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(New York) – Die Verleihung des Friedensnobelpreises 2014 an die 17-jährige Aktivistin Malala Yousafzai ehrt Schüler und Schülerinnen weltweit, die große Risiken auf sich nehmen, um trotz vieler Widrigkeiten und Konflikte lernen zu können. Yousafzai setzt sich beharrlich für die Rechte von Kindern, insbesondere von Mädchen, ein, damit diese eine gute Ausbildung frei von Diskriminierung und Angst erhalten.

Yousafzai teilt sich die Auszeichnung mit dem indischen Kinderrechtsaktivisten Kailash Satyarthi, der eine globale Bewegung gegen Kinderarbeit aufgebaut hat. Satyarthi und seine Mitstreiter haben Tausende Kinder vor Ausbeutung und Menschenhandel gerettet. Seit Jahrzehnten setzt sich Satyarthi für ein Ende der Kinderarbeit, insbesondere der Zwangsarbeit, in Indien ein. Die Verleihung des Preises an Satyarthi und Yousafzai lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit darauf, wie schwierig es auf dem Subkontinent ist, Kinderrechte und Kinderschutz zu verwirklichen.  

Am 9. Dezember 2012 wurde auf Yousafzai geschossen, als sie in Swat in Pakistan im Bus von der Schule saß. Yousafzai wurde hierbei schwer verletzt. Die militante islamistische Gruppierung Tehreek-e-Taliban Pakistan bekannte sich zu dem Anschlag. Im September 2014 gab die pakistanische Armee bekannt, dass zehn Mitglieder einer militanten Gruppe im Zusammenhang mit dem Anschlag verhaftet worden seien.

„Als jüngste Friedensnobelpreisträgerin ist Malala Yousafzai eine Symbolfigur für die Herausforderungen, vor denen Schüler in Konflikt- und Kriegsgebieten stehen“, so Bede Sheppard, stellvertretender Direktor der Kinderrechtsabteilung von Human Rights Watch. „Die Auszeichnung für Malala Yousafzai und Kailash Satyarthi durch das Nobelpreiskomittee soll uns darin bestärken, allen Kindern, egal wo auf der Welt, einen sicheren Schulbesuch zu ermöglichen.“

Im Jahr 2012, in dem auf Yousafzai geschossen wurde, griffen Regierungstruppen und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen in mindestens 22 Ländern Schüler, Lehrer und Schulen an. Zu den betroffenen Ländern zählen Syrien, Nigeria und Thailand. In einigen Fällen griffen bewaffnete Gruppen gezielt Lehrer und Schulen an, da diese für sie Symbole der jeweiligen Regierung darstellten. In anderen Fällen richteten sich die Angriffe gegen die Lerninhalte oder die Lehrkräfte selbst. 

Schüler, Lehrer und Schulen sind auch in Gefahr, wenn nationale Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen Schulen in Konflikten zu militärischen Zwecken nutzen - als Kasernen, Stützpunkte, Waffenlager, Gefängnisse oder für die Ausbildung der Soldaten. Schülern bleibt der Zugang zu Bildung vollständig verwehrt oder sie werden von den militärischen Aktivitäten um sie herum abgelenkt oder eingeschüchtert, sodass sie nicht mehr zur Schule gehen. Besonders Mädchen sind davon betroffen, wenn Eltern sie zuhause behalten, weil sie eine reale oder gefühlte Gefahr wahrnehmen, ihre Töchter könnten Opfer von sexueller Belästigung durch die Soldaten werden. Von Kämpfern besetzte Schulen werden von der gegnerischen Seite angegriffen. In einigen Fällen wurden dabei bereits Schüler, die ins Kreuzfeuer gerieten, getötet.  

