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Rechtsradikale Demonstranten, die gegen die Unterbringung von Asylsuchenden protestieren, auf einer Strasse in Heidenau, Deutschland, 22. August 2015.

Die Liste der Anschläge gegen Asylbewerberunterkünfte in Deutschland ist atemberaubend. Das Bundesinnenministerium meldete für die ersten sechs Monate dieses Jahres 173 Attacken, meistens handelt es sich um Brandstiftungen. Und es hört nicht auf. Fast täglich berichten die Medien über neue fremdenfeindliche Straftaten und Hass-Demonstrationen wie kürzlich im sächsischen Heidenau, wo Rechtsradikale drei Nächte in Folge vor einer Asylunterkunft randalierten, Polizisten mit Flaschen, Steinen und Böllern angriffen.

Die Bundesrepublik gehört zu den Ländern in Europa, die bereitwillig die meisten Asylsuchenden aufnehmen. Allein in diesem Jahr werden es wohl 800.000 Bewerber sein, sagt Bundesinnenminister Thomas de Mazière. Die Kommunen brauchen statt der ursprünglich für dieses Jahr geplanten einer Milliarden Euro nun 12 Milliarden Euro, um die Flüchtlinge menschenwürdig versorgen und unterbringen zu können. Kein Problem, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Man wünscht sich, andere EU-Länder würden auch nur einen Bruchteil eines solchen Engagements zeigen.

Hinzu kommt eine nichtgekannte Solidarität der deutschen Bevölkerung und der Medien. Wohnungen werden vermittelt, Sach- und Geldspenden gesammelt und verteilt.  Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck besuchen öffentlichkeitswirksam Asylunterkünfte und sprechen mit Flüchtlingen. Kommentatoren verfluchen einhellig die Brutalität der rechtsradikalen Angreifer. Und dennoch brennen die Heime. Was läuft schief?

Rechtsradikale und deren Sympathisanten sind keine deutsche Besonderheit. Die gibt es in vielen europäischen Ländern. Allerdings sind die deutschen Behörden traditionell etwas sehschwach, wenn es um rechte Gewalt geht. Zu oft haben Polizei und Justiz rechte Hassattacken auf Ausländer und Schwule als Prügeleien oder Kneipenschlägereien verharmlost. Deswegen ist im Juli ein Gesetz in Kraft getreten, dass „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Motive“ unter ein besonderes, höheres Strafmaß setzt. Das klingt gut, bringt aber so erstmal nicht viel.

Human Rights Watch hat schon im April 2012 an die Justizminister des Bundes und der Länder geschrieben, dass „eine derartige Gesetzesänderung nur dann wirksam (wird), wenn der Schwerpunkt zur Bekämpfung von Hasskriminalität bei Aus- und Weiterbildung für Polizisten, Staatsanwälte und Richter liegt.“

Wir haben damals viel Zuspruch aus Polizeikreisen und Politik erhalten. Ein Gutachten der Deutschen Hochschule der Polizei kam später zu dem gleichen Ergebnis wie Human Rights Watch. Die Tatsache aber, dass Asylbewerberheime in Deutschland weiterhin brennen zeigt, dass sie entweder gar nicht oder schlecht bewacht werden, dass rechtsextreme Gewalt weiterhin nicht adäquat bekämpft wird, dass es also immer noch an der gebotenen Sensibilität der Sicherheitsbehörden mangelt wenn es um rechtsextreme Verbrechen geht. Deutschland hat da noch viel nachzuholen – und zwar schnell.

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