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Deutschland/Aserbaidschan: Merkel soll von Aliyev Wahrung der Menschenrechte einfordern

Die ersten Europaspiele bieten Chance, zu Unrecht inhaftierte Aktivisten freizulassen

(Berlin) - Bundeskanzlerin Angela Merkel soll den aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev auffordern, zu Unrecht inhaftierte führende Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und andere Regierungskritiker freizulassen, so Human Rights Watch. Merkel trifft Aliyev am 21. Januar 2015 in Berlin, um über die bilateralen Beziehungen, Energiepolitik und andere Themen zu sprechen.

Mit zunehmender Härte geht Aserbaidschan gegen kritische Stimmen vor: Die Behörden inhaftierten allein im Jahr 2014  mehr als 30 Regierungskritiker. Das Land hat auch gesetzliche Änderungen und weitere reskritive Maßnahmen verabschiedet, die nahezu jeglichen Spielraum für unabhängige Gruppen aufheben.

„Merkel soll die Chance nicht verpassen, den aserbaidschanischen Präsidenten öffentlich wie auch hinter geschlossenen Türen zu drängen, den Angriff auf die Menschenrechte zu stoppen“,  sagte Hugh Williamson, Leiter der Abteilung Europa und Zentralasien von Human Rights Watch. „Die Vorwürfe gegen diese Aktivisten sind politisch motiviert. Frau Merkel kann hier etwas bewirken und deren Freiheit sichern.“

In den letzten Jahren hat die aserbaidschanische Regierung immer wieder fingierte Tatvorwürfe, wie den Besitz von Betäubungsmitteln und Waffen, Steuerhinterziehung, Hooliganismus, Aufhetzung und sogar Landesverrat, verwendet, um mindestens 34 Menschenrechtsverteidiger, politische und zivile Aktivisten, Journalisten und Blogger zu verurteilen oder zu inhaftieren. Andere verließen deshalb das Land oder sind in den Untergrund gegangen.

Im Rahmen von laufenden polizeilichen Untersuchungen gegen ausländische Geldgeber haben auf Erlass der Staatsanwaltschaft Gerichte die Bankkonten von mindestens 50 Nichtregierungsorgansationen, in einigen Fällen auch von deren Mitarbeitern, eingefroren. Dadurch wurden mindestens drei der etabliertesten Menschenrechtsorganisationen des Landes gezwungen, ihre Arbeit einzustellen, und auch viele andere Organisationen mussten ihre Tätigkeit beenden.

Vor dem Hintergrund des zunehmend harten Vorgehens gegenüber kritischen Stimmen bereitet sich Aserbaidschan auf die Ausrichtung der ersten Europaspiele vor, eine große Sportveranstaltung, die das internationale Ansehen des Landes steigern soll. Der Wettbewerb in verschiedenen Disziplinen, der vom 12. bis 28. Juni in Baku stattfindet, wird zum ersten Mal überhaupt veranstaltet - mit dabei sind viele Nationalmannschaften aus europäischen Ländern.

Frau Merkel soll deutlich machen, dass Deutschland keine hochrangige Regierungsdelegation zu den Europaspiele sendet, wenn die inhaftierten Aktivisten nicht freikommen.

Unter anderem soll Frau Merkel die sofortige Freilassung folgender Personen einfordern:

  • Leyla Yunus, Direktorin des Instituts für Freiheit und Demokratie, sowie ihres Ehemanns, Arif Yunus, ein bekannter Historiker, der wegen Landesverrats, Steuerhinterziehung und illegalem Unternehmertums angeklagt wurde. Weder Leyla noch Arif wurden seit ihrer Verhaftung Anfang August verhört, was den repressiven Charakter ihrer Festnahme deutlich macht.
  • Rasul Jafarov, Direktor des Menschenrechtsclubs, und Intigam Aliyev, Leiter der „Gesellschaft für rechtliche Bildung“. Beide wurden im August festgenommen und der Steuerhinterziehung, des illegalem Unternehmertums und des Amtsmissbrauchs beschuldigt. Intigam Aliyev’s Verein hatte Hunderten Menschen aus Aserbaidschanern geholfen, Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einzulegen. Rasul Jafarov führte mehrere kritische Kampagnen gegen politisch motiverte Verfolgung in Aserbaidschan an, darunter die Kampagne „Sing for Democracy“ im Vorfeld des Eurovision Song Contest im Mai 2012.
  • Khadija Ismayilova, Aserbaidschans bekannteste investigative Journalistin, die ausführlich über Korruption auf höchster Regierungsebene berichtet hatte, wurde am 5. Dezember 2014 verhaftet. Sie ist in Untersuchungshaft, während Ermittlungen zu fragwürdigen Anschuldigungen laufen. Sie soll angeblich ihren Exfreund zu einem Selbstmordversuch getrieben haben. In den letzten Jahren wurde sie häufig von den Behörden schikaniert. Sie arbeitete für das Programm Radio Free Europe/Radio Liberty, das im Dezember von der Staatsanwaltschaft durchsucht und geschlossen wurde.
  • Anar Mammadli, Vorsitzender des „Zentrums für Wahlbeobachtung und Demokratiestudien“, eine unabhängige Gruppe zur Überwachung von Wahlen, wurde im Mai 2014 zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Er wurde der Steuerhinterziehung und des Amtsbissbrauchs beschuldigt. Das Zentrum hatte im Okotber 2013 die Präsidentschaftswahl überwacht und war zum dem Schluss gekommen, dass diese weder frei noch fair abgelaufen war.
  • Ilgar Mammadov, ein bekannter politischer Analytiker und Oppositionsführer, wurde im März 2014 zu sieben Jahren Haft veruteilt, wegen der fragwürdigen Anklage der Anstiftung von Gewalt. Im Mai hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass die Behörden Mammadov verhaftet haben, um ihn zum Schweigen zu bringen oder ihn wegen seiner Kritik an der Regierung zu bestrafen. Er ist weiterhin inhaftiert.

„Präsident Aliyev sucht größere Legimität, indem er weltweit führende Persönlichkeiten trifft und große Sportveranstaltungen ausrichtet,“ sagte Williamson. „Frau Merkel soll die klare Botschaft vermitteln, dass engere politische wie auch wirtschaftliche Beziehungen mit Europa nur dann möglich sind, wenn die zu Unrecht inhaftierten Journalisten und Menschenrechtler freigelassen und grundlegende Menschenrechte geachtet werden.“ 

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