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World Report 2012: Europäische Union

Ereignisse des Jahres 2011

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten waren weiter nicht bereit, dem Menschenrechtsschutz innerhalb ihrer Grenzen höhere Priorität zu geben, obwohl sie jedoch gleichzeitig die Bedeutung der Menschenrechte für die Demokratiebewegungen des Arabischen Frühlings betonten. Das lässt sich am deutlichsten an den Reaktionen auf die Flüchtlingsbewegung aus Nordafrika ablesen. Es wurden Forderungen laut, die Freizügigkeit innerhalb der EU einzuschränken. Auseinandersetzungen entbrannten darüber, ob Migranten in Seenot gerettet werden müssten. Flüchtlinge aus Libyen wurden nur widerstrebend aufgenommen.

Die Europäische Kommission ist ihrer Verpflichtung, die Menschenrechte in den EU-Mitgliedsstaaten durchzusetzen, nicht nachgekommen. Sie hat Verfahren gegen Ungarn wegen eines Mediengesetzes und gegen Frankreich wegen der Abschiebung von Roma eingestellt. Das Verfahren gegen Griechenland wegen seines nicht funktionierenden Asyl- und Einwanderungssystems wurde trotz bestehender Probleme ausgesetzt. Der erste Jahresbericht der Kommission über die Lage der Menschenrechte entbehrt jeder offenen Kritik an Mitgliedsstaaten. Stattdessen betonte die Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, dass die EU-Grundrechtecharta kein „Knüppel“, sondern ein „Kompass“ sei.

Überall in der EU konnten rechtspopulistische Parteien ihre Position stärken, was sich auf den politischen Umgang mit Roma, Muslimen und Migranten auswirkte. Regierungen reagierten oftmals darauf, indem sie die Kritik dieser Parteien wiederholten und Maßnahmen ergriffen, die den Menschenrechtsschutz beeinträchtigten.

Gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik

Die Unruhen in Nordafrika trieben Tausende Migranten und Asylsuchende an europäische Küsten. Die Vereinten Nationen schätzen, dass in den ersten sieben Monaten des Jahres mindestens 1.400 Menschen bei dem Versuch ums Leben kamen, das Mittelmeer zu überqueren. Die meisten von ihnen stammten aus Libyen. Vereinzelte Hilfsmaßnahmen vor allem von italienischer und maltesischer Seite retteten unzählige Leben. Schlechte Koordination und Auseinandersetzungen darüber, wohin gerettete Migranten gebracht werden sollten, gefährdeten das Leben anderer.

Im Juni begann die Parlamentarische Versammlung des Europarates, die Todesfälle im Mittelmeer seit Januar zu untersuchen. Zuvor waren europäische und NATO-Kapitäne in die Kritik geraten. Sie wurden beschuldigt, einem in Seenot geratenen Flüchtlingsboot nicht zur Hilfe gekommen zu sein und den Tod von 63 Menschen in Kauf genommen zu haben.

Im Juli mussten 100 Migranten, die von einem spanischen NATO-Kriegsschiff gerettet worden waren, fünf Tage auf Hoher See verbringen, weil Spanien, Italien und Malta sich weigerten, sie aufzunehmen – schließlich konnten sie in Tunesien von Bord gehen. Als Folge dieser Auseinandersetzungen könnten NATO-Kapitäne zukünftig davor zurückschrecken, Migranten zu retten. Im August beschuldigte Italien die NATO, die italienische Küstenwache zur Rettung eines Boots in Seenot gezwungen zu haben, obwohl sich ein NATO-Schiff in dessen unmittelbarer Nähe befand.

Während Tunesien und Ägypten Hunderttausende Libyer aufgenommen haben, zögert die EU, die Flüchtlinge zu unterstützen. Bis September hatten sich erst acht Mitgliedsstaaten bereit erklärt, weniger als 700 anerkannte Flüchtlinge aus Nordafrika aufzunehmen.

Im Juni schlug die Europäische Kommission vor, die Aufnahmerichtlinie, die die Unterstützung von Asylsuchenden regelt, und die Richtlinie über Asylverfahren zu revidieren. Die Entwürfe umfassen weitreichende Haftgründe, niedrige Standards im Zugang zu sozialer Unterstützung und Gesundheitsversorgung und eine Ausweitung der Asyl-Schnellverfahren. Derzeit beraten der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament über diese Änderungen. Im Oktober stimmte das Parlament einer Änderung der Anerkennungsrichtlinie zu, die den Schutz von Kindern und von Opfern geschlechtsspezifischer Verfolgung verbessert. Die überarbeitete Richtlinie wurde noch nicht vom Rat verabschiedet.

