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Wenn sich deutsche Unternehmen am 6. November in Frankfurt treffen, um über Geschäftsperspektiven in Katar zu beraten, müssen die Menschenrechte auf der Tagesordnung stehen. Das Unvermögen des Golfstaats, Menschenrechtsverletzungen gegen Arbeitsmigranten zu verhindern, ist durch die internationalen Medien gegangen und hat dem Land heftige Schelte eingebracht. Doch auch deutsche Unternehmen könnten bald in den Mittelpunkt der Kritik geraten.

Schon im Juni 2012 hat Human Rights Watch einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen, insbesondere Zwangsarbeit, im katarischen Bausektor veröffentlicht. Die Arbeiter beklagten ein breites Spektrum von Missständen, wie nicht ausbezahlte Löhne, unrechtmäßige Lohnabzüge, überfüllte und unhygienische Unterkünfte und gefährliche Arbeitsbedingungen. Andere Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaftsverbände äußerten sich ähnlich kritisch.

Tatsächlich sollten deutsche Unternehmen, die sich um Aufträge in Katar bemühen, alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Risiken ihres Engagements zu minimieren. Anderenfalls droht ein gewaltiger Imageschaden. Auch ist den Unternehmern bestimmt nicht entgangen, dass erst kürzlich britische Rechtsanwälte nach Katar reisten, um festzustellen, inwieweit britische Firmen für dort verübte Menschenrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können.

Was können deutsche Unternehmen also tun? Den besten Schutz bieten zunächst kurzfristige Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die gesamte Wertschöpfungskette frei von Arbeitsrechtsverletzungen ist. Selbstverpflichtungen wie der jüngst verabschiedete Verhaltenskodex der quasi-staatlichen Qatar Foundation können zwar die Einhaltung von Mindeststandards nicht garantieren und sollten nicht als Ersatz für eine staatliche Regulierung betrachtet werden. Sie sind jedoch ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Langfristig sollten Bauunternehmer die katarischen Partner dazu drängen, das derzeitige System, welches Zwangsarbeit begünstigt, zu reformieren. Sie sollten zudem mehr Unterstützung von Seiten der FIFA einfordern, deren Direktor Joseph Blatter die Verantwortung offenbar lieber auf die Unternehmen und die katarische Regierung abschiebt, als sich der eigenen Verantwortung zu stellen.

Anhaltender Druck auf die FIFA ist also nötig. Der Verband muss auf einen konkreten Zeitplan für Arbeitsrechtsreformen in Katar bestehen, der die grundlegenden Rechte aller Arbeitsmigranten schützt – nicht nur derer, die bei den WM-Bauprojekten beschäftigt sind. Der Fußballweltverband könnte den katarischen Behörden auch technisch-medizische Unterstützung anbieten, um gegen die offenbar hitzebedingten Todesfälle auf WM-Baustellen vorzugehen. Zudem soll sich die FIFA auch für eine Abschaffung der Ausreisevisa einsetzen, durch welche die Ausreise eines Arbeitnehmers nur mit Einverständnis des Arbeitgebers erlaubt ist. Während der Fall des französischen Fußballers Zahir Belounis, der ebenfalls in die Fänge dieses Systems geriet, öffentlich bekannt wurde, erhalten die Schicksale gewöhnlicher Arbeitsmigranten kaum Aufmerksamkeit.

All diese Probleme erfordern mutige Schritte auf höchster Ebene. Scheich Tamim, Katars neuer Emir, kann nur davon profitieren, dass er Arbeitnehmerrechte zur Chefsache erklärt. Nach der Kontroverse über die Vergabe der Fußball-WM 2022 befindet sich Katar nun unter genauer Beobachtung und erheblichem Druck. Dies lässt handfeste Arbeitsrechtsreformen in greifbare Nähe rücken und sollte deutsche Unternehmer – auch im eigenen Interesse – ermutigen, ihren Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu leisten – und zwar nachhaltig, über die Zeit der WM hinaus.

Wenzel Michalski ist Deutschland-Direktor von Human Rights Watch

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