In ihrer 2013 erschienenen Autobiografie „Ich bin Malala” beschreibt Yousafzai, wie sie entdeckte, dass eine von ihrem Vater geleitete Schule von pakistanischen Streitkräften besetzt worden war, während sie und ihre Familie von den Kämpfen in und um ihren Heimatort vertrieben wurden:  

„Überall auf dem Boden lagen Zigarettenkippen und leere Essensverpackungen. Stühle waren umgeworfen und überall herrschte Chaos. Überall waren Anti-Taliban-Parolen an die Wände gekritzelt worden. Jemand hatte ARMY ZINDABAD (Lang lebe die Armee) mit Permanentmarker auf eine Tafel geschrieben ... Patronenhülsen lagen überall auf dem Boden. Die Soldaten hatten ein Loch in die Wand gemacht, durch das man die Stadt sehen konnte. Vielleicht haben sie durch dieses Loch sogar auf Menschen geschossen. Mir tat es in der Seele weh, zu sehen, dass unsere geliebte Schule zu einem Schlachtfeld geworden war.“

Die Dokumentation „Class Dismissed: Malala’s Story” aus dem Jahr 2009 unterstreicht dieses Problem ebenfalls. Als sie einen Journalisten durch das Schulgebäude führte, erklärte Yousafzai: „Das ist der Mathematikraum. Aber dort wird nicht mehr unterrichtet, nun ist es ein Armeebunker.“ Auch sagte sie: „Ich war sehr stolz auf meine Armee, darauf, dass die Armee uns beschützt. Aber wenn ich meine Schule so sehe, dann schäme ich mich für die Armee.“

In zahlreichen bewaffneten Konflikten hat Human Rights Watch Untersuchungen und strafrechtliche Ermittlungen gegen jene gefordert, die unrechtmäßige Anschläge auf Schüler, Lehrer und Schulen verübt haben. Die Schüler, die durch einen bewaffneten Konflikt vom Lernen abgehalten werden, sollen so schnell wie möglich wieder Zugang zu Bildungseinrichtungen bekommen. Auch sollen sie, wenn nötig, psychosoziale Unterstützung erhalten. Beschädigte und zerstörte Schulen sollen so schnell wie möglich wiederaufgebaut werden, sodass Schüler sicher in sie zurückkehren können.

Human Rights Watch fordert, dass Mädchen und Jungen in bewaffneten Konflikte und in der Zeit nach solchen Konflikten die gleichen Bildungschancen erhalten. Die verantwortlichen Regierungen sollen Unterbrechungen des Schulbetriebs möglichst unterbinden und die seit langem existierenden Hindernisse zum Zugang zu Bildung für Kinder in Konfliktgebieten abbauen. Dabei handelt es sich unter anderem um die Diskriminierung von Mädchen, die ihnen den Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehren. Hierzu zählen Kinderehen, sexuelle Belästigung in der Schule und der Mangel an angemessenen sanitären Einrichtungen.    

Alle nationalen Streitkräfte und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen dürfen Schulen nicht länger militärisch nutzen. Gemäß der Resolution 2143 des UN-Sicherheitsrats vom März 2014 sollen Regierungen konkrete Maßnahmen entwickeln, um die militärische Nutzung von Schulen zu verhindern. Eine dieser Maßnahmen besteht darin, sich Norwegen und 28 weiteren Staaten anzuschließen und die Lucens-Guidelines zum Schutz von Schulen und Universitäten vor militärischer Nutzung in bewaffneten Konflikten zu unterstützen. Auch sollen sich die vorgesehenen Schutzmaßnahmen in der jeweiligen nationalen Militärpolitik und –doktrin widerspiegeln.   

Die Auszeichnung Satyarthis wird auch die Lücken deutlich machen, die bei der Durchsetzung von Indiens ambitioniertem Recht auf Bildung bestehen. Es sieht eine kostenlose und obligatorische Schulbildung für alle Kinder bis 14 Jahre vor. Die Zahl der Neuanmeldungen in Schulen ist zwar sprunghaft angestiegen, jedoch besteht die große Herausforderung darin, die Kinder in der Schule zu behalten, da viele die Schulen wieder vorzeitig verlassen, teilweise weil sie in ihrer Klasse diskriminiert werden. Viele Kinder in Indien und anderen Ländern arbeiten, anstatt eine wirkliche Kindheit zu erleben.

„Weltweit riskieren zu viele Kinder ihr Leben, um Bildung zu erhalten”, so Sheppard. „Dieser Preis zeichnet zwei Aktivisten aus. Er zeugt jedoch auch von der Stärke von Kindern auf der ganzen Welt, die für ihr Recht kämpfen, ohne Angst lernen und studieren zu können.“

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