Im vergangenen Jahr offenbarten Gerichtsverfahren strukturelle Defizite der Dublin II-Verordnung, nach der Asylanträge grundsätzlich in dem Land der EU gestellt werden müssen, das der Flüchtling als erster erreicht. Die Mehrheit der Mitgliedsstaaten wandte sich gegen eine Reform dieser Regelung, die den Ländern an den EU-Außengrenzen eine unverhältnismäßige Last auferlegt.

Im Januar entschied die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall MSS v. Belgium and Greece, dass ein afghanischer Asylsuchender durch die Abschiebung von Belgien nach Griechenland menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt worden war. Die Abschiebung wurde entsprechend der Dublin II-Verordnung vorgenommen und nahm dem Kläger nach Ansicht des Gerichts die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen. Im Zuge eines anderen Verfahrens über eine Abschiebung nach Griechenland sagte ein Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im September, dass ein EU-Mitgliedsstaat einen Asylantrag dann prüfen muss, wenn eine Abschiebung in das Ankunftsland zu Menschenrechtsverletzungen führen würde. Das abschließende Urteil des EuGH in diesem Fall steht noch aus.

Derzeit prüfen mindestens acht EU-Mitgliedsstaaten Anträge von Asylsuchenden, die über Griechenland eingereist sind. Zahlreiche Länder schieben vorerst nicht mehr nach Griechenland ab.

Ein Streit zwischen Frankreich und Italien über Migranten aus Tunesien mündete in der Diskussion, ob Grenzkontrollen innerhalb der Schengen-Zone wiedereingeführt werden sollten. Es besteht die Gefahr, dass diskriminierende Kontrollmechanismen in der Freizügigkeitszone etabliert werden, die aus 25 EU- und anderen Staaten besteht. Frankreich hat Passkontrollen an und in der Nähe der französisch-italienischen Grenze verstärkt, um tunesische Migranten zu identifizieren. Wie eine Polizeigewerkschaft enthüllte, wurden Polizisten in der Polizeistation in Cannes im Februar offiziell angewiesen, gezielt Tunesier zu kontrollieren. Nach Protesten wurde die Anordnung zurückgezogen.

Im September und Oktober wurden Änderungen der Frontex-Verordnungen verabschiedet. Sie unterstreichen, dass die Grenzschutzagentur die Menschenrechte bei allen Operationen respektieren muss, schaffen den Posten eines Menschenrechtsbeauftragten und etablieren ein Forum, in dem zivilgesellschaftliche Akteure die Agentur beraten. Allerdings fehlt noch immer ein Mechanismus, durch den Frontex für Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden kann. An der griechisch-türkischen Grenze waren Grenzschützer von Frontex daran beteiligt, dass Migranten menschenrechtswidrigen Haftbedingungen in Griechenland ausgesetzt wurden.

Im März entschied der EuGH, dass illegal eingewanderte Eltern von Kindern mit EU-Staatsbürgerschaft berechtigt sind, sich in der EU aufzuhalten und zu arbeiten. Im April urteilte das Gericht, dass EU-Mitgliedsstaaten keine Haftstrafen gegen illegale Einwanderer verhängen dürfen, die sich der Aufforderung widersetzen, das Land zu verlassen.

Diskriminierung und Intoleranz

Die schrecklichen Terroranschläge in Norwegen, das kein Mitglied der EU ist, unterstreicht die wachsende Intoleranz in Europa. Ein Mann tötete 77 Menschen, mehr als die Hälfte von ihnen Kinder, und verletzte mehr als 150 in zwei Anschlägen an einem einzigen Tag. In seinen Schriften verbreitete er extremistische, ausländerfeindliche und antimuslimische Ansichten, die den Tenor vieler politischer Debatten in Europa widerspiegeln.

Unabhängig voneinander bezeichneten David Cameron, der Premierminister von Großbritannien, und der französische Präsident Nicolas Sarkozy im Februar den Multikulturalismus als gescheitert. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats (ECRI) warnte im Juni vor zunehmendem Rassismus, Hass-Diskursen, Diskriminierung von Muslimen und Gewalt gegen Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende. Sie bezeichnete romafeindliche Einstellungen als eines der drängendsten Probleme in zahlreichen europäischen Gesellschaften.

Gesetze, die Frauen und Kindern verbieten, den Vollschleier zu tragen, traten im April in Frankreich und im Juli in Belgien in Kraft. Thomas Hammarberg, der Kommissar für Menschenrechte des Europarats, und Menschenrechtsgruppen kritisierten, dass diese Verbote Frauenrechte verletzen, dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zuwiderlaufen und die persönliche Autonomie sowie die Religionsfreiheit einschränken. Die ersten zwei Frauen, die im September in Frankreich Geldstrafen erhielten, wollen Widerspruch einlegen. In Italien hat ein Parlamentskomitee im August eine ähnliche, landesweite Gesetzgebung befürwortet. Die niederländische Regierung hat in Aussicht gestellt, den Vollschleier spätestens 2013 zu verbieten.

