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(Beirut) –  Das Parlament von Bahrain hat auf einer Sondersitzung am 28. Juli 2013 eine Reihe von Sofortmaßnahmen gefordert, wodurch grundlegende Rechte erheblich eingeschränkt würden. Dadurch würde den Behörden übermäßig breite Vollmachten eingeräumt und sie könnten etwa die Versammlungs- und Redefreiheit willkürlich einschränken.

Innenminister  Raschid bin Abdulla al-Kalifa erklärte, das Treffen sei einberufen worden, um „die gesetzlichen Strafen zum Schutz der Allgemeinheit vor Terrorakten zu verschärfen“. Am 29. Juli wies König Hamad den Premierminister an, die Empfehlungen schnellstmöglich gesetzlich festzuschreiben. Regierungskritische Organisationen erklärten gegenüber Human Rights Watch, die Regierung überzeichne die Bedrohung, die von terroristischen Aktivitäten ausgehe, um vor den geplanten Demonstrationen am 14. August neue Razzien zu rechtfertigen.

„Bahrain schlägt seit zwei Jahren friedliche Proteste nieder und verletzt die Rechte seiner Bevölkerung ohne Unterlass“, so Nadim Houry, stellvertreneder Direktor der Abteilung Naher Osten und Nordafrika von Human Rights Watch. „Nun plant das Land eine Reihe neuer drakonischer Einschränkungen, die de facto wieder den Ausnahmezustand verhängen würden. Derweil sitzen die Teilnehmer der letzten Welle friedlicher Proteste noch immer hinter Gitter und leisten langjährige Haftstrafen ab.“

Das Parlament sprach 22 Empfehlungen aus, in denen es unter anderem neue Einschränkungen der Meinungsfreiheit und ein unbefristetes Verbot öffentlicher Versammlungen in der Hauptstadt Manama fordert. Die Parlamentarier riefen die Behörden auf, Personen, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden, die bahrainische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Sie schlugen zudem vor, den „Nationalen Sicherheitszustand“ auszurufen, um „Sicherheit und Frieden für die Bürger durchzusetzen“.

Zuvor hatte die bahrainische Regierung am 15. März 2011, nur einen Monat nach Beginn der Maßendemonstrationen gegen die Regierung am 14. Februar, ein neues Nationales Sicherheitsgesetz verabschiedet. Dieses gestatte die Einrichtung sogenannter Nationaler Sicherheitsgerichte, die den Recherchen von Human Rights Watch zufolge grundlegende Verfahrensrechte weder achteten noch schützten. Das Nationale Sicherheitsgesetz gewährte dem Oberbefehlshaber der bahrainischen Streitkräfte zudem weitgehende Befugnisse, verschiedenste Verhaltensregeln zu erlassen und diese wie geltende Gesetze durchzusetzen. Die Gültigkeit des Notstandsgesetzes endete am 1. Juni 2011

In seiner „Empfehlung 2“ empfahl das Parlament den Behörden, Personen, „die terroristische Verbrechen begehen oder anstiften“, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Die würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass regierungskritische Bahrainer, die in unfairen Verfahren wegen Terrorvorwürfen verurteilt werden, willkürlich ihre Staatsbürgerschaft verlieren.

Sollten die Empfehlungen des Parlaments rechtskräftig werden, würde das Recht auf friedliche Versammlung in Manama unbefristet aufgehoben und die freie Meinungsäußerung könnte erheblichen Einschränkungen unterworfen werden. „Empfehlung 6“ fordert ein Verbot sämtlicher „Sit-Ins, Kundgebungen und Versammlungen in der Hauptstadt Manama“. Die unklar formulierte Empfehlung 16 besagt, die Maßnahmen der Regierung beträfen „grundlegende Freiheiten, insbesondere die Meinungsfreiheit“ und sollten „eine Balance zwischen Gesetzesvollzug und Menschenrechtsschutz finden“.

„Die Parallelen mit den Protesten im Jahr 2011 und der überzogenen Reaktion der Regierung geben großen Anlass zur Sorge“, so Houry. „Das immer strengere Vorgehen gegen Menschen, die legitime Beschwerden vorbringen, wird nur weitere Unzufriedenheit säen und zu einer Eskalation der ohnehin angespannten Lage führen.“

Derzeit müssen sich 50 Personen vor Gericht verantworten, denen angelastet wird, die „14.-Februar-Gruppe“, eine lose und informelle Gruppierung, welche von den Behörden mit Gewaltakten in Verbindung gebracht wird, „illegal aufgebaut und betrieben“ zu haben und „an Gewaltakten gegen Personen und Güter der staatlichen Sicherheit teilgenommen“ oder in der der Gruppe „mitgewirkt“ zu haben.

Dreizehn der 50 Angeklagten befinden sich in Haft. Den von Human Rights Watch gesichteten Gerichtsunterlagen zufolge konnten die übrigen sich entweder einer Verhaftung entziehen oder das Land verlassen. Laut der Gerichtsakten haben neun der 13 Inhaftierten die Anschuldigungen, welche die Polizei bei den Verhören während ihrer Untersuchungshaft vorbrachte, entweder „gestanden“ oder „bestätigt“.

