürfe wegen Folter und Misshandlung von Gefangenen nicht untersucht. Dazu ist sie jedoch gemäß der Anti-Folter-Konvention verpflichtet, die neben den USA 146 weitere Staaten ratifiziert haben.

Der 107-seitige Bericht „Getting Away with Torture: The Bush Administration and Mistreatment of Detainees“ führt belastbare Informationen auf, die Ermittlungen gegen Bush und andere führende Amtsträger rechtfertigen. Zu ihnen zählen der ehemalige Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und CIA-Direktor George Tenet. Ihnen wird vorgeworfen, die Anwendung von Foltermethoden wie „Waterboarding“, die Einrichtung von CIA-Geheimgefängnissen und die Überstellung von Gefangenen in Länder, die Folter praktizieren, angeordnet zu haben.

„Es gibt stichhaltige Belege dafür, dass Bush, Cheney, Rumsfeld und Tenet Folter und Kriegsverbrechen genehmigt haben“, so Kenneth Roth, Executive Director von Human Rights Watch. „Präsident Obama hat Folter als eine bedauernswerte Politik betrachtet und nicht als ein Verbrechen. Seine Entscheidung, illegale Verhörmethoden abzuschaffen, lässt sich leicht rückgängig machen, solange er nicht klarstellt, dass sie Verbrechen sind.“

Solange die USA keine glaubhaften Ermittlungen einleiten, sollen andere Länder völkerrechtliche Bestimmungen nutzen, um Angehörige der Bush-Regierung strafrechtlich zu verfolgen, die an Verbrechen gegen Gefangene beteiligt waren.

„Die USA sind rechtlich dazu verpflichtet, Foltervorwürfe zu untersuchen“, so Roth. „Wenn die amerikanische Regierung nicht handelt, sollen andere Länder aktiv werden.“

Generalbundesanwalt Eric Holder hat im August 2009 den Staatsanwalt John Durham mit der Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen beauftragt. Allerdings sind diese auf „nicht genehmigte“ Handlungen beschränkt. Damit sind Foltermethoden wie „Waterboarding“, die von Anwälten der Bush-Regierung juristisch legitimiert wurden, von den Ermittlungen ausgeschlossen, selbst wenn sie amerikanisches Recht und Völkerrecht verletzen. Am 30. Juni hat Holder die Empfehlung Durhams gebilligt, eine vollständige Untersuchung zu zwei Todesfällen in CIA-Haft in Irak und Afghanistan durchzuführen. Human Rights Watch betrachtet jedoch den geringen Handlungsspielraum der Untersuchung als ungenügend, um die systematischen Menschenrechtsverletzungen anzugehen.

„Das Muster der Menschenrechtsverletzungen der amerikanischen Regierung in verschiedenen Ländern ist nicht einzelnen Personen zuzuschreiben, die Regeln gebrochen haben“, so Roth. „Es ist vielmehr das Ergebnis von Entscheidungen, die von führenden US-Vertretern getroffen wurden, um Gesetze zu beugen, zu ignorieren oder beiseitezuschieben.“

Ermittlungen gegen vier hochrangige Angehörige der Bush-Regierung sollen eingeleitet werden:

  • Der ehemalige Präsident Bush hat öffentlich zugegeben, dass er die Anwendung von „Waterboarding“ in zwei Fällen genehmigt hat. Die USA haben diese Form der Scheinexekution, die den Betroffenen das Gefühl des Ertrinkens vermittelt, lange als Foltermethode verurteilt. Darüber hinaus hat Bush die CIA autorisiert, Geheimgefängnisse einzurichten und Gefangene in Länder wie Ägypten und Syrien zu überstellen, in denen ihnen Folter drohte.
  • Vizepräsident Cheney war die treibende Kraft hinter der Ausgestaltung illegaler Haft- und Verhörrichtlinien. Er saß zentralen Treffen vor, bei denen einzelne CIA-Operationen diskutiert wurden, darunter auch das „Waterboarding“ des Gefangenen Abu Zubaydah im Jahr 2002.
  • Verteidigungsminister Rumsfeld hat illegalen Befragungsmethoden zugestimmt und das Verhör von Mohamed al-Qahtani genauestens verfolgt. Der Guantanamo-Häftling wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen unter Einsatz von Zwangsmitteln befragt. Dieses Vorgehen kann als Folter gewertet werden.
  • CIA-Direktor Tenet genehmigte und beaufsichtigte die Anwendung des „Waterboardings“, sogenannter Stress-Positionen, Beschallung mit lauter Musik, Schlafentzug und anderer illegaler Verhörmethoden. Er war auch für das Überstellungsprogram der CIA verantwortlich.

Bush hat seine Zustimmung zu Praktiken wie „Waterboarding“ in Interviews damit gerechtfertigt, dass Anwälte des Justizministeriums sie für legal erklärt hatten. Abgesehen davon, dass Bush auch ohne juristische Unterstützung hätte erkennen können, dass „Waterboarding“ Folter ist, liegen inzwischen belastbare Informationen darüber vor, dass führende Regierungsmitglieder wie Cheney versucht haben, die Regierungsanwälte zu beeinflussen.

„Führende Vertreter der Bush-Regierung haben die juristischen Empfehlungen geformt und sorgsam ausgewählt. Jetzt verstecken sie sich hinter ihnen, als ob sie von selbst entstanden wären“, so Roth.

Vor diesem Hintergrund müssen die strafrechtlichen Ermittlungen auch die Entstehung der Memoranden des Justizministeriums einbeziehen, mit denen die Misshandlung von Gefangenen legitimiert wurde.

Folteropfer sollen eine faire und angemessene Wiedergutmachung entsprechend der Vorgaben der Anti-Folter-Konvention erhalten. Sowohl die Bush- als auch die Obama-Regierung hat Gerichte jedoch erfolgreich davon abgehalten, in Zivilprozessen die Höhe möglicher Schadensersatzzahlungen in Folter-Fällen zu bestimmen. Die Regierungen haben sich dabei ausführlich auf Staatsgeheimnisse und die Immunität von Amtsträgern berufen.

Eine unabhängige, unparteiliche Kommission nach dem Vorbild der 9-11-Kommission soll Vorwürfe gegen die Exekutive, die CIA, das Militär und den Kongress untersuchen. Sie soll auch die Richtlinien und Praktiken der Bush-Regierung in die Ermittlungen einbeziehen, die zur Misshandlung Gefangener geführt haben. Eine solche Kommission soll Empfehlungen aussprechen, damit die systematischen Menschenrechtsverletzungen der Bush-Regierung nicht wiederholt werden.

Im Februar 2011 hat Bush eine Reise in die Schweiz abgesagt, nachdem mutmaßliche Folteropfer angekündigt hatten, Strafanzeige gegen ihn zu erstatten. In Spanien wird gegen Angehörige der US-Regierung ermittelt. Von Wikileaks veröffentlichte Dokumente haben enthüllt, dass auch die Obama-Regierung Druck auf Spanien ausgeübt hat, die Ermittlungen fallen zu lassen.

Solange die USA nicht gegen ehemalige Regierungsangehörige, denen Folter und Misshandlung von Gefangenen vorgeworfen wird, ermittelt, unterminiert sie ihr weltweites Engagement gegen Menschenrechtsverletzungen.

„Natürlich ist zu begrüßen, dass die USA gravierende Menschenrechtsverletzungen in Darfur, Libyen und Sri Lanka anklagt. Aber es darf keine Doppelstandards geben“, so Roth. „Wenn die US-Regierung ihre eigenen Amtsträger vor Ermittlung und strafrechtlicher Verfolgung schützt, erleichtert sie es anderen, die weltweiten Anstrengungen zu torpedieren, Verantwortliche gravierender Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.“

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