Ein im Juni veröffentlichter Bericht des Büros von Hammarberg kommt zu dem Ergebnis, dass homophobe und transphobe Vorurteile in der Öffentlichkeit, in der Politik und in Gesetzen fortbestehen. Großbritannien kündigte an, das Verbot für homosexuelle Männer, Blut zu spenden, aufzuheben. Nur in drei andere EU-Mitgliedsstaaten, Italien, Portugal und Schweden, dürfen homosexuelle Männer Blut spenden. Das deutsche Verfassungsgericht erklärte im Januar für grundgesetzwidrig, dass sich Transgender operativen Geschlechtsumwandlungen und irreversiblen Sterilisierungen unterziehen müssen, um offiziell ihr Geschlecht ändern zu können. In mindestens 16 EU-Mitgliedsstaaten bestehen ähnliche Anforderungen. In den Niederlanden brachte die Regierung im September einen Gesetzesentwurf ein, um dies abzuschaffen.

Elf EU-Mitgliedsstaaten gehörten zu den ersten Unterzeichnern einer Konvention des Europarats zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, die im Mai angenommen wurde. Die Konvention umfasst Maßnahmen zur Gewaltprävention, zum Opferschutz unabhängig vom rechtlichen Status der Betroffenen und zur Verfolgung der Täter.

Im Juni lehnte es die Venedig-Kommission des Europarats ab, ihre offizielle Position bezüglich der politischen Teilhabe von psychisch behinderten Menschen zu ändern und die unverhältnismäßige Einschränkung ihres Wahlrechts aufzuheben. Damit verletzt die Kommission die rechtlich bindende UN-Konvention über die Rechte von behinderten Menschen, die von 17 EU-Mitgliedsstaaten und der EU ratifiziert wurde.

Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte

EU-Mitgliedsstaaten, die an CIA-Entführungsflügen und geheimen Haftprogrammen beteiligt waren, werden weiterhin kaum zur Verantwortung gezogen. Im Januar hat der litauische Generalstaatsanwalt die Untersuchung über geheime CIA-Gefängnisse in Litauen geschlossen – ein Jahr, nachdem sie eingeleitet worden war. Im September kritisierte Hammarberg, dass die Verantwortlichen in Rumänien, Polen und Litauen immer noch unbekannt sind. In einer im Oktober angenommenen Resolution bemängelte die Parlamentarische Versammlung des Europarats, dass die Doktrin des Staatsschutzes eine angemessene parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste und Untersuchungen rechtswidriger Vorgänge einschränkt oder verhindert.

Menschenrechtsfragen in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten

Deutschland

Im August garantierte Rheinland-Pfalz Asylsuchenden als sechstes Bundesland Freizügigkeit. In den zehn anderen Bundesländern müssen sie sich in einem eng begrenzten Gebiet aufhalten. Zuwiderhandlungen werden mit Geld- oder Gefängnisstrafen geahndet. Im Juli äußerte sich der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besorgt darüber, dass Asylsuchende nur eingeschränkt Zugang zu Sozialleistungen, Arbeit und Gesundheitsfürsorge haben und in unangemessenen Unterkünften leben.

Im September verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, dass Angestellte im Schuldienst von der Verpflichtung entbindet, illegale Einwanderer zu melden. Bestrebungen von Oppositionsparteien, dieses Gesetz auf Beschäftigte im Gesundheitssektor und an Arbeitsgerichten auszuweiten, scheiterten. Im Juli forderte der UN-Ausschuss Deutschland dazu auf, verstärkt gegen die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt vorzugehen.

Im Oktober verlängerte der Bundestag die Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung um weitere vier Jahre und richtete eine unabhängige Kontrollkommission ein. Die Gesetze ermöglichen umfangreiche Maßnahmen zur Überwachung und Datensammlung. Im Dezember 2010 wies ein Kölner Gericht die Klage von Khaled el-Masri ab. Er beschuldigte die Bundesregierung, nicht auf die Auslieferung von 13 US-Staatsbürgern bestanden zu haben, die im Jahr 2004 an seiner Verschleppung nach Afghanistan beteiligt waren.

Ebenfalls im Oktober äußerte sich die UN-Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen besorgt über die Sicherungsverwahrung vermeintlich gefährlicher Personen. Bereits im Mai hatte das Bundesverfassungsgericht diese Praxis für grundgesetzwidrig erklärt. Der UN-Ausschuss gegen Folter befragte Deutschland im November zu diplomatischen Zusicherungen und zur Abschiebung unbegleiteter, minderjähriger Migranten.

Frankreich

Auch 2011 wurden osteuropäische Roma abgeschoben. Ein im Juni verabschiedetes Einwanderungsgesetz verbessert die Verfahrensgarantien, ermöglicht jedoch Ausweisungen bei „Missbrauch“ des EU-Bürgerrechts auf befristeten Aufenthalt. Obwohl Roma immer noch diskriminiert werden, erklärte die Europäische Kommission im August, dass sie zufrieden mit Frankreichs Reaktion auf ihre Bedenken sei.