Zu den Beschuldigten gehört auch Naji Fateel, der mutmaßliche Anführer und Gründer der 14.-Februar-Gruppe. Fateel beschuldigt die Polizei, ihn nach seiner Festnahme am 2. Mai 2013 gefoltert zu haben. Um weiterer Folter zu entgehen habe er daraufhin ein “Geständnis” unterschrieben, so Fateel weiter.

Fateel war bereits im Juli 2008 wegen Zerstörung von Polizeibesitz und Diebstahls einer Waffe verurteilt worden. Nach einem Gerichtsverfahren, das internationalen Standards in keinster Weise genügte, wurde Fateel zu fünf Jahren Haft verurteilt, jedoch bereits nach neun Monaten freigelassen.

Am 23. Juli 2013 berichten lokale Medien, dass einer der Angeklagten, Ali Mohammed Ashoor, der „Extremistengruppe Al-Aschtar-Brigade“ angehöre, die sich angeblich zu dem Attentat in Riffa am 17. Juli bekannt hatte. Dort war eine Autobombe in der Nähe einer sunnitischen Moschee explodiert, es gab jedoch weder Tote noch Verletzte.

Der Entzug der Staatsbürgerschaft auf der Grundlage eines unfairen Gerichtsverfahrens wäre eine Verletzung der Rechte, die bahrainischen Bürgern im Rahmen des Völkerrechts zustehen. Artikel 15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die gemeinhin als internationales Gewohnheitsrecht betrachtet wird, besagt dass jeder das Recht auf eine Staatsangehörigkeit hat und niemandem willkürlich seine Staatsbürgerschaft entzogen werden darf. Unrechtmäßige Abschiebungen verletzen auch andere Rechte, etwa das Recht auf Schutz vor Eingriffen in das Familienleben nach Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den Bahrain ratifiziert hat.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Bahrain im Jahr 2006 ratifiziert hat, erlaubt Einschränkungen gewisser Rechte für die Dauer eines öffentlich ausgerufenen Notstands, welcher „das Leben der Nation bedroht“. Der Pakt verpflichtet die Vertragsstaaten, einen solchen Notstand öffentlich auszurufen und zu gewährleisten, dass grundlegende Rechte nur übergangsweise und ausschließlich dann eingeschränkt werden, wenn dies aufgrund der Erfordernisse der Situation absolut notwendig ist. Obwohl die bahrainische Regierung seit längerem mit inneren Unruhen konfrontiert ist, ist es zweifelhaft, ob dies einem Notstand gleichkommt, der „das Leben der Nation bedroht“.

Zudem erscheinen die durch das Parlament gebilligten Maßnahmen weder angemessen noch verhältnismäßig, insbesondere weil sie praktisch jede Möglichkeit zur Ausübung des Recht auf friedliche Versammlung unterbinden. Auch legt die jüngere Geschichte Bahrains nahe, dass ein neues Nationales Sicherheitsgesetz den Weg für ein noch härteres Vorgehen der Regierung  gegen Kritiker ebnen wird und Menschen, die ihr Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit ausüben, mit harten Strafen rechnen müssen.

Die im Jahr 2011 eingeführten Nationalen Sicherheitsgerichte missachten nicht nur grundlegende internationale Menschenrechtsstandards, sondern auch Bestimmungen des bahrainischen Strafrechts. Human Rights Watch dokumentierte Defizite bei der Kompetenz, Unabhängigkeit und Objektivität der Tribunale, die offenbar als vorrangiges Vehikel für Inhaftierungen wegen der Ausübung von Grundrechten wie Rede-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit dienen.

Nach internationalem Recht dürfen Staaten keinen öffentlichen Notstand ausrufen, um Rechte willkürlich einzuschränken und unzulässige Inhaftierungen durchzuführen. Zudem müsen sie faire Gerichtsverfahren garantieren, wozu auch die Unschuldsvermutung gehört. Wenn Personen im Rahmen eines berechtigten Notstands in Administrativhaft festgehalten werden, so müssen sie nach ihrer Verhaftung rasch einem Vertreter der Justiz vorgeführt und über die Gründe ihrer Verhaftung informiert werden sowie Zugang zu Angehörigen und zu einem Rechtsbeistand erhalten. Auch sollen sie die Möglichkeit erhalten, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung in einer fairen Anhörung anzufechten und im Falle von Misshandlung oder willkürlicher Freiheitsberaubung Entschädigung zu fordern. Bestimmte grundlegende Rechte – etwa das Recht auf Leben, das Recht auf Schutz vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder ernierdrigender Behandlung oder Bestrafung – dürfen niemals eingeschränkt werden, auch nicht während eines öffentlichen Notstands.

„Die Regierung spricht viel über die Notwendigkeit der nationalen Aussöhnung, doch ihre Taten sprechen eine andere Sprache: Sie versucht, mit neuen rigorosen Maßnahmen, legitimen Protest zu unterdrücken, und gefährdet so die Aussicht auf einen erfolgreichen Dialog“, so Houry.

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