Im April stellte der französische Staatsrat, das höchste Verwaltungsgericht, fest, dass ein im August 2010 versandter und später zurückgezogener Rundbrief des Innenministeriums diskriminierend war. Er wies die Polizei an, schwerpunktmäßig illegale Roma-Siedlungen zu räumen.

Das neue Einwanderungsgesetz schwächt die Rechte von Migranten und Asylsuchenden. So genannte Transitzonen, in denen sie weniger Rechte genießen und leicht abgeschoben werden können, werden nun auch dazu genutzt, Personen festzuhalten. Die maximale Haftdauer vor der Abschiebung wurde auf 45 Tage verlängert. Eine richterliche Überprüfung findet erst fünf Tage nach der Verhaftung statt.

Dasselbe Gesetz ermöglicht der Regierung, ausländische Terrorverdächtige bis zu sechs Monate festzuhalten. Das betrifft auch Personen, die nicht abgeschoben werden dürfen, weil ihnen bei ihrer Rückkehr Folter oder Misshandlung droht. Das französische Verfassungsgericht hat verhindert, dass die Haftzeit auf bis zu 18 Monate ausgedehnt wird. Im September entschied der EGMR, dass Frankreich einen Algerier nicht in sein Heimatland abschieben darf, weil er Gefahr läuft, dort gefoltert oder misshandelt zu werden.

Massiver öffentlicher Druck und mehrere rechtsverbindliche Gerichtsentscheidungen führten im April zu einer Verbesserung der Schutzklauseln in Polizeigewahrsam. Inhaftierte Personen müssen nun über ihr Recht zu schweigen und die Möglichkeit aufgeklärt werden, einen Rechtsbeistand zu Befragungen hinzuzuziehen. Dennoch sind vertrauliche Gespräche zwischen Anwalt und Klient weiterhin auf 30 Minuten begrenzt. Auch können die Behörden unter bestimmten Umständen verhindern, dass ein Anwalt anwesend ist. Die Änderungen berühren die Ausnahmeregelung nicht, dass Verdächte in Fällen von Terrorismus oder organisiertem Verbrechen bis zu 72 Stunden ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand festgehalten werden dürfen.

Griechenland

Massive Probleme mit dem Asylsystem bestanden fort, obwohl die Anerkennungsrate von Flüchtlingen nach offiziellen Angaben in den ersten sieben Monaten des Jahres einschließlich Revisionen auf 12,35% stieg. Der Zugang zu Asyl und erstinstanzlichen Antragsprüfungen war weiterhin schwierig, da der im Januar eingerichtete, neue Asyldienst voraussichtlich erst 2012 voll funktionsfähig sein wird. Organisatorische und technische Probleme behinderten die Arbeit des Berufungskomitees, das den bestehenden Rückstand aufarbeiten soll. Nach im September veröffentlichten Regierungsangaben beläuft sich dieser auf 38.000 Fälle.

Migranten und Asylsuchende, auch Frauen und Familien mit Kindern, wurden weiterhin unter unmenschlichen Bedingungen festgehalten. Diese Situation brachte Griechenland massive Kritik ein, unter anderem im März von der Grundrechteagentur der EU, dem Komitee zur Verhütung von Folter des Europarats und dem Generalsekretär des Europarats, Thorbørn Jagland.

Während der universellen regelmäßigen Überprüfung Griechenlands vor dem UN-Menschenrechtsrat im Mai äußerten sich zahlreiche Länder besorgt über die Lebensbedingungen von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden. Sie forderten wirksame, auch strafrechtliche Maßnahmen gegen Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

In Athen stellte rassistische Gewalt ein ernsthaftes Problem dar. Die Pakistanische Gemeinschaft Griechenland dokumentierte Angriffe auf 60 pakistanische Männer in den ersten drei Monaten des Jahres. Rechtsextremisten randalierten im Mai in von Einwanderern geprägten Stadteilen. Dabei erlitten 25 Personen so schwere Verletzungen, dass sie in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. Zwei Männer und eine Frau standen im Dezember wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung eines 24-jährigen Asylsuchenden vor Gericht.

Während des ganzen Jahres kam es regelmäßig zu Demonstrationen und Streiks gegen Sparmaßnahmen. Kürzungen von Löhnen, Renten und Sozialausgaben drohen, arme, behinderte und alte Menschen sowie Migranten und Angehörige ethnischer Minderheiten unverhältnismäßig stark zu belasten.

Die Athener Staatsanwaltschaft leitete im Juli Ermittlungen in mutmaßlichen Fällen übermäßiger und wahlloser Polizeigewalt ein. Die Anschuldigen umfassen die Anwendung von Tränengas während einer Protestveranstaltung im Juni. Die Untersuchungen dauern an. Im Oktober wurde ein Polizist verhaftet, weil er im Juni während einer Demonstration gegen Sparmaßnahmen einen Fotojournalisten beleidigt hatte.

Im März veröffentlichte die Ombudsbehörde einen vernichtenden Bericht über die Misshandlung von behinderten Kindern in einem Kinderheim in Lechaina. Dort wurden Käfigbetten verwendet, Kinder an ihre Betten gefesselt und regelmäßig mit Beruhigungsmitteln ruhiggestellt. Bis zum September wurde mehr Personal eingestellt, Bedenken bezüglich der Lebensbedingungen und der Behandlung der Kinder konnten jedoch nicht ausgeräumt werden.

Roma werden weiterhin systematisch beim Zugang zu Wohnungen und Bildung diskriminiert. Im März akzeptierte der EGMR eine Klage wegen Segregation im Schulsystem, die von 140 Roma-Kindern und ihren Eltern vorgebracht wurde. Die griechischen Behörden haben eine Entscheidung des EGMR aus dem Jahr 2008 über schulische Segregation immer noch nicht umgesetzt, die dieselben Familien initiiert hatten.

Großbritannien

Nachdem ein Mann in Nordlondon von der Polizei erschossen worden war, kam es Anfang August in London, Manchester, Liverpool und andernorts zu massiven Unruhen. Diese führten zu fünf Todesfällen und mehr als 3.000 Verhaftungen, auch von Hunderten Kindern. Die Erschießung des Mannes im Norden Londons wird derzeit untersucht.

Gruppen, die sich für eine Reformierung des Strafrechts einsetzen, und ein ehemaliger leitender Staatsanwalt äußerten sich besorgt über einige harte Urteile, auch gegen Kinder, die im Zusammenhang mit den Unruhen stehen. Im Oktober bestätigte ein Berufungsgericht sieben Urteile, darunter auch die massiv kritisierte vierjährige Gefängnisstrafe wegen Aufrufs zum Aufstand via Facebook. Drei andere Urteile wurden abgemildert.

Das UN-Ausschuss zur Beseitigung der Rassendiskriminierung hielt die Regierung im Oktober dazu an, die Ursachen für die Aufstände umfassend zu untersuchen und zu gewährleisten, dass sich die politischen Reaktionen nicht unverhältnismäßig stark auf Minderheiten auswirken.

Im Mai wurde eine Kommission eingesetzt, die den Human Rights Act überprüfen soll, der vielfach von Premier- und Innenminister kritisiert wurde. Ihr Abschlussbericht liegt noch nicht vor.

Im September wurden in Libyen Schriftwechsel zwischen dem britischen Geheimdienst und dem ehemaligen libyschen Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi entdeckt. Sie deuten auf eine britische Beteiligung an Abschiebungen nach Libyen hin und unterstreichen, dass vollständig untersucht werden muss, inwiefern Großbritannien Abschiebungen und Folter unterstützt hat.

Im August kündigten NGOs und Anwälte von Betroffenen ihre Zusammenarbeit mit der zu diesem Zweck eingerichteten Untersuchungskommission auf. Sie gaben an, dass die im Juli von der Regierung beschlossenen, neuen Verfahrensbestimmungen effektive Untersuchungen verhindern. Unter anderen schränken sie die Zeugenbefragung ein und unterwerfen alle Veröffentlichungen der Kontrolle durch die Regierung. Die Untersuchungen haben noch nicht begonnen.

Im Juli bestätigte der Euopräische Gerichtshof für Menschenrechte die extraterritoriale Geltung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Gericht stellte fest, dass Großbritannien einen irakischen Zivilisten mehr als drei Jahre lang willkürlich in einer britischen Haftanstalt im Irak festgehalten und keine unabhängige und effektive Untersuchung des Todes von fünf Irakern durchgeführt hat, die anscheinend von britischen Soldaten getötet wurden.

Nach einer öffentlichen Untersuchung wurde ein britisches Militärregiment im September für schuldig befunden, im Jahr 2003 den Tod des irakischen Zivilisten Baha Mousa in Haft verantwortet zu haben. Er wurde unmenschlich und erniedrigend behandelt und erlitt zahlreiche Verletzungen. Die Untersuchungskommission empfahl wirksame Maßnahmen gegen Praktiken, bei denen Gefangenen der Kopf verhüllt wurde oder sie massivem Stress ausgesetzt wurden. Darüber hinaus forderte die Kommission unabhängige Inspektionen von Haftanstalten an Kriegsschauplätzen. Eine Untersuchung der Anschuldigung, dass bis zu 20 Männer im Jahr 2004 in britischer Haft im Südirak gefoltert und ermordet wurden, hat noch nicht begonnen.

Vier Gesetzesentwürfe zur Terrorismusbekämpfung, die die Regierung im Februar, Mai und September ins Parlament eingebracht hatte, werden derzeit von den Abgeordneten überprüft. Die maximale Haftdauer für Terrorverdächtige vor der Anklageerhebung soll von 28 auf 14 Tage verkürzt werden. Der Menschenrechtsausschuss des Parlaments kritisierte, dass in Ausnahmefällen bis zu 28 Hafttage genehmigt werden können.

Auch Reichweite und Dauer von Kontrollverfügungen sollen begrenzt werden, ebenfalls mit der Möglichkeit, sie unter außergewöhnlichen Umständen erneut auszuweiten. Die Verfahrensgarantien sind weiterhin ungenügend, auch die Nutzung von geheimem Beweismaterial soll beibehalten werden. Das Anhalten und Durchsuchen von Personen, ohne dass ein konkretes Verdachtsmoment vorliegt, soll dauerhaft eingeschränkt werden. Auch hier bleibt die Missbrauchsgefahr bestehen.

Kinder werden weiter mit Familienangehörigen inhaftiert, wenn diese abgeschoben werden sollen, obwohl die Regierung bereits 2010 zusagte, diese Praxis zu beenden.

Italien

In den ersten sieben Monaten des Jahres erreichten mehr als 55.000 Bootsmigranten aus Nordafrika, darunter mindestens 3.700 unbegleitete Kinder, die kleine Mittelmeerinsel Lampedusa. Die Aufnahmezentren waren zeitweise stark überfüllt. Es bestehen weiterhin massive Bedenken bezüglich der Prüfung von Asylanträgen und der Lebensbedingungen dort und anderswo in Italien, insbesondere für Frauen und unbegleitete Kinder. Im September zerstörte ein mutmaßlich von Tunesiern gelegtes Feuer eine Haftanstalt auf der Insel. Daraufhin erklärte die Regierung Lampedusa zu einem unsicheren Hafen. Internationale und nationale Organisationen, auch das Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge und die Parlamentarische Versammlung des Europarats, befürchteten, dass dadurch Hilfsoperationen verzögert werden könnten.

Mindestens 12.000 Tunesier, die vor dem bilateralen Abkommen zwischen Italien und der neuen tunesischen Regierung vom 5. April ankamen, erhielten befristete Visa. Diejenigen, die Italien später erreichten, wurden inhaftiert und warteten auf ihre Abschiebung. Die Verfahren entbehrten ausreichender Schutzgarantien und die Menschen lebten unter schlechten Bedingungen. Nach dem Feuer auf Lampedusa verbrachten Hunderte Migranten bis zu fünf Tage auf Booten, bevor sie in andere Hafteinrichtungen gebracht oder abgeschoben wurden. Im August fing ein italienisches Marineschiff vermutlich rechtswidrig etwa 100 Migranten auf Hoher See ab und brachte sie auf ein tunesisches Schiff.

Alle Migranten, die aus Libyen nach Italien kamen und mehrheitlich aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara stammen, ersuchten um Asyl. Die meisten wurden in speziellen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Im August schätzte das Innenministerium, dass 35 bis 40 Prozent der Asylgesuche stattgegeben werden wird. Die übrigen Flüchtlinge müssen Italien verlassen oder werden zwangsweise abgeschoben.

Im Juni schloss Italien ein Abkommen zur Zusammenarbeit in Einwanderungsfragen mit dem nationalen Übergangsrat in Libyen, der auch die Rückübernahme illegaler Migranten regelt. Derzeit sind keine im Jahr 2011 vorgenommenen Abschiebungen nach Libyen bekannt. Im Juni hörte die Große Kammer des EGMR einen Fall zur Rückführung von 24 Personen nach Libyen im Mai 2009 an. Sie hat bislang jedoch noch kein Urteil gesprochen.

Im September sprach ein Berufungsgericht zwei tunesische Kapitäne von der Anklage frei, ungeachtet italienischer Hoheitsrechte im Jahr 2007 44 Bootsmigranten gerettet und nach Lampedusa gebracht zu haben.

Der EGMR entschied im Mai, dass Italien das Verbot von Abschiebungen bei Foltergefahr verletzt hat, als es Ali Ben Sassi Toumi 2009 entgegen einer gerichtlichen Anordnung nach Tunesien abschob. Das Gericht wies die Rechtfertigung Italiens zurück, diplomatische Zusicherungen Tunesiens hätten die Foltergefahr minimiert.

Im Juli lehnte die Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments einen Gesetzesentwurf ab, der die bestehende Hate Crime-Gesetzgebung auf LGBT-Personen ausgeweitet hätte.

Im Juli äußerte sich der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen sehr besorgt über die Situation von Frauen in Italien. Es wies auf multiple Diskriminierung weiblicher Migranten und Roma hin und betonte, dass diese besonders häufig unter Gewalt litten. Im September äußerte Hammarberg Bedenken über den rassistischen und ausländerfeindlichen politischen Diskurs, der sich besonders gegen Roma und Sinti richtet, und rief die italienischen Behörden auf, wirksame Maßnahmen gegen rassistische Gewalt zu ergreifen. Darüber hinaus kritisierte er weiterbestehende Notstandsverfügungen, die Räumungen von Roma-Siedlungen legitimieren.

Im Oktober äußerte sich der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes besorgt über die Diskriminierung von Roma-Kindern beim Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und einem angemessenen Lebensstandard sowie über Berichte, über Roma und ausländische Kinder im Jugendstrafsystem überrepräsentiert sind.

Niederlande

Im Februar schränkte die Regierung das Recht von Asylsuchenden auf Rechtsmittel ein, durch die Abschiebungen verzögert werden konnten. Im Juli erklärte sie, dass illegale Einwanderer und Personen, deren Asylgesuch abgelehnt wurde, alle Kosten für ihre zwangsweise Abschiebung tragen müssen. Darüber hinaus schränkte sie ihr Recht auf Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung unter bestimmten Umständen ein.

Im August forderte ein Berufungsgericht, türkische Staatsbürger von dem Integrationstest zu befreien, der für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erforderlich ist. Im September erklärte die Regierung, dass türkische Migranten den Integrationstest nicht mehr absolvieren müssen, bevor sie in die Niederlande einwandern.

Im September kündigte die Regierung an, dass sie strengere Auflagen für Familienzusammenführungen einführen, illegalen Aufenthalt mit Bußgeldern oder Gefängnisstrafen ahnden und die Abschiebung von straffälligen Drittstaatenangehörigen vereinfachen werde. Ebenso ist geplant, dass Migrantinnen fünf statt drei Jahre mit ihrem Ehemann verheiratet sein müssen, bevor sie eigenständig um eine Aufenthaltsgenehmigung ersuchen dürfen. Diese Neuregelung könnte Betroffene häuslicher Gewalt davon abhalten, Misshandlungen anzuzeigen. Andererseits sollen Familienangehörige anerkannter Flüchtlinge davon befreit werden, selbst Asylanträge stellen zu müssen. Bislang wurden die Vorschläge noch nicht im Parlament diskutiert.

Während NGOs die im März ergangene Entscheidung der Zentralregierung begrüßten, unbegleitete, minderjährige Migranten nicht mehr zu inhaftieren, kritisierten lokale Behörden den im Juli in Kraft getretenen Beschluss, jedwede finanzielle Unterstützung und Unterbringung dieser Kinder zu beenden, sobald sie 18 Jahre alt werden.

Geert Wilders, der Vorsitzende der Freiheitspartei, wurde im Juni von der Anklage freigesprochen, zum Hass oder zur Diskriminierung von Muslimen, nicht-westlichen Einwanderern und Marokkanern aufgerufen zu haben. Der Staatsanwalt hatte sich dafür ausgesprochen, die Klage mit Verweis auf das Recht auf freie Meinungsäußerung fallen zu lassen. Allerdings scheint die Argumentation EGMR-Urteilen zur Meinungsfreiheit zu widersprechen. Das niederländische Gericht führte an, dass Wilders, weil er Politiker ist, größere Freiheiten als andere genieße, aufrührerische Ideen zu verbreiten.

Polen

Im Mai setzte die Generalstaatsanwaltschaft einen neuen Leiter der Untersuchung ein, die aufklären soll, inwiefern die Regierung CIA-Geheimgefängnisse auf polnischem Boden unterstützt hat. Eine führende Zeitung behauptete, dass diese Neubesetzung politisch motiviert war. Derzeit wird eine Untersuchung durchgeführt.

Ein neues Antidiskriminierungsgesetz trat im Januar in Kraft. Zivilgesellschaftliche Akteure kritisieren, dass sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Behinderung nicht ausreichend geschützt werden. Nach Budgetkürzungen forderte das Büro der Ombudsperson für Bürgerrechte, deren Mandat durch das neue Gesetz erweitert wird, das Gesetz aufzuheben. Es erklärte, dass es seine neuen Aufgaben angesichts der reduzierten Ressourcen nicht gerecht werden könne.

Polen hat weiterhin eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Im Mai entschied der EGMR im Fall RR v. Poland, dass der fehlende Zugang zu pränatalen Untersuchungen und einer legalen Abtreibung eine Verletzung des Verbots grausamer und unmenschlicher Behandlung und des Rechts auf Privat- und Familienleben darstellt. Ein Gesetzesentwurf, der ein vollständiges Abtreibungsverbot vorsah, wurde im August mit knapper Mehrheit vom Parlament zurückgewiesen.

Spanien

Massive Proteste gegen Sparmaßnahmen begannen im Mai, als öffentliche Plätzen in mehreren Städten besetzt wurden. Es liegen glaubwürdige Berichte über unverhältnismäßige Polizeigewalt bei Räumungen in Madrid und andernorts zwischen Mai und August vor. Anschuldigungen wegen übermäßiger Gewaltanwendung trübten auch eine Demonstration gegen den Papst-Besuch in Madrid im August.

Im Juni traten neue Einwanderungsbestimmungen in Kraft, durch die weibliche illegale Einwanderer nicht automatisch abgeschoben werden, wenn sie häusliche Gewalt anzeigen. Die Bestimmungen erleichtern auch Eltern von Kindern mit spanischer Staatsbürgerschaft und unbegleiteten Kindern nach ihrem 18. Geburtstag, Aufenthaltsgenehmigungen zu erhalten. Darüber hinaus soll in Fällen, in denen das Alter eines Migranten unklar ist, davon ausgegangen werden, dass der Betreffende ein Kind ist. Nichtsdestotrotz kritisierte die Ombudsbehörde im September die Altersfeststellung und empfahl, das Verfahren zu reformieren.

Im Februar kritisierte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz erneut die unzureichende Anwendung strafrechtlicher Vorschriften zur Bekämpfung rassistisch motivierter Taten, mangelhafte Daten über Rassismus und Diskriminierung sowie die Polizeifahndung nach ethnischen Kriterien, die sich gegen Migranten richtet. Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung bestätigte diese Bedenken im April. Ein umfangreiches, von der Regierung vorgeschlagenes Antidiskriminierungsgesetz wird derzeit im Parlament diskutiert.

Im März wiederholte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe seine Forderung, die Isolationshaft von Verdächtigen schwerer Verbrechen wie Terrorismus zu reformieren. Häftlinge sollen von Haftbeginn Zugang zu einem Rechtsbeistand haben und das Recht genießen, von einem Arzt ihrer Wahl behandelt zu werden. Im Juli sprach sich auch die Ombudsbehörde dafür aus, die Verfahrensgarantien in Isolationshaft zu verbessern.

Im Dezember 2010 lieferte Spanien den belgisch-Marokkaner Ali Aarrass nach Marokko aus, wo er als Terrorverdächtiger angeklagt ist. Damit widersetzte es sich einer im November ergangenen, verbindlichen Anordnung des UN-Ausschusses gegen Folter, die Auslieferung für den Zeitraum auszusetzen, in dem es den Fall untersucht.

Im Oktober 2011 kündigte die gewaltbereite baskische Separatistengruppe ETA an, ihren bewaffneten Kampf nach 43 Jahren aufzugeben.

Ungarn

Am 1. Januar, als Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, trat ein massiv kritisiertes Mediengesetz in Kraft. Das Gesetz unterminiert die Meinungsfreiheit. Änderungen, die im März verabschiedet wurden, ließen die problematischen Bestimmungen unberührt. Unter anderem bestehen übermäßig weitreichende und vage formulierte Einschränkungen der Medienberichterstattung, deren Verletzung mit hohen Bußgeldern geahndet wird. Auch verfügt eine von der Regierung kontrollierte Medienbehörde über große Regelungskompetenzen.

Im April wurde eine neue Verfassung angenommen, die von der regierenden Fidesz-Partei entworfen wurde. Sie umfasst Artikel, die Frauen, homo- und bisexuelle Menschen, Transgender und behinderte Menschen diskriminieren. Im Juni empfahl die Venedig-Kommission des Europarats Änderungen. Die Verfassung tritt im Januar 2012 in Kraft.

Migranten aus Drittstaaten, die über die Ukraine nach Ungarn gelangen, werden weiterhin abgeschoben, obwohl ihnen in der Ukraine Misshandlung droht. In einigen Fällen wurden in Ungarn vorgebrachte Asylgesuche mutwillig ignoriert. Ein im Dezember 2010 verabschiedetes Gesetz verlängert die maximale Haftzeit für Einwanderer auf bis zu 12 Monate und ermöglicht, Asylsuchende noch länger festzuhalten.

In ländlichen Regionen attackieren und bedrohen Bürgerwehren Roma. Im April evakuierte das ungarische Rote Kreuz 277 Roma aus einer Siedlung, nachdem eine romafeindliche Bürgerwehr angedroht hatte, in der Nähe „militärische“ Trainings durchzuführen. Vier Männer standen im März vor Gericht, weil sie zwischen Juli 2008 und August 2009 sechs Roma getötet und zehn weitere verletzt hatten. Das Urteil steht noch aus.

Während Ungarns universeller regelmäßiger Überprüfung vor dem UN-Menschenrechtsrats im Mai empfahlen zahlreiche Länder Maßnahmen gegen Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung. Sie sprachen sich dafür aus, die Minderheitenrechte vor allem von Roma zu stärken und entschieden gegen Verbrechen auf Grund von Vorurteilen gegen Minderheiten, so genannte Hate Crimes, vorzugehen.